Dr. Philipp-Christopher Peitsch ist seit 2011 einer von drei Geschäftsführern der idealo internet GmbH. In seiner Zeit wuchs das Unternehmen auf rund 1200 Mitarbeiter an. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrung, z. B. in der Geschäftsführung Elektronische Medien der Axel Springer AG, gilt er als einer der eloquentesten Vordenker im Bezug auf Personalführung im Zeitalter der Digitalisierung. Ursprünglich ist er gelernter Rechtsanwalt.
Schahab Hosseiny, Geschäftsführer der Think11 GmbH, führte mit Philipp Peitsch im Rahmen des OMKB-Talks eine interessante Unterhaltung über Mitarbeiterführung auf Augenhöhe, warum Google eine Innovationsbremse ist und die User Experience bei idealo.
Video mit Philipp Peitsch
Schahab Hosseiny: Philipp, herzlich willkommen hier im Studio. Wie geht es Dir?
Philipp Peitsch: Vielen Dank. Sehr gut.
Schahab Hosseiny: Sehr schön. Ist es das erste Mal seit der Pandemie, dass Du wieder auf der Bühne sitzt oder stehst?
Philipp Peitsch: Zwischendurch habe ich einmal ein Panel moderiert, auf der Business Insider Veranstaltung. Da saß ich aber noch alleine auf dem Sofa.
Podcast mit Philipp Peitsch
Philipps größte Challenges bei idealo und wie er seine Mitarbeiter motiviert
Schahab Hosseiny: Ok, da war die Situation ein bisschen angespannter. Sehr schön. Philipp, erzähl doch mal, was waren seit Deinem Einstieg bei idealo die größten Challenges, denen Du dort begegnet bist? Du hast ja vor idealo noch einige weitere Stationen innegehabt und kannst das, glaube ich, ganz gut bewerten.
Philipp Peitsch: Ja. Ich mache das seit zehn Jahren. Als ich eingestiegen bin, waren wir 200, 250 Leute und damit beschäftigt, das wahrscheinlich seinerzeit erfolgreichste SEO-Projekt irgendwie zu managen. Und wir sind heute über 1200 Leute und eine E-Commerce-Plattform, deren wichtigste Traffic-Quelle Brand Traffic ist. Da ist sehr viel passiert und es war eine Zeit, die voller Veränderungen und Herausforderungen war.
Ich glaube, die beiden Sachen, die am meisten bei mir hängen bleiben, ist zum einen die Anfangszeit von idealo. Wir waren eigentlich so eine One Trick Pony-Organisation. Wir konnten eine Sache sehr, sehr gut. Wir hatten lauter Experten, die genau wussten, was sie auf dieser einen Sache machen. Und ich habe es als meine Aufgabe gesehen, die Organisation zu etwas zu entwickeln, was zukunftsfähig ist, was auf eine Veränderung reagieren kann.
Heute würde man sagen, eine agile Organisation. Damals war das noch nicht so sehr ein Buzzword und die Anfangszeit war echt holprig. Also vor allem die Einführung von Produktmanagement in eine Technik-Organisation, die bis jetzt eigentlich immer mit dem Geschäftsführer über Feature gesprochen hat. Das war zwei, drei Jahre richtig knirschig.
Die zweite richtig schwierige Phase war so 2014 Panda, das Google Update. Das hat uns sehr viel Traffic gekostet und hat dazu geführt, dass wir international komplett restrukturieren und zum ersten Mal in der Geschichte von idealo Leute entlassen mussten, nämlich auf einen Tag etwas über 50. Das ist jetzt in der Menschheitsgeschichte keine große Zahl, aber für mich war das damals doch irgendwie schon etwas Neues und etwas Besonderes.
Und auch das Jahr danach war eine relativ harte Phase, weil der damals zuständige Springer-Vorstand nicht so richtig vom Wachstum von idealo überzeugt war und immer gefragt hat, warum wir jetzt die ganze Zeit Geld vernichten und nicht eher so in den Sonnenuntergang reiten.
Aber dann haben wir glücklicherweise ab 2016 wieder die Wachstumskurve hingekriegt und wachsen seitdem jedes Jahr wieder sehr, sehr schön. Aber das waren die beiden Phasen, wo wirklich längere Zeit in meinem kleinen Kopf richtig schlechte Stimmung war.
“SEO ist immer eine wichtige Traffic-Quelle.”
Schahab Hosseiny: Das glaube ich. Du hast gerade eben das Thema SEO angesprochen. SEO ist weiterhin ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil und tief in Eurer DNA verankert. Fragezeichen. Weil Du gerade auch gesagt hast – was ich ja super, super stark finde – dass der Großteil Eures Traffics tatsächlich direkt Type-in Traffic oder Brand Traffic ist. Das ist ja eine Königsdisziplin, auf die viele zuarbeiten, um sich ein Stück weit unabhängiger zu machen. Offenbar ist Euch das gelungen.
Philipp Peitsch: SEO ist immer eine wichtige Traffic-Quelle. Es ist halt eine sehr margenstarke Kraftquelle und es ist ein fantastisches Treibnetz. Was mich freut: SEO war lange Zeit immer die wichtigste Traffic-Quelle und ist heute die drittwichtigste Traffic-Quelle für uns. Nach Brand und nach Performance.
Ich würde mich natürlich freuen, wenn Google uns mehr SEO schenken würde, aber die wollen ja selber auf der SERP sehr viel Geld verdienen, deswegen werden sie es vermutlich nicht tun. Und das kann man als Disziplin nicht vernachlässigen. Dafür ist es immer noch zu wichtig. Aber das ist nicht der Wachstumsmotor für die nächsten zehn Jahre. Da sind wir, glaube ich, illusionsfrei.
