Im Jahr 1949 mit gerade einmal drei Mitarbeiter:innen gegründet, ist OTTO mittlerweile zu einem weltweit agierenden E-Commerceler und Marketplace herangewachsen. Mit über 43.000 Mitarbeiter:innen hat OTTO im Jahr 2021/22 einen Umsatz von 16 Milliarden Euro erwirtschaftet. 2020 gab OTTO bekannt, inhouse ein Programmatic Stack namens OTTO Display Network zu entwickeln, um die massiven Stolpersteine auf dem Weg zwischen Publisher und Marken zu minimieren.
In seinem Vortrag auf der OMKB Summer Edition erklärte Ole Mehles, Initiator/Produktmanager OTTO Display Network, warum OTTO sich für die Entwicklung eines eigenen Programmatic Stack und gegen die Zusammenarbeit mit externen Anbieter:innen entschieden hat, welche Hindernisse während der Entwicklung überwunden werden mussten, welchen Einfluss das OTTO Display Network auf den programmatischen Einkauf und die Click Rate hat und wer darauf zugreifen kann.
Das Video mit Ole Mehles von OTTO
Im Anschluss an seine Session ging er im Q&A mit OMKB-Host Mario Rose und den Fragen der Audience noch weiter in die Tiefe. Hier ist das interessante Interview.
Wer steckt hinter dem OTTO Display Network und wer kann es nutzen?
Mario Rose: Vielen Dank für diesen wirklich tiefen Einblick in das OTTO Display Network, eure Gedanken zu der Konzeption und dem Wachstum in diesem Bereich. Wie viele Personen sind bei euch für die Entwicklung des Programmatic Stack verantwortlich gewesen? Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Advertiser replizieren können, was ihr an den Start gebracht habt.
Ole Mehles: Als wir 2018 angefangen haben, war die Anzahl der Entwickler:innen noch überschaubar. Wir waren zwei fachliche Initiatoren und ein Team von sechs oder sieben Leuten, die zunächst ein MVP (Minimum Viable Product) gebaut, einen technischen Durchstich gemacht und die Machbarkeit getestet haben. Mit der Zeit ist das Team natürlich gewachsen und mittlerweile arbeiten dauerhaft 20 Entwickler:innen an diesem Thema. Je nachdem, wie die Schnittstellen aussehen und was wir momentan machen, können das aber bis zu 30 Entwickler:innen sein.
Mario Rose: Wow. Du hast sehr eindrucksvoll aufgezeigt, dass ihr euch direkt wirkungsvolle Vorteile erarbeiten konntet – allein dahingehend, dass ihr den Camcorder und insbesondere den Orbiter als SSP nutzt und dadurch wesentlich mehr Inventar zur Verfügung gestellt bekommt als über das übliche Geflecht bestehend aus Xander Marketing, Leadleap, Adform FLOW, Active Agent und Co. Wenn man nun von der Demand-Seite als Advertiser bei euch einbuchen möchte, steht ihr aber wieder als Intermediär dazwischen, wie es sonst Google und die bereits genannten Akteure tun würden. Habe ich das richtig verstanden, dass ihr diese Einkaufseffekte, die ihr für euren eigenen Einkauf im Programmatic Display Stack nutzt, an Advertiser weitergebt, die bei euch einbuchen?
Ole Mehles:
„Wir wachsen insgesamt mit unserem Marktplatz-Case und in diesem Rahmen bieten wir das Stack vordergründig unseren Marktplatzpartner:innen an, sodass sie Kampagnen buchen können.“
Das wird ein Stück weit von uns subventioniert, weil sowohl unsere Partner:innen als auch wir davon profitieren. Wenn Kampagnen über unser Netzwerk geschaltet werden, sind unsere Partner:innen mit ihrer Werbung und ihrem Geschäft auf der OTTO-Plattform erfolgreich und wir profitieren genauso davon wie mit dem Programmatic Case selbst. Deshalb können wir einen Großteil unserer Einkaufsvorteile an unsere Partner:innen weitergeben.
Wie OTTO seine Performance mit eigenem Attributionsmodell und strengen Vermarktungskriterien optimiert
Mario Rose: Du hast im Controlling öfter von Ziel-KPIs gesprochen – im Programmatic-Advertising-Bereich meiner Meinung nach ein sehr spannendes Thema, das auch hinsichtlich des Einsatzes programmatischer Werbeflächen interessant ist. Auf welche Ziel-KPIs steuert ihr bei OTTO in der Regel euer eigenes Inventar? Basiert das auf den Sales-Kennzahlen eurer Plattform, auf Viewability-Parametern oder auf Klicks, mit denen ihr weitere Datenpunkte sammelt?
