Dr. Florian Heinemann, General und Founding Partner von Project A Ventures, stellt sich im Fireside Chat den Fragen von Host Schahab Hosseiny und erläutert dabei seine Rolle als Werbefigur und seine Ansichten bezüglich verschiedener Advertising-Lösungen und den Entwicklungen auf dem Krypto-Markt.
Project A Ventures ist eine 2012 gegründete Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Berlin, die schwerpunktmäßig in Start-ups im Serie-A-Stadium in ganz Europa investiert. Ihr Portfolio umfasst 100 Digital-Unternehmen, die vornehmlich Zukunftstechnologien in den Sektoren Logistik, Finanzwesen, Gesundheit, Immobilienwirtschaft, Mobilität und Industrie 4.0 entwickeln.
Zusätzlich unterstützt Project A seine Partner unter anderem in der Software-Entwicklung, im Marketing und im Bereich Business Intelligence. Inzwischen verwaltet Project A ein Vermögen von 600 Millionen Dollar, welches mittels drei verschiedener Fonds zusammengetragen wurde.
Video mit Dr. Florian Heinemann
Mario Rose: Heute ist Dr. Florian Heinemann bei uns zu Gast und wir freuen uns, ihn heute zum zweiten Mal im Rahmen der OMKB begrüßen zu dürfen. Florian Heinemann ist Founding Partner von Project A Ventures und dort schon seit 2012 für die Themen Marketing, CRM und Business Intelligence zuständig. Hallo Florian und herzlich willkommen zur OMKB. Schön, dass du da bist.
Dr. Florian Heinemann: Moin, moin. Vielen Dank, dass ich dabei sein darf.
Mario Rose: Florian, ich würde dich noch in ein paar Sätzen vorstellen und dann gleich an meinen lieben Kollegen Schahab übergeben, der den heutigen Talk mit dir führen wird. Wie bereits erwähnt, ist Dr. Florian Heinemann seit 2012 bei Project A an Bord und zusätzlich als Board Member in unterschiedlichen Aufsichtsräten aktiv, beispielsweise seit 2019 bei der Trade Republic und seit 2017 bei Lampenwelt.
Bei ABOUT YOU ist er Mitglied des Supervisory Boards und bei Henkel seit 2018 Mitglied des Digital Advisory Boards. Er hält einen Master of Science in Business Administration, hat einen Doktortitel in Innovation Management/Entrepreneurship an der RWTH Aachen abgelegt und als Business Angel kommt er auf über 100 Investitionen in diverse Start-ups.
Project A ist eins der führenden Venture Capital-Unternehmen in Europa mit Sitz in Berlin, das aktuell exklusiv in der operativen Unterstützungsleistung von mehr als 70 Start-ups aktiv ist. Das Portfolio umfasst bekannte Marken wie Trade Republic oder Spryker und 2020 wurde Project A vom Business Insider als bestes deutsches VC-Unternehmen ausgezeichnet. Florian, das sind eine Menge Themen, die du einbringen kannst und insofern freuen wir uns sehr, dass du heute bei der OMKB am Start bist. An dieser Stelle übergebe ich an dich, lieber Schahab.
Podcast mit Business Angel Dr. Florian Heinemann
Project A Ventures Founder ist sich sicher: Podcasts ermöglichen eine authentische Kommunikation
Schahab Hosseiny: Sehr schön. Servus Florian. Ich hoffe, dir geht es gut. Wir haben hier einen randvollen Fragekatalog und wir werden versuchen, den in den nächsten Minuten gemeinsam zu bearbeiten. Darauf freue ich mich schon. Florian, in der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich natürlich die übliche Research durchgeführt und konnte diverse Podcasts von dir finden und dabei ist bei uns in der Redaktion eine Frage aufgekommen:
Du bist ja als analytisch exzellent denkender Mensch ein gern gesehener Gesprächspartner in Podcasts, Interviews und anderen Formaten. Welchen direkten oder indirekten Impact hat deine Präsenz auf euer Geschäft bei Project A? Bei diesem Personality Marketing, welches du sicherlich in den letzten Jahren etwas intensiver hochgefahren hast, gibt es ja häufig auch Diskussionen darüber, wer der Front Runner ist und mit seinem oder ihrem Gesicht vor der Company steht – Project A verbinde ich beispielsweise sehr stark mit dir. Kannst du einschätzen, welchen Impact das auf euer Business hat?
Dr. Florian Heinemann: Das ist natürlich nicht einhundertprozentig klar zu beziffern, man kann aber schon klar sagen, dass der Geschäftsbereich VC davon abhängig ist, dass sich die besten Gründer:innen an einen wenden.
„Und wir haben gemerkt, dass Podcasts ein sehr gutes Mittel sind, um authentisch die eigenen Gedanken zu vermitteln und einen guten Eindruck von dem zu machen, mit was für einem Menschen man eine Verbindung eingeht.”
Insofern hat das einen riesigen Vorteil und deshalb bin ich auch ein großer Podcast-Fan. Denn so können sich Leute, die überlegen, ob sie von einem VC-Unternehmen oder Investor Geld annehmen sollen, ein authentisches Bild von diesem Unternehmen machen. Und dementsprechend merken wir auch immer wieder, dass diese Podcasts von Leuten gehört werden, mit denen wir aktuell im Gespräch sind.
Wir machen bei Project A auch selbst einen Podcast, in dem immer wieder Mitarbeitende zu Wort kommen – Philipp Werner tritt dort zum Beispiel im Kontext Marketing regelmäßig auf. Wir möchten nicht rumlaufen und erzählen, wie toll Project A ist, sondern vielmehr über die Inhalte reden, mit denen wir uns beschäftigen, und uns mit Fachthemen auseinandersetzen.
Das müssen nicht nur Marketing-Themen sein, sondern dabei kann es auch um Investment-Trends gehen –, um nach außen ein authentisches Bild zu vermitteln. Und wir merken, dass ein relevanter Teil der Leute, die sich an uns wenden, mit diesen Dingen Kontakt hatte und das auch mehrheitlich positiv auffasst.
Außerdem rekrutieren wir sehr aktiv und regelmäßig – für uns, aber auch für das Portfolio. Mit 130 Mitarbeitenden haben wir für ein VC-Unternehmen aufgrund unseres umfassenden Supports relativ viele Mitarbeitende und deswegen besteht eines unserer Ziele darin, ein möglichst attraktiver Gesprächspartner zu sein.
Firmen müssen sich heute genauso um Bewerber bemühen wie umgekehrt
Auch da hat sich das Bild nämlich komplett gedreht: Als qualifizierte Person kann man sich seinen Arbeitgeber aussuchen. Und auch an der Stelle merken wir, dass viele der Personen, mit denen wir ins Gespräch gehen, vorher mit diesen Themen Kontakt hatten. Ich kann dir nicht sagen, wie viele sich deshalb bewerben oder eben nicht bewerben, aber viele hatten Kontakt damit und haben sich daraufhin bewusst dafür entschieden, mit uns zu sprechen.
Einige werden auf Basis unserer Inhalte wahrscheinlich auch entscheiden, dass sie nichts mit uns zu tun haben möchten. Aber ich glaube, dass man das Matching verbessert, wenn man ein authentisches Bild nach außen vermittelt. Dann können sich die Leute sowohl auf der Gründerseite als auch auf der Kandidatenseite aussuchen, ob sie mit dieser Institution, dieser Firma oder diesen Menschen etwas zu tun haben möchten.
Unabhängig von der Reichweite, die damit erzeugt wird, halte ich das deshalb für relevant und glaube, dass wir mit Podcasts, Videos und unserer Konferenz (die Project A Knowledge Conference) die richtige Zielgruppe erreichen. Ohne das einhundertprozentig quantifizieren zu können, glauben wir stark daran.
Andere VCs – in den USA zum Beispiel – werden inzwischen als Medienkonzerne mit angeschlossenem Investment-Geschäft bezeichnet und die betreiben das natürlich viel konsequenter und mit viel mehr Ressourcen-Einsatz. In einer Zeit, in der man sich als VC bei Gründer:innen oder potentiellen Beschäftigten eher bewerben muss, halte ich das dennoch für ein probates Mittel.
Schahab Hosseiny: Du siehst also ganz klar einen kompetitiven Vorteil, weil ihr von einem größeren Netzwerk angesprochen werdet und ihr die jeweiligen Zuhörer:innen teilweise auch positiv primen könnt. Darüber hinaus gibt es natürlich auch einen positiven Effekt in Richtung HR. Du hast ja eben in Richtung der USA referenziert. Ist das für dich ein Role Model? Sagst du, dass Project A zwar keine Medienmarke werden soll, aber dass ihr zunehmend weitere Medienkanäle besetzen und diese dauerhaft befeuern werdet, um multiple Touchpoints zu etwaigen Target Groups zu haben?
Dr. Florian Heinemann: Auf jeden Fall. Primär geht es dabei um Gründer:innen und Kandidat:innen. Für uns ist das ein Mittel zum Zweck, denn primär sind wir weiterhin ein Investor.
„Deswegen würde ich nicht bei Die Höhle der Löwen mitmachen – obwohl ich das für ein gutes Format halte, weil das mehr Leute zum Gründen aktiviert und ich es gut finde, wenn Leute gründen. Dabei ist für uns aber die Zielgruppe zu breit.”
An einer breiten öffentlichen Wahrnehmung sind wir nicht interessiert, sondern wir möchten authentische und relevante Botschaften an die für uns relevanten Zielgruppen verbreiten – und das sind eben primär Gründer:innen und Kandidat:innen. Zum Teil sprechen wir natürlich auch andere Investoren oder LPs (Limited Partnerships) an, aber der Fokus liegt auf den erstgenannten Zielgruppen. Es geht also nicht um eine Medienmarke als Selbstzweck, sondern um ein Mittel zum Zweck, mit dem innerhalb der Zielgruppen etwas erreicht werden kann.
Als Front-Person muss man intern trotzdem keinen CEO-Charakter haben
Schahab Hosseiny: Das macht für mich total viel Sinn. Jetzt ist es aber trotzdem so, dass ihr mit Sicherheit innerhalb von Project A weitere Persönlichkeiten aufbaut. Du hast eben gesagt, dass viele eurer Mitarbeitenden zu Wort kommen – ich glaube, eure Marketingleiterin war auch schon einmal bei uns.