Schahab Hosseiny: Verstehe. Jetzt hast Du gerade über Change gesprochen, nachdem Du eingestiegen bist, struktureller Change. Ihr seid – was die Mitarbeiterzahl angeht – in den letzten Jahren deutlich gewachsen: 1200 Mitarbeiter. Chapeau! Einer der größten Tech-Arbeitgeber wahrscheinlich dann auch hier in Berlin. Man hört in Summe sehr, sehr viel Positives über Eure Unternehmenskultur. Versuch doch mal, die ein Stück weit für uns zu beschreiben, auch, was Eure Firmenkultur ausmacht.
Philipp Peitsch: Im Kern sind es, glaube ich, zwei Dinge. Das wahrscheinlich Wichtigste ist: Wir achten sehr darauf, dass wir als als ganze Menschen zur Arbeit kommen, dass wir uns in unserem beruflichen Umfeld nicht anders benehmen, als wir uns in unserem privaten Umfeld auch benehmen würden. Und wir achten darauf, dass unsere Kollegen eben genauso Menschen sind wie wir. Das klingt jetzt ein bisschen so “Ach, das ist ja überraschend”, aber ich habe das vielfach anders kennengelernt.
“Wir achten sehr darauf, dass wir als ganze Menschen zur Arbeit kommen, dass wir uns in unserem beruflichen Umfeld nicht anders benehmen, als wir uns in unserem privaten Umfeld auch benehmen würden.”
Ich kenne durchaus Arbeitsumfelder, wo man eigentlich eher als so eine kleine Arbeitskampfmaschine seiner selbst durch die Gegend läuft, also eine leistungsbereitere, härtere, kompromisslosere, schärfere Version von sich selbst. Und das macht zwei Sachen, die richtig schlecht sind: Einmal stresst das unheimlich, weil man immer versucht, etwas darzustellen, was man gar nicht hundertprozentig ausfüllen kann.
Und es schafft eine ganz schlechte Kommunikation, nämlich genau so eine scharfe und knappe und hierarchische Kommunikation, also E-Mails mit einem Wort so: NEIN! Und da achten wir sehr darauf, dass das anders ist bei uns. Ich glaube, dass das grundsätzlich für ein gesundes, menschliches Zusammenleben sorgt. Ich glaube auch, wenn man sich nach ganz normalen, zwischenmenschlichen Wertegefüge richtet, dann kommt man ganz gut miteinander aus.
Wir achten eben darauf, dass man nicht irgendwie in der Arbeitswelt in eine komische “Arbeitsbossiness” verfällt. Das ist eine ganz gute kulturelle Basis. Und dann setzen wir darauf ganz gut auf, weil wir eine Unternehmens- und Führungsphilosophie haben, die ganz stark auf Freiräume ausgerichtet ist. Es ist eben auch die Aufgabe einer Führungskraft, seinen Mitarbeitern Freiräume zu eröffnen. Und Freiräume sind Entwicklungsräume, sind Gestaltungsräume, sind Entscheidungsräume.
Das motiviert sehr stark. Wenn du das Gefühl hast, dass du in deiner Arbeit wirksam bist, weil du eben selber wirklich was bewegen kannst und weil du nicht ständig abgegrätscht wirst oder nur so halb darfst, aber eigentlich am Ende des Tages nicht wirklich selber. Das ist so ein bisschen nah dran an der Motivationstheorie von Daniel Pink – Purpose, Autonomy und Mastery. Den habe ich aber erst viel später gelesen.
Schahab Hosseiny: Du hast intuitiv also schon viel richtig gemacht.
Philipp Peitsch: Aber das sind so die beiden Kernpunkte: Einfach ein sehr gesundes Miteinander und eben die Möglichkeit, in seinem Beruf eine hohe Wirksamkeit zu erfahren, weil es einfach auch gewollt ist.
Die Unterhaltung dreht sich jetzt darum, wie man auch kritische Gespräche auf Augenhöhe führen kann. In diesem Zusammenhang möchte Schahab Hosseiny wissen, wie man bei 1200 Mitarbeitern diesen Ansatz proaktiv umsetzt. Philipp Peitsch erklärt den idealo-Kodex und die Mechanismen und Strukturen, die dafür eingerichtet wurden. Er spricht über Mitarbeitermotivation und darüber, warum Deutschland als Ingenieursland in dieser Beziehung vielleicht etwas anders ist als der Rest Europas.
Ist Unternehmenskultur ein Wettbewerbsvorteil?
Schahab Hosseiny: Das heißt, die intrinsische Motivation bei Euren Mitarbeitern dann auch wirklich freisetzen, Energie freisetzen. Philipp, inwieweit ist die Kultur für Euch ein Wettbewerbsvorteil, wie wichtig ist das ganze Thema für Euch? Auf einem strategischen Blatt Papier: Ist das eher etwas was im HR-Bereich so sideways mitgemacht wird oder habt Ihr für Euch ganz klar das Mantra “Das ist für uns essenziell, das ist Kerngeschäft”?
Philipp Peitsch: Ja, das ist so. Für mich ist das sowohl eine totale Herzensangelegenheit als auch eine totale Management- und Führungsaufgabe. Einmal ist die Kultur ein ganz, ganz wichtiges Fundament und ein ganz wichtiger Baustein für eine robuste und agile Organisation. Und die brauchen wir. Wir sind im E-Commerce, das ist ein sehr beweglicher Markt.
Die GAFAs toben sich da aus. Mittlerweile ist es ja auch durch Corona ein bisschen weggebrochen. Jetzt ist Google ja nochmal mehr angetreten als vorher. Und wir müssen einfach realisieren, dass wir es sowohl auf der B2C-Seite, also auf der Konsumentenseite, mit einem GAFA zu tun haben, weil eben Google und Facebook uns Traffic und Installation bescheren, als auch auf der B2B-Seite, also auf der Shopseite, wo ein Amazon rumläuft.
Das heißt, wir sind nicht in der Lage, diesen Markt zu bestimmen oder zu dominieren oder da Strukturen rein zu pressen, sondern wir müssen halt einfach gucken, wie sich dieser Markt entwickelt und dann schneller und besser sein als andere. Eine eigene Organisation zu haben, die sehr veränderungsfähig ist und die nicht irgendwie darauf wartet, dass jetzt aus der Brücke Kleinkommandos gegeben werden, damit sie anfangen tätig zu werden, ist total essentiell für unseren unternehmerischen Erfolg.
