Sophia Lara Skuratowicz ist Expertin für Suchmaschinen-Marketing, Google Analytics, E-Commerce und mittlerweile auch im holistischen Marketing für Audible, wo sie als Senior Marketing Managerin tätig ist. Sie hält einen Bachelor in Medien, Musik, Bild und Kunstgeschichte und sammelte Erfahrungen im Marketing-Business unter anderem als Head of Search Engine Marketing und Display bei der nu3 GmbH.
Mario Rose, Co-Host des OMKB-Talks, unterhielt sich mit ihr über den Umgang mit Kundendaten, den steigenden Konsum von Podcasts und Podcasts und warum Audible nicht auf TikTok ist.
Podcast mit Sophia Lara Skuratowicz von Audible
Warum kann man Audible nicht auf TikTok finden?
Mario Rose: Sophia, herzlich Willkommen zum OMKB-Talk. Schön, dass Du hier bist. Wir kommen natürlich gleich noch zu themenspezifischeren Ansätzen rund um Euer Ökosystem, aber wenn wir uns Audible einmal anschauen, seid Ihr ja zumindest im Hinblick auf den Audio-Content die absoluten Produktionsprofis und Benchmark weltweit. Ich habe in der Vorbereitung von Euch im Hinblick auf so ein Netzwerk wie TikTok noch recht wenig Aktivitäten und Engagement gesehen. Ich rechne fest damit, dass es eine ganz bewusste Entscheidung ist. Kannst Du uns dazu mehr verraten?
Sophia Lara Skuratowicz: Das ist erstmal total spannend. Wir sind halt ein Literatur-Produkt. Wir wollen natürlich immer offener sein und schauen auch auf die jüngeren Generationen. Aber für mich gibt es immer eine Regel: Wenn du dir überlegst, dass du für zehn Euro zwei Flaschen Wodka bekommst, dann bist du nicht unsere Zielgruppe. Und deswegen ist TikTok und Snapchat kein Teil unseres Mobile-Marketing-Mixes. Wir schalten ja schon klassische Display Ads oder Mobile Ads. Aber alle Tests, die wir in Richtung Influencer:innen machen, sind eher auf YouTube und Instagram.
Und da – kein großes Geheimnis – sind die Ergebnisse für uns eher beschaulich. Also sehr hohe Kosten für relativ wenig Nutzen. Ich sitze im Neukunden-Marketing, meine Top-KPI ist die Frage: Was kostet mich der Neukunde? Und da sehen wir auf allen Social-Media-Plattformen oder in neueren Generationen halt vollkommen andere Raten, als wenn ich mir jetzt meine Google-Ads-Anzeigen ansehe oder auch mein Facebook Ads. Dann ist das ein ganz anderes Thema.
“Meine Top-KPI ist die Frage: Was kostet mich der Neukunde?”
Mario Rose: Nachvollziehbar. Gerade dann aus Eurer Perspektive natürlich wahnsinnig Top of Funnel und deswegen sicherlich auch im Hinblick auf die reine Conversion Betrachtung schwierig in der Competition. Und man muss dazu sagen, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von TikTok natürlich eine ganze Menge an dieser Stelle investieren: Der Ad-Manager ist im Hinblick auf Targetings, die man so kennt und gewohnt ist – und Funktionalitäten – natürlich ein Stück weit auch noch, ich will nicht sagen in den Kinderschuhen, das war er vor einem Dreiviertel Jahr, aber natürlich vom Targeting-Mechanismus auch noch längst nicht so ausgereift, wie man sich das vielleicht als Digitaler Marketeer wünschen würde.
Du könntest ja die Queen of First Party Data sein, zumindest im Hinblick auf Euer Online-First-Ökosystem und natürlich auch das Abo-Modell, das dahinter steht. Nicht zu verschweigen an dieser Stelle, dass Ihr als Tochter von Amazon im Prime-Öko-Kosmos sicherlich auch ganz spannende Möglichkeiten habt, um auf neue Kunden zuzugehen.
Wie relevant ist das Thema First Party Data gerade im Hinblick auf Customer Retention? Ich weiß, das liegt bei Euch in der anderen Abteilung. Das kannst Du aber gleich unserer Audience auch noch mal erklären. Also insbesondere im Hinblick auf Neukundenakquise, in der Du ja letztendlich als absolute Expertin bei Audible giltst.
