Martin Richter ist seit 2019 der Geschäftsführer von Peloton Interactive Deutschland. Man muss dabei kein Sportenthusiast sein, um diese starke Brand zu kennen. Die 2012 in New York gegründete Firma verkauft Trainingsgeräte für zu Hause und hat mittlerweile eine riesige Community weltweit mit über 4.4 Millionen Mitgliedern. Somit ist sie die größte interaktive Fitness-Plattform der Welt. Mit seiner Erfahrung bei Spotify, Coca-Cola, Henkel und Zalando ist Martin Richter der geeignete Mann für den Job. Des Weiteren ist er Advisory Board Member bei five14 – einer Personalberatung für das New Work Zeitalter.
Video mit Martin Richter
Schahab Hosseiny, Co-Host der Konferenz, hat sich im Rahmen des OMKB-Talks mit Pelotons Deutschland-Chef Martin Richter ausgetauscht. Dabei berichtet er über Pelotons Community, Demokratisierung der Fitness Branche, hochwertige Produktionen und gute Instructor.
Schahab Hosseiny: Herzlich willkommen, Martin! Wann hast Du denn das letzte Mal einen Ride auf einem Peloton Bike absolviert?
Martin Richter: Einfache Antwort: Gestern.
Schahab Hosseiny: Gestern?
Martin Richter: Ja.
Schahab Hosseiny: Distanz?
Martin Richter: Distanz spielt jetzt nicht die erste Rolle. Ich stelle mir verschiedene Kurse zusammen. Sprich, erst mal so zum Warm Up Ride. Dann war es ein Climb Ride, und dann nochmal so musikalisch etwas. Ich glaube, es war irgendwas mit Rock.
Schahab Hosseiny: Recht ausgewogen
Martin Richter: Auf jeden Fall
Podcast mit Martin Richter
Der Kern von Peloton – die Community
Schahab Hosseiny: Sehr schön. Martin, lass uns mal über Peloton als Marke sprechen. Ich sehe auch schon das kleine Logo hier auf Deiner Weste. Peloton ist ein absolutes Musterbeispiel für eine Love Brand. Ihr spielt mittlerweile – was die Bekanntheit angeht, was den Net Promoter Score angeht – in der Dimension der echt großen, relevanten Marken, den Brands der Welt. Wie schafft es Peloton eine solch hohe Begehrlichkeit aufzubauen?
Martin Richter: Der wichtigste Grund ist, dass wir aus einer Idee heraus geboren wurden, die jeder ein Stück weit nachvollziehen kann. Also sprich, die gepackte Sporttasche steht in der Nähe des Eingangs und ein paar Wochen später rückt sie immer weiter in den Hintergrund. Eine Staubschicht legt sich drauf, einfach weil der Zeitfaktor eine Rolle spielt, weil ich vielleicht auch irgendwie am Wetter irgendetwas zu bemängeln habe. Ich komme einfach nicht aus dem Haus.
Das war auch die Idee unseres Gründers John Foley. Er wollte gerne diese Studio Erfahrung in die eigenen vier Wände bringen. Und aus dieser Idee heraus ist Peloton geboren, also die Kombination aus Hardware, Software und Content, eingebettet in einen Community-Gedanken, einen sogenannten Members First-Gedanken. Und das hat er jetzt, wir haben es gerade gehört, neun Jahre lang aufgebaut.
Wir tragen diesen Gedanken jetzt nach Deutschland. Ich glaube, das macht Peloton aus: Wir bedienen ein sehr, sehr starkes Bedürfnis auf eine sehr charmante Art und Weise.
Schahab Hosseiny: Absolut. Du hast das Thema Community gerade schon angesprochen. Inwieweit trägt das dazu bei, dass Ihr Euch so erfolgreich entwickelt habt?
„Die Community macht das aus, was Peloton aktuell ist.“
Martin Richter: Ich glaube, das ist der Kern von Peloton. Daraus kommen wir. Wir haben insgesamt über fünf Millionen Members – global gesehen, innerhalb dieser Community – ansonsten wären wir nur ein reines Hardware-Unternehmen, Content-Unternehmen oder Tech-Unternehmen. Aber die Community macht das aus, was Peloton aktuell ist.
Das heißt, wir versuchen auch, unseren Community Mitgliedern kontinuierlich Anlässe zu geben, über die sie sich austauschen können. Auf der anderen Seite sind wir sehr offen für unsere Community, sei es jetzt für Produktentwicklung oder Teile des Bike+… all das basiert auf Feedback, das wir bekommen.