“Die Kultur ist ein ganz wichtiger Bestandteil – auch von der Marke idealo – geworden.”
Dafür ist das ein ganz wichtiger Building Block. Dann sehen wir uns ja als Tech-Unternehmen oder haben zumindest einen sehr großen Anteil an Techies in der Belegschaft. Und die einzige Ressource, die du als technologiegetriebenes Unternehmen hast, die wichtig ist, sind halt Leute. So, und jetzt sitzen wir in Berlin. Das ist ein kompetitiver Markt. Wir sind ein bisschen in so einem lustigen Niemandsland. Einerseits sind wir keine große Brand. Wenn du jetzt bei Apple anfängst zu arbeiten, dann sagt dir Vati am Frühstückstisch “Toll, dass Du das geschafft hast”. Bei idealo musst du ihm vielleicht noch ein Stückchen erklären, was das eigentlich für ein Laden ist.
Wir sind aber auch kein ganz kleines Start-Up mehr, wo du jetzt nach einem Vierteljahr SVP irgendwas wirst. Dazwischen musst du dann irgendwo deine Marke finden und die Kultur ist ein ganz wichtiger Bestandteil – auch von der Arbeitgebermarke idealo – geworden. Das macht mir total viel Freude, wenn du gerade auf Positionen, die irgendwie schwer zu besetzen sind, in die Gespräche kommst, dann sagst “Okay, warum interessierst Du Dich denn für idealo?” und als Antwort hörst “Ja, ich habe gehört, bei Euch ist irgendwie so eine coole Kultur, ich wollte mir das mal anschauen!”. Das ist dann natürlich sensationell.
Deswegen ist das ganz wichtig für uns. Und wir wachsen auch immer noch relativ stark. Wir haben während Corona 350 Leute eingestellt. Die Kultur hilft ganz toll bei der Integration, wenn du neu in eine Organisation kommst und die ist offen und transparent und du kriegst Informationen und Leute erzählen dir, was hier läuft und helfen dir… dann bist du natürlich viel, viel schneller wirksam als in einer Organisation, wo die erst mal herausfinden müssen, ob du politisch eigentlich im richtigen Lager stehst.
Schahab Hosseiny: Absolut. Was sind auf der systemischen Seite für Dich die Messinstrumente dafür, dass Ihr Euren Job im kulturellen Bereich gut macht? Vielleicht ein NPS, den Ihr regelmäßig, abfragt, Kununu-Bewertungen oder die Mitarbeiter-Empfehlungsquote? Geht Ihr da systemisch dran und sagt “Okay, wir wollen das auch messen. Wir wollen nachvollziehbar aufzeigen, dass es unseren Mitarbeitern gut geht”?
Philipp Peitsch: Ja und nein. Wir haben eine lange Zeit regelmäßige Mitarbeiterumfragen gemacht und haben irgendwann gemerkt, so richtig der Burner ist das nicht. Also die Scores sind relativ ähnlich, aber die Anzahl der Beantwortungen geht runter. Und da die Scores ganz gut waren, war das nicht so “Ja, hier ist sowieso alles Scheiße!”, sondern es war so “Was soll ich mich jetzt nochmal dazu äußern?”.
Kununu gucken wir uns tatsächlich an, weil es auch nach außen ein wichtiger Score ist und auch immer wieder gute Insights gibt. Es war vor Corona ein bisschen leichter, das zu fühlen, weil ich gerne durchs Gebäude gehe, denn man kriegt halt schon irgendwie ein bisschen auch Spirit mit. Was wir aber strukturell machen, was uns hilft herauszufinden, was funktioniert, ist, dass wir versuchen, sehr viel Durchlässigkeit in der Organisation zu haben, damit Missstände hochkommen.
Wir haben eine HR-Abteilung, die sehr tief in den Bereichen sitzt und da eben auch auch eine Antenne dafür hat, was dort gerade so passiert. Wir haben einen super Betriebsrat, mit dem wir fantastisch zusammenarbeiten und der auch eine coole Antenne ist, weil es auch Mitarbeiter gibt, die sagen, ja, HR verstehe ich schon, aber weiß jetzt nicht so genau, ob ich mit so einer Sorge jetzt da aufschlage. Dann schlage ich lieber beim Betriebsrat auf.
Darüber haben wir ganz gut funktionierende Rückkanäle, um festzustellen, wo was nicht funktioniert. Dann haben wir, wie gesagt, einen 360 Grad Feedback Prozess, der natürlich auch hilft, Dinge aufzuzeigen. Wobei ich auch da von der Qualität des kritischen Feedbacks nicht überwältigt bin. Es gab durchaus auch Führungsthemen, bei denen ich gehofft hätte, dass das Mitarbeiter-Feedback mir einen klareren Fingerzeig gibt, in welche Richtung das hier eigentlich läuft. Und das war teilweise gar nicht so.
Ich würde nicht sagen, dass quantifiziertes Messen, also zu sehen, wie gut es in der Organisation läuft, überflüssig ist. Aber wir haben mit so ein bisschen analogen Antennen bessere Erfahrungen gemacht. Möglichst viel dazulassen und eben gucken, dass es eine Durchlässigkeit gibt, sich zu melden, wenn es irgendwo nicht läuft.
David vs. Goliath: Die Klage gegen Google
Schahab Hosseiny: Klingt für mich total valide und finde ich auch sehr sympathisch. Die meisten CEOs sagen “Betriebsrat igittigitt”. Das hört sich bei Dir ein bisschen anders an, von daher, sehr sympathisch. Philipp, machen wir einen kleinen Themenschwenk. Kleiner Themenschwenk ist gut, es ist eigentlich ein großer Themenschwenk: Ihr habt geklagt. Eine recht große, üppige Klage. Die Summe, die da im Raum steht: 500 Millionen Euro. Gegen Google. Erzähl doch mal, was läuft da genau zwischen idealo und Google?