Wie befreist du dich denn trotzdem zeitlich von dieser „Chefarztbehandlung“? Wenn du quasi die „Rampensau“ für eine spitze Zielgruppe bist, wollen natürlich Partner:innen, Mandant:innen oder Unternehmen die „Chefarztbehandlung“ durch dich. Wie gelingt es dir, dich zeitlich davon zu trennen? Auch dein Tag hat schließlich nur 24 Stunden.
Dr. Florian Heinemann: Das gelingt eigentlich relativ gut. Deshalb halte ich es auch für wichtig, dass Mitarbeitende von uns zu Wort kommen. Wenn Gründer:innen hier aufschlagen, mit uns im Prozess sind und dementsprechend mit vielen verschiedenen Leuten im Kontakt sind, merken sie relativ schnell, dass zwar einige Leute draußen mehr unterwegs sind, dass darin aber auch unsere funktionale Aufteilung besteht.
Die internen Mitarbeitenden haben natürlich auch ein gewisses Exzellenz- und Qualitätsniveau und deshalb klappt das ziemlich gut. Ich habe auch nicht den Anspruch, der Chef zu sein und das wird intern auch nicht so gelebt. Dir wird hoffentlich jede und jeder bestätigen, dass wir zwar kein hierarchiefreier Laden sind, aber dass wir innerhalb der Partnerschaft komplett gleichberechtigt sind und dass Uwe und ich keine Sonderrolle einnehmen.
Das machen andere VCs sicherlich anders, bei denen die Front-Person gleichzeitig einen CEO-Charakter hat. Das ist bei uns nicht so und ich glaube, das werden dir sowohl meine Partner-Kolleg:innen als auch die Mitarbeitenden bestätigen. Und ich glaube außerdem, dass die Leute das relativ schnell merken. Manche haben für die Kommunikation nach außen keine besondere Affinität, aber mir macht das Spaß und ich glaube, mir liegt das auch. Diese Stärke nutzen wir natürlich, aber das ist Teil eines Gesamtgefüges und hat keine hierarchische Implikation.
Was man aber schon sagen muss: Um Türen zu öffnen, hilft das natürlich schon. Deswegen kann ich allen Gründer:innen nur raten, eine Person oder mehrere Personen in diese Rolle zu versetzen, die eine gewisse Affinität dafür haben. Das schafft eine gewisse Bekanntheit in einer spezifischen Zielgruppe und eine gewisse wahrgenommene Relevanz, die Türen für die gemeinsame Sache öffnen können.
Wichtig ist nur – und darin besteht für viele Gründer:innen die Schwierigkeit –, dass daraus keine höhere Relevanz der einzelnen Person abgeleitet werden darf. Beim Team von ABOUT YOU verfügt Tarek Müller zum Beispiel über eine viel größere Reichweite als seine Kollegen, trotzdem sind sie untereinander gleichberechtigt. Diese Trennung muss klar sein, sonst gibt es Konflikte.
Personal Branding spielt heute eine wesentliche Rolle im Recruiting
Schahab Hosseiny: Sven Schmidt hat auch mal darauf referenziert, dass ihm bei deutschen CEOs dieses verkäuferische und das sich-nach-vorne-stellen fehlen. Das begründet er damit, dass wir heute vor allem am Arbeitgebermarkt eine sehr kompetitive Situation haben und dass man als GründerIn innerhalb des Teams eine Person identifizieren muss, die man nach vorne stellen und die eine Begehrlichkeit wecken kann. Sonst bekommt man die besten Leute einfach nicht. Wenn du oder Tarek euch nach vorne stellt, hat das natürlich auch eine Implikation auf das Thema Recruiting.
Dr. Florian Heinemann: Es hat einen riesigen Wert, wenn Leute gut rüberkommen können, denn das ist nicht allen gegeben. Tarek halten bestimmt viele junge Leute für einen coolen Typen, für den sie gerne arbeiten würden. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber ich glaube, dass er auf die Mehrheit der Leute positiv wirkt. Er ist ja auch ein cooler Typ, der objektiv viel geleistet hat. Und wenn man das hat, ist es natürlich super, das auch zu nutzen.
Schahab Hosseiny: Definitiv. Ich finde es außerdem ganz interessant, dass ich in den letzten Monaten bei LinkedIn oft beobachten konnte, dass Gründer:innen schreiben: Komm zu uns, dann darfst du mit mir arbeiten. Das ist also tatsächlich eine Vorteilsargumentation, das sind Sales.
Dr. Florian Heinemann: Und die Leute, die das gut können, exzellieren auch in Investoren-Gesprächen – das sind ja ähnliche Situationen. Man kann natürlich sagen, dass sich Substanz schon durchsetzen wird und das stimmt teilweise auch, aber wer mit einem gewissen Sales-Talent mehr Geld einbringen und bessere Talente an sich binden kann, dem fällt es natürlich leichter, sich Ressourcen und Geld zu organisieren. Und das steigert die Erfolgswahrscheinlichkeit schon sehr stark.
Diese Argumentation wird zwar stark aus unserer Start-up Bubble getrieben und hat für den Mittelstand vielleicht nicht die gleiche Bedeutung, aber selbst bei einer traditionell mittelständischen Firma wie Viessmann wird deren Personenmarke relativ offensiv nach vorne gestellt – meiner Meinung nach auf eine sympathische und authentische Art und Weise – und das hilft denen massiv beim Recruiting. Insofern halte ich das schon für ein Modell, das für viele Mittelständler:innen attraktiv ist.
Natürlich verstehe ich auch die Präferenz für Privatheit – das hat ja auch eine gewisse Sicherheitskomponente –, aber man vertut damit große Chancen. Wenn Elon Musk oder Jeff Bezos als reichste Menschen der Welt so etwas machen, muss man sich schon fragen, warum man von den meisten reichen Deutschen seit 30 Jahren kein aktuelles Foto gesehen hat und ob das zu den eigenen Bedürfnissen in Relation steht.
Dr. Florian Heinemann über NFT, OpenSea und die verspielte ICO-Chance
Schahab Hosseiny: Das ist mit Sicherheit auch ein kulturelles Thema – du hast eben schon das Thema Sicherheit angesprochen. Florian, lass uns kurz einen Themenschwenk machen. Es gibt aktuell keine Expertenrunde, in der nicht auch über NFTs diskutiert wird. Bist du in NFTs investiert oder verkaufst du vielleicht sogar Güter? Vielleicht bist du ja digitaler Künstler.
Dr. Florian Heinemann: Ich habe einen OpenSea-Account und ich habe auch ein paar Bitcoins – ich mache so etwas schon und ich finde es grundsätzlich auch interessant. Den Gedanken, Güter in einer solchen dezentralen Weise zugänglich zu machen, finde ich schon spannend. Sicherlich muss man schauen, was sich daraus ergibt und was meiner Meinung nach nicht passieren darf, ist das, was vor ein paar Jahren auf dem ICO-Markt passiert ist. Dahinter steckte auch ein total charmanter Gedanke: Gewissen Leuten Zugang zu bestimmten Assets geben, den sie sonst nicht erhalten könnten.
Man darf nur nicht der Versuchung erliegen, das schnelle Geld machen zu wollen. Blödsinn in NFTs ist schließlich immer noch Blödsinn. Die ICO-Chance ist gnadenlos verspielt worden, weil zu viele Leute unseriöse Projekte mit zu hohen Preisen auf den Markt gebracht haben und das Ganze daraufhin zusammengebrochen ist. Jetzt erlebt das eine Renaissance und ich kann mir vorstellen, dass eine gewisse Substanz dahinter steckt.
Lustig daran ist, dass viele davon ausgehen, Regulation und regulierende Instanzen wären etwas negatives, gleichzeitig werden von verschiedenen Playern regulationsbedürftige Assets auf den Markt gebracht, die auf ihre Seriosität überprüft werden müssten. Da stellt sich die Frage, ob das fair ist.
Die Komplexität dieser Sachverhalte ist vielen Konsument:innen nicht vollständig klar und man ist darauf angewiesen, dass man fair behandelt wird. Das ist ein toller Gedanke, aber es müssen gute Assets zu fairen Konditionen in diese Struktur eingebracht werden. Die Struktur selbst ist wertneutral und es kommt darauf an, wie sie ausgestaltet ist. Ich hoffe wirklich, dass der Anteil der Scharlatane und Goldgräber dort eher klein bleibt und ob das der Fall sein wird, werden wir in ein bis zwei Jahren sehen.
Leider ist die Versuchung wahnsinnig groß, denn wenn man ein Verständnis davon erlangt hat, kann man sehr schnell sehr viel Geld verdienen und die Krypto-Community muss einen Weg finden, nur den guten und seriösen Projekten Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das regeln normalerweise zentrale Einheiten oder regulatorische Instanzen und gerade diese möchte man verständlicherweise hier nicht haben, das würde dem Grundgedanken hinter Krypto schließlich widersprechen. Aber dann muss man auch effiziente Mechanismen finden, die Qualität nach oben spülen.
Lustigerweise hat OpenSea als einer der wichtigsten Player in diesem Kontext etwas zentralistische Züge. Zentralisierte Systeme sind an sich nicht schlecht – Plattformen wie Airbnb und eBay sind grundsätzlich nicht schlecht – und dieses Vertrauen muss die Branche sich verdienen. Mit dem Thema werden wir uns weiterhin beschäftigen und wir glauben schon, dass dahinter eine seriöse Substanz steckt. Jetzt muss man es eben gut machen, dann kann da auch etwas nachhaltiges entstehen.
Schahab Hosseiny: Du sagst also, dass da nicht wieder dieses Quick Rich Business wie bei ICO entstehen darf. Ich habe bei einer ICO auch etwas Geld verloren, deshalb kann ich dieses Leid ganz gut nachvollziehen.
Dr. Florian Heinemann: Das ist ja auch ein Ponzi-System: Wenn etwas immer wieder getradet wird, gewinnen zwar ganz viele, aber der oder die Letzte verliert eben und das ist einfach Mist. Egal, ob in der Krypto-Welt oder in der echten Welt – man muss substantielle Dinge machen. Und das gilt auch in der NFT-Welt.