Wir sind auch offen für kritische Ansätze. Für Dinge, die wir gerne verbessern oder die, die unsere Community gerne verbessert haben möchte. Bis hin zu random E-Mails, die in meiner Inbox landen, in denen es um Ideen und Weiterentwicklung geht. Und das ist natürlich sehr schön zu sehen. Wir versuchen da auch immer sehr direkt darauf zu antworten und weiterhin in den Dialog mit der Community zu treten.
Martin Richter erklärt dann, wie sich die Peloton-Communities organisieren, warum sie stärker und agiler sind und nennt Beispiele. Das Thema schwenkt zur Partnerschaft mit Adidas. Schahab Hosseiny möchte wissen, ob Peloton seine Brand auch über die Grenzen
der Sportbegeisterten hinaus stärker an das Segment Lifestyle transformiert.
Die Marken-DNA von Peloton
Martin Richter: Ich glaube, der Hintergrund ist, dass wir grundsätzlich gerne mit Partnern zusammenarbeiten, die ein Stück weit auch die gleiche Marken-DNA verkörpern. Das heißt, Demokratisierung wirklich inclusive, um das englische Wort zu nutzen. Das steht bei uns auch im Bereich Apparel auf der Agenda sehr weit oben. Und das ist auch der Grund, warum wir in diesem Fall mit Adidas zusammenarbeiten. Weil sie ähnlich ticken, ähnlich denken. Und wenn wir uns diese Kollektion jetzt genau anschauen, dann geht es nicht darum, dass wir sie nur für ein bestimmtes Segment oder um bestimmte Körperformen herum aufgebaut haben, sondern wir bedienen mit ihr alle Größen. Denn wir differenzieren nicht zwischen jemandem, der XS trägt, und jemandem, der XXXL trägt. Sie sind alle Teil unserer Community, und ich glaube, das ist der ursprüngliche Gedanke hinter der Kooperation mit Adidas.
Man könnte jetzt natürlich noch diese Lifestyle Komponente mit hinzu addieren, die finde ich auch toll: Wenn unsere Community oder vielleicht auch Kunden oder zukünftige Kunden einfach nur die Kollektion gut finden. Das ist natürlich noch so ein nettes Add-On.
Schahab Hosseiny: Klar. Seid Ihr happy mit der Zusammenarbeit, der Entwicklung und auch den Verkaufszahlen?
Martin Richter: Sehr! Also ich bin ganz stolz, was das Team insgesamt geleistet hat. Der Lead innerhalb dieser Kollektion lag bei Jill Foley, der Frau unseres Gründers. Das gibt, glaube ich, auch noch mal einen Hinweis darauf, dass wir eher ein familiär orientiertes Unternehmen sind. Und da gab es auch eine sehr, sehr enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Markt, denn das Headquarter von Adidas ist ja in Deutschland. Nicht nur die Kollektion zu entwickeln und zu launchen hat sehr viel Spaß gemacht, sondern auch die Kooperationen am Point of Sale, sprich in den Retail Stores.
Schahab Hosseiny stellt die Hypothese auf, dass Peloton durch die Demokratisierung der Fitness und das Senken der – finanziellen – Eintrittsbarrieren eventuell die eigene Community aufweicht. Das verneint Martin Richter. Für ihn geht es darum, vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Peloton an der eigenen Gesundheit zu arbeiten und Teil einer großartigen Community zu werden.
Das Peloton-Erlebnis darf nicht störend sein
Schahab Hosseiny: Kommen wir nochmal auf euer Core-Geschäft zu sprechen. Die Ratio zwischen subscription-based und Hardware liegt bei euch ca. 80/20 Prozent zugunsten der Hardware und Products. Ihr diversifiziert aber mittlerweile viel stärker auch in Bereiche wie Family Classes – was ich super interessant finde – oder in Kooperation zum Beispiel mit Beyoncé.
Wie, glaubst Du, wird sich dieses Verhältnis Products zu Subscriptions bei Euch verändern? Ihr kommt ja sehr stark aus dem Produktbereich und fangt jetzt stärker an, in Software, Applikationen etc. zu investieren. Wird es einen stärkeren Shift in Richtung subscription-based geben?