Philipp Peitsch: Vielleicht erstmal zur Klagesumme: Eigentlich ist die noch größer. Die EU-Kommission hat 2017 entschieden, dass Google sich nicht wettbewerbsfähig verhält, nach einem sehr lange dauernden Verfahren, an dem wir sehr aktiv teilgenommen haben. Und zwar haben die im Kern gesagt, Google behandelt ja seinen eigenen Preisvergleich ganz anders als die konkurrierenden Preisvergleiche. Das ist ein Markteingriff. Als große Suchmaschine sind sie praktisch Monopolist. Und jetzt versuchen sie, sich einen weiteren Markt dadurch zu erschließen, dass sie durch die Suchmaschine Ihren eigenen Preisvergleich groß machen.
Die EU-Kommission hat sehr, sehr, sehr viele Daten erhoben und sehr spannende E-Mails ausgegraben. Und die zeigen, was mit den Preisvergleichern in jedem europäischen Land, in dem Google Shopping ausgerollt wurde, passiert, und auch, was Google Shopping seitdem gemacht hat. Und das sind halt solche Traffic-Quoten. In einer auf Wettbewerbsrecht basierenden Schadensersatzklage beauftragst Du dann einen renommierten Ökonomen, um zu sagen, was ist eigentlich, wenn Google nicht da gewesen wäre? Wie groß wäre idealo heute und was wäre da eigentlich passiert?
Das haben die gemacht. Jetzt gibt es verschiedene Phasen. Und die erste Phase, für wir das gemacht haben, ist die Phase, für die die EU-Kommission die Daten erhoben hat. Und das war bis 2017. Bis die Entscheidung rausgekommen ist. Aber seitdem geht es natürlich weiter. Das heißt, jeden Tag, wo Google im Wesentlichen sein Verhalten fortsetzt, summieren sich weiterhin die Schäden und die Summe wird am Ende größer sein. Aber das ist keine politische Schadensersatzforderung, sondern das ist Mathematik.
“Wir haben selber ganz viel Mut fassen müssen, weil sich das schon komisch anfühlt, Google zu verklagen. Du hast ja schon ein bisschen Schiss.”
Der Hintergrund ist eben tatsächlich, die von der EU-Kommission festgestellte Verletzung dann auch wirklich für sich selber umzusetzen. Das ist etwas, was sich Margrethe Vestager, als sie damit rausgekommen ist, sehr gewünscht hat. Sie hofft jetzt, dass solche Klagen beginnen. Und dann haben wir selber ganz viel Mut fassen müssen, weil sich das schon komisch anfühlt, Google zu verklagen. Du hast ja schon ein bisschen Schiss.
Am Ende des Tages war es aber so, dass wir gesagt haben, man kann es jetzt aber auch nicht NICHT machen. Du kannst nicht nach so einer Entscheidung sagen “Ist nichts passiert, ist schon alles okay”. Du musst sagen, das ist eine Schweinerei, was Ihr da macht. Und deswegen ist natürlich folgerichtig, dass wir auch Schadensersatz dafür haben wollen.
Schahab Hosseiny: Das heißt, bis zum Zeitpunkt X waren es 500 Millionen. Stand heute dürfte es deutlich mehr sein. Vielleicht für die Zuschauer: Google CSS, sollte dass das Thema nicht letztendlich lösen? Und was ist die Abgrenzung Eures Paying Points mit Eurer Situation gegenüber dem, was Google CSS vor einigen Jahren aktiviert hat?
Philipp Peitsch: Also, das was es lösen sollte, ist der sogenannte Compliance Mechanismus. Es lohnt sich wahrscheinlich, nochmal einen Schritt in der Zeit zurückzugehen. Was ist eigentlich passiert? Google hat irgendwann erkannt, dass E-Commerce und Preisvergleich ein cooler Markt ist. Damals haben sie Froogle noch gemacht und haben es die ganze Zeit nicht geschafft, mit ihrem eigenen Produkt irgendwas zu werden.
Und da gibt es eben auch diese lustigen E-Mails vom Google Management, wo sie sagen, es wäre ja schon schön, wenn wir mit unserem eigenen Preisvergleich wettbewerbsfähig wären, sind wir aber nicht. Und zwar ganz einfach weil das, was Google von uns und von anderen erwartet, um in der natürlichen Suche gefunden zu werden, originäre Inhalte und externe Verlinkung sind. Und beides hat dieses Produkt nicht. Davon abgesehen, dass es inhaltlich auch schlechter ist und weniger Features hat, also auch als Kunden-Preisvergleich nicht gut ist.
Aber Froogle hätte als Produkt niemals bei Google ranken können. Und dann gibt es meine Lieblings-E-Mail, in der – ich paraphrasiere ein bisschen – drinsteht “And here is what we all agree to”: Wann immer ein Preisvergleich auf der natürlichen Suche auf eins triggert, stellen wir einfach unseren drüber. So, und das ist der Wettbewerbsverstoß. Und das hat Google halt die ganze Zeit durchgezogen und dadurch Traffic, also Kundenbesuche, für uns aus dem Markt genommen.
Der Kunde landet auf der Google-Suchergebnisseite, sucht kurz vor Weihnachten eine LEGO Burg für seinen Sohn, sieht oben das Bild mit dem Preis und denkt sich “Super, ist ja Google. Da oben sind die guten Ergebnisse, da klicke ich”. Zack, und wir sind draußen an der Stelle. Und das ist halt einfach auch für den Kunden wahrnehmbar am Preisvergleich, was da oben passiert. Das hat die EU-Kommission auch in der Entscheidung erkannt und gesagt, es ist Wettbewerb überlebenswichtig für Preisvergleiche, Traffic auf das eigene Produkt zu bekommen.
“Froogle hätte als Produkt niemals bei Google ranken dürfen.”
