Gegründet 1949 als Hamburger Schuhhändler mit 28 Schuhen im Angebot wuchs das Unternehmen OTTO innerhalb von zehn Jahren zu einem Großunternehmen und Pionier im Versandhandel heran. 1995 bot OTTO seine Waren erstmals im Internet an und hat sich seitdem zu einem absoluten E-Commerce-Player entwickelt, der mit rund 50.000 Mitarbeiter:innen in mehr als 30 Ländern in Europa, Nord- und Südamerika und Asien aktiv ist. 2021 konnte OTTO einen Umsatz von 15,6 Milliarden Euro verzeichnen. Zu den bekanntesten Marken unter dem Firmendach gehören ABOUT YOU, Hermes und Bonprix.
Wir hatten das große Vergnügen, mit Principal Innovation und Digitalisierung Jörg Heinemann zu sprechen. Im Fireside Chat steht er OMKB-Host Mario Rose Rede und Antwort zu Themen wie Smart Homes, der Initiative OTTO ready, neuen Möglichkeiten im E-Commerce mittels Augmented und Virtual Reality, dem Metaverse und darüber, wie Brands in Zukunft mit Kund:innen kommunizieren werden.
Podcast mit OTTOs Principal Innovation und Digitalisierung Jörg Heinemann
Mario Rose: Obwohl aufgrund der Brandschutzverordnung das Lagerfeuer fehlt, starten wir jetzt mit unseren Fireside Chats durch. Und ich freue mich, einen besonders hochkarätigen Gast begrüßen zu dürfen. Jörg Heinemann, Principal Innovation und Digitalisierung bei OTTO. Schönen guten Morgen, Jörg.
Jörg Heinemann: Ja, moin. Ich bin aus dem hohen Norden zugeschaltet, würde aber natürlich lieber zusammen mit dir auf der Bühne sitzen.
Mario Rose: So ist es, Jörg. Eigentlich hätten wir dich heute hier begrüßen wollen, aber wegen Omikron treffen wir uns jetzt doch virtuell. Jörg, wir haben eine ganze Menge Themen vorbereitet, aber bevor wir in unseren Talk einsteigen, möchte ich dich kurz unserer OMKB-Audience vorstellen. Wie zuvor erwähnt, bist du Principal Innovation und Digitalisierung bei OTTO und seit mittlerweile zehn Jahren mit OTTO unterwegs. Vorher warst du bei anderen spannenden Brands aktiv, unter anderem als Manager Online-Marketing bei TUI Cruises, als Koordinator Online-Marketing bei der CineStar-Gruppe, als Marketing-Projektmanager bei der Konditorei Junge und im Marketing, PR und Weineinkauf beim Restaurant Nordwind. Du bist also weit gereist und du hast dein Diplom im Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Lübeck abgelegt. Und wer in dein Instagram-Profil reinschaut, kann außerdem sehen, dass du Fan von herzhaftem Essen bist, was ich sehr gut nachvollziehen kann.
OTTO kennt man natürlich und ich bin mir sicher, dass ein Großteil der OMKB-Community schon einmal bei OTTO eingekauft hat. Es ist eines der erfolgreichsten E-Commerce-Unternehmen in Europa, Deutschlands größter Onlinehändler im Bereich Einrichtung und über alle Sortimente hinweg ein stark wachsender Marktplatz. Im Mittelpunkt stehen Investitionen in Technologien und natürlich auch die Förderung eines innovativen und positiven Einkaufserlebnis. Unter anderem ist OTTO für den Tech-Snack bekannt – das sind Erklärvideos zu aktuellen Trends, Fragen und relevanten Innovationen im Tech-Bereich. Dazu gibt es noch den Podcast O-TON, bei dem es um Themen wie Nachhaltigkeit geht. Wir werden uns heute in unserem Talk also auf einer spannenden Spielwiese bewegen. Jörg, du bist jetzt seit zehn Jahren im OTTO-Konzern, dabei seit 2018 Principal Innovation und Digitalisierung. OTTO ist ein sehr großes Unternehmen, deswegen wüsste ich gerne, was genau dein Tätigkeitsbereich umfasst und wie deine Abteilung aufgebaut ist.
Jörg Heinemann: Du hast ja gesagt, dass ich schon seit zehn Jahren bei OTTO bin. Das konnte ich mir am Anfang auch nicht vorstellen. Zu OTTO hingekommen bin ich, weil ich zehn Jahre lang neben der Schule und dem Studium selbst schon ein kleines E-Commerce-Unternehmen hatte. Bei Carp Brothers Baits & Tackle habe ich mich mit Angeln beschäftigt – neben leckerem Essen eines meiner Hobbys. Da habe ich das alles im Kleinen gemacht und das hat mich sehr gereizt, zu OTTO zu gehen und als kleiner Teil im Großen mitzuwirken. Das Marketing für das Restaurant habe ich übrigens nebenbei gemacht. Und das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum ich seit zehn Jahren bei OTTO bin und mir das weiterhin vorstellen kann; weil ich mir immer wieder Abwechslung und neuen Input von draußen geholt habe, mich innerhalb von OTTO aber auch immer wieder neu erfinden konnte.