Sophia Lara Skuratowicz: Ich fange quasi rückwärts an. Wir haben ein großes Marketing Team, das in mehrere Abteilungen gesplittet ist. Eins davon ist Neukundenmarketing. In Anführungszeichen reines Neukundenmarketing. Natürlich gucken wir Aktivitäten wie Customer Lifetime Value an und versuchen auch da weiter zu optimieren. Aber für mich ist mehr oder weniger der Moment geschafft, sobald ein Kunde das erste Mal bezahlt. Unser klassisches Modell funktioniert über 30 Tage kostenlos testen – so wie es die meisten Anbieter haben – danach bist du zahlender Kunde.
Wenn das passiert, kann ich mich quasi zurücklehnen. Bin raus aus der Nummer, übergebe es liebevoll an meine Kolleg:innen im Retention. Und die Kolleg:innen im Retention-Team haben natürlich viel größere Möglichkeiten, First Party Daten – oder bei uns dann eben die Second Party Daten von unserer Mutter – zu nutzen. Wobei man sagen muss, Amazon hat eine Policy, und das ist: Kundendaten sind heilig! Für mich als Akquise-Mensch sehr negativ, weil ich in anderen kleinen Startups mehr Möglichkeiten hatte, als ich es jetzt – mit dieser Datenmenge im Rücken – eigentlich erwartet hätte.
Und das heißt, auch wir arbeiten in der Akquise mit einer DMP und einer CDP, alles Third-Party-Daten, kein Amazon-only Tool, was rein theoretisch möglich wäre. Aber die Amazon Daten dürfen da nicht rein. Ich habe meine eigenen Daten von der Plattform. Also quasi alles, was in dem Audible-Universum passiert. Damit kann ich arbeiten, baue natürlich Segmente und versuche, das Targeting so personalisiert wie möglich zu machen. Spoiler: Am Ende des Tages sind die Leute in der Regel an Bestsellern interessiert und es ist gar nicht so unglaublich relevant, was ich an Personalisierung mache. Solange ich die Fitzeks und Stephen Kings da auf die Seite packe und andere Wettbewerber die nicht haben, werde ich immer vorne stehen.
“Ich gehe nicht davon aus, dass Amazon die Kundendaten mit uns teilen wird.”
Aber natürlich experimentieren wir in die Richtung und haben eine One-Click-Kette, was Ad-copy, Landing Page und in besten Fällen noch eine Onboarding E-Mail betrifft. Klar, mit den Cookie Daten ist es jetzt bei uns auch ein bisschen schwieriger geworden. Wir sehen echt, wir haben nicht so eine tolle Acceptance Rate und entsprechend gehen uns damit auch Möglichkeiten verloren. Und damit auch die Effizienz, die ich vorher hatte. Die kann ich nicht eins zu eins wieder in meine Bereiche übertragen.
Ein Teil meines Kompetenzfeldes ist auch Affiliate-Marketing, das heißt, da diskutiere ich gefühlt jeden Tag mit Publishern rum, warum deren Payout-Rates geringer sind, warum die Reichweiten immer wieder zurückgehen. Und da gibt es tatsächlich eine ganze Task Force bei Audible, die sich darum kümmert zu sagen, okay, was ist denn The Next Chip? Wenn Cookies sterben, was ist denn das nächste? Und tatsächlich wird First Party Data wahrscheinlich über kurz oder lang die Möglichkeit sein. Oder unsere Mutter ist irgendwann so großzügig und sagt, wir teilen die Daten. Aber davon gehe ich nicht aus. Das passiert so nicht.
Video des Digital Marketing Roundtable mit Sophia Lara Skuratowicz
Cookie Acceptance und Snackable Content bei Audible
Mario Rose: Vielen Dank erst einmal für den Einblick in Euer Ökosystem. Jetzt hast Du in Deiner Antwort zehn weitere spannende Digitale Marketing Punkte eröffnet, von der Segmentbildung beispielsweise, über Eure eigenen Analytics-Systeme bis hin zur Akzeptanz Rate, beispielsweise im Bereich Consent Management. Dann bist Du auch noch auf das Cookie-Sterben eingegangen. Ich weiß, Ihr seid im Hinblick auch auf Eure eigenen Zahlen und ähnliches sehr konservativ in der Kommunikation.
Aber wenn Du sagst, Mensch, so was wie Cookie-Akzeptanz beispielsweise, ist niedriger als erwartet. In was für einem Prozentsatz bewegen sich bei Euch so Cookie Acceptance Rates und wie oft habt Ihr auf diesem Thema beispielsweise A/B-Tests gefahren?