Arbitrage auf dem Krypto- und Aktien-Markt – ja, aber in Maßen
Schahab Hosseiny: Du hast gerade das Thema Kryptowährungen angesprochen. Ist das nicht ein generelles Mindset-Thema? Wenn man in Kryptowährungen investiert, ist man ja fast beleidigt, wenn man nicht innerhalb weniger Wochen eine hundertprozentige Rendite generiert, wohingegen die Kolleg:innen, die in Aktien investieren, mit einer Rendite von fünf Prozent zufrieden sind. Man geht eben in Kryptowährungen rein, weil man ganz klar forciert, eine hohe Rendite rauszuholen.
Dr. Florian Heinemann: Ich weiß nicht, ob das die richtige Motivation ist. In diesem Bereich sind auch eine Reihe von Family Offices aktiv, deren Motivation eine andere ist. Sie sehen das als Store of Value und als Gold-Alternative. Kein Asset kann ohne überlegene Eigenschaften systematisch über einen längeren Zeitraum solche Renditen erwirtschaften. Es gibt immer Arbitrage-Möglichkeiten und es ist auch schön, Arbitrage auszunutzen, aber Arbitrage hat den Sinn, eine substanzgemäße Wertrepräsentation zu erzeugen. Arbitrage ist also per Definition kein Dauerzustand.
Was wir in den letzten fünf Jahren gesehen haben, auch mit diesen wahnsinnigen Renditen am Aktienmarkt im Tech-Bereich, war beeindruckend. Tech wird sich sicherlich weiterhin überproportional entwickeln, auch wenn das letzte Jahr für viele ein Desaster war, aber man kann nicht davon ausgehen, dass man aufgrund eines Wissensvorsprungs mit Arbitrage dauerhaft 100 Prozent Rendite erzielt. Das wird nicht passieren.
Ich kenne nur eine Sache, die systematisch und dauerhaft überhohe Renditen erzielt, und das ist überlegenes operatives Know-how, das in unternehmerische Tätigkeiten umgesetzt wird. Wenn man an den Entwicklungen der letzten fünf Jahre am Krypto- oder Aktienmarkt partizipiert hat, darf man sich natürlich freuen, aber man darf das nicht als normal ansehen. Und man sollte keine Arbeitsbiografie darauf aufbauen, dauerhaft diese Zustände ausnutzen zu wollen.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Normalzustand angesprochen. Ich habe heute gelesen, dass der Tech-Aktienmarkt seit 2016 nicht so einen schlechten Start genossen hat wie 2022. Deshalb glaube ich auch, dass es sich bei den Entwicklungen der letzten Jahre um keinen Normalzustand handelt.
Dr. Florian Heinemann: Fundamental glaube ich dennoch, dass sich Tech besser entwickeln wird als der Durchschnitt. Die Multiples, die man jetzt auch bei Big Tech sieht, sind ja durchaus attraktiv, diese Übertreibung wird sich aber wahrscheinlich wieder ausgleichen. Meiner Meinung nach sollte man bei diesen Themen fundamentaler agieren – gerade als eine Person, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigt.
Fonds als Alternative zur Kryptowährung im Investment
Schahab Hosseiny: Du hast eben außerdem Family Offices angesprochen. Bei dem Family Office Lennertz und Co. sitzt du im Beirat. Kannst du etwas zu dem Blockchain Fund I erzählen oder uns daran teilhaben lassen, wie ihr die gesamte dezentrale Welt von Krypto und Web 3.0 betrachtet?
Dr. Florian Heinemann: Wenn man an diesen Themen teilhaben möchte und nicht die Zeit hat, sich im Detail damit zu beschäftigen, dann ist so etwas wie ein Fonds eine gute Möglichkeit – und in dem Fall ist das ja ein Dachfonds. Ein Dachfonds ist ein Fonds, der wiederum in andere Fonds investiert, die dann schließlich in Tokens, Währungen und andere Ansätze rund um die Krypto-Welt investieren. Insbesondere bei einer Dachfonds-Struktur hat man zwar doppelte Gebühren, aber man muss schon sehr versiert sein und viel Zeit investieren, um bessere Resultate zu erzielen.
Die Natur eines Dachfonds besteht immer darin, dass man keine extremen Entwicklungen nach oben hat, dafür aber auch ein deutlich reduziertes Downside. Die Logik jedes Fonds besteht darin, breiter zu streuen und dadurch die Volatilität zu verringern. Außerdem sitzen da erfahrene Leute, die sich mit den relevanten Themen beschäftigen und in der Regel gute Fonds auswählen.
Wenn man über ein gewisses Vermögen verfügt und das Teil der eigenen Asset-Allokation sein soll, ist das ein guter Ansatz. Es ist schon ein spezielles Produkt für etwas vermögendere Leute, die an dieser Entwicklung partizipieren und etwas lernen möchten, sich aber nicht intensiv damit auseinandersetzen möchten oder können. Aber wir wollen ja auch keine Anlageberatung machen.
Virtual Reality ist noch nicht im Arbeitsalltag angekommen, stellt Dr. Heinemann fest
Schahab Hosseiny: Nachvollziehbar. Florian, lass uns mal bei den Trends von 2022 bleiben. Wir haben eben schon über Web 3.0 und Dezentralisierung gesprochen. Sprechen wir jetzt Mal über das Metaverse. Meta (ehemals Facebook) investiert sehr stark über sein Vehikel Oculus in das gesamte Thema Metaverse. Wie ist deine persönliche Erfahrung mit dem Metaverse beziehungsweise Virtual Reality?
Hast du bei Project A diese Technologie gegebenenfalls schon in den Arbeitsalltag überführt, um dich damit schon ein bisschen anzufreunden? Ich habe zum Beispiel Horizon Workrooms ausprobiert und finde das ziemlich angenehm – bis auf den Umstand, dass diese Brille unheimlich schwer und irgendwann nicht mehr angenehm zu tragen ist.
Wie versucht ihr euch mit diesen neuen Innovationen innerhalb von Project A zu beschäftigen? Du bist ja auch immer mit dabei – bei OpenSea hast du einen Account und du hast in Kryptowährungen investiert – und du verstehst diese Techniken. Mich würde interessieren, wie du und Project A mit diesem Thema umgeht und wie du das gesamte Thema Metaverse aus VC-Aspekten betrachtest.
Dr. Florian Heinemann: Unser Kollege Jack kommt aus der Gaming-Welt und beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema. Epic Games – das Softwareunternehmen hinter Fortnite – ist in dem Bereich auch schon ein relevanter Player.
„Das ist also nicht nur ein Thema bei Meta, obwohl es schon ein sehr geschickter Marketing-Scoop war, sich von Facebook zu Meta umzubenennen.”
So entsteht für unbedarfte Menschen der Eindruck, das Metaverse sei gleichbedeutend mit Facebook, obwohl dem nicht so ist. Microsoft, Samsung, der Chiphersteller Nvidia und eine Reihe von Gaming-Firmen sind in dem Bereich ebenfalls aktiv. Das wird meiner Meinung nach auf jeden Fall ein relevantes Thema werden, weil natürlich auch wahnsinnig viel Geld da reinfließt, um eine gute Experience zu erzeugen.
Wenn man die aktuelle Oculus-Brille mit der Oculus-Brille von vor drei Jahren vergleicht, ist das ein enormer Fortschritt. Ich war trotzdem nicht begeistert davon, aber man darf natürlich auch nicht von sich selbst auf andere schließen. Meine Kinder haben diese Brille zum Beispiel auch ausprobiert und sie haben meine Probleme mit dem Gerät nicht als besonders störend empfunden, sondern sie waren eher begeistert.
Ich glaube, das wird über die Gaming-Welt eindringen und mit der Zeit wird die Experience bei den Nutzenden sicherlich verbessert werden – egal ob das drei oder zehn Jahre dauert. Die Zoom-Experience ist ja auch schon viel besser geworden und beim Metaverse wird sich diese Entwicklung potenzieren.
Aber in unserem Alltag bei Project A spielt das aktuell keine Rolle. Vielleicht ist das bei anderen Portfolio-Unternehmen anders, aber abgesehen vom Gaming- und Porno-Bereich sehe ich diese Entwicklung bisher nicht. Da müssen wir jetzt aufmerksam bleiben und schauen, was dort gerade passiert und wann Use Cases entstehen, die für das eigene Unternehmen relevant sind. Dafür bleibt aber noch Zeit, weil noch gar nicht klar ist, ob das ein Facebook-Phänomen oder eine offene Geschichte mit vielen Beteiligten wird.
Meta wird natürlich versuchen, das für sich zu vereinnahmen, aber meiner Meinung nach ist es noch relativ unklar, welche die relevanten Player sein werden. Deutsche Firmen werden da aber wahrscheinlich keine Rolle spielen, weil man da viel in Hardware investieren muss und das ist nicht die Stärke europäischer Firmen. Uns wird wahrscheinlich die Rolle zukommen, frühzeitig die relevanten Plattformen und Use Cases zu identifizieren und darauf bin ich schon gespannt.
Ohne staatliche Finanzierung benötigen groß angelegte Projekte sehr starke Investoren
Schahab Hosseiny: Meinst du also, dass das die Amerikaner und Chinesen unter sich ausmachen werden?
Dr. Florian Heinemann: Vielleicht wird es noch einen anderen tollen Ansatz geben, aber dafür wird man auch viel Geld benötigen. Bis es Firmen wie die Aerospace Corporation oder SpaceX gab, konnte sich auch niemand vorstellen, dass Firmen ohne staatliche Unterstützung eine Rolle in der Raumfahrt spielen würden. Wenn also jemand einen guten Ansatz hätte und die Finanzierung dafür beschaffen könnte, könnte das klappen. Und diese Finanzierung zu erhalten, ist heute für deutsche oder europäische Firmen wahrscheinlicher als je zuvor. Bei Lilium waren beispielsweise asiatische und amerikanische Investor:innen dabei, aber eben auch einige europäische.
Wir brauchen eine europäische Cloud-Lösung, betont Project A Ventures-Gründer
Schahab Hosseiny: Hältst Du das denn für ein geopolitisches Thema? Meinst du, dass wir in dem Bereich mitspielen müssen, weil Europa sonst bei dem nächsten großen Thema abgehängt wird?
Dr. Florian Heinemann: Das ist natürlich eine Grundsatzentscheidung. Wir haben uns in der Luftfahrt geeinigt, dass wir mit Airbus gerne einen relevanten Player haben möchten, und das klappt auch. In Sachen GPS haben wir uns dafür entschieden, dass das eine wichtige Infrastruktur ist. Ich bin in geopolitischer Hinsicht eher ein Bottom-up-Typ, insofern habe ich in dem Bereich keine wahnsinnig qualifizierte Meinung.
