Peloton wurde im Jahr 2012 im Silicon Valley gegründet, um das Feeling von Cycling-Kursen mit bahnbrechenden Hardware- und Software-Lösungen in die Wohn- und Schlafzimmer fitnessbegeisterter Kund:innen zu bringen. Alle von Peloton angebotenen Kurse werden in den firmeneigenen Studios in New York und London und mit sorgsam ausgebildeten Trainer:innen produziert. In jedem Quartal entstehen so 2500 neue Kurse in verschiedenen Disziplinen, die im Stay-at-Home-Jahr 2020 164 Millionen Mal aufgerufen wurden. Unter den 65 Peloton-Instruktor:innen sind inzwischen zehn deutschsprachige und die deutschen Peloton-Mitglieder trainieren mit 16 Workouts im Monat überdurchschnittlich oft mit Peloton.
In ihrer Session auf der OMKB in Berlin im April 2022 sprach Anke Drewicke, Marketing Director bei Peloton Interactive, über den Einfluss der Community auf die Content-Gestaltung bei Peloton, wie Peloton seine Musikauswahl trifft und dafür an Künstler:innen herantritt und den Paradigmenwechsel, den das Unternehmen seit 2019 im Retention und Acquisition Marketing vollzogen hat.
Für alle, die Ankes Vortrag verpasst haben und die, die ihn sich noch einmal in Ruhe anschauen wollen, gibt es jetzt das Video und die Präsentation zum Download.
Video mit Anke Drewicke von Peloton
Zur großen Freude der Audience stand Anke im Anschluss an ihre Session noch für ein Q&A zur Verfügung. Die Fragen stellte das Publikum im Saal und im Chat. Hier ist das kurzweilige Interview:
Die Community bestimmt, wo es langgeht – Q&A mit Anke Drewicke
Mario Rose: Dankeschön, liebe Anke. Du hast uns auf eine sehr emotionale und sportliche Reise mitgenommen. Wir haben einige Fragen aus der Audience, lass uns direkt einsteigen. Das sind beeindruckende Zahlen – gerade auch im Hinblick auf die aktive Nutzung der Peloton-Räder. Es gab schon einmal einen Sport-at-Home-Trend; einige erinnern sich vielleicht noch an die Sportgeräte von Kettler, die in den 80ern und 90ern sehr populär waren. Du hast aber auch davon gesprochen, dass gerade im deutschen Zielmarkt viele Leute gerne draußen Sport machen. Die gehen gerne im Wald biken, joggen draußen oder spielen Fußball. Ist diese ebenfalls sportlich aktive Gruppe für euch eine relevante Zielgruppe? Und wie überzeugt ihr diese Gruppe von euren Indoor-Produkten?
Anke Drewicke: Definitiv. Insgesamt besteht unsere Zielgruppe aus Menschen, die Lust auf Sport und Bewegung haben.
„Deutschland ist der größte Fitnessmarkt in Europa.“
Das wusste ich vor meiner Tätigkeit bei Peloton auch nicht. Hier gibt es also unglaublich viele Menschen, die schon Sport treiben oder damit anfangen möchten. Bei Peloton haben wir Angebote für
- diejenigen, die ihre Fitnessroutine damit abrunden – die Outdoor-Läufer:innen, die bei schlechtem Wetter mal ihr Training nach drinnen verlagern oder nach dem Laufen eine Stretching- oder Yogasession mit uns machen,
- die Hardcore-Peloton-Community, die gerne drinnen trainiert und zu der auch ich gehöre.
Mario Rose: Auch in Deutschland sieht man immer mehr von eurem Marketing-Mix; ihr seid zunehmend im Performance-Marketing aktiv und du hast eben schon die Facebook Groups als Mittel für das Sourcing von Trends erwähnt. Ihr konntet auch sehr bekannte Personen für Peloton aktivieren, lass uns deshalb mal auf den Influencer-Marketing-Bereich schauen. Ist die Zusammenarbeit mit Micro-Influencern in Deutschland oder Europa Teil eures Markenkerns und investiert ihr Zeit und Ressourcen in diesem Bereich? Oder ist das Thema mit Big Testimonials wie dem von Angelique Kerber schon abgedeckt?
Authentizität und Glaubwürdigkeit statt konstruierte Marketing-Blasen
Anke Drewicke: An uns ist interessant, dass unsere Influencer gleichzeitig Mitglieder bei uns sind. Das bedeutet, dass wir die nicht fürs Trainieren bezahlen. Es gibt in einzelnen Fällen mal ein Buy-out, aber die Influencer waren vor diesen Kooperationen schon Mitglieder bei uns. Angelique Kerber haben wir einfach unter unseren Mitgliedern entdeckt und es ist uns wichtig, authentische Erlebnisse und eine Glaubwürdigkeit für unsere Plattform zu schaffen. Unsere Influencer sollen die Arbeit mit uns in ihre Trainingsroutine integrieren, statt sich in konstruierten Marketing-Blasen zu bewegen.
„Bei uns hat jedes Mitglied – ob Celebrity oder nicht – den gleichen Stellenwert.“
Mario Rose: Du hast den Faktor Musik mehrfach erwähnt. Das macht auch Sinn, denn Musik motiviert ebenso wie eine Community. Mit Musik kommt man in die richtige Schwingung, um sportlich aktiv zu werden. Daraus ergibt sich, dass ihr in Kontakt zu den großen Musik-Ökosystemen steht. Du hast schon gesagt, dass ihr einen guten Zugang zu den einzelnen Künstler:innen habt, aber wie sieht es denn mit Playern wie Amazon Music oder Spotify aus? Gibt es da Kollaborationen mit Peloton, etwa in Hinblick auf Playlist Building? Das scheint doch ein naheliegendes Thema zu sein.