Martin Richter: Es wird immer Schwankungen geben, davon bin ich fest überzeugt. Wir sind erst am Anfang einer Journey. Das heißt, wir werden kontinuierlich auch weitere Produkte in den Markt bringen. Für Deutschland steht zum Beispiel jetzt der Launch von The Treads – dem Laufband – auf dem Programm.
Sprechen wir aber rein über Subscription, dann denke ich, haben wir noch riesige Potenziale – gerade im Bereich Digital Subscription – die Du auf Android oder auf dem iPhone hast. Ich selbst bin auch ein großer Fan unserer Partnerschaft mit Sky in UK. Das sind natürlich auch Modelle, die ich gerne hier für den deutschen Markt umgesetzt sehen will.
Es wird eine permanente Weiterentwicklung sein und deswegen wird diese Ratio kontinuierlich schwanken, je nachdem, worauf wir unseren Fokus legen.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade Sky angesprochen. Wie kann ich mir das vorstellen? Ist das lineares TV auf dem Sender Sky?
Martin Richter: Es ist die Integration der Peloton App in das Sky Universum. Bist Du vielleicht Sky Kunde?
Schahab Hosseiny: Nein.
Martin Richter: Gut, dann lass es mich so erklären. Über Sky hast du die Möglichkeit, auch über Drittanbieter-Apps mit reinzukommen. Zum Beispiel Netflix oder Spotify. Und wir sind jetzt Partner bei Sky UK geworden.
Dreiklang: Tech, Content und Software
Schahab Hosseiny: Verstehe. Du hast gerade schon das Thema Applikation angesprochen, jetzt auch im Fall von Sky, Android und auch iOS. Könnt Ihr Euch vorstellen, auch in naher Zukunft Eure Applikation, beispielsweise für das Thema Virtual Reality, zu öffnen? Stichwort Oculus?
Martin Richter: Das ist eine gute Frage und es ist schön, dass Du sie stellst, denn ich bin auch so ein begeisterter Fan von solchen technologischen Lösungen. Erst neulich bin ich bei meinem Schwager eine Runde Achterbahn gefahren und es war aufregend und toll. Es würde mich überraschen, wenn unser Produktentwicklungsteam in den USA das noch nicht auf der Agenda hätte. Deswegen denke ich, dass das schon auf dem Radar ist.
Auf der anderen Seite wollen wir immer ein Erlebnis bieten – ob beim Tread oder beim Bike – das nicht störend ist. Aktuell sind die Brillen zwar nicht unhandlich, aber sie passen nicht hundertprozentig zum klassischen Workout. Persönlich, und es klingt vielleicht ein bisschen flapsig, tropfe ich immer wie so ein Kieslaster, wenn ich mein Workout mache. Das heißt, hätte ich da noch eine Brille auf, das würde nicht funktionieren.
Schahab Hosseiny: Kann ich gut nachvollziehen. Sehr gut. Martin, wenn ich jetzt gefragt werden würde, ist Peloton eine Tech Company, ist Peloton ein Content Hub oder ist Peloton ein Softwarehaus, würde ich sagen, von allem ein bisschen. Ist das richtig, oder wie siehst Du Peloton?
Martin Richter: Es ist in der Tat der Dreiklang, der uns sehr unique macht. Plus natürlich das Thema Community, das wir direkt am Anfang besprochen haben. Auch Musik spielt für uns eine extrem große Rolle. Du hattest gesagt, Beyoncé ist eine Partnerin von uns. Musik ist Teil unserer Content Strategie. Das heißt, wir wollen auch mit den besten Künstlern zusammenarbeiten. Wir wollen auch unsere Klassen so produzieren, dass wir die beste Musik dahinter haben, weil das natürlich auch das Erlebnis Peloton am Ende des Tages ausmacht.
Schahab Hosseiny: Wenn Du Künstler referenzierst, geht Ihr – was die Audio Untermalung angeht – wirklich so weit, auf deren exklusiven Content zugreifen zu wollen, oder sagt Ihr, so weit gehen wir erst mal an den Punkt noch nicht?
Martin Richter: Das sind sicherlich Überlegungen, die auch global stattfinden. In Deutschland arbeiten wir erstmal an sogenannten Artists Rides weiter, nehmen also spezielle Artists, um mit denen gemeinsam Konzepte zu entwickeln. Und es wird sicherlich in Zukunft auch weitere geben.