Aber ich glaube, man hätte schon früher anfangen müssen. Allerdings ist es wahrscheinlich auch so, dass andere Themen – die Google-Infrastruktur mit der Google Cloud, Amazon Web Services oder Microsoft – deutlich systemrelevanter sind. Eigentlich müsste es auch eine europäische Cloud geben und das halte ich aktuell für relevanter. Ehrlich gesagt müsste ich darüber aber noch mehr nachdenken, um mir wirklich sicher zu sein.
Das kann sich natürlich alles noch ändern und wenn es dann relevant wird, kann man nicht erst zu diesem Zeitpunkt beginnen, sich damit zu beschäftigen. Aber wie in den USA kann man wahrscheinlich nicht auf eine staatliche Initiative setzen, sondern das müssen private Unternehmen machen, in die der Staat wiederum investieren sollte. Bei BioNTech und Curevac hat die Bundesregierung schließlich auch Geld investiert, um sich einen gewissen Zugriff zu sichern. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen könnte in dem Bereich die besten Ansätze auswählen und sie fördern.
Ich glaube, aktuell fördern sie sogar ein Projekt, das so etwas wie ein optimiertes Google Glass hervorbringen soll. Sie gehen also schon in diese Richtung. Wenn man das für systemrelevant hält, muss man also Agenturen, Initiativen oder Fonds schaffen, die Mittel verteilen und Projekte fördern – so wie man das im VC-Bereich gemacht hat.
Schahab Hosseiny: Morgen ist der Vorstand von 1&1 Ionos bei uns zu Gast, sie können bestimmt auch etwas zu den Stichwörtern Hyperscaler und EU-Cloud sagen.
Dr. Florian Heinemann: Sie haben dazu wahrscheinlich eine deutlich fundiertere Meinung als ich.
Das Format Podcast muss messbarer werden, um an Marketing-Bedeutung zu gewinnen
Schahab Hosseiny: Lass uns noch einen kleinen Themensprung machen. Virtual Reality ist zu Zeiten des Home Office in der Anwendungsdichte gewachsen. Lass uns in dem Zusammenhang über Workplace Flexibility sprechen. Die Flexibilität am Arbeitsplatz hat durch die Pandemie auf jeden Fall einen Effekt weiter beschleunigt: Wir alle haben viel mehr Bewegtbild- und Audio-Content konsumiert und tun das weiterhin. Wir sehen außerdem, dass der Trend von Prime Time Spots weggeht, stattdessen wird viel mehr über den Tag hinweg konsumiert. Konsumierst du während deiner Arbeitszeit oder deiner Focus Time Podcasts?
Dr. Florian Heinemann: Nein. Ich höre während der Fokuszeit nur Instrumentalmusik, weil mich alles andere ablenkt. Beim Autofahren, Taxifahren, während meiner Reisezeit, beim Einkaufen oder während ich zu Hause die Küche aufräume, höre ich aber gerne Podcasts.
Schahab Hosseiny: Was für ein Potential siehst du darin? Kurz vor dir war Spotify auf der Bühne und sie haben über das Potential von Audio gesprochen. Du sagst ja auch, dass bei Project A Audio sehr gut funktioniert und ich bin mir sicher, dass ihr das Plateau auch noch nicht erreicht habt, denn ihr verzeichnet weiterhin ein sehr starkes Wachstum. Welche Chancen ergeben sich im Bereich Audio? Würdest du sagen, dass in diesem Zusammenhang das Thema Podcasting besonders interessant ist oder beschäftigt ihr euch eher mit Smart Speakern? Wie betrachtest du das gesamte Thema Audio?
Dr. Florian Heinemann: Ich finde an Audio besonders gut, dass man es nebenher machen kann. Auch wenn ich das nicht kann, können viele andere das neben der Arbeit machen. Wenn man eher einer manuellen Tätigkeit oder einem Handwerk nachgeht, muss man sich zwar auch konzentrieren, aber man hat trotzdem die mentalen Kapazitäten für einen Podcast. Deshalb sehe ich da für die Advertiser ein enormes Potential. Sicherlich benötigt man noch ein besseres Tracking und in dem Bereich passiert auch schon eine Menge.
Es ist aber schon witzig, dass wir ähnlich schlechte Statistiken in der Podcast-Reichweite haben wie in der Offline-Welt. Die Podcast-Welt müsste eigentlich eine bessere Messbarkeit und Aussteuerung ermöglichen. Das ist natürlich schwierig, wenn man sein eigenes Silo erzeugt, aber um mehr Werbegelder zu aktivieren, müsste man die Buchung vereinfachen und plattformübergreifende Standards erarbeiten.
Ansonsten hat das meiner Meinung nach ein immenses Potential als Werbemedium und auch für die interne Kommunikation. So könnten in Unternehmen Sales-Mitarbeitende geschult werden und theoretisch könnte der CEO einer Firma jede Woche ein Interview wie unseres führen.
„Dann könnten die Mitarbeitenden direkt die Gedanken ihres CEO zu bestimmten Themen erfahren, statt in der FAZ irgendwelche zusammengewürfelten Statements zu lesen, die von der PR-Abteilung solange bearbeitet wurden, bis man gar nichts mehr versteht.“
Das wäre also eine große Chance für authentische interne Kommunikation, mit der man tatsächlich einen gemeinsamen Spirit erzeugen könnte – mit Remote und Home Work ist der heutzutage ohnehin viel schwieriger zu erzeugen.
Schahab Hosseiny: Da sind die Eintrittsbarrieren auch viel geringer.
Dr. Florian Heinemann: Und die Produktionskosten sind viel geringer als bei Video-Content. Genau, damit das gut zu konsumieren ist, hat man viel geringere Eintrittsbarrieren. Man benötigt ein vernünftiges Mikrofon und dann kann man den Podcast sogar im Schlafanzug aufnehmen. Wenn ich mit Alexander Graf einen Podcast aufnehme, sprechen wir diesen gemeinsam eine Stunde lang ein und 20 Minuten später kann Alex das hochladen. Es ist natürlich nicht immer perfekt, aber immerhin muss man nicht drei Wochen lang ein Video bearbeiten.
Die stets wachsende Bedeutung videobasierten Advertisings am Beispiel von TikTok
Schahab Hosseiny: Das macht es auch so authentisch und wahrscheinlich auch so beliebt. Florian, ich habe noch einen ganzen Haufen Fragen, mit Blick auf die Uhr werden wir diese aber nicht alle schaffen. Eine Frage habe ich aber dennoch und die bezieht sich auf das Thema Wachstum. Nicht nur die Relevanz von Podcasts wächst, sondern auch die von TikTok. Weltweit liegen sie im App Store irgendwo zwischen Platz eins und drei, laut Cloudflare wurde die Website von TikTok letztes Jahr häufiger besucht als Google – nach 15 Jahren wurde Google also vom Thron gestoßen. Was da gerade passiert, ist der Wahnsinn.
Wir sehen, dass sich die Implementierungs-Raten von TikTok Pixel viel schneller entwickeln als die von Pinterest und Twitter – sie weisen also ein rasantes Wachstum auf. Glaubst du, dass TikTok das gesamte Advertising Game gerade massiv verändert, weil TikTok versucht, Organic und Paid miteinander zu verbinden? Verändert das außerdem das Bild des typischen Campaign Managers, der sich heute zumindest im Performance Marketing-Bereich sehr stark an Zahlen, Daten und Fakten orientiert?
Dr. Florian Heinemann: Mit Instagram hat sich das ein Stück weit schon angedeutet und die Instagram Reels sind letztendlich auch nur eine Kopie von TikTok. Das videobasierte Advertising hat natürlich schon vorher auf verschiedenen sozialen Plattformen stattgefunden und es hat eine Entwicklung dahingehend bewirkt, dass die Kreation wieder deutlich wichtiger geworden ist. Gerade bei einer SEA-Anzeige oder bei einer Text Ad auf Twitter ist die kreative Freiheit doch recht eingeschränkt.
„Kreativität und eine gute Story spielen aber eine große Rolle, weil sie sich in mehr Engagement niederschlagen und das zu mehr Reichweite und günstigeren CPCs führt. Und das treibt TikTok auf die Spitze und ein Stück weit bewirkt das die Renaissance der Kreativität im digitalen Marketing.”
Aber auch hier zählt nicht die eine brillante Idee, auf der sich Kreative dann ein halbes Jahr lang ausruhen können, sondern man muss jeden Tag kreativen Content generieren. Man muss also serielle, systematische Kreativität erzeugen und dieses Problem müssen die Marketing-Abteilungen lösen. Die Marketing-DNA vieler Marketing-Abteilungen war lange Zeit nach dem booking.com-Modell ausgerichtet: Quantität, schlecht designte Websites mit einer hervorragenden Konvertierung und dementsprechende Anzeigen.
Dann kamen mit FMCG die Kreativen und jetzt muss man beides zusammenbringen, um erfolgreich zu sein. Quantität und Kreativität alleine reichen nicht mehr aus, sondern man benötigt serielle Kreativität und man muss die Faktoren dahinter verstehen. Man muss verstehen, was erfolgreich ist und für Engagement sorgt und wie das im Zusammenhang mit der Conversion funktioniert.
Deswegen gibt es jetzt TikTok Pixel, damit die Advertiser sehen, welchen Effekt ihre Werbung hat. Und die gleiche Kreativität benötigt man für die Gewinnung von First Party Data oder Zero Party Data. Auch dafür müssen Nutzer:innen überzeugt werden, auch dafür muss man Engagement erzielen. Gleichzeitig müssen diese kreativen Ansätze aber auch einen starken Bezug zum eigenen Produkt oder Service haben. Engagement zu erzeugen ist relativ leicht, aber das hat nicht automatisch etwas mit dem Produkt zu tun.
Schahab Hosseiny: Das wird mit Sicherheit eine Herausforderung sein. Florian, herzlichen Dank für diese kurzweilige Unterhaltung. Ich habe mal wieder sehr viel gelernt. Vielen Dank für deine Zeit, hoffentlich bist du bald wieder bei uns zu Gast.
Dr. Florian Heinemann: Ich bedanke mich auch. Ciao, ciao.