Sophia Lara Skuratowicz: Also unser persönliches Goal war 80 Prozent und – soviel kann ich verraten – da sind wir noch lange nicht. A/B-Tests auf dieser Acceptance Rate – aber das ist bei allen größeren Unternehmen so – das ist immer eine Legal-Thematik. In erster Linie geht es hier darum, den Kunden und die Daten zu schützen. Da ist der Marketing Heini, der ich dann jetzt bin, vielleicht nicht immer die Prio 1. Das ist auch richtig so. Als Mensch möchte ich das auch so!
Viele kennen ja auch das Prinzip, dass der Algorithmus der deutschen E-Mails extra schlechter gemacht wird, weil wir immer Angst haben, dass die Empfehlung zu gut ist. Das ist so ein typisches deutsches Phänomen. Das ist in anderen Marktplätzen nicht so. Entsprechend ist es ist auch mit der Cookie Acceptance Rate. Wenn ich mit den Kolleg:innen spreche, aus UK, Frankreich oder Italien, dann lachen die mich bei meinen Zahlen aus. Das ist einfach eine andere Nummer, und damit leben wir und müssen dann auch andere Lösungen finden.
Mario Rose: Okay, vielen Dank einmal an dieser Stelle für den Einblick. Du hast gerade erwähnt, ich kann so viel personalisieren, wie ich möchte. Wenn dann tatsächlich der passende Content auf unserer Plattform nicht zu finden ist oder ich – positiver formuliert – meiner Zielgruppe uniquen Content aufzeigen kann, dann gewinne ich den Kunden. Unabhängig davon, ob ich jetzt auf der Personalisierungsebene bis ins letzte Detail in die einzelnen Segmente hinein gehe.
Audible ist ja auch längst nicht nur noch Hörbuch, muss man sagen. Also ich kenne das ganz schön, wenn einmal im Monat dann das neue Guthaben verfügbar ist, freuen sich bei mir die Kinder. Dann kann der nächste Harry Potter Teil heruntergeladen werden und nach einigen Monaten ist man dann durch mit dem Hörerlebnis und dann geht es in die nächste Bücherei weiter. Aber Ihr seid ja auch mittlerweile im Bereich Audible Original – es erinnert ein bisschen so an Netflix Original im Bereich der Podcast Produktion – marktführend aktiv. Sehr, sehr viel On Demand Content ist mittlerweile auch auf Eurer Plattform verfügbar.
Kannst du uns ein bisschen abholen, was Ihr im Hinblick auf die Nutzungsintensität Eurer Kundschaft, Eurer Zuhörerinnen und Zuhörer gegebenenfalls für einen Shift erlebt? Richtung On Demand? Richtung Podcast vs. klassische Hörbücher? Was kannst Du uns darüber erzählen?
Sophia Lara Skuratowicz: Ich glaube, man kann ganz einfach Google Trends öffnen und sich die Wachstumsraten Hörbücher vs. Podcasts in den letzten zwei, drei Jahren ansehen. Dann wird man nicht ganz überraschend feststellen, dass irgendwie Podcast in den letzten zwei Jahren um 400 Prozent gewachsen sind, year on year, und jetzt mittlerweile in ganz anderen Dimensionen stattfinden als Hörbücher. Da sind wir – wie der US-Markt – mit allen Themen immer hinterher.
Natürlich war es mit der Pandemie nochmal ein Riesen Hook. Die Leute suchen immer mehr Snackable Content, immer kürzere Formate, immer wiederkehrende Formate. Das sehen wir und wir sprechen auch immer noch von einem Hörbuch-Boom oder einen Audio-Boom in Deutschland. Mittlerweile gibt es 26 Millionen Menschen in Deutschland, die regelmäßig Audio-Content hören, jeden Tag. Das verteilt sich dann natürlich auf Podcasts und Hörbücher.
“Wir sind der Anbieter, der sagt: Hey, wir schaffen das, was für Kunden interessant ist.”
Aber es bietet sich für uns natürlich immer noch an, dass wir sagen – da verrate ich jetzt, glaube ich, kein Unternehmensgeheimnis- dass wir nicht alle 26 Millionen Kunden in unserem Abo-Modell haben. Also ein bisschen Luft nach oben ist immer. Aber ja, eine der Entscheidungen, die Audible natürlich getroffen hat, ist eben zu sagen, wir verschieben die Grenzen von guter Unterhaltung. Und wenn es jetzt nicht nur das gesprochene Zehn-Stunden-Buch ist, sondern eben Talks sind, wenn es eben einzelne Sessions sind wie True Crime, das ja auch in aller Munde ist, dann sind wir der Anbieter, der sagt, hey, wir schaffen das, was für Kunden interessant ist und dann auch Original für uns, klar.