Schahab Hosseiny: Was wird der Schwerpunkt in naher Zukunft sein? Werdet Ihr Euch verstärkt um das Thema Technologie kümmern? Die Felder Content und Content-Produktion, in denen Ihr ja schon unheimlich gut aufgestellt seid? Oder glaubst Du bzw. weißt Du viel mehr, dass Ihr verstärkt in das gesamte Thema Software, Infrastruktur und Softwareentwicklung einsteigen werdet?
Martin Richter: Es wird alles drei sein, und ich gebe dir ein paar konkrete Beispiele. Content. Wir haben jetzt zwei große Studios in New York und in London, in denen die Produktion unseres Content stattfindet. Wir werden auch weiter Instructor für Deutschland hiren, dezidiert. Wir werden auch breiter im Content sein. Also, wer uns jetzt zum Beispiel noch als reine Bike Company wahrnimmt, dem sei gesagt: Wir bieten mehr! Wir bieten Strength, Stretching, Meditation und Yoga an. Auch in diese Richtung geht es immer weiter.
Dann haben wir gesagt, Hardware wird weiter eine Rolle spielen. Wir sind in einem Markt, den es jetzt erst zu entwickeln und zu erobern gilt, bei weitem noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Und natürlich passieren auf der Software Seite kontinuierlich Veränderungen. Also Wenn ich mir die Software von vor zwei Jahren anschaue, als ich eingestiegen bin, und was es jetzt mittlerweile alles gibt…
Es gibt zum Beispiel die Features High-Five und Hashtags. Neulich gab es einen Test mit Gamification, bei dem wir auch erstmals mit neuen Konzepten in die Community rausgegangen sind. Um einfach mal das Feedback zu sehen: ist das was? Treibt das das Thema Engagement? Ist es begeisternd? Und das uns wird sicherlich immer weiter begleiten.
„Hardware wird weiter eine Rolle spielen. Wir sind in einem Markt, den es jetzt erst zu entwickeln und zu erobern gilt, bei weitem noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind.“
Schahab Hosseiny: Super spannend. Was sind eure Erfahrungen im Bereich in App Games? Wir sehen, dass mittlerweile auch Unternehmen wie Playpulse ganz explizit in diesen Markt hineingehen, mit eigener Hardware und auch eigener Software. Offenbar ist hier hoher Demand vorhanden.
Martin Richter: Wir sind mit unseren Engagementzahlen mehr als zufrieden, das muss man einfach ganz klar sagen. Aber es ist immer nur ein Snapshot. Das heißt, wir müssen immer strategisch vorausdenken im Sinne von: Wie entwickelt sich der Markt weiter? Wie entwickelt sich die Denke bei dem Konsumenten, bei der Konsumentin weiter? Was wird in der Zukunft gefordert?
Und ich glaube, Gamification ist so ein Thema, was wir in vielerlei Hinsicht sehen. Und da wollen wir natürlich mit dabei sein. Deswegen ist es auch explizit wichtig, dass wir bestimmte Konzepte testen. Und ich habe es gesagt: Es wird weiter so gehen. Wo die Richtung hingeht? Das wird die Zukunft zeigen.
Schahab Hosseiny: Habt ihr das Game intern entwickelt oder habt Ihr es entwickeln lassen?
Martin Richter: Soviel ich weiß, ist es in der Tat eine Entwicklung unsererseits. Wir wollen natürlich erstmal das beste Team haben, das sich auch grundsätzlich mit dem gesamten Ecosystem von Peloton auseinandersetzt, die Übergänge kennt, von zu Content Musik hin zur Hardware. Und nicht ohne Grund bauen wir entsprechende Ressourcen auch weiter in den USA auf bzw. rekrutieren auch jetzt, nach Covid, rund um den Globus.
Auf die Frage, ob es für Peloton Sinn machen würde, Drittentwicklern die Möglichkeit zu geben, eigene Apps zu kreieren, lacht Martin Richter. Er gesteht, dass diese Zugänge aufgrund der in ihnen enthaltenen Nutzerdaten sehr restriktiv gehandhabt werden.
Der Zusammenschluss mit Precor
Schahab Hosseiny: Precor mit 420 Millionen, also eine verhältnismäßig große Übernahme, auch für für Peloton. Erzähl uns kurz zu den Synergieeffekten: Was steckt hinter Precor? Was macht Precor und warum macht das so hochgradig Sinn?