Ich habe da im E-Commerce Stakeholding angefangen und seit drei Jahren darf ich diese berufliche Leidenschaft für Innovation und Trends ausleben. Ich bin dafür zuständig, Trends aufzuspüren und sinnvolle Innovationsthemen zu finden – manchmal initiiere ich die auch nur über Vorträge oder ähnliche Impulse. So können die Fachabteilungen sich auch selbst innovieren und Kooperationen anbahnen. Manchmal darf ich aber auch Projekte begleiten, über eins davon können wir vielleicht später noch sprechen. Momentan bin ich eine One-Man-Show, arbeite aber mit vielen in der OTTO-Gruppe zusammen, weil zumindest aktuell Innovation bei OTTO noch sehr dezentral ist.
„Wir sind gerade in einer großen Umstrukturierung inbegriffen, weil wir auf dem Weg vom Händler zur Plattform sind und im Rahmen dieser Umstrukturierung wird sich vielleicht auch etwas im Bereich Innovation ändern.“
Kleiner Spoiler: Es geht mehr um zielgerichtete Innovation, mehr Umsetzung, mehr Zentralität und auch um eine etwas strategischere Vorgehensweise. Das wird eine sehr spannende Reise, auf die ich mich schon freue.
Mario Rose: Gut, vielen Dank für die additiven Informationen, die Hintergründe zu OTTO und wie ihr euch organisiert. Du hast gerade das Thema Innovation in den Vordergrund gestellt und das steht natürlich auch bei unserem heutigen Talk im Vordergrund. Starten würde ich aber gerne mit dir mit einer Rückschau auf das Jahr 2021. Rückblickend auf die letzten zwei Jahre kann man sagen, dass der pandemiebedingte Rückzug in unsere eigenen vier Wände für die meisten eher unfreiwillig verlief. Das hat dazu geführt, dass Konsument:innen die Chance ergriffen haben, ihren Alltag „digital aufzuwerten“. Es gab also eine Welle an Optimierungen für das eigene Zuhause – das waren unter anderem Möbel, Gegenstände für Gartenprojekte, Entertainment-Produkte, aber auch Spiel- und Fitness-Geräte. Peloton und Co. haben von diesem Hype auch Rückenwind erfahren.
Smart Home: Von Türschloss über Markisen und Heizung ist alles connected
Kurzum: es wurde eine ganze Menge gekauft und Artikel des täglichen Bedarfs waren extrem stark nachgefragt. Jetzt geht es auch darum, die Digitalität dieser Produkte noch mehr auszureizen und – sofern sie über verschiedene und entsprechende Schnittstellen verfügen – zur Anwendung zu bringen. Damit meine ich etwa Produkte im Bereich Smart Home und Connected Living, wie Wearables. Dafür wurde für das Jahr 2021 ein großer Boom vorhergesagt. Jörg, wie smart ist eigentlich dein Zuhause? Ich habe gelesen, dass bei dir vom Türschloss über die Markisen und die Heizung bis zum Rasenmäher alles connected ist.
Jörg Heinemann: Das stimmt in gewisser Weise. Bei den von dir genannten Gegenständen ist das so. Das Schloss ist zwar nicht connected, aber smart. Also manchmal bin ich auch vorsichtig. Bei mir ist alles vernetzt, bei dem das sinnvoll ist – oder bei dem ich das zumindest dachte. Es gibt aber nur wenige Sachen, bei denen ich das nicht noch einmal machen würde. Und ich habe natürlich nur die Bereiche vernetzt, bei denen das bezahlbar ist. Es gibt sicherlich smarte Lösungen, die mich reizen, die im Moment aber nicht im Verhältnis stehen. Wir wohnen im Grünen, insofern waren wir auch Profiteure.
Was du schon gesagt hast, trifft bei OTTO auf jeden Fall zu. Genau diese Sachen sind bei uns gut gelaufen. Pools etwa waren zwischenzeitlich nur schwer zu bekommen. Unsere Kund:innen haben es sich also zu Hause gemütlich gemacht und wir haben es auch gemütlich gehabt. Gerade in meiner Innovationsrolle habe ich die Reisen mit Konferenzen und die großen Messen vermisst. Wo Licht ist, ist auch Schatten, aber meiner Meinung nach muss man positiv an solche Sachen rangehen und das Beste aus dem eigenen Zuhause herausholen.
Mario Rose: Schauen wir in diesem Zusammenhang mal auf OTTOs Strategie. Du hast schon gesagt, dass es eigentlich keine großen Überraschungen gegeben hat, die Verkaufszahlen sind in den Bereichen sehr steil nach oben gegangen. Wie positioniert sich OTTO als einer der führenden Marktplätze in Deutschland beim Thema Smart Home? Es gibt die Initiative OTTO ready. Was kannst du uns dazu berichten?
Jörg Heinemann: Zunächst sind wir natürlich ein sehr großer Händler und eine Plattform für das Smart Home. Wir erweitern selbstverständlich immer wieder das Sortiment von Partner:innen, weil bei dem eigenen Sortiment mit der Skalierung irgendwann auch Schluss ist. Inzwischen haben wir auch einen Wettbewerb am Artikel – so wie es von anderen Marktplätzen vielleicht bekannt ist. Wir nennen uns aber auch Plattform statt Marktplatz, weil wir darüber hinausgehen und unseren Partner:innen immer mehr Services anbieten wollen, die man momentan nur bei einem Einkauf direkt bei OTTO genießt. Smart Home ist eines von vielen Sortimenten. Aus vertrieblicher Sicht standen gerade im letzten Jahr aber Fitness-Geräte, Fahrräder, Produkte für das Heimkino und Spielekonsolen natürlich im Fokus.
