T-Systems International bietet seinen Kund:innen Lösungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie an und ist dafür mit rund 28.000 Mitarbeiter:innen in über 20 Ländern aktiv. Das Tochterunternehmen der Deutschen Telekom hat im Jahr 2021 einen Umsatz von vier Milliarden Euro gemacht und ist insbesondere in den Branchen Automotive, Manufacturing, Logistik und Transport aktiv. Um in Bezug auf digitale Innovationen up-to-date zu bleiben, seine Kund:innen bestmöglich zu beraten und die Trends der Zukunft liefern zu können, kümmert sich Björn Radde, Vice President Digital Experience bei T-Systems International, mit Leidenschaft um diese Bereiche und erforscht Hot Topics der Gegenwart und Zukunft wie KI, AR und Metaverse.
In seinem Vortrag auf der OMKB gab Björn Radde einen Ausblick auf das Digital Marketing von morgen. Unter anderem gibt er Einblicke in das Potenzial neuer Tools wie Sprachassistenten, Smartwatches und AR-Brillen und Technologien wie die Blockchain, Virtual Shopping und Neuralink.
Björns Vortrag findest du jetzt in unserer Mediathek.
Das Video mit T-Systems VP Digital Experience Björn Radde
Im Anschluss an seinen interessanten Vortrag, stand Björn Radde dem Publikum und unseren Moderatoren Schahab Hosseiny und Mario Rose in einem Q&A Rede und Antwort. Das Interview gibt es hier:
Conversational Ads auf LinkedIn – Segen oder Spam?
Mario Rose: Herzlichen Dank für deinen inspirierenden Vortrag, Björn. In den 30 Minuten waren eine Menge Technologie und Innovation dabei. Die erste Frage aus dem Slido ist rein organisatorischer Natur: Kann man nach der Veranstaltung Zugriff auf die Folien erhalten? Das kann ich beantworten; das Event wird aufgezeichnet und die Aufzeichnungen werden später veröffentlicht.
Björn, du hast die Conversational Ads auf LinkedIn eingebracht. Conversational Ads werden bisweilen kritisch betrachtet – gerade auf LinkedIn. Ich erhalte beispielsweise immer wieder Nachrichten wie: „Hallo Mario, du bist doch auch in der digitalen Marketing-Branche aktiv. Willst du dich mit mir vernetzen und einen richtigen Mehrwert schaffen?“ Das fühlt sich immer etwas nach Spam an. Kann ein Conversational Ad im Hinblick auf die Technologie dahinter diesen Ansatz authentischer abbilden? Oder wird es in dem Zusammenhang immer dieses Spam-Feeling geben?
Björn Radde: Das ist sogar eine gute Anfrage, es gibt auch solche, die zu einem Telefonat einladen und gleich etwas verkaufen möchten. Das ist aber keine Marketing Automation im herkömmlichen Sinn. Conversational Ads sind in die Werbung integriert. Wenn man sich also für ein Produkt interessiert und auf die Werbung klickt, erhält man eine Nachricht vom Bot, der einen später zum Seller überstellt. Hier findet also ein Vorselektieren statt, ähnlich wie bei den Chatbots auf Webseiten. Da ist man sich auch darüber bewusst, dass man mit einer Maschine spricht. Mein Credo ist, alles auszuprobieren. Die Conversational Ads waren ein Pilotprojekt bei uns, das wir mit unseren Cloud-Produkten ausprobiert haben und das gut funktioniert hat. Ich weiß aber nicht, ob wir das tatsächlich einsetzen werden.
Über virtuelle Influencer:innen und Google Duplex
Mario Rose: Eine der Fragen im Slido dreht sich um Google Duplex. Das Video ist dem Fragesteller zufolge eine Demo aus dem Jahr 2018, die durchaus kritisch diskutiert wurde. Hat sich Google Duplex seitdem weiterentwickelt und ist das System mittlerweile auch in Deutschland verfügbar?
Björn Radde: Das ist meines Wissens nach in Deutschland noch nicht verfügbar, in den USA aber schon. Dort hat es sich auch weiterentwickelt und inzwischen sind auch verschiedene Stimmen verfügbar. Es ist allerdings nicht so einfach, wie es in der Demo gezeigt wurde. Die KI spricht schon so gut, aber die Nutzer:innen können nicht einfach sagen: „Reserviere mir morgen einen Friseurtermin.“ Man muss den Zeitraum und den gewünschten Service sehr genau angeben.
Mario Rose: Das war in der Demo natürlich sehr passend gefragt.
Björn Radde: Ich finde diese menschlichen Geräusche wie das „mmh“ total faszinierend.