Google hat dann nach der EU-Kommissionsentscheidung gesagt, okay, wir machen jetzt was: Wir splitten jetzt die Darstellung des Preisvergleiches auf der Suchergebnisseite und den dahinter liegenden Preisvergleich, auf dem du vielleicht noch nie warst, weil da klickst du einfach nicht hin. Die trennen wir und tun so, als sei das da oben nur eine Ausspielung, erlauben allen anderen Preisvergleichern im Auktionsverfahren da reinzukommen, und das ist doch super! Dann finden wir doch alle irgendwie auf der Suchergebnisseite in einem fairen Auktionsverfahren statt. Das muss doch die Lösung sein!
Das ist natürlich überhaupt nicht die Lösung, weil wir aus der Shopping-OneBox natürlich überhaupt keinen Traffic kriegen. Google hat uns herzlich dazu eingeladen, unsere Angebote in den Google Preisvergleich einzuspielen – im Auktionsverfahren für eine möglichst geringe Marge – damit der Google Preisvergleich besser wird.
Aber wir sehen uns nicht als Feed Provider, sondern wir sehen uns als Preisvergleich, also als Endverbraucher Produkt. Und diese Lösung ändert nichts daran, dass es nicht mehr Traffic für Preisvergleicher gibt. Und deswegen löst dies das Problem auch natürlich überhaupt nicht. Und deswegen bin ich eben auch der Meinung, dass der Schadensersatz noch läuft.
Schahab Hosseiny: Das ist Zero Click Strategie, wie ich sie so schön nenne. Dass Google immer mehr Information sourced führt bei Euch auch wirklich zu signifikanten Umsatzeinbußen, hat das Thema CSS nicht gelöst. Google hat es, so wie Du es gerade dargestellt hast, sehr kreativ für sich zu seinen eigenen Gunsten gelöst. Aber offenbar war die EU dann damit auch fein.
Philipp Peitsch: Ja, das ist gerade so ein bisschen in der Schwebe. Ich finde, die EU-Kommission hat sich so ein bisschen rätselhaft geäußert. “Wir beobachten das”. Margrethe Vestager hat letztens gesagt “Das ist tricky”. Aber sie haben ja bis jetzt nichts so richtig gemacht. Es ist im Grunde so: Google ist nach der Entscheidung der EU-Kommission vor den EuGH gegangen. Und alle warten gerade auf dessen Entscheidung. Die soll jetzt am 10. November veröffentlicht werden. So lange passiert jetzt nicht wirklich was.
Jetzt hoffen wir, dass die Entscheidung klar ausfällt und dass dann die EU-Kommission sagt “Okay, jetzt können wieder etwas machen”. Momentan warten die, glaube ich, so ein bisschen ab, was die Gerichte dazu sagen. Die mündliche Verhandlung war unterhaltsam.
Schahab Hosseiny: Sie fiebert dem Datum auf jeden Fall entgegen.
Philipp Peitsch: Auf jeden Fall.
Schahab Hosseiny möchte wissen, warum andere Branchen so wenig auf die Marktmacht und Praktiken von Google zu reagieren scheinen. Es habe schon eine lange Zeit gedauert, alle Preisvergleicher zu aktivieren, erklärt Philipp Peitsch. Im Prinzip müsse man die Pläne und Praktiken Googles, zum Beispiel auf alle Fragen des Konsumenten zukünftig selbst eine Antwort geben zu wollen, als inhärente Bedrohung empfinden. Und trotz neuer Gesetze auf deutscher und EU-Ebene sei das Verständnis der Situation noch nicht bei allen angekommen. Er spricht auch über die sehr reale Möglichkeit, dass Google aufgrund seiner Marktmacht eine Innovationsbremse sein könnte. In diesem Zusammenhang redet Philipp Peitsch über seinen Wunsch, idealo irgendwann weitgehend unabhängig von Google zu positionieren.
Abhängigkeitsverhältnis zu Facebook & Co – ein Ongoing Trend?
Schahab Hosseiny: Sprechen wir nochmal weiter über das Thema der Abhängigkeiten. Wie siehst Du persönlich die generelle Entwicklung? Du hast gerade auch Corona angesprochen, dass es da einige Profiteure gab, mit Sicherheit auch Google, Facebook, Amazon. Wir haben zunehmend mehr Monopolisten, manchmal auch Duopolisten, wenn Du so möchtest. Wie siehst Du da die generelle Entwicklung, gar nicht mal unbedingt auf idealo gemünzt. Wenn Du Dir das gesamte Internet und die Geschäftsmodelle anschaust, macht Dir das Angst, was da passiert, und was würdest Du Dir wünschen?
Philipp Peitsch: Also die Entwicklung ist irgendwie eine scheußliche. Gerade wenn ich jetzt mal auf den ganzen Marketingbereich gucke, das ist seit Jahren eigentlich ein Trend, dass Google und Facebook ihre Kunden verblöden lassen wollen. Also, du musst das gar nicht machen, gib mir einfach dein Geld und ich mache das Bidding für dich und ich sage dir dann, ob ich damit erfolgreich gewesen bin. Also hast du gar keine Möglichkeit, das zu tracken. Der einzige, der das tracken kann, bin ich, und du gibst mir dein Geld, ich mache das alles für dich und ich sage dir, ob es dann gut gelaufen ist.
Schahab Hosseiny: Self-Driving Advertising, habe ich gelernt.
Philipp Peitsch: Das ist schon schräg. In welchen Konstellationen würdest Du das jemals akzeptieren, außer in so einem Abhängigkeitsverhältnis? Das ist ein Ongoing Trend, den sehe ich auch nicht irgendwo gebrochen, den finde ich irgendwie bedrohlich. Dass man eigentlich sagt, wir brauchen nur noch euer Geld und eure Inhalte und alles andere ist egal.