Das Smart Home ist aus einem anderen Grund für uns sehr spannend, nämlich weil die Konnektivität von Geräten zum Standard wird. Gerade bei Haushaltselektrogeräten bieten wir hervorragende Services an – da wird die Waschmaschine also auch noch angeschlossen. Und gerade bei diesen und bei Multimedia-Geräten wird die Konnektivität zum Standard. Mit unserer Eigenmarke Hanseatic schauen wir uns das zukunftsgerichtet an und etwa bei Smart Speakern sehen wir die Möglichkeit, über diese Geräte auch mit unseren Kund:innen auf eine Weise zu interagieren, die vorher undenkbar war. Wir sehen auch, dass diese Geräte im E-Commerce insoweit Potenzial bieten, dass sie automatisch Zubehörartikel oder Verbrauchsmittel nachbestellen oder man im Zweifel über die jeweilige Companion-App, mit der man das Gerät steuert, Zubehör oder Ersatzartikel bestellen kann. Dann werden die Hersteller:innen dieser Geräte vielleicht gewissermaßen zu neuen Gate Keepern und deswegen haben wir uns diesen Bereich natürlich auch angeschaut und im Jahr 2019 OTTO ready als smarte Bestelloption initiiert. Die liegt allerdings aktuell auf Eis.
Das Problem beim Smart Home waren – ich sehe da momentan eine Wende – die vielen unterschiedlichen Standards.
„Denn nur weil man viele Geräte hat und die mit dem Internet verbinden kann, hat man noch lange kein Smart Home.“
Für mich ist ein echtes Smart Home ein System, bei dem ich nicht auf dem Smartphone rumtippen muss, um ein Licht einzuschalten – das ginge mit dem Lichtschalter schneller. Man hat ein Smart Home, wenn man die Geräte per Sprache steuern kann und – noch wichtiger – wenn man viele Dinge gar nicht mehr steuern muss, weil die automatisch funktionieren. Smart ist es, wenn ein Helligkeitssensor das Licht oder in Kombination mit einem Thermometer die Markisen steuert und wenn Sicherheitssensoren im Fall der Fälle einen Alarm auslösen.
Nun können natürlich alle Hersteller:innen unterschiedliche Sachen unterschiedlich gut und die meisten Kund:innen möchten das Beste von allem. Eines Tages hat man also ein ganzes Arsenal von Geräten von unterschiedlichen Hersteller:innen, die aber nicht miteinander verbunden werden können. Vielleicht funktioniert das über eine Cloud, aber in Deutschland ist ja gerne mal das Internet weg und dann funktioniert das alles nicht mehr. Deswegen denken wir, dass das Smart Home immer noch in der Entwicklung begriffen ist. Mit Meta sehen wir einen neuen Standard aufkommen, zu dem sich alle großen Namen in der Branche bekannt haben – auch wir. Mithilfe dieses Standards können in Zukunft Geräte schneller eingerichtet werden und mit Geräten anderer Hersteller:innen ohne Cloud kommunizieren. Momentan gibt es das Home Connect Plus von Bosch, das ist eine Mittlerplattform, auf der man alles zusammenstecken kann – dafür muss man aber auch eine Internetverbindung haben.
Mithin gibt es erste Ansätze, aber der große Durchbruch steht noch aus und das haben inzwischen auch einige Hersteller:innen erkannt und zugegeben, dass die User Experience noch nicht so gut ist. Die müssen also noch an der Grundlage arbeiten und deshalb haben wir OTTO ready auch erst einmal auf Eis gelegt. Der Markt ist noch nicht so weit und insofern ist gerade in Deutschland so etwas wie automatische Nachbestellung eher ein Edge Case, den die breite Masse erst später nutzen wird. Wir beobachten den Markt und wenn diese Technologie in der breiten Masse angekommen und die Zielgruppe groß genug ist, werden wir das Projekt wiederbeleben. Grundsätzlich sehe ich ein großes Potenzial im Smart Home – gerade wenn das mit künstlicher Intelligenz kombiniert wird, sind unfassbar spannende Cases vorstellbar. Die Leute werden diese Technologie nur nutzen, wenn sie einen Mehrwert hat und in die Richtung wird sich in den nächsten Jahren viel entwickeln.
Mario Rose: Vielen Dank für deine Ausführungen. Deiner Erklärung zufolge wird das auch dazu führen, dass man nicht mehr 14 Apps auf dem Smartphone benötigt, um die jeweiligen Geräte zu steuern – das ist ja unnötig komplex. Wenn wir das Thema Smart Home auf Online-Bestellprozesse wie OTTO ready reduzieren, sehen wir in der Tat, dass es in der Vergangenheit Konzepte wie den Dash Button von Amazon gab, der sich aus unterschiedlichen Gründen im deutschen Markt nicht durchsetzen konnte. Da gab es rechtliche Hürden und auch eine gewisse Zurückhaltung, deswegen liegt auch dieses Projekt auf Eis. Insofern bin ich wie du gespannt auf das große Potenzial dieser neuen Systeme.
Jörg Heinemann: Man benötigt eigentlich keinen Button. Wenn das Gerät vernetzt ist, weiß es irgendwann selbst, was es braucht. Das ist die nächste Evolutionsstufe, da werden wir noch viele spannende Sachen sehen. Wenn man in Zukunft zum Beispiel eine Pizza in den Ofen schiebt, muss man gar nichts mehr einstellen, weil die Kamera die Pizza erkennt und selbst die richtige Einstellung vornimmt. Und wenn das so weit ist, wird auch die breite Masse daran Interesse haben.