Martin Richter: Zuerst mal, Du hast gesagt Akquisition. Ich bin ein großer Freund von „Zusammenschluss“, weil es von Anfang an wirklich eine sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit war, und ich glaube, da haben sich zwei getroffen, die einen sehr identischen Fokus auf den Member legen und die gleiche Vision teilen, was Connected Fitness angeht. Und deswegen bin ich sehr froh und sehr stolz, dass das jetzt auch geklappt hat.
Precor hat einen sehr starken Footprint im Commercial Geschäft, sprich in der Ausstattung von Hotels oder Fitnessstudios. Das passt natürlich sehr gut zu uns und erlaubt uns, auf die Produktionskapazitäten von Precor zuzugreifen. Aktuell produziert Peloton in Taiwan, mit Precor haben wir zusätzliche Produktionsstrecken in den USA gewonnen. Das ist auch noch mal eine sehr gute Ergänzung zu unserer eigenen Fabrik, dem sogenannten POP oder Peloton Output Park.
Das Announcement gab es, glaube ich, letzte Woche. Precor ist schon seit 40 Jahren am Markt, das heißt, dass auf R&D-Seite ein enormes Wissen, enorme Capabilities vorhanden sind. Von denen profitieren wir, die nur neun Jahre alt sind, am Ende enorm.
Aus der lokalen Perspektive ist das für mich sehr, sehr spannend, weil der Zugriff auf das breite und tiefe Commercial Network von Precor es uns ermöglicht, das Thema Verfügbarkeit von Peloton Bikes gerade in Hospitality-Bereich weiter voranzutreiben.
Schahab Hosseiny: Und so wie ich das verstanden habe, werden diese beiden Brands auch weiterhin erstmal autark aktiv bleiben.
Martin Richter: Richtig.
Martin Richter erklärt nun die Vision, die Peloton zugrunde liegt und erklärt auf Nachfrage, warum er glaubt, dass sich der Erfolg Pelotons während der Pandemie auch danach replizieren lässt. Er redet darüber, warum zum Beispiel Fitnessarmbänder wahrscheinlich im Falle Pelotons nicht funktionieren würden.
Thematisch geht die Reise jetzt zum Content und dessen Produktion. Schahab Hosseiny möchte wissen, ob sich der qualitativ sehr hochwertige Content, den Peloton produziert, von Wettbewerbern ähnlich nachmachen lässt. Martin Richter verneint das und gibt einen Einblick, wie der Content in den beiden Studios produziert wird. Er spricht dabei auch über die Kosten.
Demokratisierung: Peloton für alle zugänglich?
Schahab Hosseiny: Bleiben wir beim Punkt Kosten. Peloton war ja vor einiger Zeit noch mit einem relativ hohen Entry Point verbunden, würde ich sagen. Mittlerweile kann ich aber die Applikation auch beim iOS-Store oder im Android Store downloaden, gehe dort eine Subscription ein und kann dann komplett auf diese schöne Content Library zugreifen. Wie entwickelt sich das Thema Applikation und neue Zielgruppen bei Euch? Seid Ihr happy?
Martin Richter: Ich bin happy mit der App, auch vor dem Hintergrund, dass es sie jetzt noch nicht so lange gibt. Knapp ein Jahr für iOS, für Android kürzer. Es ist für uns das sogenannte Einstiegsprodukt in die Peloton Welt, denn Du kannst alles sehen, was wir an Content produzieren. Das wird sehr gut angenommen, auch vor dem Hintergrund, dass viele Peloton jetzt noch mal ganz anders wahrnehmen und unabhängig vom Bike auch sehen, wow, das ist echt krasser Content und jeden Tag kommt was neues hinzu.
Das stellt uns schon so ein Stück weit in den Fokus. Ich will auch nicht sagen, wir sind der Best in Class, aber ich glaube, wir haben schon ein verdammt gutes Produkt am Start. Für diejenigen, die entweder sofort ein Bike haben wollen bzw. dann letztendlich auch aus der App heraus upgraden.
Das ist unser Ansatz: Wir wollen eine Art Demokratisierung, wir wollen unsere Produkte für alle zugänglich machen.
Schahab Hosseiny: Das heißt, kleiner Entry Point oder einfacher Entry Point. Kannst Du so ein bisschen was zu der Konvertierung der Zielgruppe erzählen, hin zu Euren Core-Produkten?