Dr. Florian Heinemann, General und Founding Partner von Project A Ventures, stellt sich im Fireside Chat den Fragen von Host Schahab Hosseiny und erläutert dabei seine Rolle als Werbefigur und seine Ansichten bezüglich verschiedener Advertising-Lösungen und den Entwicklungen auf dem Krypto-Markt.
Project A Ventures ist eine 2012 gegründete Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Berlin, die schwerpunktmäßig in Start-ups im Serie-A-Stadium in ganz Europa investiert. Ihr Portfolio umfasst 100 Digital-Unternehmen, die vornehmlich Zukunftstechnologien in den Sektoren Logistik, Finanzwesen, Gesundheit, Immobilienwirtschaft, Mobilität und Industrie 4.0 entwickeln.
Zusätzlich unterstützt Project A seine Partner unter anderem in der Software-Entwicklung, im Marketing und im Bereich Business Intelligence. Inzwischen verwaltet Project A ein Vermögen von 600 Millionen Dollar, welches mittels drei verschiedener Fonds zusammengetragen wurde.
Video mit Dr. Florian Heinemann
Mario Rose: Heute ist Dr. Florian Heinemann bei uns zu Gast und wir freuen uns, ihn heute zum zweiten Mal im Rahmen der OMKB begrüßen zu dürfen. Florian Heinemann ist Founding Partner von Project A Ventures und dort schon seit 2012 für die Themen Marketing, CRM und Business Intelligence zuständig. Hallo Florian und herzlich willkommen zur OMKB. Schön, dass du da bist.
Dr. Florian Heinemann: Moin, moin. Vielen Dank, dass ich dabei sein darf.
Mario Rose: Florian, ich würde dich noch in ein paar Sätzen vorstellen und dann gleich an meinen lieben Kollegen Schahab übergeben, der den heutigen Talk mit dir führen wird. Wie bereits erwähnt, ist Dr. Florian Heinemann seit 2012 bei Project A an Bord und zusätzlich als Board Member in unterschiedlichen Aufsichtsräten aktiv, beispielsweise seit 2019 bei der Trade Republic und seit 2017 bei Lampenwelt.
Bei ABOUT YOU ist er Mitglied des Supervisory Boards und bei Henkel seit 2018 Mitglied des Digital Advisory Boards. Er hält einen Master of Science in Business Administration, hat einen Doktortitel in Innovation Management/Entrepreneurship an der RWTH Aachen abgelegt und als Business Angel kommt er auf über 100 Investitionen in diverse Start-ups.
Project A ist eins der führenden Venture Capital-Unternehmen in Europa mit Sitz in Berlin, das aktuell exklusiv in der operativen Unterstützungsleistung von mehr als 70 Start-ups aktiv ist. Das Portfolio umfasst bekannte Marken wie Trade Republic oder Spryker und 2020 wurde Project A vom Business Insider als bestes deutsches VC-Unternehmen ausgezeichnet. Florian, das sind eine Menge Themen, die du einbringen kannst und insofern freuen wir uns sehr, dass du heute bei der OMKB am Start bist. An dieser Stelle übergebe ich an dich, lieber Schahab.
Podcast mit Business Angel Dr. Florian Heinemann
Project A Ventures Founder ist sich sicher: Podcasts ermöglichen eine authentische Kommunikation
Schahab Hosseiny: Sehr schön. Servus Florian. Ich hoffe, dir geht es gut. Wir haben hier einen randvollen Fragekatalog und wir werden versuchen, den in den nächsten Minuten gemeinsam zu bearbeiten. Darauf freue ich mich schon. Florian, in der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich natürlich die übliche Research durchgeführt und konnte diverse Podcasts von dir finden und dabei ist bei uns in der Redaktion eine Frage aufgekommen:
Du bist ja als analytisch exzellent denkender Mensch ein gern gesehener Gesprächspartner in Podcasts, Interviews und anderen Formaten. Welchen direkten oder indirekten Impact hat deine Präsenz auf euer Geschäft bei Project A? Bei diesem Personality Marketing, welches du sicherlich in den letzten Jahren etwas intensiver hochgefahren hast, gibt es ja häufig auch Diskussionen darüber, wer der Front Runner ist und mit seinem oder ihrem Gesicht vor der Company steht – Project A verbinde ich beispielsweise sehr stark mit dir. Kannst du einschätzen, welchen Impact das auf euer Business hat?
Dr. Florian Heinemann: Das ist natürlich nicht einhundertprozentig klar zu beziffern, man kann aber schon klar sagen, dass der Geschäftsbereich VC davon abhängig ist, dass sich die besten Gründer:innen an einen wenden.
„Und wir haben gemerkt, dass Podcasts ein sehr gutes Mittel sind, um authentisch die eigenen Gedanken zu vermitteln und einen guten Eindruck von dem zu machen, mit was für einem Menschen man eine Verbindung eingeht.”
Insofern hat das einen riesigen Vorteil und deshalb bin ich auch ein großer Podcast-Fan. Denn so können sich Leute, die überlegen, ob sie von einem VC-Unternehmen oder Investor Geld annehmen sollen, ein authentisches Bild von diesem Unternehmen machen. Und dementsprechend merken wir auch immer wieder, dass diese Podcasts von Leuten gehört werden, mit denen wir aktuell im Gespräch sind.
Wir machen bei Project A auch selbst einen Podcast, in dem immer wieder Mitarbeitende zu Wort kommen – Philipp Werner tritt dort zum Beispiel im Kontext Marketing regelmäßig auf. Wir möchten nicht rumlaufen und erzählen, wie toll Project A ist, sondern vielmehr über die Inhalte reden, mit denen wir uns beschäftigen, und uns mit Fachthemen auseinandersetzen.
Das müssen nicht nur Marketing-Themen sein, sondern dabei kann es auch um Investment-Trends gehen –, um nach außen ein authentisches Bild zu vermitteln. Und wir merken, dass ein relevanter Teil der Leute, die sich an uns wenden, mit diesen Dingen Kontakt hatte und das auch mehrheitlich positiv auffasst.
Außerdem rekrutieren wir sehr aktiv und regelmäßig – für uns, aber auch für das Portfolio. Mit 130 Mitarbeitenden haben wir für ein VC-Unternehmen aufgrund unseres umfassenden Supports relativ viele Mitarbeitende und deswegen besteht eines unserer Ziele darin, ein möglichst attraktiver Gesprächspartner zu sein.
Firmen müssen sich heute genauso um Bewerber bemühen wie umgekehrt
Auch da hat sich das Bild nämlich komplett gedreht: Als qualifizierte Person kann man sich seinen Arbeitgeber aussuchen. Und auch an der Stelle merken wir, dass viele der Personen, mit denen wir ins Gespräch gehen, vorher mit diesen Themen Kontakt hatten. Ich kann dir nicht sagen, wie viele sich deshalb bewerben oder eben nicht bewerben, aber viele hatten Kontakt damit und haben sich daraufhin bewusst dafür entschieden, mit uns zu sprechen.
Einige werden auf Basis unserer Inhalte wahrscheinlich auch entscheiden, dass sie nichts mit uns zu tun haben möchten. Aber ich glaube, dass man das Matching verbessert, wenn man ein authentisches Bild nach außen vermittelt. Dann können sich die Leute sowohl auf der Gründerseite als auch auf der Kandidatenseite aussuchen, ob sie mit dieser Institution, dieser Firma oder diesen Menschen etwas zu tun haben möchten.
Unabhängig von der Reichweite, die damit erzeugt wird, halte ich das deshalb für relevant und glaube, dass wir mit Podcasts, Videos und unserer Konferenz (die Project A Knowledge Conference) die richtige Zielgruppe erreichen. Ohne das einhundertprozentig quantifizieren zu können, glauben wir stark daran.
Andere VCs – in den USA zum Beispiel – werden inzwischen als Medienkonzerne mit angeschlossenem Investment-Geschäft bezeichnet und die betreiben das natürlich viel konsequenter und mit viel mehr Ressourcen-Einsatz. In einer Zeit, in der man sich als VC bei Gründer:innen oder potentiellen Beschäftigten eher bewerben muss, halte ich das dennoch für ein probates Mittel.
Schahab Hosseiny: Du siehst also ganz klar einen kompetitiven Vorteil, weil ihr von einem größeren Netzwerk angesprochen werdet und ihr die jeweiligen Zuhörer:innen teilweise auch positiv primen könnt. Darüber hinaus gibt es natürlich auch einen positiven Effekt in Richtung HR. Du hast ja eben in Richtung der USA referenziert. Ist das für dich ein Role Model? Sagst du, dass Project A zwar keine Medienmarke werden soll, aber dass ihr zunehmend weitere Medienkanäle besetzen und diese dauerhaft befeuern werdet, um multiple Touchpoints zu etwaigen Target Groups zu haben?
Dr. Florian Heinemann: Auf jeden Fall. Primär geht es dabei um Gründer:innen und Kandidat:innen. Für uns ist das ein Mittel zum Zweck, denn primär sind wir weiterhin ein Investor.
„Deswegen würde ich nicht bei Die Höhle der Löwen mitmachen – obwohl ich das für ein gutes Format halte, weil das mehr Leute zum Gründen aktiviert und ich es gut finde, wenn Leute gründen. Dabei ist für uns aber die Zielgruppe zu breit.”
An einer breiten öffentlichen Wahrnehmung sind wir nicht interessiert, sondern wir möchten authentische und relevante Botschaften an die für uns relevanten Zielgruppen verbreiten – und das sind eben primär Gründer:innen und Kandidat:innen. Zum Teil sprechen wir natürlich auch andere Investoren oder LPs (Limited Partnerships) an, aber der Fokus liegt auf den erstgenannten Zielgruppen. Es geht also nicht um eine Medienmarke als Selbstzweck, sondern um ein Mittel zum Zweck, mit dem innerhalb der Zielgruppen etwas erreicht werden kann.
Als Front-Person muss man intern trotzdem keinen CEO-Charakter haben
Schahab Hosseiny: Das macht für mich total viel Sinn. Jetzt ist es aber trotzdem so, dass ihr mit Sicherheit innerhalb von Project A weitere Persönlichkeiten aufbaut. Du hast eben gesagt, dass viele eurer Mitarbeitenden zu Wort kommen – ich glaube, eure Marketingleiterin war auch schon einmal bei uns.