Also Netflix hat es vorgemacht und es ergibt Sinn, da auf diesen Zug – in diesem Fall für Audio-Formate – aufzuspringen.
Die Herausforderungen der Audible Task Force
Mario Rose: Absolut. Und Ihr habt es auf der Habenseite, dass Ihr im Vergleich zu einer Netflix Produktion etwas kostengünstiger Hörspiele produzieren könnt. Insofern ist es sicherlich auch so, dass es sich auf finanzieller Ebene in der Endabrechnung dann auch leichter darstellt, als beispielsweise bei den großen Streaming-Plattformen.
Du hast es auch im Rahmen Deiner Antwort vorhin erwähnt: Wenn wir uns beispielsweise das Google-Ökosystem anschauen, auch das Cookie-Sterben, so habt ihr eine eigene Task Force, die sich mit dem Thema beschäftigt. Und ich kann mir auch, wie Du es gerade gesagt hast, vorstellen, dass Jeff Bezos nicht mal eben die Daten in irgendeiner Form mit den Tochterfirmen und anderen Stakeholdern teilen wird.
Es gibt unterschiedliche Lösungen der großen digitalen Ökosysteme. Bei Google ist sehr viel von FLOC die Rede, also dem Federated Learning of Cohorts beispielsweise. Womit beschäftigt sich Eure Task Force konkret? Welche Lösungswege schaut ihr Euch an? Auch wenn wir uns betrachten, dass Cookie Acceptance unter iOS ja beispielsweise schon fast gar nicht mehr funktioniert. Was macht Ihr konkret, wenn man mal bei der Task Force quasi unter die Haube schaut?
Sophia Lara Skuratowicz: Die Herausforderung ist, dass diese Task Force global ist. Das ist super, weil wir natürlich auch ein Unternehmen sind, das in vielen Marktplätzen ist. Aber wir sehen extreme Unterschiede. Also FLOC wäre vielleicht in den USA perspektivisch eine Möglichkeit. Ich bin mir relativ sicher, dass der europäische Gesetzgeber nicht sagen wird, klar, das machen wir. Das heißt, dann fliegt es eigentlich schon in Europa komplett wieder raus. Wir schauen erstmal, ob wir von DMP auf CDP wechseln können, um wenigstens trotzdem die einigermaßen gleiche Datenlage zu haben.
Es werden keine E-Mail-Adressen geteilt, so, das ist auch keine Option. Und dann ist man schon relativ schnell wieder raus. Dann ist die Überlegung, was kann man denn selber bauen? Und da muss ich auch dann, obwohl ich den Data-Management-Teil bei uns im Team leite, sagen, dass ich bei manchen Diskussionen auch wirklich nicht so ganz durchsteige. Und sagen muss, okay, ich bin gespannt, was im Endeffekt rauskommt. Aber wir evaluieren in alle Richtungen. Und werden wahrscheinlich für Deutschland alleine dann auch einen anderen Weg gehen müssen, als der globale Weg.
Bis jetzt ist es für mich dann doch die CDP. Aber on a long way müssen wir dann doch irgendwie schauen, wie wir Daten aggregiert bekommen und nutzen können, oder ob wir tatsächlich ein Marketing machen, das ich mich eigentlich nicht traue auszusprechen, aber das datenfrei ist. Wieder auf gut feeling gehen oder nur unsere eigenen Daten, aber eben nicht Targeting-Daten oder Audience-Daten, nehmen, also reine Performance-Daten.
Aber ich will nicht schwarzmalen, von daher, wenn wir uns vielleicht nächstes Jahr dazu noch mal austauschen, dann habe ich hoffentlich eine Antwort, die befriedigender ist als die jetzt.
Mario Rose: Ja, vielen Dank für den Einblick. Aber gerade auch ein großer Systemwechsel von der DMP auf eine CDP beispielsweise ist sicherlich ein Schritt, der erwägungsfähig ist, der sicherlich aber auch komplex ist in eurer Datenarchitektur.
Sophia, herzlichen Dank dafür, dass Du bei uns warst und uns hinter die Kulisse hast blicken lassen. Es war total klasse und wie ich fand,sehr, sehr kurzweilig. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und hoffe, Dich bald wieder bei der OMKB begrüßen zu dürfen.
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