Omio ist eine Metasuchmaschine und Buchungsplattform, mit der Reisen mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln gebucht werden können. Das Unternehmen wurde im Jahr 2013 unter dem Name GoEuro gegründet und ermöglicht mittlerweile Buchungen bei über 1.000 Transportanbieter:innen. In Berlin, Prag, Peking, London und New York beschäftigt Omio 300 Mitarbeiter:innen, inzwischen ist Omio Europas führender Anbieter von Transportleistungen an Land.
In seinem Vortrag erklärt Norman Nielsen, VP Growth bei Omio, wie die Company entstanden ist, wie man Meeting-Strukturen neu denken kann und sollte, um effizientere Meetings zu gestalten, wie man Zielgruppen und Affinitäten misst und darauf aufbauend Content erstellt und skaliert und wie man mit individualisiertem Monitoring Prozesse automatisiert.
Das Video mit Norman Nielsen von Omio
Nach seinem Vortrag beantwortete uns Norman Nielsen noch ein paar tiefergehende Fragen:
Immer mehr und immer komplexere Tools – wie Unternehmen den Überblick behalten können
Mario Rose: Nach diesem Tool-Feuerwerk mit rotem Faden steigen wir in die Q&A Session ein und ich möchte zunächst an dich, Schahab, übergeben. Du kannst dich nämlich nahezu ebenso sehr für Tools begeistern wie Norman selbst.
Schahab Hosseiny: Vielen Dank für die Vorstellung der vielen Tools, Norman. Es waren altbekannte Namen wie Jasper und Audisto dabei, aber ich habe auch neue Tools kennengelernt. Unternehmen müssen die Fragmentierung von Tools immer in einem kontrollierbaren Rahmen halten, gleichzeitig hat sich der Kostenfaktor in den letzten Jahren verändert, weil immer mehr Tools in Abo-Modellen statt mit einmaligen Verkäufen vertrieben werden.
Ihr seid in letzter Zeit immens gewachsen, unter anderem aufgrund zahlreicher großzügiger Investments. In so einer Situation kann es leicht zu einem Wildwuchs kommen, weil jede Person oder Abteilung ihr eigenes Tool-Set mitbringt. Wie behaltet ihr dabei die Kontrolle über die Tools und die damit verbundenen Kosten?
Norman Nielsen:
„Man muss das Tool Set daran anpassen, was für das Unternehmen tatsächlich notwendig ist.“
Man sollte diese Tools testen. Man erkennt dann häufig große Unterschiede in der Performance; US-amerikanische Anbieter:innen sind beispielsweise häufig vergleichsweise teuer. Bei uns gibt es zudem abteilungsübergreifende Listen mit den von uns genutzten Tools und wir stimmen uns unter den Abteilungen ab, welche Tools wir spannend finden und welche Überscheidungen es gibt.
Schahab Hosseiny: Es ist natürlich schön, wenn man den Abteilungen viele verschiedene Tools zugänglich macht, aber die Nutzung und die daraus resultierenden Vorteile bedürfen sicherlich einer Transition. Bildet ihr bei euch im Unternehmen Spezialist:innen für die teilweise ungemein komplexen Tools, auf die abteilungsübergreifend zugegriffen werden kann?
Norman Nielsen: Ich habe mal einen Vortrag darüber gehalten, wie wir das bei Zalando gemacht haben.
„Bei Zalando haben wir festgestellt, dass der Vorteil von größeren Teams – speziell im Marketing – darin besteht, dass alle Mitarbeiter:innen Spezialist:innen für jeweils ein Tool sein und alle anderen in der Anwendung trainieren können.“
Dementsprechend haben wir für jedes Tool eine Person, die sich damit besser auskennt als alle anderen. Das ist einerseits großartig für die Mitarbeiter:innen, weil man durch Expertise im Job wachsen kann, andererseits hilft uns das beim Beherrschen der zunehmenden Komplexität vieler Tools.
Schahab Hosseiny: Du kennst viele Produkte, hast eine Menge getestet und kennst sicherlich auch viele Gründer:innen. Wo siehst du aktuell Bedarf am Markt oder in welchem Bereich wünschst du dir Produkte, die bisher unbefriedigte Bedürfnisse abdecken würden?
Norman Nielsen: Spontan würde ich sagen, dass in der Attribution noch Luft nach oben ist. Es gibt MMM-Tools (Media Mix Modeling), aber mir fällt kein gut benutzbares Tool ein, das Attribution täglich steuerbar mit Machine Learning anbietet, ohne dass man viel programmieren muss. Für SEA und SEO gibt es viele Tools, mit denen man neue Keywords herausfinden kann, aber es besteht dennoch eine Marktlücke im weltweiten, skalierten Keyword Mining.