Mario Rose: Eine weitere Technologie, die du in deinem Vortrag erwähnt hast, ist die virtuelle Influencerin aus Japan. Wie hießt die?
Björn Radde: Imma Gram.
Mario Rose: Siehst du dieses Phänomen auch bei uns im europäischen Kulturraum oder in Deutschland auf dem Vormarsch? Beobachtet oder nutzt ihr schon deutsche virtuelle Influencer:innen? Oder tun wir uns hierzulande schwerer mit diesem Thema als die technologisch progressiveren Japaner:innen?
Björn Radde: In Deutschland und Europa gibt es eine gewisse Scheu vor Technologie, aber mit den heranwachsenden Generationen werden virtuelle Influencer:innen auch in Deutschland vollkommen normal werden. Bei T-Systems nutzen wir aber noch keine virtuellen Influencer:innen.
Ray-Ban + Meta = Match?
Mario Rose: Lass uns Richtung Metaverse gehen – ein viel diskutiertes System, zu dem es natürlich auch Rückfragen gibt. Ist Facebook mit seinem Metaverse aktuell der Platzhirsch und damit in der Lage, die virtuelle Realität zu dominieren? Oder siehst du andere Player ebenfalls als relevant an, weil das Rennen noch vollkommen offen ist?
Björn Radde: Meta hat natürlich das nötige Kapital, um sich durchzusetzen. Ich weiß dennoch nicht, ob sie der Platzhirsch sind – ein wichtiger Player sind sie allemal und deshalb auch bei jeder Konferenz vertreten. Obwohl Meta die Kapazitäten zum Metaverse-Monopol hat, wird es nach meiner Einschätzung weitere Player geben. The Sandbox hat seinen Hut zum Beispiel auch schon in den Ring geworfen. Das wird eher dezentral werden und es wird viele Start-ups geben, die in dem Bereich mitmischen werden.
„Meta könnte sogar die Plattform werden, aber ich glaube, die Interoperabilität wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.“
Interoperabilität bedeutet, dass man Avatare von einer Plattform zur nächsten mitnehmen kann. Außerdem beschränkt sich Meta meiner Kenntnis nach aktuell noch sehr auf das Virtual Metaverse und nicht auf das AR Metaverse, in dem ich großes Potenzial sehe.
Schahab Hosseiny: Stichwort Brille: was wird die führende Hardware an unseren Körpern sein? Ich sehe, dass du eine Apple Watch am Armgelenk trägst, du hast die Brille schon vorgestellt und wir sehen beachtliche Ambitionen im Bereich der Kopfhörer. Meine Hypothese ist, dass wir immer mehr Hardware am Körper haben werden und wüsste von dir gerne, welches die führende sein wird.
Björn Radde: Das ist eine schwierige Frage. Ich trage keine Brille, aber gäbe es eine optisch ansprechende AR-Brille – nicht wie die Google Glasses, mit denen man wie ein Cyborg aussieht –, könnte diese die führende Hardware an unseren Körpern werden.
Schahab Hosseiny: Wenn etwa Ray-Ban gemeinsam mit Meta in den Bereich einsteigen, kannst du dir das als führende Hardware vorstellen.
Björn Radde:
„Das wird die führende Hardware, bis sie wieder obsolet wird. Eines Tages werden unsere Smartphones obsolet werden, weil sie in die AR-Brillen integriert werden. Und dasselbe könnte einmal den Brillen passieren.“
Mario Rose: Jetzt wird es etwas philosophisch: Glaubst du, dass einige der von dir vorgestellten Innovationen die Welt besser machen werden? Mit Minority Report hast du schließlich eine Dystopie als Beispiel aufgeführt.
Björn Radde: Ich persönlich bin immer positiv und denke an das Gute. Deswegen glaube ich, dass sich alles zum Guten entwickeln wird. Wenn ich mir vorstelle, dass insbesondere ältere Menschen oder Menschen mit Gehbehinderungen mittels Virtual Shopping durch einen Supermarkt laufen können, finde ich das positiv. Alles hat Vor- und Nachteile. E-Mails zum Beispiel ein positives Tool – wenn man aber 20.000 Spam-Mails erhält, sieht man das eher negativ an.
Innovation im B2B-Bereich
Mario Rose: Ihr bei T-Systems seid auch stark im B2B-Bereich unterwegs; Leadgenerierung, Sales und LinkedIn Selling sind fester Bestandteil eurer und auch deiner persönlichen DNA. In deinem Vortrag hast du viele Innovationen angeführt, mit denen physische Produkte beworben werden können. Dir werden aber sicherlich auch viele Marketeers aus dem B2B-Bereich zugehört haben, die sich primär mit Leadgenerierung für Dienstleistungen beschäftigen. Werden diese Technologien auch im B2B-Umfeld in Hinblick auf zielgerichtete Werbung oder passende Leadgenerierungsformulare Anwendung finden? Und in welchem Bereich siehst du die naheliegendsten Anwendungsbeispiele, die vielleicht bei T-Systems schon bearbeitet werden?