Wie befreist du dich denn trotzdem zeitlich von dieser „Chefarztbehandlung“? Wenn du quasi die „Rampensau“ für eine spitze Zielgruppe bist, wollen natürlich Partner:innen, Mandant:innen oder Unternehmen die „Chefarztbehandlung“ durch dich. Wie gelingt es dir, dich zeitlich davon zu trennen? Auch dein Tag hat schließlich nur 24 Stunden.
Dr. Florian Heinemann: Das gelingt eigentlich relativ gut. Deshalb halte ich es auch für wichtig, dass Mitarbeitende von uns zu Wort kommen. Wenn Gründer:innen hier aufschlagen, mit uns im Prozess sind und dementsprechend mit vielen verschiedenen Leuten im Kontakt sind, merken sie relativ schnell, dass zwar einige Leute draußen mehr unterwegs sind, dass darin aber auch unsere funktionale Aufteilung besteht.
Die internen Mitarbeitenden haben natürlich auch ein gewisses Exzellenz- und Qualitätsniveau und deshalb klappt das ziemlich gut. Ich habe auch nicht den Anspruch, der Chef zu sein und das wird intern auch nicht so gelebt. Dir wird hoffentlich jede und jeder bestätigen, dass wir zwar kein hierarchiefreier Laden sind, aber dass wir innerhalb der Partnerschaft komplett gleichberechtigt sind und dass Uwe und ich keine Sonderrolle einnehmen.
Das machen andere VCs sicherlich anders, bei denen die Front-Person gleichzeitig einen CEO-Charakter hat. Das ist bei uns nicht so und ich glaube, das werden dir sowohl meine Partner-Kolleg:innen als auch die Mitarbeitenden bestätigen. Und ich glaube außerdem, dass die Leute das relativ schnell merken. Manche haben für die Kommunikation nach außen keine besondere Affinität, aber mir macht das Spaß und ich glaube, mir liegt das auch. Diese Stärke nutzen wir natürlich, aber das ist Teil eines Gesamtgefüges und hat keine hierarchische Implikation.
Was man aber schon sagen muss: Um Türen zu öffnen, hilft das natürlich schon. Deswegen kann ich allen Gründer:innen nur raten, eine Person oder mehrere Personen in diese Rolle zu versetzen, die eine gewisse Affinität dafür haben. Das schafft eine gewisse Bekanntheit in einer spezifischen Zielgruppe und eine gewisse wahrgenommene Relevanz, die Türen für die gemeinsame Sache öffnen können.
Wichtig ist nur – und darin besteht für viele Gründer:innen die Schwierigkeit –, dass daraus keine höhere Relevanz der einzelnen Person abgeleitet werden darf. Beim Team von ABOUT YOU verfügt Tarek Müller zum Beispiel über eine viel größere Reichweite als seine Kollegen, trotzdem sind sie untereinander gleichberechtigt. Diese Trennung muss klar sein, sonst gibt es Konflikte.
Personal Branding spielt heute eine wesentliche Rolle im Recruiting
Schahab Hosseiny: Sven Schmidt hat auch mal darauf referenziert, dass ihm bei deutschen CEOs dieses verkäuferische und das sich-nach-vorne-stellen fehlen. Das begründet er damit, dass wir heute vor allem am Arbeitgebermarkt eine sehr kompetitive Situation haben und dass man als GründerIn innerhalb des Teams eine Person identifizieren muss, die man nach vorne stellen und die eine Begehrlichkeit wecken kann. Sonst bekommt man die besten Leute einfach nicht. Wenn du oder Tarek euch nach vorne stellt, hat das natürlich auch eine Implikation auf das Thema Recruiting.
Dr. Florian Heinemann: Es hat einen riesigen Wert, wenn Leute gut rüberkommen können, denn das ist nicht allen gegeben. Tarek halten bestimmt viele junge Leute für einen coolen Typen, für den sie gerne arbeiten würden. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber ich glaube, dass er auf die Mehrheit der Leute positiv wirkt. Er ist ja auch ein cooler Typ, der objektiv viel geleistet hat. Und wenn man das hat, ist es natürlich super, das auch zu nutzen.
Schahab Hosseiny: Definitiv. Ich finde es außerdem ganz interessant, dass ich in den letzten Monaten bei LinkedIn oft beobachten konnte, dass Gründer:innen schreiben: Komm zu uns, dann darfst du mit mir arbeiten. Das ist also tatsächlich eine Vorteilsargumentation, das sind Sales.
Dr. Florian Heinemann: Und die Leute, die das gut können, exzellieren auch in Investoren-Gesprächen – das sind ja ähnliche Situationen. Man kann natürlich sagen, dass sich Substanz schon durchsetzen wird und das stimmt teilweise auch, aber wer mit einem gewissen Sales-Talent mehr Geld einbringen und bessere Talente an sich binden kann, dem fällt es natürlich leichter, sich Ressourcen und Geld zu organisieren. Und das steigert die Erfolgswahrscheinlichkeit schon sehr stark.
Diese Argumentation wird zwar stark aus unserer Start-up Bubble getrieben und hat für den Mittelstand vielleicht nicht die gleiche Bedeutung, aber selbst bei einer traditionell mittelständischen Firma wie Viessmann wird deren Personenmarke relativ offensiv nach vorne gestellt – meiner Meinung nach auf eine sympathische und authentische Art und Weise – und das hilft denen massiv beim Recruiting. Insofern halte ich das schon für ein Modell, das für viele Mittelständler:innen attraktiv ist.
Natürlich verstehe ich auch die Präferenz für Privatheit – das hat ja auch eine gewisse Sicherheitskomponente –, aber man vertut damit große Chancen. Wenn Elon Musk oder Jeff Bezos als reichste Menschen der Welt so etwas machen, muss man sich schon fragen, warum man von den meisten reichen Deutschen seit 30 Jahren kein aktuelles Foto gesehen hat und ob das zu den eigenen Bedürfnissen in Relation steht.
Dr. Florian Heinemann über NFT, OpenSea und die verspielte ICO-Chance
Schahab Hosseiny: Das ist mit Sicherheit auch ein kulturelles Thema – du hast eben schon das Thema Sicherheit angesprochen. Florian, lass uns kurz einen Themenschwenk machen. Es gibt aktuell keine Expertenrunde, in der nicht auch über NFTs diskutiert wird. Bist du in NFTs investiert oder verkaufst du vielleicht sogar Güter? Vielleicht bist du ja digitaler Künstler.
Dr. Florian Heinemann: Ich habe einen OpenSea-Account und ich habe auch ein paar Bitcoins – ich mache so etwas schon und ich finde es grundsätzlich auch interessant. Den Gedanken, Güter in einer solchen dezentralen Weise zugänglich zu machen, finde ich schon spannend. Sicherlich muss man schauen, was sich daraus ergibt und was meiner Meinung nach nicht passieren darf, ist das, was vor ein paar Jahren auf dem ICO-Markt passiert ist. Dahinter steckte auch ein total charmanter Gedanke: Gewissen Leuten Zugang zu bestimmten Assets geben, den sie sonst nicht erhalten könnten.
Man darf nur nicht der Versuchung erliegen, das schnelle Geld machen zu wollen. Blödsinn in NFTs ist schließlich immer noch Blödsinn. Die ICO-Chance ist gnadenlos verspielt worden, weil zu viele Leute unseriöse Projekte mit zu hohen Preisen auf den Markt gebracht haben und das Ganze daraufhin zusammengebrochen ist. Jetzt erlebt das eine Renaissance und ich kann mir vorstellen, dass eine gewisse Substanz dahinter steckt.
Lustig daran ist, dass viele davon ausgehen, Regulation und regulierende Instanzen wären etwas negatives, gleichzeitig werden von verschiedenen Playern regulationsbedürftige Assets auf den Markt gebracht, die auf ihre Seriosität überprüft werden müssten. Da stellt sich die Frage, ob das fair ist.
Die Komplexität dieser Sachverhalte ist vielen Konsument:innen nicht vollständig klar und man ist darauf angewiesen, dass man fair behandelt wird. Das ist ein toller Gedanke, aber es müssen gute Assets zu fairen Konditionen in diese Struktur eingebracht werden. Die Struktur selbst ist wertneutral und es kommt darauf an, wie sie ausgestaltet ist. Ich hoffe wirklich, dass der Anteil der Scharlatane und Goldgräber dort eher klein bleibt und ob das der Fall sein wird, werden wir in ein bis zwei Jahren sehen.
Leider ist die Versuchung wahnsinnig groß, denn wenn man ein Verständnis davon erlangt hat, kann man sehr schnell sehr viel Geld verdienen und die Krypto-Community muss einen Weg finden, nur den guten und seriösen Projekten Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das regeln normalerweise zentrale Einheiten oder regulatorische Instanzen und gerade diese möchte man verständlicherweise hier nicht haben, das würde dem Grundgedanken hinter Krypto schließlich widersprechen. Aber dann muss man auch effiziente Mechanismen finden, die Qualität nach oben spülen.
Lustigerweise hat OpenSea als einer der wichtigsten Player in diesem Kontext etwas zentralistische Züge. Zentralisierte Systeme sind an sich nicht schlecht – Plattformen wie Airbnb und eBay sind grundsätzlich nicht schlecht – und dieses Vertrauen muss die Branche sich verdienen. Mit dem Thema werden wir uns weiterhin beschäftigen und wir glauben schon, dass dahinter eine seriöse Substanz steckt. Jetzt muss man es eben gut machen, dann kann da auch etwas nachhaltiges entstehen.
Schahab Hosseiny: Du sagst also, dass da nicht wieder dieses Quick Rich Business wie bei ICO entstehen darf. Ich habe bei einer ICO auch etwas Geld verloren, deshalb kann ich dieses Leid ganz gut nachvollziehen.
Dr. Florian Heinemann: Das ist ja auch ein Ponzi-System: Wenn etwas immer wieder getradet wird, gewinnen zwar ganz viele, aber der oder die Letzte verliert eben und das ist einfach Mist. Egal, ob in der Krypto-Welt oder in der echten Welt – man muss substantielle Dinge machen. Und das gilt auch in der NFT-Welt.
