IONOS ist mit mehr als acht Millionen Kund:innenverträgen und zwölf Millionen verwalteten Domains der führende europäische Anbieter von Hosting-Dienstleistungen, Cloud-Services und -Infrastruktur. Hervorgegangen ist IONOS aus einem Zusammenschluss von 1&1 Internet und dem Berliner IssA-Anbieter ProfitBricks, zusammen mit 1&1 ist IONOS Teil der börsennotierten United Internet AG. Inzwischen ist das Unternehmen an 15 Standorten in neun Ländern rund um den Globus aktiv. Seine digitalen Lösungen verknüpft IONOS mit einer persönlichen Beratung, die rund um die Uhr erreichbar ist.
Im Fireside Chat mit Schahab Hosseiny berichtet Arthur Mai, Chief Marketing Officer und Vorstandsmitglied bei IONOS, von der Entstehungsgeschichte seines Arbeitgebers, den besten Marketing-Lösungen, dem europäischen und internationalen Wettbewerb und der Bedeutung von Webseiten-Baukasten-Systemen.
IONOS‘ Arthur Mai über Marketing-Lösungen und Website-Baukasten-Systeme
Geformt aus der Webhosting-Rippe der 1&1 AG
Mario Rose: Ich möchte ganz herzlich Arthur Mai von IONOS bei uns im Studio begrüßen. Schönen guten Morgen und schön, dass du bei uns bist, Arthur.
Arthur Mai: Schönen guten Tag. Schön, dass ich hier sein darf. Ich freue mich.
Mario Rose: Wie geht es dir und von wo bist du heute angereist?
Arthur Mai: Mir geht es sehr gut. Ich bin hauptsächlich Berliner (ich habe noch eine Zweitwohnung in Karlsruhe) und bin auch aus Berlin angereist.
Mario Rose: Das ist im Vergleich zu Karlsruhe sicherlich eine gute Entscheidung gewesen. Sehr schön. Arthur, du bist gleich der Gesprächspartner von meinem Kollegen Schahab, deswegen ist er auch schon auf der Bühne. Bevor ihr in euren Talk einsteigt, möchte ich dich kurz der OMKB-Community vorstellen. Seit März 2020 bist Du Chief Marketing Officer (CMO) und im Vorstand bei der IONOS. In deinem Lebenslauf findet man aber noch weitere spannende Stationen als digitaler Marketing-Spezialist. Du warst unter anderem Geschäftsführer bei der Preis.de GmbH und CMO bei der Idealo Internet GmbH. Zudem warst du einige Jahre lang als Interim CMO bei der Project A Ventures aktiv und vorher Online-Marketing Consultant and Product Manager und Head of Conversion Optimization and SEO bei der The Reach Group GmbH. Außerdem warst du geschäftsführender Gesellschafter bei der Effektiv Online-Marketing GmbH und als SEO Consultant bei der ABAKUS Internet Marketing GmbH.
Du hast dich also dem digitalen Marketing, dem SEO, aber natürlich auch den allgemeinen Marketing-Themen verschrieben und bist schon seit vielen Jahren in unserer Branche aktiv. Seit 2013 bist du darüber hinaus im Expertenbeirat des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft e. V. (BVDW). Ich habe herausgefunden, dass du drei Sprachen sprichst – Englisch, Deutsch und Spanisch – da haben wir etwas gemeinsam. Zuletzt warst du 2021 beim Formel-1-Rennen in Monza, das ist bestimmt ein spannendes Erlebnis gewesen. Soweit ich weiß, war IONOS dort unter anderem als Partner beim Team Uralkali Haas F1 aktiv.
Arthur Mai: Exakt, ja.
Mario Rose: Sehr schön. Dann gebe ich der Community noch ein paar Details zu IONOS auf den Weg. IONOS ist ein deutscher Internetdienst-Anbieter mit Web-Hosting und DSL-Produkten, der aus einem Zusammenschluss der Unternehmen 1&1 Internet und ProfitBricks entstanden ist. Die IONOS ist Teil der United Internet AG und gilt als leistungsfähige europäische Cloud-Alternative. Zu ihren Technologie-Partnern gehört unter anderem Intel, mittlerweile hat sie außerdem mehr als acht Millionen Kund:innen gewinnen können. Und wie gesagt sind sie Partner des Haas-Formel 1-Teams, für das unter anderem Mick Schumacher fährt. Wie war es denn in Monza? Hat es Spaß gemacht?
Arthur Mai: Es war sehr spannend. Ich habe dort Mick Schumacher und Günther Steiner das erste Mal persönlich getroffen. Mit den Kolleg:innen haben wir vorher schon Gespräche geführt und vor Ort waren sie genauso authentisch. Wir durften zudem das Formel 1-Team im Backstage begleiten. Das ist ein sehr interessanter, strukturierter, auf Performance fokussierter Bereich und insgesamt einfach beeindruckend.
Mario Rose: Im Hinblick auf die Tech- und Performance-Orientierung hast du sicherlich ein paar Parallelen zu IONOS entdeckt. Das ist eine gute Überleitung, obwohl ich mich noch länger mit dir über Formel 1 unterhalten könnte. Schahab, du hast aber bestimmt noch das eine oder andere spannendere Thema im Gepäck, insofern entschwinde ich jetzt aus eurer Mitte. Viel Spaß im Fireside Chat.
Schahab Hosseiny: Vielen Dank, Mario. Fairerweise muss ich sagen, dass ich nicht die größte Affinität für Formel 1 habe, deshalb könnte ich dieses Gespräch auch gar nicht fortführen. Arthur, erst einmal herzlich willkommen bei uns auf der Bühne. Schön, dass du da bist. Ich freue mich gewaltig, die nächsten 45 Minuten mit dir ins Sparring gehen zu dürfen. Lass uns mit IONOS anfangen, denn das ist ein Begriff, der vielen Zuschauer:innen vielleicht noch nicht bekannt ist. Kannst du noch mehr von dem Unternehmen IONOS und seiner Größe erzählen? Der Presse kann man entnehmen, dass ihr inzwischen eine gewaltige Größe erreicht habt und einen stattlichen Umsatz von 1 Milliarde Euro macht. Ihr habt eine große Marketing-Unit, zu der ich gleich noch intensiver mit dir einsteigen würde. Aber erkläre bitte erst einmal, wer ihr überhaupt seid und warum ihr so groß seid.