Video mit Jörg Heinemann von OTTO über Innovation und Digitalisierung
Metaverse – Hype gerechtfertigt?
Mario Rose: Absolut. Wechseln wir mal die Spielwiese: Ich würde gerne mit Dir über das Thema Augmented Reality (AR) respektive Virtual Reality (VR) sprechen. Die „wagen“ Ankündigungen der Tech-Branche – etwa zum Metaverse – scheinen die Neugier vieler Verbraucher:innen geweckt zu haben. Bisher galten VR-Brillen eher als Nischenprodukt, die allenfalls für Hardcore-Zocker relevant waren. Momentan werden die Geräte entgegen der Erwartung vieler Expert:innen zunehmend beliebter. Es lagen etwa im Jahr 2021 viele VR-Brillen unter dem Weihnachtsbaum, auch wenn das Metaverse erst in einigen Jahren Realität werden dürfte. Auch der 5G-Ausbau geht in Deutschland recht schnell vonstatten, in einigen Ländern werden sogar schon 6G-Varianten getestet, die ab 2030 Realität werden könnten. Das sind unglaubliche technische Möglichkeiten, mit denen man dann in das Metaverse einsteigen kann. Das ist gerade ein Hype-Thema, das für viele aber noch schwer einzuordnen ist. Wie blickst du auf das Thema Metaverse und die aktuellen Entwicklungen, die damit verbunden sind?
Jörg Heinemann: Das Thema passt ganz gut zum Smart Home, denn es gibt da gewisse Ähnlichkeiten. Seit Jahren prognostiziert man bei beiden Themen den großen Durchbruch und nun wird es wahrscheinlich tatsächlich bald so weit sein.
„Experten sagen allerdings, dass es das Metaverse nicht geben wird, auch wenn sich das einige große Anbieter:innen wünschen.“
Stattdessen wird das ein technischer Layer sein und ehrlich gesagt gibt es schon verschiedene Metaverses – in bestimmten Spielen etwa. Das sind Welten für sich. Mit eigener Währung, individuellen Avataren oder Charakteren und jeweils einer eigenen Art der Kommunikation. Und wenn man sich anschaut, was Meta gerade tut und propagiert, wird das tatsächlich ein Metaverse von vielen sein.
Die PR dreht sich dementsprechend viel um VR und deshalb denken viele im Kontext des Metaverse, dass sie ständig eine VR-Brille aufhaben werden, durch die sie nichts sehen können. Wer aber schon einmal eine Oculus Quest 2 getragen hat, weiß, dass man mit der auch durch die Brille in den Raum blicken kann. Das verschwimmt also alles und es wird auch AR-Metaverses geben – in dem Zusammenhang wird einiges von Apple erwartet – oder sogar Mischformen. Das steht alles vor dem Durchbruch, weil man sich während der Pandemie an Interaktionsformen wie Videokonferenzen gewöhnt hat.
Andererseits basiert der technische Layer namens Metaverse auf verschiedenen Basistechnologien – wie die Blockchain, auf der wiederum die NFTs basieren. Die bezeichnet man gerne als Web 3.0-Technologien, und all das entwickelt sich gerade rapide. Diese Systeme muss man jetzt nur noch zusammensetzen, um ganz spannende Anwendungsfälle zu generieren. Das werden wesentlich mehr sein, als das aktuell bei Meta aussieht. Wenn ich zum Beispiel heute Morgen Sport gemacht hätte und vor unserem Talk keine Zeit für eine Dusche gehabt hätte, könnte ich in Microsoft Teams als Avatar erscheinen, der meine Gestik und Mimik kopiert. In Microsoft Teams könnte man sich außerdem mit allen Teammitgliedern in einen virtuellen Raum begeben. Die Deutsche Bank hat so etwas schon mit ihrer letzten Weihnachtsfeier ausprobiert.
„Besonders im Anlagenbau oder in der Ladengestaltung sind Simulationen und Digital Twins interessant, weil man damit erst einmal virtuell bauen und gestalten kann.“
Genau das meine ich, wenn ich über Basistechnologien spreche. Mit einer extrem hohen Auflösung wirkt das alles realistisch und wenn es virtuell passt, kann man es in der echten Welt bauen. Diese Technologien werden auch im Zusammenhang von Remote Collaboration eingesetzt werden, damit können dann Designs über Kontinente hinweg entwickelt werden. Früher sind Einkäufer:innen oder Produktingenieur:innen zum Beispiel nach Fernost geflogen, um da gemeinsam in einem Raum zu sitzen – zukünftig kann man sich stattdessen in einem virtuellen Raum treffen. Im Bereich Haptik werden auch schon Sensoren entwickelt, dadurch wird eine ganze Branche massiv gepusht und Produkte entwickelt, mit denen man in diese Welten eintauchen kann.
Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung bei Nike ist auch das Thema Marketing und Sales besonders interessant. Man kann etwa virtuelle Güter verkaufen oder diese Technologie im Marketing und E-Commerce als virtuellen Showroom nutzen. Viele Firmen arbeiten in dem Zusammenhang sowohl an Hardware als auch an Software und viele kollaborieren dabei auch. Für viele ist das noch Science Fiction und teilweise wird es das auch bleiben, das Potenzial ist aber dennoch groß.