Ole Mehles:
„Wir bewerten unsere Kampagnen mit einem eigens entwickelten Attributionsmodell und versuchen dadurch, den gesamten Online-Marketing-Mix unter einen Hut zu bekommen – dabei spielt Programmatic natürlich auch eine Rolle.“
In unserem Prozess unterscheiden wir zwischen Hilf-KPIs und finalen KPIs, die tatsächlich zu einer Conversion führen. Ganz vorne in der Optimierungskette schauen wir uns die Klicks, die Bounce Rate und die Viewability an und evaluieren dann, welchen Einfluss das auf die finalen KPIs wie Conversions und Umsätze hat, die für uns im Performance-Geschäft sehr wichtig sind.
Mario Rose: Du hast diesen beeindruckenden Funnel aufgezeigt, der die Komplexität und Probleme im Zusammenhang mit Viewability aufzeigt. Eine Zahl fand ich besonders interessant: 30 Prozent der Ad Impressions sind eigentlich nicht sichtbar, werden aber trotzdem bezahlt. Warum haben wir in den Werbenetzwerken so viele unsichtbare Impressionen?
Ole Mehles: Das ist eine gute Frage. Wenn man qualitativ hochwertiges Inventar einkauft, hat man dieses Problem in der Regel nicht. Heutzutage würde ich Mechanismen wie Lazy Loading als Standard betrachten; das bedeutet, dass Werbeflächen nur dann geladen und bezahlt werden müssen, wenn sie in den sichtbaren Bereich kommen. Es ist allerdings relativ leicht, an der programmatischen Vermarktung teilzunehmen und wenn man als Advertiser seine Hausaufgaben nicht macht und zu breit einkauft, können auch einige schwarze Schafe dabei sein, die stark auf die eigene Monetarisierung achten und keine qualitätssichernden Mechanismen im Inventar etabliert haben.
„Deswegen ist Transparenz extrem wichtig und man muss wissen, wo man einkauft und was die eigenen Qualitätskriterien sind.“
Letzteres bedeutet, dass man wissen muss, was man sich vom Ad-Modell eines Publishers verspricht, wie viele Ad Slots enthalten sind und ob Lazy Loading und die Verweildauer einbezogen werden. Das sind auch für uns wichtige Kriterien in der Zusammenarbeit mit unseren Partner:innen.
Wo geht die Reise hin? – Oles Blick in die Glaskugel
Mario Rose: Vielen Dank für deine Einschätzung, das ist weiterhin im Ad-Traffic-Bereich und anderen Segmenten ein wichtiges Thema. Ole, was können wir perspektivisch vom OTTO Display Network erwarten? Es werden immer mehr Inventare programmatisch handelbar gemacht, wobei wir gar nicht nur an On-Site- oder Off-Site-Pages denken können, sondern auch an DOOH (Digital Out-of-Home) und Programmatic TV. Habt ihr für OTTO vor, weitere dieser Inventarquellen anzuschließen oder ist das gegebenenfalls längst passiert? Und worauf legt ihr in der nächsten Zeit euren Entwicklungsfokus?
Ole Mehles: Du triffst den Nagel auf den Kopf.
„Unser Entwicklungsfokus liegt auf der Ausweitung von Inventaren.“
Retail Media wird häufig mit dem Performance-Geschäft gleichgesetzt, weil es nah am Point of Sale (POS) und der Konvertierung liegt. Das ist aber zu klein gedacht: Die Daten sind extrem wertvoll und die Datenoptimierung ist gerade im Retail-Media-Bereich hervorragend für den Upper Funnel geeignet. Display und Banner-Flächen haben wir aktuell Off-Site und das ist in Wirklichkeit gar nicht der Upper Funnel, da ist noch Luft nach oben, bis man in den Branding-Bereich kommt. In diesem Zusammenhang können wir schon vieles, aber weil noch Luft nach oben ist, liegt genau darauf unser Entwicklungsfokus. Wir möchten unser Netzwerk weiterentwickeln und integriert und optimiert über den Full Funnel ausspielen können.
Mario Rose: Vielen Dank, Ole, dass du uns auf die Reise mit dem Thema OTTO Display Network mitgenommen hast. Wir werden eure nächsten Entwicklungssprünge beobachten, aber zunächst ist es natürlich beeindruckend, was für ein Ökosystem ihr als Advertiser aus eigenem Antrieb geschaffen habt, um für mehr Transparenz im Markt zu sorgen. Die Effekte, die ihr damit realisiert, sind fantastisch – ein großes Kompliment für die Entwicklungsarbeit, die ihr da geleistet habt und die daraus resultierenden Ergebnisse. Ich bin gespannt, womit ihr als nächstes um die Ecke kommt, drücke dir und deinem Team die Daumen und bedanke mich ganz herzlich, dass du heute dabei warst. Liebe Grüße nach Hamburg.
Ole Mehles: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte und liebe Grüße zurück nach Berlin.
Hat dir das Q&A mit Ole Mehles von OTTO gefallen? Dann schau dir doch auch mal die OMKB-Session mit Björn Radde an, der dir verrät, wie die Zukunft des Digital Marketings aussehen könnte.