Björn Radde:
„Die Leadgenerierung ist für uns insbesondere auf LinkedIn relevant, weil sich unsere Zielgruppe dort aufhält. Dementsprechend geben wir einen großen Teil unseres Budgets auf LinkedIn aus.“
Ich habe in meinem Vortrag ein Bild aus unserem virtuellen Innovation-Center gezeigt, das wunderbar funktioniert und von dem die Kund:innen absolut begeistert sind. Sie können entweder ihre Oculus aufsetzen oder im Browser teilnehmen und so virtuell dabei sein. Wir führen teilweise mehrstündige Workshops durch und haben durch diesen virtuellen Raum deutlich mehr internationale Kund:innen dazu gewonnen, die niemals aus Brasilien zu unserem Innovation-Center in München gekommen wären.
Wir arbeiten außerdem mit Krankenhäusern zusammen und zeigen denen im virtuellen Raum, wie ihr Krankenhaus oder Training zukünftig aussehen könnte. Wenn im Krankenhaus ausgebildet wird, muss immer jemand mit den Lernenden in die Zimmer oder auch zum MRT-Gerät gehen und denen alles zeigen, was ziemlich kostenintensiv ist. Stattdessen könnte man eine virtuelle Einweisung in das MRT-Gerät anbieten und die Abschlussprüfung am echten Gerät durchführen lassen.
Schahab Hosseiny: Björn, wisst ihr schon, wie sich die Abwanderungsquote verändert, wenn die B2B-Kund:innen über T-Systems primär virtuell oder digital angesprochen werden? In der Vergangenheit hatte der persönliche Kontakt eine stärkere Bedeutung, aber das wird sich in Zukunft sicherlich weiter ändern. Wie könnte sich das zum positiven oder negativen entwickeln?
Björn Radde: Ich habe noch keine Erfahrungswerte in der Hinsicht, weil unsere Sales weiterhin sehr stark sind und den Kontakt zu unseren Kund:innen aufrechterhalten. Wir beobachten aufgrund dieses virtuellen Ansatzes eher eine Erhöhung der Conversion Rate. Bei uns ist es also eher umgekehrt. Es ist vielleicht auch wichtig zu erwähnen, dass wir nicht am Anfang des Funnels einen Workshop anbieten, weil die Kund:innen zu dem Zeitpunkt bei mehreren Anbieter:innen Workshops machen können. Stattdessen bieten wir Workshops am Ende des Funnels an – also zu dem Zeitpunkt, an dem wir den Kund:innen glaubhaft machen können, dass wir ihr Problem verstanden und in unserem virtuellen Raum beheben können.
Schahab Hosseiny: Es ist sicherlich auch dem Cross- und Up-Selling dienlich, wenn die Workshops relativ weit hinten in der Kund:innenkultivierungsphase stattfinden.
Björn Radde: Genau, und zwar auch, um die Möglichkeiten aufzuzeigen. Man kann natürlich in der Theorie darüber sprechen, aber die Praxis bietet ganz andere Möglichkeiten. Die Kund:innen können beispielsweise in das Innovation-Center kommen und in einem virtuellen Greenhouse nachvollziehen, wie eine Blockchain funktioniert.
Mario Rose: Du hast erzählt, wie ihr bei T-Systems eure Mitarbeiter:innen als Avatare abbildet – das war sogar vor der Coronapandemie – und wie ihr die für virtuelle Konferenzen einsetzt. Welche Erfahrungswerte habt ihr bezüglich der Aufnahme und Kondition der Teilnehmer:innen eines virtuellen Events im Vergleich zu Videokonferenzen und persönlichen Meetings? Vier Stunden lang an einem Videocall teilzunehmen ist viel ermüdender und aufgrund der fehlenden Reize wesentlich intensiver als ein vierstündiges persönliches Meeting – so geht es jedenfalls einer Vielzahl an Menschen. Macht man mit virtuellen Avataren dieselben Erfahrungen wie im Videocall?
Björn Radde: Die Erfahrung ist eigentlich umgekehrt, denn mein Avatar kann auch mal für zehn Minuten in einer Ecke stehen. In einer Videokonferenz hingegen muss man ständig in die Kamera schauen und alle können sehen, wenn man müde wird, sich etwas zu trinken holt oder einen Bio-Break macht. Deswegen ist die Anspannung bei Videokonferenzen höher und im virtuellen Raum merkt man es meist nicht, wenn sich ein Avatar mal ein paar Minuten lang nicht bewegt.