„Für informierte und aufgeklärte Leute, die kurz in so eine Welt abtauchen, wird das einen großen Mehrwert bieten.“
Die Medaille hat aber natürlich zwei Seiten. Wer jetzt schon aus den Spielen nicht rauskommt und sich ungesund ernährt, läuft Gefahr komplett in diese Metaverses abzurutschen.
Mario Rose: Du hast auch die unterschiedlichen Strategien der großen Player erwähnt, in dem Zusammenhang sind besonders GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) und Microsoft interessant. Apple hat beispielsweise angekündigt, sich stärker in Richtung AR positionieren zu wollen und Google arbeitet mit Google Lens auch in dieser Richtung. Insofern ist es schwierig zu ermitteln, wer mit welcher Strategie in den nächsten Jahren den größten Erfolg haben wird. Jörg, du hast auch keine Glaskugel, aber du bist sehr nah dran am Thema Innovation. Welche der bekannten und ausgereiften Strategien der großen Player findest du am stichhaltigsten und vielversprechendsten?
Jörg Heinemann: Weil Facebook jetzt Meta heißt und Microsoft immer mehr an Bedeutung gewinnt, muss man sie jetzt eigentlich GAMAM nennen. Zunächst finde ich es gut und spannend, dass die kollaborieren – bei Teams tun sich angeblich Microsoft und Meta zusammen. Damit hängt für mich alles zusammen. Wenn es wie beim Smart Home auch in diesem Zusammenhang unzählige Standards gibt, wird dieser Bereich nicht sein volles Potenzial entfalten. Wenn ich höre, was für NFT-Kunst und virtuelle Nikes ausgegeben wird und ich mir vorstelle, dass es verschiedene Metaverses gibt – in einer spiele ich, in einer arbeite ich, in einer nehme ich an der OMKB teil – dann kaufe ich diese virtuellen Nikes doch nicht für jede einzelne virtuelle Welt. Die möchte ich einmal kaufen und dann in jedes Metaverse mitnehmen können. Wenn diese Übertragbarkeit aber funktioniert, kann draus großes Potenzial entwachsen.
Ehrlich gesagt müssen die Menschen dann nur einen kleinen Teil ihrer Zeit und ihres Geldes in diese Metaverses stecken, damit andere Branchen das bemerken.
„Die Entertainment-Branche und der Reisesektor könnten schnell auf den Zug aufspringen, weil die Verbraucher:innen vielleicht lieber virtuell durch Lissabon schlendern.“
Viele halten das für unrealistisch, aber das hat man schon über ganz andere Sachen gesagt. Die Kinos werden es dann allerdings wahrscheinlich noch schwerer haben, weil es heute schon Gaming-Stühle gibt, die ein haptisches Feed geben können. Damit hat man vielleicht sogar ein besseres Erlebnis als im Kino.
Ich denke, diese Entwicklung muss man genau beobachten und man muss auch beachten, in welcher Branche man sich bewegt, wie das eigene Kerngeschäft aussieht und wie man das modernisieren kann, um einen Mehrwert zu schaffen. Für das Marketing sind spannende Cases absehbar und auch im Bereich Mobile Office wird sich vieles schnell verändern. Letztens habe ich von einer H&M-Filiale gehört, die virtuell nachgebaut wurde. Das macht aber keinen Sinn, denn man muss die Vorteile der verschiedenen Welten kombinieren und sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Wenn das immer mehr Unternehmen gelingt, wird da viel Musik drin sein. Ich habe auch im Bildungsbereich große Hoffnungen, mag aber gar nicht darüber spekulieren, wann so etwas in Deutschland ankommt.
Der AR-Bereich ist sogar noch etwas alltagstauglicher – du hast schon von Google Glass gesprochen – und da wird noch mehr Hardware entwickelt. Die Frage ist, ob man sich dann eine Brille mit einem Display aufsetzt, wie man es auch von der Smart Watch kennt und auf das ständig Informationen transportiert werden – dann sehe ich die Gefahr eines Information Overload. Aber wenn es gut gemacht wird, kann es einen enormen Mehrwert bieten. Ich denke dabei an Navigation und ortsbezogene Informationen, beim Arzt könnte man sich im Wartezimmer seinen eigenen TV-Bildschirm einblenden lassen. Für uns ist das natürlich im Shopping-Bereich sehr spannend, weil da virtuelle Anproben oder das Ausprobieren von neuen Möbeln in der eigenen Wohnung möglich werden. Und wenn man dauerhaft mit so einer Brille rumläuft, ergeben sich für das Online-Marketing auch ganz neue Möglichkeiten – dann stehen die Billboards nicht mehr in der Gegend rum, sondern werden auf bestimmten Oberflächen abgebildet.
Retail + AR = Match?
Mario Rose: Das könnte auch anstrengend werden, es bleibt aber auf jeden Fall interessant. Du hast gerade die Anwendungen von AR erwähnt, auch mit einer kurzen Referenz auf OTTO mit der man Möbel positionieren und schauen kann, ob die zum eigenen Stil oder in die dafür vorgesehene Ecke passen. Es gibt mithin heute schon Themen, die allein schon durch die Kamera so spannend werden, dass sie im Retail eingesetzt werden. Snapchat ist ein soziales Netzwerk, das in dem Bereich sehr umtriebig ist und auch gestern bei uns zu Gast war. Die bieten ihren Brands die Nutzung von AR-Anwendungen an, für virtuelle Try-Ons etwa. Da kann man schauen, ob der jeweilige Schuh am eigenen Fuß gut aussieht und ob er zum restlichen Outfit passt. Ihr seid mit dem Themenkomplex der virtuellen Möbel im selben Rennen an den Start gegangen. Wie siehst du in dem Zusammenhang Snapchat, aber auch die anderen sozialen Netzwerke? Sind das aus der Perspektive von OTTO eher direkte Konkurrent:innen, weil sich Fashion-Budgets und Zahlungsprozesse durch diese Entwicklung noch mehr in Richtung von Social Media verlagern? Oder sind das eher Kooperationspartner? Oder wisst ihr das vielleicht noch gar nicht genau?