Arbitrage auf dem Krypto- und Aktien-Markt – ja, aber in Maßen
Schahab Hosseiny: Du hast gerade das Thema Kryptowährungen angesprochen. Ist das nicht ein generelles Mindset-Thema? Wenn man in Kryptowährungen investiert, ist man ja fast beleidigt, wenn man nicht innerhalb weniger Wochen eine hundertprozentige Rendite generiert, wohingegen die Kolleg:innen, die in Aktien investieren, mit einer Rendite von fünf Prozent zufrieden sind. Man geht eben in Kryptowährungen rein, weil man ganz klar forciert, eine hohe Rendite rauszuholen.
Dr. Florian Heinemann: Ich weiß nicht, ob das die richtige Motivation ist. In diesem Bereich sind auch eine Reihe von Family Offices aktiv, deren Motivation eine andere ist. Sie sehen das als Store of Value und als Gold-Alternative. Kein Asset kann ohne überlegene Eigenschaften systematisch über einen längeren Zeitraum solche Renditen erwirtschaften. Es gibt immer Arbitrage-Möglichkeiten und es ist auch schön, Arbitrage auszunutzen, aber Arbitrage hat den Sinn, eine substanzgemäße Wertrepräsentation zu erzeugen. Arbitrage ist also per Definition kein Dauerzustand.
Was wir in den letzten fünf Jahren gesehen haben, auch mit diesen wahnsinnigen Renditen am Aktienmarkt im Tech-Bereich, war beeindruckend. Tech wird sich sicherlich weiterhin überproportional entwickeln, auch wenn das letzte Jahr für viele ein Desaster war, aber man kann nicht davon ausgehen, dass man aufgrund eines Wissensvorsprungs mit Arbitrage dauerhaft 100 Prozent Rendite erzielt. Das wird nicht passieren.
Ich kenne nur eine Sache, die systematisch und dauerhaft überhohe Renditen erzielt, und das ist überlegenes operatives Know-how, das in unternehmerische Tätigkeiten umgesetzt wird. Wenn man an den Entwicklungen der letzten fünf Jahre am Krypto- oder Aktienmarkt partizipiert hat, darf man sich natürlich freuen, aber man darf das nicht als normal ansehen. Und man sollte keine Arbeitsbiografie darauf aufbauen, dauerhaft diese Zustände ausnutzen zu wollen.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Normalzustand angesprochen. Ich habe heute gelesen, dass der Tech-Aktienmarkt seit 2016 nicht so einen schlechten Start genossen hat wie 2022. Deshalb glaube ich auch, dass es sich bei den Entwicklungen der letzten Jahre um keinen Normalzustand handelt.
Dr. Florian Heinemann: Fundamental glaube ich dennoch, dass sich Tech besser entwickeln wird als der Durchschnitt. Die Multiples, die man jetzt auch bei Big Tech sieht, sind ja durchaus attraktiv, diese Übertreibung wird sich aber wahrscheinlich wieder ausgleichen. Meiner Meinung nach sollte man bei diesen Themen fundamentaler agieren – gerade als eine Person, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigt.
Fonds als Alternative zur Kryptowährung im Investment
Schahab Hosseiny: Du hast eben außerdem Family Offices angesprochen. Bei dem Family Office Lennertz und Co. sitzt du im Beirat. Kannst du etwas zu dem Blockchain Fund I erzählen oder uns daran teilhaben lassen, wie ihr die gesamte dezentrale Welt von Krypto und Web 3.0 betrachtet?
Dr. Florian Heinemann: Wenn man an diesen Themen teilhaben möchte und nicht die Zeit hat, sich im Detail damit zu beschäftigen, dann ist so etwas wie ein Fonds eine gute Möglichkeit – und in dem Fall ist das ja ein Dachfonds. Ein Dachfonds ist ein Fonds, der wiederum in andere Fonds investiert, die dann schließlich in Tokens, Währungen und andere Ansätze rund um die Krypto-Welt investieren. Insbesondere bei einer Dachfonds-Struktur hat man zwar doppelte Gebühren, aber man muss schon sehr versiert sein und viel Zeit investieren, um bessere Resultate zu erzielen.
Die Natur eines Dachfonds besteht immer darin, dass man keine extremen Entwicklungen nach oben hat, dafür aber auch ein deutlich reduziertes Downside. Die Logik jedes Fonds besteht darin, breiter zu streuen und dadurch die Volatilität zu verringern. Außerdem sitzen da erfahrene Leute, die sich mit den relevanten Themen beschäftigen und in der Regel gute Fonds auswählen.
Wenn man über ein gewisses Vermögen verfügt und das Teil der eigenen Asset-Allokation sein soll, ist das ein guter Ansatz. Es ist schon ein spezielles Produkt für etwas vermögendere Leute, die an dieser Entwicklung partizipieren und etwas lernen möchten, sich aber nicht intensiv damit auseinandersetzen möchten oder können. Aber wir wollen ja auch keine Anlageberatung machen.
Virtual Reality ist noch nicht im Arbeitsalltag angekommen, stellt Dr. Heinemann fest
Schahab Hosseiny: Nachvollziehbar. Florian, lass uns mal bei den Trends von 2022 bleiben. Wir haben eben schon über Web 3.0 und Dezentralisierung gesprochen. Sprechen wir jetzt Mal über das Metaverse. Meta (ehemals Facebook) investiert sehr stark über sein Vehikel Oculus in das gesamte Thema Metaverse. Wie ist deine persönliche Erfahrung mit dem Metaverse beziehungsweise Virtual Reality?
Hast du bei Project A diese Technologie gegebenenfalls schon in den Arbeitsalltag überführt, um dich damit schon ein bisschen anzufreunden? Ich habe zum Beispiel Horizon Workrooms ausprobiert und finde das ziemlich angenehm – bis auf den Umstand, dass diese Brille unheimlich schwer und irgendwann nicht mehr angenehm zu tragen ist.
Wie versucht ihr euch mit diesen neuen Innovationen innerhalb von Project A zu beschäftigen? Du bist ja auch immer mit dabei – bei OpenSea hast du einen Account und du hast in Kryptowährungen investiert – und du verstehst diese Techniken. Mich würde interessieren, wie du und Project A mit diesem Thema umgeht und wie du das gesamte Thema Metaverse aus VC-Aspekten betrachtest.
Dr. Florian Heinemann: Unser Kollege Jack kommt aus der Gaming-Welt und beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema. Epic Games – das Softwareunternehmen hinter Fortnite – ist in dem Bereich auch schon ein relevanter Player.
„Das ist also nicht nur ein Thema bei Meta, obwohl es schon ein sehr geschickter Marketing-Scoop war, sich von Facebook zu Meta umzubenennen.”
So entsteht für unbedarfte Menschen der Eindruck, das Metaverse sei gleichbedeutend mit Facebook, obwohl dem nicht so ist. Microsoft, Samsung, der Chiphersteller Nvidia und eine Reihe von Gaming-Firmen sind in dem Bereich ebenfalls aktiv. Das wird meiner Meinung nach auf jeden Fall ein relevantes Thema werden, weil natürlich auch wahnsinnig viel Geld da reinfließt, um eine gute Experience zu erzeugen.
Wenn man die aktuelle Oculus-Brille mit der Oculus-Brille von vor drei Jahren vergleicht, ist das ein enormer Fortschritt. Ich war trotzdem nicht begeistert davon, aber man darf natürlich auch nicht von sich selbst auf andere schließen. Meine Kinder haben diese Brille zum Beispiel auch ausprobiert und sie haben meine Probleme mit dem Gerät nicht als besonders störend empfunden, sondern sie waren eher begeistert.
Ich glaube, das wird über die Gaming-Welt eindringen und mit der Zeit wird die Experience bei den Nutzenden sicherlich verbessert werden – egal ob das drei oder zehn Jahre dauert. Die Zoom-Experience ist ja auch schon viel besser geworden und beim Metaverse wird sich diese Entwicklung potenzieren.
Aber in unserem Alltag bei Project A spielt das aktuell keine Rolle. Vielleicht ist das bei anderen Portfolio-Unternehmen anders, aber abgesehen vom Gaming- und Porno-Bereich sehe ich diese Entwicklung bisher nicht. Da müssen wir jetzt aufmerksam bleiben und schauen, was dort gerade passiert und wann Use Cases entstehen, die für das eigene Unternehmen relevant sind. Dafür bleibt aber noch Zeit, weil noch gar nicht klar ist, ob das ein Facebook-Phänomen oder eine offene Geschichte mit vielen Beteiligten wird.
Meta wird natürlich versuchen, das für sich zu vereinnahmen, aber meiner Meinung nach ist es noch relativ unklar, welche die relevanten Player sein werden. Deutsche Firmen werden da aber wahrscheinlich keine Rolle spielen, weil man da viel in Hardware investieren muss und das ist nicht die Stärke europäischer Firmen. Uns wird wahrscheinlich die Rolle zukommen, frühzeitig die relevanten Plattformen und Use Cases zu identifizieren und darauf bin ich schon gespannt.
Ohne staatliche Finanzierung benötigen groß angelegte Projekte sehr starke Investoren
Schahab Hosseiny: Meinst du also, dass das die Amerikaner und Chinesen unter sich ausmachen werden?
Dr. Florian Heinemann: Vielleicht wird es noch einen anderen tollen Ansatz geben, aber dafür wird man auch viel Geld benötigen. Bis es Firmen wie die Aerospace Corporation oder SpaceX gab, konnte sich auch niemand vorstellen, dass Firmen ohne staatliche Unterstützung eine Rolle in der Raumfahrt spielen würden. Wenn also jemand einen guten Ansatz hätte und die Finanzierung dafür beschaffen könnte, könnte das klappen. Und diese Finanzierung zu erhalten, ist heute für deutsche oder europäische Firmen wahrscheinlicher als je zuvor. Bei Lilium waren beispielsweise asiatische und amerikanische Investor:innen dabei, aber eben auch einige europäische.
Wir brauchen eine europäische Cloud-Lösung, betont Project A Ventures-Gründer
Schahab Hosseiny: Hältst Du das denn für ein geopolitisches Thema? Meinst du, dass wir in dem Bereich mitspielen müssen, weil Europa sonst bei dem nächsten großen Thema abgehängt wird?
Dr. Florian Heinemann: Das ist natürlich eine Grundsatzentscheidung. Wir haben uns in der Luftfahrt geeinigt, dass wir mit Airbus gerne einen relevanten Player haben möchten, und das klappt auch. In Sachen GPS haben wir uns dafür entschieden, dass das eine wichtige Infrastruktur ist. Ich bin in geopolitischer Hinsicht eher ein Bottom-up-Typ, insofern habe ich in dem Bereich keine wahnsinnig qualifizierte Meinung.