„Mit Avataren kann man außerdem mehr Spaß haben, weil die beispielsweise winken oder umfallen können und dadurch die Situation etwas auflockern.“
Man kann sich zudem virtuell von einem Raum in den nächsten bewegen, statt immer vor demselben Bildschirm zu sitzen.
Heiß diskutiertes Thema: Consent-Management
Mario Rose: Das Ausschalten der Kamera bei Videokonferenzen ist dann also das Stehen in der Ecke in virtuellen Räumen, sehr schön. Ich möchte überdies auf das Thema Datenschutz eingehen. Du sagtest in deinem Vortrag, dass die von dir genannten Innovationen vorerst nicht unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes betrachtet werden sollten, sondern lediglich Möglichkeiten aufzeigen sollen. Dennoch würde ich gerne deine Meinung zum Thema Consent Management hören und wissen, wie Marketeers in Hinblick auf die aktuell verfügbaren und neuen Möglichkeiten das Gleichgewicht zwischen erfolgreicher, fortschrittlicher Werbung und dem Vertrauen der Anwender:innen finden können. Du hast in deinem Vortrag schon ein plakatives Beispiel genannt: Wenn man an einem Bahnhof unterwegs ist, möchte man keine personalisierte Werbung für OnlyFans sehen. Wo siehst du Lösungsansätze dafür und was würdest du Marketeers in dem Zusammenhang raten?
Björn Radde: Insbesondere wenn ich nicht an Webseiten, sondern Retail Stores denke, in denen auch andere meine Werbung sehen können, muss man besonders darauf achten. Ich denke dennoch, dass der Mehrwert dahinter einen mächtigen Anreiz darstellt. Wenn Kund:innen sich etwa bei Amazon einloggen, nicht mehr an der Kasse stehen müssen und womöglich dafür noch einen Rabatt erhalten, werden sie akzeptieren, dass Amazon die eigenen Daten für personalisierte Werbung nutzt. Diese Convenience wird uns dabei helfen, mehr Daten zur Verfügung zu stellen und das Vertrauen der Kund:innen zu stärken.
„Für die Deutsche Telekom und T-Systems ist der Datenschutz von großer Bedeutung und dadurch schafft man auch Vertrauen. Wie gesagt, wenn man Convenience mit Vertrauen zu einem Mehrwert verbinden kann, wird man auch den Consent erhalten.“
Digital Business bei T-Systems
Mario Rose: Zum Abschluss habe ich noch zwei konkrete Fragen in Bezug auf T-Systems. Du hast schon erwähnt, dass ihr einige Stellen zu besetzen habt. Fachkräfte im digitalen Marketing mit Berufserfahrung sind nicht leicht zu finden – gerade im deutschen Markt. Welche Rolle spielen Social Media und Jobplattformen in eurer Recruiting-Strategie?
Björn Radde: In dem Zusammenhang kann ich nur über den Bereich sprechen, in dem ich selbst tätig bin. Wir haben mit HR vor einigen Monaten ein Soundingboard etabliert und wir sind jetzt noch stärker auf Social Media unterwegs, trainieren unsere Recruiter und Hiring Manager auch auf LinkedIn. Wir möchten damit die Attraktivität unseres Unternehmens aufzeigen, denn das kann man über Stellenanzeigen meist nicht transportieren. Deshalb arbeiten wir aktuell aktiv mit HR daran, die Hiring Manager zu trainieren, unsere Anzeigen dementsprechend anzupassen und Suchmaschinenoptimierung zu betreiben.
Mario Rose: Du hast außerdem NFTs und ein verständliches Beispiel für die OMKB in diesem Zusammenhang erwähnt. Gibt es dafür auch Anwendungsfälle im B2B-Bereich, die ihr eventuell schon bei T-Systems einsetzt?
Björn Radde: Es gibt bei uns Abteilungen, die sich damit auseinandersetzen, ich bin da aber nicht involviert. Dennoch würde ich mich gerne im Rahmen des Digital Marketings damit beschäftigen. Man könnte beispielsweise eine Community aufbauen und Events veranstalten, für die man NFT-Tickets ausgibt, die ein CEO-Treffen im Anschluss beinhalten.
Schahab Hosseiny: Du hast schon angesprochen, dass wir in diesem Zusammenhang nicht von NFT-Kunst, sondern dem Einsatz in ganz anderen Bereichen sprechen.
Björn Radde: Genau. Für Unternehmen sehe ich NFTs im Community Building als besonders relevant.
Mario Rose: Lieber Björn, herzlichen Dank, dass du heute unser Gast warst.
Björn Radde: Danke.
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Sehr guter Input zu zukünftigen Innovationen und Weitsicht Björn Radde