Dann hast du natürlich jetzt Corona gehabt und da hat man ja gesehen, wie GAFAs wirtschaftlich hingelangt haben. Ja, ein Amazon hat einen Dämpfer auf den Aktienkurs bekommen, aber das ist wegen einer Analystenerwartung, die ein bisschen überhöht war. Im Grunde genommen haben die in der Zeit alle massiv zugelegt, mehr als alles andere und alle anderen. Das ist keine gute Entwicklung.
Und jetzt hast du ja noch die neue und faszinierende Entwicklung, dass sie jetzt den Datenschutz für sich entdeckt haben und unter dem Deckmäntelchen, alle gute Datenschützer zu sein, jetzt sagen, wir ringfencen unsere eigenen Werbe-Ökosysteme, jetzt gibt es halt gar keine Daten mehr. Was sozusagen den ersten Trend “Gib mir Dein Geld und mehr erfährst Du nicht von mir” noch unterstützt.
Das beschleunigt noch mal was. Ich finde es auch ganz spannend, weil die irgendwo jetzt ja auch zum ersten Mal auch gegeneinander in den Krieg gezogen. Und da passieren ja wirklich sehr viel spannende Moves. Aber am Ende des Tages zeigt das eigentlich nur, dass es ein großes Ungleichgewicht gibt, das sich einfach weiter auswirkt. Das kann nicht gut sein. Wie gesagt, Hoffnung macht, dass es jetzt schon eine bessere Gesetzeslage in Deutschland gibt, und bald in Europa, auf der man was machen kann.
Auch dass es in der öffentlichen Wahrnehmung ein Stück weit einen etwas misstrauischeren Blick gibt auf das, was da passiert. Aber die grundsätzliche Abhängigkeit ist groß und die Entwicklung ist nicht schön.
“Die Entwicklung ist scheußlich. Gerade wenn ich jetzt mal auf den ganzen Marketingbereich gucke, das ist seit Jahren eigentlich ein Trend, dass Google und Facebook ihre Kunden verblöden lassen wollen.”
Schahab Hosseiny: Glaubst Du an eine Zerschlagung? Auch unter diesem geopolitischen Aspekt lassen die US-Amerikaner zu, dass die größten Datenkraken zerschlagen werden, weil es ja auch für den Staat als solches ein ganz wichtiges Asset ist. Vor allem auch im Wettbewerb mit den Chinesen.
Philipp Peitsch: Ich halte es überhaupt nicht für ausgeschlossen. Also momentan würde ich sogar sagen, es ist überwiegend wahrscheinlich. Ich habe großen Respekt davor, die Lage in den USA einzuschätzen, weil so ein bisschen mein Gefühl ist, dass die Wettbewerbsbehörden da noch sehr viel mehr politische Verhandlungsmasse sind und der politische Wille da einfach sehr viel stärker durchgesetzt wird. Unter Obama war das unspannend, unter Trump – vielleicht das einzig Gute, was der Mann irgendwie mit sich gebracht hat – ist das so ein bisschen ins Wanken geraten und wird jetzt, glaube ich, auch unter Biden fortgesetzt.
Interessanterweise ist aber auch in meiner Beobachtung der Stein des Anstoßes gar nicht so sehr die totale wirtschaftliche Übermacht, sondern die Meinungsmacht. Und es wurde sich sehr viel mehr darüber ausgelassen, wie man es jetzt findet, dass Twitter einem Donald Trump das Wort verbieten kann – auch wenn man es vielleicht gut findet – als die wachsende Bedeutung der GAFAs.
Ich würde nicht darauf setzen, dass die sich selbst regulieren, auch wenn Versuche gemacht werden, sowas anzubieten. Und deswegen würde ich es nicht für unwahrscheinlich halten, dass es tatsächlich eine Zerschlagung gibt.
Schahab Hosseiny: Welche Suchmaschine nutzt Du persönlich?
Philipp Peitsch: Ich nutze schon sehr häufig Google, allein aus professionellem Interesse.
Internationale Expansion? Eher nicht!
Schahab Hosseiny: Okay, also bist Du auch ein Google-Gänger. Sehr schön. Wir haben gerade über Marktführerschaft gesprochen. Ihr seid ja in Deutschland auch Marktführer. Was plant Ihr konkret im Ausland? In welchen Ländern möchtet Ihr weiter expandieren? Ihr seid ja schon international aktiv, wobei Deutschland mit Sicherheit Euer größter Markt ist. Welche Länder wollt Ihr perspektivisch angreifen?
Philipp Peitsch: Wir haben noch einen kleinen Reise-Preisvergleich, da sind wir noch ein bisschen weiter gestreut. Aber mit dem Kernprodukt Preisvergleich sind wir noch in Österreich, Spanien, Italien, Frankreich und England unterwegs. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir da auch erstmal so ein bisschen bleiben werden. Wir befinden uns eigentlich in einer ganz spannenden Situation: Wir haben überall E-Commerce-Märkte, die wachsen.
Wir haben in diesen Märkten keineswegs eine überragende Marktabdeckung. Es lässt sich in diese Märkte noch viel weiter wachsen. Ich glaube, dass wir das auf jeden Fall auch können, weil wir eine Funktion in Preisvergleich bieten: Geld sparen. Es gibt ja Leute, die vergleichen gerne, weil das kognitives peace-of-mind bedeutet: “Ich habe halt mal geguckt, ich weiß jetzt, dass das in Ordnung ist”, und das bieten wir.
Deswegen glaube ich, dass wir in allen Märkten noch richtig Platz haben, mit ihnen zu wachsen. Das braucht natürlich sehr viel Fokus, weil jeder Markt doch ein Stück weit einzeln betrachtet werden muss. Die Vorlieben Einzelner sind anders, die Shops sind spezieller. Du kannst es dir nicht leisten, so eine One Size Fits All-Geschichte aufzubauen. Jedenfalls können wir es nicht. Deshalb fühlen wir uns in den Märkten gerade ganz wohl und haben in allen noch sehr viel Wachstumspotenzial, wachsen in allen auch sehr rasant.