Jörg Heinemann: Wir schauen uns diese Entwicklung auf jeden Fall sehr intensiv an. Mit einigen der von dir genannten Social Networks machen wir einen Test. Dazu darf ich aber leider keine Details nennen. Letztlich ist das schon die Antwort auf deine Frage: Wir sehen darin die Chance, diese Technologie zu verbreiten. Dabei denke ich beispielsweise an Retourenquoten.
„Wenn der Retail mittels AR gut läuft, gleicht die verringerte Retourenquote gegebenenfalls das aus, was wir einer anderen Plattform für den erforderlichen Traffic zahlen müssen.“
Wir schalten dort jetzt schon Werbung und wenn man dann direkt in der Werbung das Möbelstück platzieren kann, steigert man damit sogar die Conversion Rate. Google hat irgendwann auch angefangen, statt reinem Text diese Produkt- oder Bildanzeigen zu schalten, weil die Verbraucher:innen darauf noch mehr reagieren.
Letztlich geht es darum, diese Technologie den Menschen nahezubringen und natürlich kann es passieren, dass wir dann Kund:innen an andere Anbieter:innen verlieren. Allerdings sind Möbel keine One-Click-Artikel, sondern mit einer längeren Customer Journey verbunden. Die Optik und Positionierung im Raum sind das eine, aber meiner Einschätzung nach werden die Interessent:innen immer noch zu OTTO kommen, wenn es um Parameter wie den Stoff, die Farbabstimmung, die genauen Maße und die Nachhaltigkeit geht. Letztlich ist es unsere Aufgabe, mit unserer Plattform einen Mehrwert zu generieren, zum Beispiel durch das Angebot alternativer oder zu existierenden Gegenständen passender Produkte. Wie immer ist das Teil der Customer Journey, aber auch eine große Chance dahingehend, Menschen vielleicht schon früher im Kaufprozess zu überzeugen und diese Technologie ins Mindset der Menschen einzubringen. Du hast eben ganz richtig gesagt, dass die meisten Geräte das heute schon können – sowohl die von Google als auch die von Apple –, viele wissen oder nutzen das aber nicht. Insofern freue ich mich natürlich, dass Google gerade Werbung dafür macht, dass man sich einen Löwen ins Wohnzimmer stellen kann. Manchmal sind nämlich diese spielerischen Cases nötig, um Leute an neue Technologien heranzuführen.
Welche Bedeutung hat Conversational Commerce für die Customer Journey?
Mario Rose: Wenn meine Kinder aktiv werden, laufen bei uns immer die Dinosaurier durch den Garten. Eben hast du die Customer Journey angesprochen. Die wird natürlich durch eine Vielzahl an Anwendungen beeinflusst und seit mehreren Jahren wird in dem Zusammenhang immer wieder das Thema Conversational Commerce genannt. Conversational Commerce hat das Potenzial, die gesamte Customer Journey – vom ersten Touchpoint bis zur Bezahlung – für die Kund:innen mit mehr Convenience durch direkte Kommunikation auszustatten. Das passiert zum Beispiel über einen Kundenkontakt mittels der allbekannten Messaging-Apps, Website Chats, Chatbots und Sprachassistenten. Dabei wird zum Beispiel auch der Check-out nicht mehr über einen klassischen Online-Shop abgewickelt, sondern direkt im WhatsApp Chat mit dem Unternehmen. Welche Bedeutung hat C-Commerce heute für Unternehmen und welche Vorteile ergeben sich bei optimaler Anwendung bereits daraus?
Jörg Heinemann: Ich denke, das ist bei Kund:innen sehr beliebt, weil sie einen direkten und schnellen Kontakt zu dem jeweiligen Unternehmen haben. Wenn man das auf großen Messen gern nutzt, hat man immer diesen Anknüpfungspunkt wie beim Chat mit Freund:innen. Man hat eine Historie, kann den Gesprächsfaden wieder aufnehmen und erhält oft schnell eine Antwort. Letzteres liegt daran, weil Unternehmen Bots einsetzen können, die automatisch antworten können. Andererseits tolerieren wir es auch, wenn unsere Freunde uns bei diesen Messengern nicht sofort antworten. In dem Kanal ist eine Wartezeit also weniger schlimm, als wenn man am Telefon eine halbe Stunde lang in einer Warteschleife hängt.
Mario Rose: Da verliere ich schon nach sieben Minuten die Geduld.
Jörg Heinemann: Genau, um eine halbe Stunde Wartezeit am Telefon hinzunehmen, muss man etwas wirklich dringend wollen. Dann muss man sich auch erst einmal beruhigen, damit man seinen Frust nicht an den Mitarbeiter:innen auslässt, die im Zweifelsfall nichts dafür können und auch lieber mehr Kolleg:innen hätten. Aber beim Chatten ist es in Ordnung, wenn die Antwort erst zehn Minuten später kommt. Wenn man das als Unternehmen dann in der eigenen App einsetzt und die jeweiligen Kund:innen kennt, kann ein Bot sogar viele Fragen beantworten, die sonst mit einem Anruf gelöst werden müssten.