Martin Richter: Die ist aus der App heraus sehr gut, ohne jetzt auf Zahlen eingehen zu wollen. Da klopfen wir uns manchmal auch auf die Schultern. Aber grundsätzlich haben wir schon eine sehr begeisterte Community in Deutschland. Da spielt sicherlich auch der Aspekt
Retail eine große Rolle. Das ist ja eine Säule, in die wir in den letzten 24 Monaten sehr viel Muße und Geld investiert haben, um ein wirklich greifbares Produkt zu machen.
Wir haben jetzt acht eigene Stores, owned und operated, dazu noch noch gemeinsam mit der Intersport Gruppe und Breuninger. Auch mit Vaund in Hannover und den Stores in Stores. Ich sage es mal mit dem alten Coca-Cola Schlagwort „Only an arm length away„: Jeder, der das Produkt mal anfassen will – und das ist wichtig – kann sich einfach ins Auto oder ins öffentliche Verkehrsmittel setzen und dann in einen Store kommen.
„Unsere Community kommt von überall her. […] Wir haben durchaus Fans oder Member, die zum Beispiel 200, 300 Kilometer in den Hamburger Store gefahren sind.“
Schahab Hosseiny: Ist das ein kulturelles Thema? Also brauchen wir die Stores hier in Deutschland? Sind sind wir hier noch nicht so weit, dass wir uns trauen, ein Produkt in Höhe von 2500 bis 3000 Euro online zu erwerben?
Martin Richter: Hätten wir jetzt jemanden von Tesla hier oder vielleicht sogar von Polestar, würde ich sagen, ja. Ich glaube, dass es so ein Mentalitätsthema ist. Ich glaube, der Kunde möchte – auch wenn die Tasche voll Geld ist – einfach mal den Sattel anfassen oder vielleicht den Screen ausprobieren. Nicht ohne Grund haben wir unsere Stores so eingerichtet, dass derjenige, der wirklich an dem Produkt interessiert ist, einen kompletten Test-Ride machen kann. Er kann sich dort umziehen, er kann duschen. Das bietet kein anderer Player und auf diesen lokalen Unterschied wollen wir einzahlen.
Schahab Hosseiny: Sehr schön. Für die Audience, die uns jetzt gerade zuhört und zuschaut: Wo finde ich denn einen Store seitens Peloton? Was sind die Städte in Deutschland, die Ihr adressiert?
Martin Richter: Wir sind in Hamburg, Berlin, Hannover, Osnabrück, Bremen, Münster, Köln, Düsseldorf, Stuttgart.
Schahab Hosseiny: Osnabrück? Überrascht mich tatsächlich, nicht nur weil ich selber Osnabrücker bin. Osnabrück hat ca. 160.000 Einwohner. Das heißt, Ihr seid nicht mehr nur in den urbanen Ecken.
Martin Richter: Absolut. Genau. Das heißt, unsere Community kommt von überall her. Wir wissen aber auch, dass wir durchaus Fans oder Member haben, die zum Beispiel 200, 300 Kilometer in den Hamburger Store gefahren sind. Für uns einfach ein klares Zeichen, dass wir einen sehr guten Job gemacht und auch bei den verschiedenen Researches gesagt haben, hey, wir müssen überall in Deutschland präsent sein.
Offenes Ohr für die Community
Schahab Hosseiny: Bleiben wir beim Thema Community. Jeder der mir bekannten Peloton-Besitzer ist wirklich unheimlich stolz auf das Produkt, muss man sagen. Das liegt mit Sicherheit an diesem Vierklang Brand, Pricing, Content, Innovation etc. Wie systematisch geht Ihr denn eigentlich das Thema Community Building seitens Peloton an?
Martin Richter: Da geht sehr viel Muße rein, muss man ganz klar sagen. Anders als vielleicht andere Player versuchen wir jetzt aber nicht diktatorisch zu bestimmen, was die Community tun und lassen soll. Das heißt, wir bereiten letztendlich ein Framework vor. Die Community weiß das sehr zu schätzen. Sie wird auch bei uns auch immer ein offenes Ohr bekommen, sei es für Lob oder für Kritik.
Wir haben ein Community Management Inhouse, das heißt, wir haben eigene Teams, die nichts anderes machen, als wirklich ein Auge auf die verschiedenen Communities zu haben. Was passiert da? Was sind Themen, die wir dann aufpicken und dann vielleicht auch eskalieren?
