Think11 ist eine MarTech-Beratung, also eine Digital Marketing Agentur, die Marketing und Technologie zusammenbringt und ihren Kund:innen echte, methodisch validierte Strategien statt vager Konzepte an die Hand gibt. Inzwischen zählt das Unternehmen zu den führenden Google-Partner:innen in Deutschland, kann mehrere Zertifizierungen vorweisen und bereits über 2.000 Kund:innen von sich überzeugen.
In seinem Vortrag erklärt Schahab Hosseiny, CEO der Think11, wie man Trend-Themen identifiziert, warum in China Innovationsdruck und -freudigkeit höher sind und so viel Innovation im Bereich Social Media passiert, warum man im digitalen Marketing überhaupt nach China blicken sollte, nicht immer auf dieselben Kanäle setzen sollte und welche Trends aus China trotz kultureller Unterschiede auch nach Deutschland kommen könnten.
Das Video mit Schahab Hosseiny
Christoph Steger: Vielen lieben Dank für diese Reise, damit hast du den Tag perfekt abgerundet. Welche Tools nutzt du eigentlich, um Quellen zu destillieren und so in diesem schnelllebigen Digitalkosmos up to date zu bleiben?
Schahab Hosseiny: Ich persönlich konsumiere sehr viel und investiere täglich eine halbe bis eine Stunde in Research und Development. Für Research nutze ich primär Google News und Google Patents und suche explizit nach Patenten von Unternehmen wie Facebook und Google. Dadurch kann ich identifizieren, in welchen Bereichen aktuell besonders viel in Intellectual Property investiert wird. Ich schaue natürlich auch regelmäßig in meine Blog Roll rein.
„Hinsichtlich der Tools nutze ich Semrush sehr gerne, weil das eine gute Outside-In-Analyse mitbringt.“
Für den chinesischen Markt ist das zwar nicht das präferierte Produkt, aber im europäischen Raum funktioniert diese Analyse hervorragend und man kann sich zudem mit der Competitive-Intelligence-Analyse andere Wettbewerber genau anschauen. Wenn ich beispielsweise in Schweden mit einem neuen E-Commerce-Unternehmen in den Markt starten wollte, würde ich mir zunächst den größten schwedischen Onlineshop anschauen, eine tiefgehende Outside-In-Analyse und eine Competitive-Intelligence-Analyse durchführen, alle Channels einmal herunterbrechen und damit identifizieren, was dieser Wettbewerber gut macht und von welchen Destruktoren er angegriffen wird. Das empfinde ich als einen spaßigen Prozess, für den man aber ausreichend Zeit und Leidenschaft mitbringen muss.
Die geopolitische Dimension des Machtkampfes zwischen TikTok und Meta
Christoph Steger: Die Leidenschaft hört man bei dir jedenfalls in jeder Silbe raus. Du hast TikTok und seine weltweit rasant wachsende Relevanz einige Male angesprochen und auch wir kommen um das Thema nicht herum. Mittlerweile gibt es kein Land, das sich noch vor TikTok verbergen kann. Was meinst du, wie es in Zukunft mit TikTok und im Vergleich dazu seiner Wettbewerberin Meta weitergeht?
Schahab Hosseiny: Auch wenn ich es nicht gerne tue, müssen wir diese Diskussion auf einer geopolitischen Ebene führen.
„Hinsichtlich der Reputation, Technologie, Reichweite und Attraktivität des Produktes ist TikTok gegenüber Meta heute deutlich überlegen.“
Darum geht es allerdings nicht, denn Meta ist ein US-amerikanisches Unternehmen und TikTok gehört zu dem chinesischen Konzern ByteDance. Bekanntermaßen sitzen diese beiden Staaten nicht gerade auf einem grünen Ast, das Thema hat also eine geopolitische Komponente. Es stellt sich die Frage, inwieweit die USA ihre vorherige Machtposition gegenüber ByteDance zumindest vorübergehend aufzugeben bereit sind und inwiefern Meta seinen Einfluss in Europa manifestieren kann. Die EU-Legislative in Brüssel hat schließlich die Macht, diese großen Konzerne relativ schnell in ihre Grenzen zu weisen.