Eine der am meisten gefragten Fragen bezieht sich immer noch darauf, wo das Paket ist, auf das gerade gewartet wird. Das kann man natürlich alles in einer Tracking-App nachverfolgen, manche Leute schaffen es aber nicht einmal, auf den entsprechenden Link in der Bestätigungsmail zu klicken. Und wenn man solche Fragen schnell mithilfe eines Bots beantworten kann, freuen sich nicht nur die Kund:innen, sondern auch das Unternehmen, weil es Ressourcen schont. Dann können sich die Mitarbeiter:innen die Zeit nehmen, um spezielle Fälle zu bearbeiten oder Produktberatungen durchzuführen. Da sehen wir einen ganzen Strauß an Vorteilen.
Mario Rose: Ist das, was du gerade im Vergleich zur herkömmlichen Customer-Hotline dargestellt hast, jetzt schon im deutschen Markt angekommen? Sorgt das bei OTTO schon spürbar für Entlastung, weil sich ein großer Teil des Customer Service in den C-Commerce verschiebt? Oder warten wir immer noch auf den Durchbruch, weil die Adaption für den End User sehr schleppend verläuft?
Jörg Heinemann: Das hängt von der jeweiligen Unternehmensgröße ab. Bei manchen wird das schon gelebt und das passt alles, bei anderen gibt es das noch gar nicht. Und dann gibt es außerdem das Café um die Ecke, das ich auch per WhatsApp erreiche. Das ist dann ein echter Mensch, aber als Kunde finde ich es trotzdem toll, dass ich zeitnah eine Antwort erhalte. Das wird häufig als unprofessionell angesehen, das ist es aber nicht, wenn es sich bei dem Business um eine One-Man-Show handelt.
„Unternehmen müssen darauf achten, dass die von ihnen eingesetzten Bots tatsächlich gut sind und den Kund:innen ermöglichen, im Zweifelsfall Kontakt zu einem echten Menschen aufzunehmen.“
Für die Unternehmen macht es auch Sinn, alles auf ein technisches Backend zu stellen, damit die Customer Experience auf jedem Kanal zumindest ähnlich ist; damit man überall ähnlich schnell Antworten erhält und auf jedem Kanal letztlich auch mit Menschen sprechen kann. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. In den USA ist es beispielsweise schon möglich, im WhatsApp-Chat einen Kauf zu tätigen, aber bei uns ist das noch nicht so weit. Letztens habe ich eine Meta-Präsentation gesehen, bei der es um einen Case ging, bei dem in Zusammenarbeit mit booking.com im Facebook-Chat alles von der Buchung bis zur Bordkarte abgewickelt wurde.
Aber auch, wenn das noch nicht geht, kann man seine Anstrengungen schon in diese Richtung lenken – das machen wir auch. Wir sind auf WhatsApp, im Facebook Messenger, wir haben einen Chat auf der Website und in unserer App – das bieten wir alles auf der Grundlage unterschiedlicher Technologien an. Bei manchen Lösungen haben wir nur den Bot, bei anderen nur den Menschen und dann gibt es wiederum Mischformen. Du hast ja gefragt, ob die Leute so etwas schon nutzen, deswegen möchte ich dazu ein paar Zahlen nennen.
„Wir haben 2020 allein in unserem In-App-Messenger 400.000 Unterhaltungen durchgeführt – auf WhatsApp waren es sogar eine Million Unterhaltungen.“
Im In-App Messenger setzen wir einen Bot ein, der mittlerweile 30 Prozent der Unterhaltungen zufriedenstellend abschließen kann. Den wirtschaftlichen Impact kannst du dir wahrscheinlich vorstellen.
Trend Topic im E-Commerce: Live Commerce und Shopping Events
Mario Rose: Ja, das kann ich. Ich würde gerne noch das Thema Live Commerce und Live-Shopping-Events mit dir besprechen, das schlägt nämlich im E-Commerce-Bereich momentan hohe Wellen. In China ist das längst der Standard, aber auch im europäischen Markt haben insbesondere Fashion- und Beauty-Marken dieses Thema für sich entdeckt. Einer aktuellen Umfrage von Forrester Research zufolge geben 70 Prozent der europäischen Kund:innen an, Live-Shopping-Events gegenüber aufgeschlossen zu sein. Es handelt sich dabei auch um eine sehr spannende Zielgruppe, weil die Antworten von Personen im Alter zwischen 32 und 43 stammen, während etwa in Fernost sich eher die jungen Millennials diesem Themengebiet zuwenden. Mittlerweile hat auch hier rund ein Drittel der Fashion- und Beauty-Marken mindestens ein Live-Shopping-Event auf die Beine stellen können, mit der OTTO Shopping Show gehört ihr natürlich auch dazu. Ist das jetzt QVC in digital oder wie würdest du das bewerten?
Jörg Heinemann: Wenn ich das rudimentär erklären muss, nenne ich es manchmal auch Teleshopping 2.0, das trifft es gewissermaßen schon. Ich kann mir sogar vorstellen, dass das Live-Shopping irgendwann zurück zum Fernseher kommt – das kann man theoretisch jetzt schon, indem man sein Smartphone spiegelt. Das sollte aber nur passieren, wenn der Mehrwert von Live-Shopping auch transportiert werden kann und das ist die direkte Kaufmöglichkeit per Klick. Das soll so laufen, dass wenn man etwas sieht, man das mit einem Klick kaufen oder zumindest mit einem Klick Informationen erhalten kann. Dann gibt es idealerweise eine direkte Interaktionsmöglichkeit. Einige Fragen beantworten Moderator:innen, andere werden direkt im Chat beantwortet.