Arthur Mai: Sehr gerne, das ist eine gute Frage. IONOS ist tatsächlich erst im Jahr 2019 aus der 1&1 entstanden. Die 1&1 hat schon sehr früh mit dem Thema Web-Hosting angefangen und dort gab es bereits immer die Mobilfunk- und DSL-Sparte. Die Hosting-Sparte hat sich losgelöst und wurde mit der Zeit zu IONOS. Erst hießen wir 1&1 Ionos, dann IONOS by 1&1 und jetzt sind wir eigenständig als IONOS auf dem Markt unterwegs. Dadurch sind wir mit einem riesigen Kundenbestand ausgestattet und wir haben vor allem in den letzten Jahren auch viel M&A betrieben.
Die IONOS ist eine eigene Marke, aber zur IONOS-Gruppe gehören weitere Unternehmen wie die Strato, united-domains, Sedo und die InterNetX. Zudem haben wir mit home.pl den Marktführer in Polen und mit Fasthosts den Marktführer in Großbritannien gekauft, in Spanien war es Arsys und so weiter. Dadurch haben wir uns ein gutes Portfolio an Hosting-Unternehmen angeschafft und sind damit Europas größter Hoster und Cloud-Anbieter.
Schahab Hosseiny: Wow, durch die M&A-Aktivitäten seid ihr inzwischen also in Europa die Nummer Eins.
Arthur Mai: Genau, wir sind der größte Anbieter aus Europa.
Schahab Hosseiny: Okay. Arthur, du bist bei der IONOS im Vorstand und fokussierst dich unter anderem auf das Thema Marketing. Mario hat schon erwähnt, dass du im Hinblick auf deine letzten Stationen hauptsächlich im Bereich des Performance-Marketings ganz viel Expertise sammeln konntest. Jetzt bist du in einem Unternehmen, das europäischer Marktführer ist und das rapide wächst. Wie gehst du mit deinem Background im Performance-Marketing mit dieser einigermaßen neuen Situation – du bist schon seit einigen Monaten in deiner neuen Funktion – um und wie groß ist euer Marketing-Team?
Arthur Mai: Das Marketing-Team bei der IONOS selbst besteht aus 180 Personen, in der gesamten Gruppe müssten es weit mehr als 200 Marketeers sein.
Schahab Hosseiny: 200 Marketeers – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist schon ein Brett.
Arthur Mai: Da kommt natürlich einiges zusammen. Das umfasst aber auch ziemlich viele Marken, denn wir sind kein kleines Unternehmen. Ich persönlich komme aus dem auf Performance-Oriented Marketing und dem technischen Bereich, mein ursprünglicher Background ist sogar Informatik. Deswegen passe ich auch gut zu solch einem technischen Produkt und einem Unternehmen, das Tech verkauft. Mein Ansatz ist sehr datengetrieben, deswegen achten wir bei jeglichen Investitionen darauf, dass diese Performance-getrieben getätigt werden. Wir schauen also, welche Auswirkungen das hat und ob man da noch mehr Umsatz draufsatteln kann.
OMKB-Podcast mit Arthur Mai von IONOS
Performance-driven Marketing – online und offline
Schahab Hosseiny: Und wie macht ihr das konkret? Wir haben schon gehört, dass ihr in die Formel 1 investiert habt. Gegebenenfalls macht ihr TV-Werbung und Out-of-Home-Werbung, ihr habt also eine breite Klaviatur an Media-Channels. Vielleicht kannst du gleich noch mehr zu den Media-Channels erzählen. Wie versuchst du, diesen datengetriebenen Ansatz in die Offline-Welt zu transportieren?
Arthur Mai: Sport-Sponsoring ist natürlich eine der Königsdisziplinen, wenn es um das performance-orientierte Marketing geht. Es ist nahezu unmöglich herauszufinden, welchen Effekt das genau hat, man hat aber Näherungswerte. Man kann schon schauen, welchen Effekt es hat, wenn das eigene Logo auf einem Fahrzeug zu sehen ist beziehungsweise kann man auch Gegenwerte dahin gehend berechnen, was die Platzierung eines Logos an anderen Stellen mit der gleichen Reichweite in Bezug auf dieselbe Zielgruppe kosten würde. Zudem passiert gerade bei der Formel 1 sehr viel drumherum.
„Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Team-Chef Günther Steiner zusammen, der sogar einen Podcast mit uns gestartet hat. Wir arbeiten mit Mick Schumacher zusammen und schicken Influencer:innen zu den Rennen.“
In Bezug auf die einzelnen Maßnahmen haben wir natürlich schon die Möglichkeit, die Effektivität, die Reichweite und bestenfalls sogar den Impact auf den Traffic zu messen. Manchmal fühlt sich das wie Mäusemelken an, weil man da viele kleine Schnittstellen hat, in der Summe ergeben die dennoch einen gewissen Return.
Obwohl wir ein tech-lastiges Unternehmen sind und eine sehr spezielle Zielgruppe haben, agieren wir noch relativ TV-lastig, wir investieren aber auch in andere Medien. Auch hier agieren wir sehr datengetrieben und versuchen zu messen, welchen Impact unsere Handlungen auf den Traffic und verschiedene KPIs haben. Es geht schließlich nicht nur darum, dass der Traffic auf der Seite die Zugänge oder Sessions verändern, stattdessen hat das auch noch Cross-Effekte auf das Verhalten der Nutzer:innen und den Bestand an Kund:innen, der eventuell länger bleibt oder sich auf sonstige Weise verändert. Wir versuchen, all diese Effekte zu messen, auch wenn uns das nicht zu 100 Prozent gelingt. Man hat immer eine gewisse Unschärfe, aber diese Unschärfe ist teilweise kalkulierbar, weil es gewisse Ranges gibt. Je mehr Datenpunkte und Kampagnen man hat, desto besser wird das.