Anke Drewicke: Das ist es auch. Wir haben tatsächlich eine Kollaboration mit Spotify, die über den Screen funktioniert. Wenn man in einem Kurs ist, werden bestimmte Songs gespielt und wenn man einen besonders mag, kann man den mit nur einem Klick einer Spotify-Playlist hinzufügen. Zusätzlich gibt es zu den einzelnen Kursen – insbesondere zu den Artist Rides – Playlists von Peloton bei Spotify, die man auch unabhängig vom Training abrufen kann.
Schahab Hosseiny: Ihr habt eine sehr interessante Zielgruppe und unheimlich viele Mitglieder. Daraus könnte man schließen, dass Peloton eine Fitness-Ökosystem-Plattform werden könnte. Könnte man also zukünftig als Trainer:in eure Software-Lösungen nutzen, um eigene Trainingseinheiten anzubieten? Gibt es dafür einen Demand am Markt?
Anke Drewicke: Wir sind tatsächlich dabei, uns von einer Hardware-Company zu einer Plattform zu entwickeln und insgesamt offener zu werden. Nach wie vor sind wir sehr stolz auf die Qualität unserer Kurse und darauf achten wir auch sehr. Das merkt man auch.
„Peloton-Kurse haben eine ganz andere Qualität als die Kurse anderer – möglicherweise auch kostenloser – Anbieter:innen, weil wir hohe Ansprüche an jeden einzelnen Kurs haben.“
Das betrifft die Einstellung der Lautstärke, die Auswahl der Trainer:innen und die Personalisierungsmöglichkeiten. Dieser hohe Qualitätsanspruch steht bei uns im Vordergrund und der wird immer eine gewisse Barriere darstellen.
Schahab Hosseiny: Perspektivisch kann ich also einen Breakdance-Kurs bei euch anbieten.
Anke Drewicke: Du kannst Dance Cardio machen.
Testen und Lernen: Prozesse, Strukturen und Automatisierung
Schahab Hosseiny: Sehr gut. Erzähl uns etwas von eurem Community Operating System. Ihr habt unglaublich viele Communities; Facebook hast du schon angesprochen und bei TikTok seid ihr unter anderem auch aktiv. Wie funktioniert das Streamlining in dem Zusammenhang? Habt ihr dafür ein operatives System, das die Ströme der verschiedenen Channels orchestriert? Und wie stark sind diese Prozesse bereits automatisiert? Ich kann mir vorstellen, dass ihr gar nicht so viel automatisieren wollt. Gleichzeitig kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr gar nicht damit arbeitet.
Anke Drewicke: Unsere Mitglieder produzieren eine unvorstellbare Menge an Daten.
„Wenn unsere Mitglieder Kurse mit uns machen, werden von jeder Person und in jeder Sekunde Daten produziert, die in das Ökosystem einfließen und aus denen neuer Content erstellt wird.“
Dieser Prozess ist teilautomatisiert, in Zukunft würde ich allerdings noch mehr auf Automatisierung setzen wollen. Deutschland ist nach wie vor der einzige nicht-englischsprachige Markt und wir sind immer noch dabei, die Prozesse und Strukturen aus Amerika in Deutschland auszuprobieren und anzupassen. Ein kleinerer Markt kann tatsächlich von Vorteil sein, weil man das Test-and-Learn-Center für die großen Märkte sein kann. Es muss dennoch im Großen funktionieren und wir benötigen die Supporting Functions, damit unsere Ideen in den USA umgesetzt werden können.
Schahab Hosseiny: Wird euer Community Management intern oder extern betrieben?
Anke Drewicke: Wir machen alles intern.
Mario Rose: Noch eine Frage aus dem Slido: Inwieweit spielen Gutscheine bei euch in Hinblick auf Customer Acquisition Costs eine Rolle? Bei so einer hohen Loyalty Rate wäre es ja naheliegend, etwa den Einstieg deutlich zu rabattieren. Nehmt ihr das als Marke verstärkt in den Fokus oder macht ihr das bewusst nicht?
Anke Drewicke: Bei uns läuft das primär über die Mitglieder – anhand von Referral Codes. Nach einer bestimmten Anzahl an Rides erhält jedes Mitglied einen Code Fund. Mit diesen Codes können die Mitglieder Rabatte nutzen und diese gleichzeitig an Freunde weitergeben. So funktioniert unser Mitglieder-Influencer-Marketing. Unsere Hardware bieten wir zum bestmöglichen Preis an, ohne Kompromisse hinsichtlich der Qualität zu machen. Es bleibt gar nicht so viel Marge übrig, wenn man in diesem Preissegment unterwegs ist und gleichzeitig nachhaltig produzieren möchte.
„Das heißt, bei uns steht die Qualität im Vordergrund und die Reichweite generieren wir hauptsächlich über die App, weil die hervorragend konvertiert.“
Eigentlich hatten wir die nur als Companion App geplant, aber inzwischen hat sie sich zur echten App weiterentwickelt und ist zu einem echten Entry Point für Mitgliedschaften geworden.
Mario Rose: Wir haben noch so viele Fragen, die Zeit ist jetzt aber rum. Ganz herzlichen Dank, dass du bei der OMKB zu Gast warst und für deinen spannenden Vortrag.
Anke Drewicke: Sehr gerne, vielen Dank.
Hat dir der Beitrag gefallen? Dann schau dir doch auch den Vortrag und Q&A-Talk mit Ben Harmanus über „Diversität als Wachstumshebel“ an.
Wirklich starker Talk von Anke und tolle Inspiration wie Community Building richtig skalieren kann.