Ich picke jetzt mal eine Sub-Community, die sich aus der Community gebildet hat, die German Ladies. Mittlerweile mehrere tausend begeisterte Peloton Fans, die sich am Wochenende zu Workouts verabreden, teilweise auch physisch. Die unsere Stores besuchen. Und das ist natürlich das Beste, was passieren kann.
Ich glaube, das zeigt, was Peloton auch darstellt und wir unterstützen an der Stelle. Wir sind aber nicht diejenigen, die mit dem erhobenen Zeigefinger dann daneben stehen und sagen, das dürft Ihr nicht machen und hier, unser Anwalt schreibt gleich mal ein Brief an Euch. Nee, also wie gesagt, wir wollen das unterstützen und es funktioniert sehr, sehr gut.
Schahab Hosseiny: Hohe Brand Loyalität, definitiv. Bist du selber auch aktiv in einer Community hier in Berlin? Wahrscheinlich wird es diverse Communities hier in Berlin geben.
Martin Richter: Ich fahre in der Tat unter dem Hashtag Peloton Brandenburg, ohne jetzt meinen Rider-Name hier zu veröffentlichen. Und es gibt verschiedene Sub-Communities. Neben den German Ladies gibt es auch die German Gents und auch unsere Instructor haben ihre eigenen Fangruppen. Das muss man auch dazu sagen. Toll zu beobachten.
Das Thema geht über zu den Trainern und Instruktoren: Welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen, wie werden sie ausgebildet und wie unterstützt Peloton sie z. B. im Bereich Social Media?
Customer Acquisition Cost und Customer Lifetime Value (CLV)
Schahab Hosseiny: Sprechen wir nochmal über die Kostensituation bei Euch. Ihr habt eine relativ hohe Customer Acquisition Cost Situation. Ihr seid ja auch sehr medienwirksam aktiv in verschiedenen Channels, unter anderem auch im TV. Kannst Du uns ein bisschen was zu dieser Strategie erzählen und vor allem auch, wie sich die Customer Lifetime Value bei Euch darstellt?
Ich würde mal die Hypothese aufstellen, dass meine CLV – wenn ich wirklich ein Hardware Bike zuhause habe – relativ langlebig sein dürfte. Das verhält sich beim Thema Applikation eventuell etwas anders. Vielleicht kannst Du ein bisschen Licht da ins Trübe bringen.
Martin Richter: Ich gebe mal ein paar Zahlen durch. Was das Thema CLV angeht, stehen wir, glaube ich, sehr gut da. Wenn man sich die öffentlichen Reports anschaut, nutzen mehr als 90 Prozent das Bike auch noch nach einem Jahr. Und das zeigt auch, “Hey, das Produkt funktioniert”. Das macht uns sehr stolz. Das ist natürlich ein starker Antrieb. Und Antrieb ist eine gute Überleitung hin zu der Frage, warum wir beispielsweise auch sehr stark in TV investieren.
Zu den Acquisition Costs: Ja, die sind natürlich gerade in einem Land wie Deutschland vergleichsweise höher als in UK oder in den USA. Wir haben jetzt nicht das klassische SoulCycle Heritage hier, und Boutique Fitness ist sicherlich auch nicht in der Art und Weise verbreitet, wie es das beispielsweise in den USA ist.
Wir haben nochmal einen ganz anderen Aufwand, um das Konzept Peloton zu erklären und zu zeigen, was Peloton bietet. Wir haben für uns herausgefunden, dass TV weiterhin ein sehr guter Kanal für uns als datengetriebene Company ist. Wir nutzen es natürlich nicht als alleinigen Kanal und schneiden rechts und links alles ab, sondern es passt sehr gut, um Reichweite aufzubauen und die Message zu kommunizieren.
Die anderen Kanäle, seien es die digitalen oder die Performance-Kanäle, kommen dann additiv noch dazu. Also, wir machen schon Full Funnel, rauf runter.
Schahab Hosseiny: Kann ich bestätigen. Eure Retargeting-Werbung erwischt mich doch sehr häufig, muss ich sagen. Ihr seid sehr präsent.
Martin Richter: Dann wird’s mal Zeit für ein Bike, oder?
Schahab Hosseiny spricht die regionalen Unterschiede am Beispiel der Trainer an, beispielsweise zwischen Deutschland und den USA. Für Martin Richter steht eines bei den Instruktoren von Peloton an erster Stelle: Sie müssen authentisch sein! Er erwähnt sein eigenes Training bzw. sein Verhältnis zu den Trainern als Beispiel.