Und so versuchen wir, brand-orientierte Investments performance-getrieben zu steuern und zu messen, sodass wir nicht blind unterwegs sind. Im Marketing sehe ich das viel zu häufig; da glauben die Marketeers blind an ihre Investments, weil die viel Reichweite haben, überprüfen die Qualität dahinter aber nicht. Und das ist natürlich eine Kunst, die mit viel Aufwand und Arbeit verbunden ist und auch demotivierend sein kann, wenn man eben nicht die entsprechenden Effekte sieht. Das ist es aber wert, um es performance-orientiert zu machen und die Qualität des Investments evaluieren zu können.
Schahab Hosseiny: Du nimmst also die Emotionen raus und bringst mehr Sachlogik und Rationalität rein. Ich finde es ganz interessant, dass ihr so stark in Richtung Offline geht, obschon du einen Performance-Aspekt in das Thema reinbringst. Bei der vorangegangenen Konferenz hatten wir den Sven Schmidt zu Gast, der auch in Sport-Marketing investiert und klar sagt, dass damit relevante Impacts für den Online-Handel respektive den jeweiligen Marktplatz verbunden sind. Glaubst du, dass Offline-Channels immer noch von vielen Performance-Marketeers unterschätzt werden?
Arthur Mai: Abgesehen von den letzten zwölf bis 24 Monaten hat man in den letzten Jahren gesehen, dass viele Start-ups, die Digital-Only unterwegs waren, sich deutlich mehr im Offline-Bereich ausprobiert haben. Es gibt gewisse Bereiche, in denen das auch einwandfrei funktioniert. Nach meiner persönlichen Wahrnehmung ist McMakler ein ganz gutes Beispiel, weil die trotz ihres jungen Alters jetzt schon eine höhere Bekanntheit erlangt haben als jedes anderes Unternehmen auf diesem Markt – wie Engel & Völkers –, die sehr etabliert sind und auch gar nicht so unprofitabel waren. McMakler ist ein rein digitales Unternehmen, deren Marketing-Strategie anscheinend aber auch sehr TV-lastig ist.
Das ist natürlich von Bereich zu Bereich unterschiedlich. Gerade bei emotionalen Produkten oder Produkten, die einen Markenaufbau benötigen, ist das sehr sinnvoll. Wie schon erwähnt sind wir sehr tech-lastig und man würde bei uns einen relativ großen Streuverlust vermuten, wir haben aber dennoch festgestellt, dass es kein anderes Medium gibt, das die Markenbekanntheit so stark beeinflusst – nicht nur in der Masse, sondern auch in der Zielgruppe.
„Wenn man im Fernsehen zu sehen ist und die anvisierte Zielgruppe noch fernsieht, macht das einen großen Unterschied im Vergleich zu tausenden Bannern auf unterschiedlichen Websites.“
Das bedeutet nicht, dass das digitale Marketing nicht sinnvoll ist, dafür geben wir schließlich einen Großteil unseres Budgets aus. Die Markenbekanntheit wird durch das Fernsehen aber weiterhin am stärksten beeinflusst. Meiner Erfahrung nach ist das aber auch nicht Out-of-Home, daran habe ich mir tatsächlich schon sehr oft die Finger verbrannt und festgestellt, dass das kaum profitabel ist. Selbst für sehr spezifische Zielgruppen funktioniert das Radio nicht, da ergibt nur noch das Fernsehen Sinn, auch wenn es von vielen unterschätzt wird.
Schahab Hosseiny: Wie geht ihr im Zusammenhang mit dem Fernsehen mit dem Thema programmatische Einkäufe über Bewegtbild (wie bei YouTube) um? Das Radio hast du schon angesprochen – wie geht ihr mit Playern wie Spotify und Co. um? Hol uns doch mal dahin gehend ab, in welche Media-Channels ihr im digitalen Segment konkret investiert. Und weil ihr europaweit aktiv seid, würde mich interessieren, ob es auch regionale Unterschiede gibt.
Arthur Mai: Wir sind sogar nicht nur in Europa, sondern auch in den USA aktiv und sogar in Australien machen wir ein paar Millionen Euro Umsatz. Weltweit kommt also einiges zusammen, Europa ist aber natürlich unser Core und auch unser Fokus. Zum Marketing-Spending kann ich natürlich nur grob sagen, dass wir das meiste Geld im Google-Universum und bei Facebook ausgeben.
„Wir testen auch immer wieder neue Plattformen. Jede große oder größer werdende Social-Media-Plattform haben wir monetarisiert.“
Das sind zum Beispiel TikTok, Pinterest, und Twitter schon seit längerer Zeit. Und natürlich schauen wir uns an, welche Zielgruppen wir dort erreichen können, welche Targeting-Möglichkeiten es gibt und ob die Monetarisierung dementsprechend Sinn ergibt.
Dadurch, dass wir ein sehr breites Produktportfolio haben – von Domains, über Homepage-Baukästen, Server, klassisches Webhosting bis hin zur Cloud – sind wir in vielen Ländern breit aufgestellt und daraus ergeben sich gute Möglichkeiten, auch wenn die manchmal nur für Nischen geeignet sind. Bei LinkedIn erreicht man zum Beispiel einen CTO oder einen CIO, auf Pinterest erreicht man dagegen die designaffinen Menschen. Es ist auch kein Geheimnis, dass Pinterest über einen sehr hohen Frauenanteil verfügt, weshalb man dort diese Zielgruppe gut erreicht. Für die sind bestimmte Produkte interessant und wir müssen uns wiederum diesen Anforderungen anpassen. Wie gesagt handelt es sich dabei häufig um Nischen, das ist also nicht skalierbar. Da sind natürlich die Produkte im Google Display Netzwerk (GDN) oder im Facebook-Kosmos (einschließlich Instagram) viel ergiebiger und effizienter im Zeiteinsatz.