Wie sich dieses geopolitische Thema entwickelt, vermag ich nicht zu sagen. Bei einer Sache hat Meta allerdings die Nase vorn und das ist das Thema VR, auf das Mark Zuckerberg und Meta im Rahmen des Metaverse stark setzen. Auf den Ebenen der Technologie, Reputation und Attraktivität ist Meta allerdings durch schwere Zeiten gegangen und steht mit Blick auf seine Monthly Active Users gar nicht so gut da, deswegen haben sie meiner Meinung nach aktuell keinen starken Hebel in der Hand.
Christoph Steger: Wie du sagst, ist Meta im Bereich VR deutlich stärker – nicht umsonst wurde das Unternehmen umbenannt. Trotzdem geht man davon aus, dass der Standard im Metaverse auch von chinesischen Unternehmen wie ByteDance gesetzt werden könnte. Was ist deine Hypothese dazu?
Schahab Hosseiny: Ich glaube nicht, dass China die Standards setzen wird, weil die kulturellen Unterschiede zu groß sind. China und Europa unterscheiden sich in ganz wesentlichen Punkten. Wenn ich ehrlich bin, handelt es sich bei dieser Aussage allerdings nicht um einen Glauben, sondern um eine Hoffnung: Ich hoffe, dass die Standards in Hinblick auf VR nicht von China gesetzt werden, weil ich nicht gerade scharf darauf bin, dass China noch stärkeren Einfluss als ohnehin schon auf das digitale Ökosystem in Europa oder dem Rest der Welt nimmt.
Mir gefällt ebenso wenig, dass die USA solch einen starken Einfluss haben, aber darüber habe ich schon ausreichend diskutiert. Aktuell haben wir keine europäische Antwort auf dieses Problem. Im Bereich Cloud haben wir beispielsweise mit 1&1 und IONOS eine tolle europäische Alternative zu den US-amerikanischen Super Scalers. Aber abgesehen von diesem kleinen Bereich überlassen wir das Feld den USA. Heute würde ich dennoch sagen: lieber die USA als China.
Schafft Live-Shopping den Sprung auf den europäischen Markt?
Christoph Steger: Ich würde gerne noch einmal über das Livestream-Shopping sprechen. Wie du berichtet hast, ist das in China schon seit Langem ein Mega-Trend, bei uns wird das aber nach wie vor als Teleshopping für die Generation Z abgetan und ist in der breiten Masse noch nicht angekommen. OTTO beispielsweise als Platzhirsch im E-Commerce ist in dem Segment zwar unterwegs, betreibt das mit einer Liveshow im Monat aber eher halbherzig. Von außen ist es schwer zu beurteilen, wie viel Umsatz sie damit machen. Sie würden das aber sicherlich öfter machen, wenn er hoch wäre. Glaubst du, dass es noch dazu kommt?
Schahab Hosseiny: Das denke ich schon.
„Das Thema Live-Shopping geht natürlich stark mit den Shoppable Product Ads in Videos einher und bei den Konsument:innen muss erst noch etabliert werden, dass sie über Videos auch Produkte kaufen können.“
Das findet nämlich nicht nur auf dem Desktop oder Smartphone statt, sondern auch auf dem Smart-TV.
Wenn wir uns die Kennzahlen und das Wachstumspotenzial in China anschauen, können wir ein hohes Signifikanzniveau beobachten. Natürlich bestehen auch hier die vorhin angesprochenen kulturellen Unterschiede. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir alle in naher Zukunft deutlich häufiger über Bewegtbildinhalte shoppen werden.
Christoph Steger: Ich bin schon sehr gespannt. Danke, Schahab, für diesen krönenden Abschluss. Es hat mir großen Spaß gemacht.
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