Aber ich glaube, man hätte schon früher anfangen müssen. Allerdings ist es wahrscheinlich auch so, dass andere Themen – die Google-Infrastruktur mit der Google Cloud, Amazon Web Services oder Microsoft – deutlich systemrelevanter sind. Eigentlich müsste es auch eine europäische Cloud geben und das halte ich aktuell für relevanter. Ehrlich gesagt müsste ich darüber aber noch mehr nachdenken, um mir wirklich sicher zu sein.
Das kann sich natürlich alles noch ändern und wenn es dann relevant wird, kann man nicht erst zu diesem Zeitpunkt beginnen, sich damit zu beschäftigen. Aber wie in den USA kann man wahrscheinlich nicht auf eine staatliche Initiative setzen, sondern das müssen private Unternehmen machen, in die der Staat wiederum investieren sollte. Bei BioNTech und Curevac hat die Bundesregierung schließlich auch Geld investiert, um sich einen gewissen Zugriff zu sichern. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen könnte in dem Bereich die besten Ansätze auswählen und sie fördern.
Ich glaube, aktuell fördern sie sogar ein Projekt, das so etwas wie ein optimiertes Google Glass hervorbringen soll. Sie gehen also schon in diese Richtung. Wenn man das für systemrelevant hält, muss man also Agenturen, Initiativen oder Fonds schaffen, die Mittel verteilen und Projekte fördern – so wie man das im VC-Bereich gemacht hat.
Schahab Hosseiny: Morgen ist der Vorstand von 1&1 Ionos bei uns zu Gast, sie können bestimmt auch etwas zu den Stichwörtern Hyperscaler und EU-Cloud sagen.
Dr. Florian Heinemann: Sie haben dazu wahrscheinlich eine deutlich fundiertere Meinung als ich.
Das Format Podcast muss messbarer werden, um an Marketing-Bedeutung zu gewinnen
Schahab Hosseiny: Lass uns noch einen kleinen Themensprung machen. Virtual Reality ist zu Zeiten des Home Office in der Anwendungsdichte gewachsen. Lass uns in dem Zusammenhang über Workplace Flexibility sprechen. Die Flexibilität am Arbeitsplatz hat durch die Pandemie auf jeden Fall einen Effekt weiter beschleunigt: Wir alle haben viel mehr Bewegtbild- und Audio-Content konsumiert und tun das weiterhin. Wir sehen außerdem, dass der Trend von Prime Time Spots weggeht, stattdessen wird viel mehr über den Tag hinweg konsumiert. Konsumierst du während deiner Arbeitszeit oder deiner Focus Time Podcasts?
Dr. Florian Heinemann: Nein. Ich höre während der Fokuszeit nur Instrumentalmusik, weil mich alles andere ablenkt. Beim Autofahren, Taxifahren, während meiner Reisezeit, beim Einkaufen oder während ich zu Hause die Küche aufräume, höre ich aber gerne Podcasts.
Schahab Hosseiny: Was für ein Potential siehst du darin? Kurz vor dir war Spotify auf der Bühne und sie haben über das Potential von Audio gesprochen. Du sagst ja auch, dass bei Project A Audio sehr gut funktioniert und ich bin mir sicher, dass ihr das Plateau auch noch nicht erreicht habt, denn ihr verzeichnet weiterhin ein sehr starkes Wachstum. Welche Chancen ergeben sich im Bereich Audio? Würdest du sagen, dass in diesem Zusammenhang das Thema Podcasting besonders interessant ist oder beschäftigt ihr euch eher mit Smart Speakern? Wie betrachtest du das gesamte Thema Audio?
Dr. Florian Heinemann: Ich finde an Audio besonders gut, dass man es nebenher machen kann. Auch wenn ich das nicht kann, können viele andere das neben der Arbeit machen. Wenn man eher einer manuellen Tätigkeit oder einem Handwerk nachgeht, muss man sich zwar auch konzentrieren, aber man hat trotzdem die mentalen Kapazitäten für einen Podcast. Deshalb sehe ich da für die Advertiser ein enormes Potential. Sicherlich benötigt man noch ein besseres Tracking und in dem Bereich passiert auch schon eine Menge.
Es ist aber schon witzig, dass wir ähnlich schlechte Statistiken in der Podcast-Reichweite haben wie in der Offline-Welt. Die Podcast-Welt müsste eigentlich eine bessere Messbarkeit und Aussteuerung ermöglichen. Das ist natürlich schwierig, wenn man sein eigenes Silo erzeugt, aber um mehr Werbegelder zu aktivieren, müsste man die Buchung vereinfachen und plattformübergreifende Standards erarbeiten.
Ansonsten hat das meiner Meinung nach ein immenses Potential als Werbemedium und auch für die interne Kommunikation. So könnten in Unternehmen Sales-Mitarbeitende geschult werden und theoretisch könnte der CEO einer Firma jede Woche ein Interview wie unseres führen.
„Dann könnten die Mitarbeitenden direkt die Gedanken ihres CEO zu bestimmten Themen erfahren, statt in der FAZ irgendwelche zusammengewürfelten Statements zu lesen, die von der PR-Abteilung solange bearbeitet wurden, bis man gar nichts mehr versteht.“
Das wäre also eine große Chance für authentische interne Kommunikation, mit der man tatsächlich einen gemeinsamen Spirit erzeugen könnte – mit Remote und Home Work ist der heutzutage ohnehin viel schwieriger zu erzeugen.
Schahab Hosseiny: Da sind die Eintrittsbarrieren auch viel geringer.
Dr. Florian Heinemann: Und die Produktionskosten sind viel geringer als bei Video-Content. Genau, damit das gut zu konsumieren ist, hat man viel geringere Eintrittsbarrieren. Man benötigt ein vernünftiges Mikrofon und dann kann man den Podcast sogar im Schlafanzug aufnehmen. Wenn ich mit Alexander Graf einen Podcast aufnehme, sprechen wir diesen gemeinsam eine Stunde lang ein und 20 Minuten später kann Alex das hochladen. Es ist natürlich nicht immer perfekt, aber immerhin muss man nicht drei Wochen lang ein Video bearbeiten.
Die stets wachsende Bedeutung videobasierten Advertisings am Beispiel von TikTok
Schahab Hosseiny: Das macht es auch so authentisch und wahrscheinlich auch so beliebt. Florian, ich habe noch einen ganzen Haufen Fragen, mit Blick auf die Uhr werden wir diese aber nicht alle schaffen. Eine Frage habe ich aber dennoch und die bezieht sich auf das Thema Wachstum. Nicht nur die Relevanz von Podcasts wächst, sondern auch die von TikTok. Weltweit liegen sie im App Store irgendwo zwischen Platz eins und drei, laut Cloudflare wurde die Website von TikTok letztes Jahr häufiger besucht als Google – nach 15 Jahren wurde Google also vom Thron gestoßen. Was da gerade passiert, ist der Wahnsinn.
Wir sehen, dass sich die Implementierungs-Raten von TikTok Pixel viel schneller entwickeln als die von Pinterest und Twitter – sie weisen also ein rasantes Wachstum auf. Glaubst du, dass TikTok das gesamte Advertising Game gerade massiv verändert, weil TikTok versucht, Organic und Paid miteinander zu verbinden? Verändert das außerdem das Bild des typischen Campaign Managers, der sich heute zumindest im Performance Marketing-Bereich sehr stark an Zahlen, Daten und Fakten orientiert?
Dr. Florian Heinemann: Mit Instagram hat sich das ein Stück weit schon angedeutet und die Instagram Reels sind letztendlich auch nur eine Kopie von TikTok. Das videobasierte Advertising hat natürlich schon vorher auf verschiedenen sozialen Plattformen stattgefunden und es hat eine Entwicklung dahingehend bewirkt, dass die Kreation wieder deutlich wichtiger geworden ist. Gerade bei einer SEA-Anzeige oder bei einer Text Ad auf Twitter ist die kreative Freiheit doch recht eingeschränkt.
„Kreativität und eine gute Story spielen aber eine große Rolle, weil sie sich in mehr Engagement niederschlagen und das zu mehr Reichweite und günstigeren CPCs führt. Und das treibt TikTok auf die Spitze und ein Stück weit bewirkt das die Renaissance der Kreativität im digitalen Marketing.”
Aber auch hier zählt nicht die eine brillante Idee, auf der sich Kreative dann ein halbes Jahr lang ausruhen können, sondern man muss jeden Tag kreativen Content generieren. Man muss also serielle, systematische Kreativität erzeugen und dieses Problem müssen die Marketing-Abteilungen lösen. Die Marketing-DNA vieler Marketing-Abteilungen war lange Zeit nach dem booking.com-Modell ausgerichtet: Quantität, schlecht designte Websites mit einer hervorragenden Konvertierung und dementsprechende Anzeigen.
Dann kamen mit FMCG die Kreativen und jetzt muss man beides zusammenbringen, um erfolgreich zu sein. Quantität und Kreativität alleine reichen nicht mehr aus, sondern man benötigt serielle Kreativität und man muss die Faktoren dahinter verstehen. Man muss verstehen, was erfolgreich ist und für Engagement sorgt und wie das im Zusammenhang mit der Conversion funktioniert.
Deswegen gibt es jetzt TikTok Pixel, damit die Advertiser sehen, welchen Effekt ihre Werbung hat. Und die gleiche Kreativität benötigt man für die Gewinnung von First Party Data oder Zero Party Data. Auch dafür müssen Nutzer:innen überzeugt werden, auch dafür muss man Engagement erzielen. Gleichzeitig müssen diese kreativen Ansätze aber auch einen starken Bezug zum eigenen Produkt oder Service haben. Engagement zu erzeugen ist relativ leicht, aber das hat nicht automatisch etwas mit dem Produkt zu tun.
Schahab Hosseiny: Das wird mit Sicherheit eine Herausforderung sein. Florian, herzlichen Dank für diese kurzweilige Unterhaltung. Ich habe mal wieder sehr viel gelernt. Vielen Dank für deine Zeit, hoffentlich bist du bald wieder bei uns zu Gast.
Dr. Florian Heinemann: Ich bedanke mich auch. Ciao, ciao.