Schahab Hosseiny: Und nutzt ihr digitales Marketing primär für die Akquise von Neukund:innen oder setzt ihr das auch ein, um Cross- und Up-Sale zu generieren?
Arthur Mai: Vorwiegend geht es dabei tatsächlich um Neukund:innen, wir gehen aber auch immer mehr in den Bereich unserer Bestandskund:innen. Unser Retargeting hört also nicht dabei auf, Nutzer:innen zu targeten, die Interesse an einem Produkt haben, es noch nicht gekauft haben und deshalb weitere Werbemittel von uns erhalten. Überdies targeten wir nämlich auch Kund:innen, die bereits etwas gekauft haben, und denen wir ein Cross- oder Up-Sale anbieten. In dem Bereich haben wir viele Daten, mit denen wir arbeiten können, um das weiterhin anbieten zu können. Das ist natürlich sehr lukrativ und in dem Bereich hat der Markt auch noch gar nicht so viel zu bieten. Wie du schon gesagt hast fokussieren sich die meisten Marketeers gerade im digitalen Marketing auf die Neukund:innen und da gehen wir auch immer tiefer rein.
Keine Langeweile beim Großkonzern
Schahab Hosseiny: Arthur, du hast ja in der Vergangenheit einige Stationen absolviert und jetzt arbeitest du bei einem sehr großen Konzern, der in Deutschland zu den erfolgreichsten Tech-Unternehmen gehört. Wie gehst du damit um, dass du jetzt in einem großen Konzern aktiv bist, von deiner DNA her aber performance-getrieben und start-up-affin bist? Hast du manchmal das Gefühl, dass der Konzern dich und deine Entscheidungen in Deinem Marketing-Driven-Ansatz entschleunigt oder funktioniert das sehr gut?
Arthur Mai: Das ist eine gute Frage. Wenn man das schwarz-weiß betrachtet und streng zwischen Konzern und Start-up unterscheidet, ist ein Start-up natürlich deutlich agiler, kann sich schneller weiterentwickeln und schneller Produkte launchen. Ein Konzern ist dagegen durch seine festen Strukturen langsamer und auf den ersten Blick nimmt der Coolness-Faktor natürlich ab. Selbstverständlich möchte man mehr testen und wenn etwas nicht funktioniert, startet man einfach neu oder macht etwas anderes – natürlich hängt das auch von der Persönlichkeit ab. Wenn allerdings ein Start-up oder ein kleines Unternehmen etwas startet, macht es damit vielleicht 10.000 Euro Umsatz, bei einem Konzern bewegt man sich dagegen in einer ganz anderen Liga.
Außerdem passiert bei einem Konzern viel mehr hinter den Kulissen. Bevor ein Produktlaunch oder eine große Veränderung stattfindet, laufen im Hintergrund viele Tests und ähnliche Vorgänge. Es ist gleichzeitig essenziell, diese Schnelligkeit eines Konzerns zu haben und Sachen zu testen – ob in der großen Marke oder mit kleinen Teams für ein Nischenprodukt. Diese geballte Power ist ein riesengroßer Vorteil, deswegen würde ich den Konzern nicht grundsätzlich als besser oder schlechter dem Start-up gegenüber bewerten. Ich würde einen Konzern auch nicht nur als entschleunigend betrachten – ganz im Gegenteil, wenn ein Konzern einmal etwas startet, kann das deutlich anstrengender sein, als wenn ein Start-up das macht. Entscheidend sind die Power dahinter, die Größe, die Effektivität und natürlich auch die finanziellen Mittel. Ein Start-up muss alles selbst bauen oder kann sich vielleicht nur günstige Dienstleister:innen leisten. Ein großes Unternehmen kann dagegen auch an M&A und strategische Partnerschaften denken, die für beide Seiten lukrativ sind.
Hat IONOS eine Chance gegenüber GAFA?
Schahab Hosseiny: Lass uns noch weiter auf die finanzielle und strategische Power eingehen. Als IONOS steht ihr vielleicht nicht im unmittelbaren Wettbewerb mit den weltweit dominierenden Cloud-Anbietern – Amazon, Microsoft, Apple, Alphabet – dennoch schreibt IONOS Cloud laut der Presse 1 Milliarde Umsatz. Das ist gewaltig und offenbar wachst ihr in diesem Segment sehr stark. Wo siehst du aktuell euren kompetitiven Vorteil gegenüber AWS (Amazon Web Services), der Google Cloud oder Microsoft? Ist das auf den Umstand zurückzuführen, dass die europäischen Datenschutzbestimmungen teilweise viele Unternehmen aus dem Mittelstand animieren, auf europäische Cloud-Dienstleister:innen zuzugehen, die ihre Rechenzentren in Europa betreiben? Oder habt ihr einen anderen Vorteil im Wettbewerb mit Microsoft, Google und Amazon?
Arthur Mai: Das ist ein sehr interessanter Punkt. Wenn man sich die internationalen und gerade die US-amerikanischen Hyperscaler anschaut, sind die uns natürlich hinsichtlich der Größe und der Anzahl der Services überlegen, von denen wir wohlgemerkt nur einen Bruchteil haben. Wir haben per se aber dadurch einen riesengroßen Vorteil, dass wir ein deutsches Unternehmen und mit unseren Gesellschaften in Europa ansässig sind. Deswegen haben wir einen enormen Vorteil hinsichtlich des Datenschutzes – gerade aufgrund der Unsicherheiten, die mit der DSGVO und dem Schrems II-Urteil des Europäischen Gerichtshofs einhergehen. Ich glaube, diese Themen werden uns noch relativ lange begleiten und dass wir dadurch eine wichtige Grundvoraussetzung haben.