„In der Tat hatte der E-Commerce in China im Jahr 2020 bereits einen Marktanteil von einem Drittel und das wurde mittels Live Shopping gemacht. Im Jahr 2021 waren es dann 40 Prozent und der Trend geht hin zu 50 Prozent.“
Davon sind wir in Deutschland noch sehr weit entfernt und ich weiß auch nicht, ob wir da überhaupt hinkommen. Das muss sich aber nur in einem zweistelligen Bereich bewegen und dann wird man sehen, was für ein Potenzial darin steckt.
Mario Rose: 50 Prozent sind tatsächlich unglaublich. Was sind denn mit Blick auf eure Aktivitäten die Dos and Don’ts des Live Commerce? Was ist gut gelaufen und wovon habt ihr euch mehr versprochen?
Jörg Heinemann: Sicherlich haben wir den einen oder anderen Fehler gemacht, aber grundsätzlich geht es immer um Authentizität. Das gilt für jeden Kanal – auch hinsichtlich von Influencer:innen, die man einsetzt. Trotzdem muss man das immer wieder sagen: Die Inhalte müssen zur Marke und ihren Aktivitäten passen und über die verschiedenen Shows muss die Marke auch wiedererkennbar sein. Das gilt jedenfalls, wenn die eigene Brand im Fokus steht – es gibt auch immer mehr Sendungen, bei denen nicht nur Eigenmarken präsentiert werden. In dem Bereich liegt Douglas zum Beispiel weit vorne.
Man benötigt auf jeden Fall eine gute technische Lösung und wenn man erfolgreich ist, erhält man innerhalb kurzer Zeit sehr viel Traffic, den das System und seine Bestandteile aushalten können müssen. Man kann natürlich mit wenig Traffic anfangen, aber damit sich das Projekt rechnet, sollte man schon ausreichend Traffic generieren können – in dem Zusammenhang haben sich Push-Nachrichten bewährt. Ganz viele Menschen schauen sich das außerdem im Replay an, diese Sendung sollte also auch nachträglich verfügbar sein. In Snippets können die auch auf der Product Detail Page genutzt werden. Man sollte diesen Content also nicht als isolierte Einheit ansehen, sondern als hochwertige One-to-Many-Beratung, die dann für eine virtuelle Einzelberatung genutzt werden kann.
Im Vergleich zu Teleshopping ist diese Interaktion mit den Zuschauer:innen ein wichtiges Asset. Ein Blick hinter die Kulissen macht beispielsweise auch Sinn – gerade unter Corona-Bedingungen, weil die Verbraucher:innen dann sehen können, dass bei der jeweiligen Marke wirklich alle eine Maske tragen und Abstände einhalten. Zudem sollte man Saisonalitäten und die Aktualität von Themen beachten und wie immer ist die Relevanz von großer Wichtigkeit. Einerseits sollten Zielgruppen segmentiert werden, andererseits kann es auch Sinn ergeben, an alle zu senden, weil das Format sehr inspirativ ist. Über dieses Format kann man Leute noch besser von neuen Produkten begeistern, als das sonst im E-Commerce der Fall ist. Zusammen mit einem guten Angebot kann das eine Kaufentscheidung motivieren, die sonst nicht getroffen werden würde. Das sollte aber so gemacht werden, dass die Produkte anschließend retourniert werden.
Jörgs Highlights der CES
Mario Rose: Im Rahmen der CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas hast du wieder viele Stunden vor dem Rechner verbringen dürfen, obwohl du natürlich lieber vor Ort gewesen wärst. Es gibt von dir auch eine fantastische Review (Lesetipp an die OMKB-Community) auf LinkedIn, in der du diverse Trends aufgreifst. Gab es ein Highlight, das du uns mit auf die Reise geben möchtest?
Jörg Heinemann: Es gab fünf Top-Entwicklungen:
- Es wird mehr auf Nachhaltigkeit gesetzt (auch in der Tech-Branche immer wichtig).
- Wir sehen Disruption und Evolution im Automarkt.
- Roboter haben ein riesiges Potenzial – hauptsächlich im Service und in der Logistik.
- Es geht außerdem immer mehr darum, Hardware und Services zu verkaufen, das sieht man auch daran, dass Hersteller:innen immer mehr auf D2C (Direct-to-Consumer) setzen.
- Das bereits besprochene Metaverse war natürlich auch omnipräsent.
Bei LinkedIn habe ich zusätzlich ganz viel spannenden Content über meine Lieblingsgadgets geteilt.
Mario Rose: Das war eine sehr präzise Antwort, Jörg. Zum Nachlesen empfehlen wir auf jeden Fall deine Reviews. Danke, dass du heute ein Teil der OMKB warst, dir Zeit für uns genommen hast und mir so viel Spannendes über aktuelle Themen und Trends erzählt hast. Meiner Meinung nach war das ein sehr werthaltiger Talk und ich schicke liebe Grüße zu dir an den Ratzeburger See. Bis bald.
Jörg Heinemann: Vielen Dank, es hat mir großen Spaß gemacht. Weiterhin viel Erfolg.
Mario Rose: Dankeschön.
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