Ein Blick in die Glaskugel: Die Zukunft
Schahab Hosseiny: Wie erfolgt das Matchmaking bei Euch? Ihr habt unheimlich viel tollen Content. Muss ich mir als User letztendlich die Trainer selber herauspicken oder habt Ihr mittlerweile ein Matchmaking? Sagt Ihr “Eigentlich würde folgender Trainer gut zu Dir passen, auf Basis Deiner Historie empfehlen wir Dir folgenden Trainer”. So eine Recommendation Engine letztendlich?
Martin Richter: Vielleicht indirekt. Was wir machen wollen: Du sollst am Anfang direkt die komplette Auswahl haben. Im Sinne von: Nach was ist Dir gerade? Ist es der Mood? Ist es jetzt so die Musik? So, dass Du jetzt nicht ein Stück weit limitiert bist, in dem man sagt, rein von deiner Historie her gibt es nur zwei passende Trainer für Dich.
Und im Anschluss eines Workouts hast Du dann schon bestimmte Empfehlungen, was du anschließen könntest. Trainings, die letztendlich zu dem vorherigen Workout, also zu Dir, gepasst haben. Ich glaube, es wird weiterhin Entwicklungen in diesem Bereich geben. Denn wir werden ja auch smarter, wir kriegen immer mehr Daten zusammen. Aber so wie es jetzt ist finden wir es auch im Hinblick auf die Community als beste Lösung.
Schahab Hosseiny: Martin, mit Blick auf die Uhr sind wir so gut wie am Ende unseres Interviews angekommen. Glaskugelfrage, ein bisschen die Zukunft. Wie entwickelt sich der Markt gesamtheitlich? Gar nicht unbedingt auf Peloton reduziert?
Martin Richter: Ich dachte, Du fragst, wo ich in einem Jahr stehe und welches Fitnesslevel ich dann habe.
Schahab Hosseiny: Was auch ganz spannend wäre.
Martin Richter: Ja, hier und hier bin ich ganz happy, muss ich sagen. Letztes Jahr war ich nicht so in Schuss wie dieses Jahr.
Schahab Hosseiny: Das glaube ich. Du hast gerade das Thema year-over-year angesprochen, das heißt, das Thema Analytics ist auch ein wichtiger Bestandteil bei Euch.
Martin Richter: Absolut, absolut. Wir sind ein von Zahlen getriebenes Unternehmen. Wir schauen uns sehr stark alle Matrizes an, einfach auch um zu sehen, wo sind Stellhebel und die Dinge, die wir verändern wollen, sind Wo erkennen wir Trends frühzeitig?
Aber zur Glaskugel: Ich glaube, das Thema Connected Fitness wird immer breiter werden. Das heißt, die Awareness, aber auch die verschiedenen Möglichkeiten, das zu Hause zu nutzen, werden immer breiter werden. Also losgelöst von „Ist es jetzt ein Bike?“ „Ist es jetzt ein Tread?“ und so weiter und so fort. Es wird mehr Möglichkeiten auf der Produktebene geben. Wir sehen das jetzt auch schon bei den klassischen Fitness Ketten: Diese Entwicklung von Hybridmodellen, auch getrieben durch Covid, bei denen die physische Präsenz um sehr starke digitale Komponenten ergänzt wird.
Und da wird die Reise für mich perspektivisch ganz klar hingehen. Und da bin ich auch sehr auf die Technik und weitere Innovationen in diesem Bereich gespannt. Ich glaube, wir können uns da gar nicht vorstellen, was es noch für Möglichkeiten geben wird.
„Ich glaube, das Thema Connected Fitness wird immer breiter werden. Das heißt, die Awareness, aber auch die verschiedenen Möglichkeiten, das zu Hause zu nutzen, werden immer breiter werden.“
Martin Richter
Schahab Hosseiny: Wunderbar. Martin, vielen, vielen lieben Dank für diesen Talk.
Martin Richter: Hat Spaß gemacht.
Schahab Hosseiny: Ja, hat absolut Spaß gemacht und ich wünsche Dir weiterhin viel, viel Erfolg. Und vielleicht bleiben wir perspektivisch auch in Kontakt in Form eines Challenges auf einem Peloton Ride.
Martin Richter: Ich nehme Dich beim Wort.
Schahab Hosseiny: Sehr schön, wunderbar.
FAQ zu Martin Richter
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