Ansonsten locken mich Länder so weit weg, wie Asien oder die USA, gar nicht. Da ist auch teilweise die Shop-Situation schwierig. Mit wem willst du in USA einen Preisvergleich machen? So richtig? Das macht für mich keinen Sinn. Du brauchst schon eine lebendige E-Commerce-Welt, damit das eigentlich noch Sinn macht. Und dann gibt es noch den ganzen Bereich Osteuropa. Der ist sehr Preisvergleichsaffin, aber da gibt es halt auch sehr gute Preisvergleicher. Da müsste man sich auf eine sehr, sehr lange und langsame Wachstumsgeschichte einstellen. Wir finden es momentan spannender, auf den existierenden Märkten einfach noch mehr abzuräumen.
Die Frage, ob anorganisches Wachstum für idealo in Frage käme, verneint Philipp Peitsch. Er spricht über die Probleme und Challenges, die so ein Schritt mit sich bringen würde. Als Marktführer in mehreren europäischen Ländern liege der Fokus auf weiterem Wachstum in eben diesen Ländern, und nicht darauf, eine Marke komplett neu in anderen Ländern aufzubauen.
Idealo ist eine emotionale Customer-Journey
Schahab Hosseiny: Gut, sprechen wir noch mal abschließend über Euren Ad-Stack. Erzähle uns mal so ein bisschen von Eurer Paid-Media-Strategy. Wir haben ja gerade schon ganz viel über Google gesprochen. Google wird da natürlich bei der Paid-Media-Strategie in Deutschland auch eine wichtige Rolle spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Eure gesamten Budgets bei Microsoft Bing allokiert. Dafür ist der Kuchen noch zu klein, den Bing in Deutschland hält.
Das würde mich auf der einen Seite interessieren, und wie Ihr konsequent auch an einer stärkeren Unabhängigkeit von Google arbeitet. Wobei, ich würde diese Frage so ein bisschen dahingehend korrigieren, wie versucht Ihr vielleicht ganz bewusst – auch unternehmerisch sinnvoll – zu diversifizieren, so dass Ihr Euch nicht zu stark abhängig macht? Das kann Google sein, das kann Facebook sein, in Eurem Fall ist es wahrscheinlich dann Tendenz eher Google. Mich würde da also eher eine Diversifikationsstrategie interessieren.
Philipp Peitsch: Wir haben eigentlich keine Diversifikationsstrategie. Was wir haben, ist eine harte Brand-Strategie. Wir sind in der Customer Journey relativ früh – also zumindest früher als Shops und Marktplätze – aber noch nah genug am Intent dran. Anders als beispielsweise Testmagazine. Und das ist ein ganz guter Spot, weil wir frühzeitig in den Kaufprozess einsteigen können. Wir können in diesem Kaufprozess einen echten Mehrwert liefern, denn du kannst mit idealo Geld einfach sparen, und zwar gegenüber jedem anderen Shop, jedem anderen Marktplatz, auch gegenüber Google Shopping.
Das macht einfach Sinn. Und wir haben wahrscheinlich immer noch den besten kuratierten Katalog der Welt, okay, auf jeden Fall in Europa. Das hilft uns, den Kunden durch seine E-Commerce-Journey gut zu begleiten, viele Touchpoints zu kreieren und ihn dazu zu bringen, zu sagen: “Ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt kaufen muss, aber ich packe es mal auf meinem Merkzettel, und idealo meldet sich dann schon, wenn es günstiger wird”. Entweder ich sage, ab wann ich es kaufen würde oder sie sagen mir, wenn es eine relevante Preisveränderung gibt.
“Wir haben den besten kuratierten Katalog der Welt, okay, auf jeden Fall in Europa. Das hilft uns, den Kunden durch seine E-Commerce -Journey gut zu begleiten, viele Touchpoints zu kreieren.”
Schahab Hosseiny: Der Preiswecker, oder?
Philipp Peitsch: Preiswecker, genau!
Schahab Hosseiny: Nutze ich auch sehr intensiv. Schönes Produkt.
Philipp Peitsch: Das wird auch richtig intensiv genutzt. Das funktioniert richtig gut. Weil das eben auch ein geiles Erlebnis ist. Du interessierst dich für irgendwas und irgendwann sagt jemand “40 Euro weniger, wie wärs?”. Das macht ja Spaß. Emotional ist das auch cool. Der Weg für uns in eine größere Unabhängigkeit ist nicht, in irgendwelche Kanäle, die es auch gar nicht gibt, zu gehen. Kanäle, die nicht Google sind oder in andere Produkt zu investieren, die in einem anderen Markt sind. Wir investieren in dem Markt, in dem wir sind, um das bestmögliche Preisvergleichsprodukt zu haben und dabei möglichst viel von dem Traffic, den wir kriegen, so in der Plattform aufzufangen, dass wir Chancen generieren, daraus Brand-Traffic zu machen.
Dass wir Chancen generieren, dass Leute sich bei uns was merken, sie bei uns gewesen sind und wiederkommen. Und innerhalb dessen spielt Paid Traffic natürlich nach wie vor eine wichtige Rolle. Ich habe vorhin ja gesagt, das ist unser zweitwichtigster Kanal. Da sind wir sehr emotionslos. Da geht es nicht darum, irgendwie Google auszusparen, weil die an anderer Stelle nicht nett zu uns sind, sondern da geht es um Reichweite und Marge. Das einzige, was vielleicht spannend ist und was uns da von anderen unterscheidet, ist, dass wir halt überhaupt nicht mit Budgets arbeiten, sondern immer nur auf Marge gucken.