„Wir sind außerdem im Preis-Leistungs-Verhältnis optimal aufgestellt – nicht, weil wir eine günstige Alternative sein müssten, sondern weil wir es können.“
Das liegt daran, dass unsere Mitarbeitenden sehr tief in den Code und die technische Materie gehen und wir teilweise sogar zu den Top-Linux-Contributern gehören. Wir betreiben unsere Server deutlich effizienter als viele unserer Konkurrenten und dadurch können wir kosteneffizienter agieren. Wir achten zudem sehr stark auf das Ease-of-Use unserer Produkte und einen guten Support. Das ist auch dem Hosting-Segment schon bekannt, bei uns bekommen aber auch Domain-Kund:innen 24/7-Support und persönliche Ansprechpartner:innen, die bis zu 40 Stunden pro Woche erreichbar sind. Unsere Konkurrent:innen können das nicht bieten und dafür wurden wir sogar ausgezeichnet. Das Gleiche gilt natürlich im Cloud-Bereich und es kommen noch ein paar Kleinigkeiten dazu.
Wenn man sich überdies die schiere Anzahl der Services anschaut, scheinen wir deutlich unterlegen zu sein, in dem Zusammenhang muss man allerdings zweierlei beachten. Obwohl es einen guten Eindruck macht und auch lukrativ sein kann, viele Services zu haben, ist es meistens so, dass nur ein geringer Teil dieser Services tatsächlich genutzt wird. Deswegen bieten wir nur die Services an, die nach unserer Ansicht essenziell sind. Natürlich arbeiten wir daran, unser Portfolio diesbezüglich zu erweitern und natürlich werden wir nicht so schnell aufholen, das ist aber kein Problem. Obendrein betreiben wir weiterhin etwas M&A, unter anderem sind wir Gesellschafter bei Stackable geworden und wir setzen stärker auf Open Source. Vielleicht müssen wir auch nicht jeden Service selbst entwickeln, den die Konkurrenz schon hat.
Schahab Hosseiny: Das ist eine spannende Argumentation. Deiner Aussage zufolge bieten die Hyperscaler (Amazon, Google, Microsoft) quantitativ mehr Services an, was gleichzeitig aber auch die Komplexität erhöht. Besteht eure Zielgruppe also aus den Software-Developern, die noch die letzten 1,5 Prozent aus ihrem Produkt herausholen möchten und tief in einer AWS-Konsole arbeiten? Oder will eure Zielgruppe diese Komplexität nicht, weshalb eure User-Experience eine andere Strategie voraussetzt?
Arthur Mai: Genau. Die Developer, die die neusten, ausgefeilten Machine-Learning-Services nutzen wollen, sind bei uns wahrscheinlich nicht richtig aufgehoben. Die können das natürlich auf unsere Infrastruktur aufsetzen, bekommen dort aber nicht die gleiche Funktionalität wie bei AWS. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Infrastruktur nicht dafür umstellen könnten.
Schahab Hosseiny: Gestern hatte ich eine interessante Diskussion mit Florian Heinemann, der dir von deiner Project A-Vergangenheit sicherlich bekannt ist. Da ging es um die Themen Meta, Metaverse und die Hypothese, dass wir in Europa mal wieder einen großen Trend verschlafen haben, während die großen US-amerikanischen und chinesischen Konzerne das unter sich ausmachen. Wie siehst du das im Kontext des Themas Cloud-Infrastruktur? Sind wir da generell zu spät dran oder findest du, dass die europäischen Cloud-Anbieter:innen – zu denen auch ihr gehört – zu früh abgeschrieben wurden und dass deren Zeit entweder jetzt da ist oder noch kommen wird?
Arthur Mai: Kurzfristig sieht es natürlich danach aus, als würden die Hyperscaler jetzt alles übernehmen und die einzige Option darstellen. Ich sehe aber auch einen starken Trend durch Multi-Cloud, den politisch unterstützten Aufbau von GAIA-X und andere Trends, die im Cloud-Segment vorangetrieben werden. Hier werden nicht nur die Hyperscaler verwendet, sondern es stehen auch alternative Möglichkeiten zur Verfügung.
„Ich weiß nicht, ob wir verschlafen haben, wir waren aber definitiv an einigen Stellen zu langsam, deswegen verändern wir das.“
Wir freuen uns außerdem, dass in Europa noch andere Anbieter:innen aktiv sind, weil wir damit als Kontinent mehr an Stärke gewinnen und Alternativen bieten können.
Schahab Hosseiny: Okay. Eben hast du das Thema Multi-Cloud schon angesprochen und gesagt, dass du dort noch ein großes Ausbaupotenzial siehst. Wie stehst du zum Thema Vendor Lock-in. Ihr arbeitet sehr stark an Open-Source-Produkten, was vielleicht auch ein Differenzierungsmerkmal im Vergleich zu anderen darstellt. Siehst du am Markt einen verstärkten Demand nach Open-Source-Lösungen? Wenn ich das der Presse richtig entnommen habe, zahlt zumindest eure neuste Akquisition auf das Thema Open Source ein.
Arthur Mai: Genau, das stimmt. Wie gesagt setzen wir nicht nur im Cloud-Bereich stärker auf Open Source und wir werden das auch weiterhin tun. Im klassischen Hosting sieht es bei uns ähnlich aus. Meiner Ansicht nach wird sich das immer weiter etablieren und zum Glück ist die Cloud-Community auch sehr interessiert daran, keinen Vendor Lock-in zu haben oder nur auf eine Cloud zu setzen, sondern viele Funktionalitäten mit einer gewissen Unabhängigkeit zu verbinden. Und genau darauf setzen wir. Wir setzen nicht auf einen Vendor Lock-in und sind in der Hinsicht deutlich offener.
Schahab Hosseiny: Arthur, ich möchte mit dir gar nicht über M&A-Targets sprechen, wir haben aber eine breite Audience und auch viele junge Menschen dabei, die sich unternehmerisch selbstständig machen möchten. Wenn junge Gründer:innen in das Segment der Cloud-Infrastruktur hereingehen möchten, was hältst du in dem Zusammenhang für spannende Umfelder oder Themen, mit denen man sich aktuell beschäftigen sollte?