Aber gerade das hat uns in der ganzen Corona-Phase geholfen, teilweise sehr schnell zu steuern oder in einer Phase wie aktuell jetzt, in der der E-Commerce Bedarf etwas geringer ist, auch wieder gegenzusteuern. Und nicht irgendwie einem Budget hinterherzulaufen, das man vor einem Vierteljahr oder einem Jahr gemacht hat.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade über den Konsumenten gesprochen. Die User Experience ist ja auch eine ganz, ganz wichtige Komponente für den Erfolg eines Unternehmens. Ich habe seit einigen Jahren die Möglichkeit, dass ich die Ware – was das Payment betrifft – auch über Euch abwickeln kann. Wie wichtig und strategisch ist das Ganze für Euch, um wirklich eine gleichbleibende User Experience dann auch zur Verfügung zu stellen?
Ich muss sagen, ich nutze das sehr, sehr gerne. Also, wenn das angeboten wird, nutze ich es auch. Aber sage uns doch mal etwas zu der Entwicklung des Direct Payments auf Eurer Seite. Und inwieweit das im Bereich UX auf Eure Gesamtstrategie einzahlt. Positioniert Ihr Euch damit so ein Stück weit auch als Payment Shopping Dienstleister?
Philipp Peitsch: Strategisch macht das ganz, ganz viele Haken. Meine Überzeugung ist folgende: Wenn wir das nicht machen, dann marginalisieren wir uns als Preisvergleich. Also wenn du sagst, die einzige Möglichkeit, beim Preisvergleich was zu machen, ist, du gehst auf die Preisvergleichsseite und dann klickst du raus und dann gehst du zum Shop und füllst irgendwie etwas aus.
Auf diese Art wirst du dich entweder auf Leute reduzieren, die wirklich Bock haben, Preisvergleich zu machen. Oder auf eher größere Waren. Deinen Fernseher wirst du wahrscheinlich dann immer vergleichen, weil du 350 Euro sparen kannst, aber deine Handzahnbürste, deine Zahnpasta, come on, was soll ich hier jetzt 20 Cent sparen, ist doch egal! Hauptsache, das muss bequem gehen.
So, und Bequemlichkeit ist ein gesellschaftlicher Trend. Das heißt, darauf musst du eine Antwort haben. Und gerade die nicht so teuren Waren, also die schnell drehenden Waren, bieten ja eine große Chance, Gewohnheit zu erzeugen. Weil du einfach so viele verschiedene Käufe hast. Du kaufst dir einmal alle fünf Jahre einen neuen Fernseher, aber Du kaufst einmal im Monat eine neue Zahnpasta oder irgendwas Kleines. So, das heißt, da müssen wir ran. Dieser Markt muss auf idealo stattfinden können, damit wir in einer Markenstrategie gut erfolgreich sein können.
Und dann haben wir über den Direktkauf natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten, ihn als solches und das ganze After-Sales-Thema mitzuverfolgen. Also erstmal ist es schön, dass du, wenn du bei idealo gekauft hast, die Dinge in deiner History findest und wieder kaufen und auch von da bequem sagen kannst, ich möchte stornieren und sowas alles. Das brauchst du meines Erachtens auch, weil du als Normalkunde auch nicht mehr weißt, wo habe ich das eigentlich gekauft? Also ich kaufe alles online und ich weiß nie, wo ich es gekauft habe. Deswegen ist die History für mich total überlebenswichtig.
Den Punkt der Auslieferung der Ware bis zum Erhalt zu bekommen, das ist eine emotionale Journey: Dein Geld ist gefühlt schon weg – stimmt natürlich nicht, aber es fühlt sich so an – du hast ja schon gekauft. Und jetzt kommt das und zu gucken, was da passiert ist, das ist auch ein Punkt, da ruhen wir drauf. Das heißt, strategisch macht das sehr viel Sinn.
Und wir treiben das sehr fokussiert voran. Aber wir sind halt eben nicht Google und können unseren Kunden diktieren, was sie jetzt machen, sondern wir müssen mit allen Shops reden, und eine Überzeugung dafür gewinnen, dass das total Sinn macht, da mitzuspielen. Weil es einfach den Shops deutlich mehr Umsatz beschert. Und die Schere im Kopf ist immer so ein bisschen, “Ja, aber dann habe ich den Kunden ja nicht bei mir auf der Plattform”. Und das verstehe ich.
Aber das Interessante ist ja, der Kunde beginnt seine Tour nicht auf der Shop-Seite. Der beginnt sie entweder bei Google oder – wenn Shop und Kunde Glück haben – bei uns. Und insofern ist das, glaube ich, ein sehr vernünftiger Schritt zu sagen: Ich gehe da rein und nehme auch am Direktkauf teil. Für uns ist das ein Projekt, das total viel Freude macht und sehr erfolgreich ist.
Schahab Hosseiny: Nachvollziehbar. Lieber Philipp, mit Blick auf die Uhr, es war sehr, sehr kurzweilig. Die Stunde ist hier wirklich davongeritten. Vielen herzlichen Dank. Ich habe viel über idealo gelernt. Wünsche Euch noch ganz viel Erfolg in der Zukunft. Aber das hört sich alles wirklich blendend an. Und ich hoffe das – November war es, gell – die Entscheidung dann getroffen wird. Ich drücke Euch die Daumen. Eine letzte Frage noch: Dein T-Shirt “Idealo Coffee Tokio”. Was hat es damit auf sich?
Philipp Peitsch: Ich habe es etwas unreflektiert anbehalten. Vor kurzem habe ich das geschenkt bekommen, von meinen lieben Kollegen. Die haben gesagt, wir wissen, dass Du große Leidenschaften hast: Du liebst Japan und Du bist irgendwie Hobby Barista und liebst Kaffee. Und deswegen schenken wir Dir jetzt ein Shirt, wo alles draufsteht. Vielleicht kannst Du irgendwann als Geschäftsführer die idealo Coffee Bar in Tokio eröffnen.
Schahab Hosseiny: Sehr coole Story. Ja, herzlichen Dank. Viele Grüße an das Team von idealo.
Philipp Peitsch: Danke Dir, hat viel Spaß gebracht.
Dir hat dieser Artikel gefallen? Erfahre hier von Sven Schmidt warum es deutschen Gründern an Sales-DNA fehlt.