Arthur Mai: Das ist eine gute Frage. Da fällt mir zunächst alles rund um Machine Learning und KI ein; das ist sehr lukrativ und da wird noch eine Menge passieren. Ich bin mir sicher, dass in diesem Bereich viele Akquisitionen passieren und viele Unternehmen Geld investieren werden. Die Bewertungen schießen in dem Bereich teilweise stark in die Höhe. Alles rund um Krypto und NFTs könnte auch lukrativ sein, ist jedoch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Allerdings kann ich natürlich nicht bekannt geben, ob wir in diesem Bereich Akquisitionen geplant haben.
Schahab Hosseiny: Spannend. OpenSea hat mittlerweile eine Bewertung von 13 Milliarden, aber ich kann natürlich auch nicht sagen, ob das überbewertet ist. Hast du denn selbst in NFTs investiert?
Arthur Mai: Ein wenig habe ich in Krypto und NFTs investiert, darin besteht aber nicht der Großteil meines Portfolios.
Schahab Hosseiny: Okay, verstehe. Ihr seid europäischer Marktführer, habt aber selbstverständlich auch Wettbewerber:innen, sonst hätten die Kartellbehörden schon längst die Hand gehoben. Der französische Telekommunikationsanbieter und Internetdienstleister OVH ist ja mittlerweile an die Börse gegangen und der Presse ist zu entnehmen, dass IONOS das in den nächsten Jahren auch machen möchte. Demnach würde IONOS zu Deutschlands oder Europas erstem Cloud-Unicorn werden. Erwartest du hier eine stärkere Isolation des Cloud- und Hosting-Geschäfts und einen stärkeren Bewertungshebel gegenüber der jetzigen Situation?
Arthur Mai: Unser größter Gesellschafter, die United Internet, hat bereits veröffentlicht, dass wir daran arbeiten, uns auf den Börsengang vorzubereiten und dass dieser eventuell 2022 oder 2023 anstehen könnte. Gerade an der Börse ist um das Thema Cloud ein starker Hype entstanden, weil die Margen sehr gut sind. Und so etwas treibt eine Bewertung natürlich nach oben. Das nicht zu nutzen, wäre wahrscheinlich fatal – gerade, wenn man sich auf das Thema Cloud fokussiert und die eigenen Services immer mehr in die Cloud bringt. Wie du bereits gesagt hat, hat OVH einen sehr guten Börsengang hingelegt, was uns sehr freut. Nach dem Börsenstart ist die Aktie weiter gestiegen und lag zwischenzeitlich bei über 30 Prozent. Hinzu kommt, dass es sogenannte Cloud-ETFs gibt, wodurch weitere Vorteile entstehen.
Mit Baukasten-Systemen kinderleicht Websites bauen
Schahab Hosseiny: Wir haben im Vorfeld ein paar Outside-in-Analysen durchgeführt und laut der Plattform BuiltWith, seid ihr durch die Akquisition der WE22 AG beziehungsweise CM4all in Deutschland das führende Webseiten-Baukasten-System – noch vor Jimdo. Lass uns über das Thema Webseiten-Baukasten-Systeme sprechen. Meine Hypothese ist, dass das von kleinen bis mittleren Unternehmen eingesetzt wird. Wenn man allerdings auf ein Unternehmen wie Shopify schaut, kann man auch identifizieren, dass immer mehr Enterprise-Unternehmen in Richtung Website-Baukasten-Systeme gehen. Wie viel Upside siehst du in diesem Segment?
Arthur Mai: Das Segment ist in den letzten Jahren immens gewachsen und wächst auch weiterhin. Der Trend wir stark von dem israelischen Unternehmen Wix und durch Shopify getrieben, in Deutschland auch durch Jimdo. Wir glauben daran, dass das Segment weiter wachsen wird, gerade weil sich das Erstellen von Webseiten immer mehr in der breiten Masse etabliert und sich nicht jede und jeder mit Web-Hosting oder dem Hochladen via FTP oder SFTP und Aufsetzen in Datenbanken auseinandersetzen möchte. Viele Menschen verstehen auch die Technik dahinter nicht so gut. Die vermuten, dass das Hosting inbegriffen ist, wenn man eine Domain kauft. In meiner nicht-tech-affinen Familie könnte und wüsste das jedenfalls niemand. Deswegen sind diese Baukasten-Systeme ein perfektes Mittel und werden nicht nur von Nutzer:innen gut angenommen, die nicht tech-affin sind, sondern auch von Tech-Begeisterten, die schnell und unkompliziert Projekte aufsetzen möchten.
Der Markt entwickelt sich natürlich weiter und wir sehen, dass wir sehr viele One-Product-Focused-Companys als Konkurrenz haben, wie Shopify im Shop-Bereich und Wix im klassischen Baukasten-System-Bereich. Gleichzeitig beobachten wir, dass Produkte wie WordPress, welches Open Source ist, am Markt gut ankommen und einen sehr hohen Anteil haben; je nach Messmethode hostet WordPress weltweit über 40 Prozent der Webseiten. Wahrscheinlich ist die Dunkelziffer sogar noch höher, weil man das häufig gar nicht sieht. Das liegt auch daran, dass WordPress immer einfacher wird – und darauf setzen wir auch.
Schahab Hosseiny: Ihr vereint also das Beste aus beide Welten: WordPress Automatic auf der einen Seite, um die etwas affineren Nutzer:innen abzuholen, und das Webseite-Baukasten-System auf der anderen Seite. Du hast auch Wix angesprochen – für den deutschen Sprachgebrauch hätte man sich wahrscheinlich auf einen anderen Begriff einigen sollen. Weil Israel kein großes Land ist, denkt man dort schnell auch international und dementsprechend ist auch Wix rasant international gewachsen. Ist eine stärkere Internationalisierung im Hinblick auf das Baukasten-System nach dem Vorbild von Wix für euch auch eine Option?
Arthur Mai: Natürlich, grundsätzlich werden wir immer internationaler werden.
„Wir bieten schon jetzt fünf verschiedene Sprachen an und haben neun Core-Märkte.“
Wie erwähnt verkaufen wir weltweit – auch in Australien und Neuseeland haben wir Kund:innen, die unseren Homepage-Baukasten nutzen. Wir haben auch Kund:innen in Südamerika und wahrscheinlich werden wir das in der Zukunft noch stärker forcieren. Konkrete und öffentliche Pläne haben wir zurzeit aber nicht.
Schahab Hosseiny: Du hast ja eben diese Best-of-Breed-Lösung angesprochen. Shopify ist im Bereich E-Commerce sicherlich ziemlich gut aufgestellt. Auf der anderen Seite habt ihr viele verschiedene Services. Wenn man etwa das Hosting bei euch aktiviert, bekommt man auch die Domain über euer Netzwerk und hat vielleicht noch E-Mail-Marketing dabei. Siehst du dahin gehend einen Wettbewerbsvorteil für euch gegenüber den Best-of-Breed-Lösungen, weil es bei euch die All-in-One-Lösung gibt?
Arthur Mai: Ja, ganz genau darauf setzen wir.
„Das Portfolio von IONOS ist relativ breit – so breit wie kaum ein anderes am Markt.“
Wix und Jimdo haben Spezialprodukte und noch ein wenig drumherum, aber wenige sind so breit aufgestellt wie IONOS, gerade, wenn man noch die Cloud-Infrastruktur einbezieht. Mit dieser Breite sind wir allein auf dem Markt, was sehr vorteilhaft ist. Dadurch können unsere Kund:innen klein starten – ob es ein neues Start-up ist, der Bäcker von nebenan oder der Laden aus der Fußgängerzone. Die sind uns alle willkommen und werden von uns begleitet, etwa mit einer Domain, einem Homepage-Baukasten oder einem Do-it-for-me-Produkt, bei dem wir für einen relativ kleinen einmaligen Preis und eine geringe monatliche Gebühr die Website für die Kund:innen erstellen, die deutlich günstiger ist als die Lösungen von Agenturen. Genauso unterstützen wir unsere Kund:innen aber auch mit dem klassischen Webhosting, Online-Shops, Online-Marketing-Tools und der Cloud.
Wir bauen unseren Wettbewerbsvorteil darauf, dass unsere Kund:innen diese Services mit einem fließenden Übergang nutzen können. Wir haben bereits die ersten Umstellungen vorgenommen und setzen sehr stark auf Open Source-Systeme, wie WordPress und auf die Community dahinter. Es wird bei uns darauf hinauslaufen, dass man bei uns ohne Probleme zwischen den Produkten wechseln kann. Kund:innen können also zu uns kommen und sich eine Webseite erstellen lassen und sie anschließend selbst übernehmen und hosten. Wenn sie dann größer wird, können sie diese auf einen virtuellen Server, einen eigenen Server oder sogar in die Cloud verschieben oder die professionellen Produkte von IONOS nutzen. Darin sehen wir einen riesengroßen Mehrwert. Die Kund:innen können sich im umgekehrten Fall aber auch erst selbst an einer eigenen Webseite versuchen und sich von IONOS Hilfe holen, falls das nicht klappt.
Schahab Hosseiny: Ihr habt eine unfassbar große Anzahl an Kund:innen und du hast eben angesprochen, dass ihr für eure Kund:innen auch Webseiten erstellt. Seid ihr ein Tech-Konzern, oder bietet ihr auch Managed Services an? Was wollt ihr eigentlich genau sein? Und daran schließt sich auch die Frage an, wie ihr überhaupt Geld verdient, wenn ihr für so einen geringen Preis Webseiten erstellt. Mit euren günstigen Preisen seid ihr schließlich ultra-kompetitiv gegenüber eurer Konkurrenz.
Arthur Mai: Für eine Webseite geht es bei unter 250 € einmalig los, die hat dann eine limitierte Anzahl an Seiten und für mehr zahlt man natürlich auch mehr. Und der monatliche Betrag ist dann auch sehr gering, dafür bekommen die Steuerberater:innen und Bäcker:innen aber ausgezeichnete Webseiten, die auch datenschutzkonform und optimiert sind. Das wirkt anfangs sehr günstig, aber durch die langfristige Bindung, auf die wir abzielen, erhoffen wir uns eine Profitabilität auf lange Sicht.
Schahab Hosseiny: Ihr könnt euch diesen günstigen Preis also leisten, weil ihr die Kund:innen dauerhaft an eure Services bindet und durch die Komplexität eurer Services auch davon ausgehen könnt, dass die Kund:innen durch Cross- und Up-Sale deutlich mehr Umsatz bei euch generieren.
Arthur Mai: Ganz genau. Wir versuchen natürlich nicht, mit nur einem Produkt bei den Kund:innen zu landen, weil wir von der Qualität all unserer Produkte überzeugt sind und genau deswegen haben wir dieses Produkt-Portfolio. Aber durch Cross- und Up-Sales schaffen wir es natürlich, die Kund:innen noch stärker an uns zu binden.
„Bei uns steht im Vordergrund, die Kund:innen digital erfolgreich zu machen und ihnen alle Tools an die Hand zu geben – egal, ob es sich um ein kleines Unternehmen, ein Mittelstandsunternehmen oder ein Großunternehmen handelt.“
Dementsprechend werden wir unser Produkt-Portfolio noch stärker erweitern. Zu deiner Frage, ob wir Dienstleister oder Tech-Konzern sind: Wir bezeichnen uns als Cloud-Company und obwohl wir sehr tech-lastig unterwegs sind, war Service schon immer eines unserer Steckenpferde. Auch die 1&1 als unser Ursprung setzt sehr stark darauf. Wenn Kund:innen bei uns eine Domain haben, erhalten sie auch einen 24/7-Support und persönliche Ansprechpartner:innen.
Schahab Hosseiny: Das ist sicherlich auch ein kultureller Vorteil. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass viele US-amerikanische Unternehmen versucht haben, ihre Produkte ohne Support in Deutschland zu etablieren, was jedoch nicht funktioniert hat. Die Deutschen benötigen eben Support oder möchten zumindest die Möglichkeit dazu haben. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, wurdet ihr auch dafür zertifiziert, dass ihr einen hervorragenden Service anbietet.
Arthur Mai: Ja, genau.
Schahab Hosseiny: Spannend. Arthur, dann lass uns noch ein wenig über das Partner:innen-Ökosystem bei euch sprechen. Ihr macht nicht alles selbst, sondern ihr habt eine Vielzahl an Partner:innen. Wie sind dein Mindset und eure Strategie hinsichtlich Expansion und Wachstum mit Partner:innen versus Eigenentwicklung?
Arthur Mai: Grundsätzlich haben wir sehr viele Partnerschaften. Das sind etwa Agentur-Partnerschaften – das IONOS Agentur Partnerprogramm ist sehr erfolgreich und wächst auch sehr stark. Bei dem Do-it-for-me zum Beispiel gibt es Anforderungen, die wir nicht abdecken können. Dort fallen immer wieder größere Projektaufträge an, die wir dann an diese Agenturen weitergeben. Diese Agenturen möchten wir fördern und noch intensiver mit ihnen zusammenarbeiten. Wir haben Produktkooperationen mit anderen Anbieter:innen, sodass wir deren Produkte auch für die Cross- und Up-Sales bei uns integrieren. In Zukunft werden wir weitere Kooperationen eingehen, konkrete Partner:innen kann ich aber natürlich nicht nennen.
Schahab Hosseiny: Klar, das ist nachvollziehbar. Werbung wird im Allgemeinen immer komplexer – immer mehr Player stoßen in den Markt. Welche Strategie verfolgt ihr, um die Kund:innen im Bereich des Advertisings oder der organischen Sichtbarkeit besser zu unterstützen. Habt ihr eigene Produkte im Portfolio und wie geht ihr mit großen Playern wie Google, Facebook und Co. um?
Arthur Mai: Wir haben ein klassisches SEO-Produkt, ein Google Ads-Produkt und eines, mit dem man sich in Branchenbücher eintragen kann. Bald werden wir auch wieder ein CM-Produkt haben und weiterhin diese Online-Marketing-Klaviatur anbieten. Das kommt teilweise durch existierende Beteiligungen durch die United Internet, etwa an rankingCoach und Uberall.
„Zum Umgang mit Facebook und Google muss ich sagen, dass Google auch ein Kooperationspartner ist und wir sehen durchaus den Vorteil für unsere Kund:innen, direkt zu Google Ads oder Facebook zu gehen.“
Gerade Google war in den letzten Jahren sehr erfolgreich im Onboarding von SMBs (Small and Medium Businesses), zum Beispiel durch adsXpress oder Google My Business. Dadurch wird es sehr leicht, Ads zu schalten. Dabei helfen wir gerne und wir haben auch Produkte, die in der Hinsicht unterstützen, aber natürlich gehen Kund:innen auch direkt zu Google, weil die auch einen guten Support und Leistungsumfang bieten. Es wäre utopisch, sich dazwischenschalten zu wollen, aber mitunter passiert das automatisch. Viele unserer Kund:innen möchten alles aus einer Hand haben und an der Stelle helfen wir natürlich gerne.
Schahab Hosseiny: Arthur, du bist als Business Angel aktiv und hast einen Background in der Informatik. Programmierst du gelegentlich noch?
Arthur Mai: Wenn ich die Zeit finde, versuche ich da ab und an noch, mich technisch mit den relevanten Themen auseinanderzusetzen. Das ist immer meine Passion gewesen.
Schahab Hosseiny: Wenn du auf das Jahr 2022 schaust, was sind unabhängig von IONOS die drei Kernthemen, die uns deiner Meinung nach im digitalen Marketing oder im technologischen Segment am meisten beschäftigen werden?
Arthur Mai: Das ist eine gute Frage. Das Cloud-Thema wird weiterhin essenziell sein. Es wird immer mehr SaaS-Businesses geben, die auch die Produktivität vereinfachen werden. Das Thema Metaverse wird sicherlich nach Europa schwappen. Das ist sehr weit gefasst, aber rund um den Krypto-Bereich wird viel passieren. Kürzlich sind zu dem Thema die NFTs dazugekommen, da wird sich sicherlich noch mehr entwickeln.
Schahab Hosseiny: Und wie siehst du das Thema Cloud-Security? Immer mehr Unternehmen bauen auf Cloud-Infrastrukturen, und gleichzeitig ist Cyber-Kriminalität zu einem Milliardengeschäft geworden. Wie positioniert ihr euch zu diesem Thema?
Arthur Mai: Cybersecurity und Cloud-Security sind essenzielle Themen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Es gibt auch Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben – CrowdStrike ist sogar an der Börse gelistet. Für einen CTO wäre es natürlich fatal, das zu vernachlässigen und in dem Bereich wird auch noch eine Menge passieren. Bei unseren Produkten bieten wir das uns höchstmögliche Level an Support und wir werden noch darüber hinausgehen. Du hast vollkommen recht mit der Annahme, dass das Thema sehr wichtig ist und ich bin mir sicher, dass zukünftig in dem Bereich noch eine Menge Start-ups entstehen werden und eine Menge Wert geschaffen wird.
Schahab Hosseiny: Wir haben das Thema in der Vergangenheit immer wieder diskutiert und wir merken, dass die digitalen Marketeers nicht so eine hohe Affinität dafür haben, auch wenn es direkt Implikationen für sie hat. Wenn die Webseite offline ist, rauscht das Marketing-Budget natürlich einfach durch. Das war es an der Stelle auch schon, Arthur. Vielen Dank für das informative und transparente Gespräch. Es war sehr kurzweilig, ich habe jede Menge lernen dürfen.
Arthur Mai: Vielen Dank.
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