Schahab Hosseiny: All-in-One und Best-of-Breed haben jeweils ihre Vorteile, viele Unternehmen streben allerdings eher Best-of-Breed an, weil das kosteneffizienter oder ihr Produkt tatsächlich besser als die Konkurrenz ist. Dabei lassen diese Unternehmen allerdings häufig zu viele Daten und Synergieeffekte auf der Strecke. Ihr scheint tendenziell in Richtung Best-of-Breed zu gehen. Wie löst ihr das Schnittstellenthema? Gibt es dafür bei euch im Unternehmen dezidierte Positionen?
Norman Nielsen:
„Für uns und die Provider, mit denen wir arbeiten, ist das Schnittstellenthema besonders spannend.“
Weil wir alle Modi am Markt bedienen und mit etwa 1.000 Providern verbunden sind, ist unser Inventory einzigartig. Die meisten Probleme in diesem Zusammenhang treten tatsächlich auf der Seite der Provider auf. Ein kleiner europäischer Busanbieter, bei dem nur eine Mitarbeiterin für diese Schnittstelle zuständig ist, kommt beispielsweise schnell in Schwierigkeiten, wenn die Mitarbeiterin im Urlaub ist und die Schnittstelle plötzlich nicht mehr funktioniert. Das ist also ein großer Aufwand, gleichzeitig besteht einer unserer großen USPs eben darin, nicht nur Schnittstellen zu den großen Fluggesellschaften, sondern zu allen möglichen Providern zu haben.
Schahab Hosseiny: Ich wüsste gerne noch mehr über eure Strategie in Bezug auf die Software-Tool-Landschaft. Setzt du beispielsweise lieber Semrush ein, weil die besonders gut in der Keyword-Research sind, obwohl ein anderes Produkt das auch kann und vielleicht bereits vom SEA Team genutzt wird? Wie löst ihr die Schnittstellenthematik in diesem Zusammenhang?
Norman Nielsen:
„Die meisten Tools, mit denen wir arbeiten, sind die Spezialist:innen in ihrer Disziplin.“
Wie bei allen anderen gibt es auch bei uns noch Automatisierungspotenzial; nicht alle Tools sind so gut integriert wie die SEO Tools, die mittlerweile so gut integriert und visualisiert werden können, dass neben den Expert:innen auch andere Mitarbeiter:innen damit arbeiten können. Die Anbindung weiterer Tools ist sicherlich in vielen Firmen ein wichtiges Thema, am Markt scheinen das aktuell jedenfalls viele erkannt zu haben und voranzutreiben. Und wenn man das machen möchte, sollte man natürlich die Expert:innen der jeweiligen Disziplin anbinden.
Schahab Hosseiny: Und wie findet man die Expert:innen der jeweiligen Disziplin? Das erfordert bestimmt viel Research und Testing, was natürlich Zeit in Anspruch nimmt. Wie allokiert ihr dabei eure Ressourcen? Macht ihr das mit einem Anforderungsmanagement, habt ihr eine typische Pitch-Phase oder fangt ihr mit einem ganz pragmatischen Testing an?
Norman Nielsen: Anforderungsmanagement habe ich als Begriff zuletzt vor 15 Jahren im Studium gehört. Gerade im Zusammenhang mit großen Software-Tools ist das mit Sicherheit nach wie vor ein Thema. Wir machen das quartalsweise, haben spezielle Zeitblöcke für das Testing vorgesehen und das daraus resultierende Outcome messen wir dann. Das sieht zum Beispiel so aus, dass wir 100 Texte für 100 Seiten erstellen, deren Performance beobachten und anschließend eine Analyse erstellen.
Schahab Hosseiny: Ihr seid also sehr agil unterwegs.
Norman Nielsen: Genau, theoretisch können wir Tools quartalsweise testen und wechseln.
Schahab Hosseiny: Herzlichen Dank.
Content Production at Scale – leeres Versprechen oder revolutionäre Innovation?
Mario Rose: In unserer Audience sitzen einige SEOs, deren Herzen bei dem einen oder anderen Tool bestimmt höher geschlagen haben. Du hast Content Production at Scale angesprochen – ein Thema, mit dem in vielen Unternehmen in Deutschland anders umgegangen wird als bei euch. Du hast bereits aufgezeigt, dass es auch in Deutschland über AX Semantics hinaus viele verschiedene Anbieter:innen gibt und dass wir aktuell in eine Phase eintreten, in der es möglich wird, Texte unabhängig von den Produktmerkmalen und Shopping Feeds zu erstellen. In dem Zusammenhang hast du Jasper genannt – von dem Unternehmen habe ich vorher noch nicht gehört. Hat Content Production at Scale deiner Ansicht nach auch negative Aspekte, insbesondere für SEO? Mir begegnet nämlich immer wieder die Perspektive, dass die Texte nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen oder die Ramp-up-Phase zu komplex ist.
Norman Nielsen: Hoffentlich konnte ich mir alle Fragen merken, die in diesem Thema stecken. Die erste Frage dreht sich darum, wo man weiterhin manuelle Inhalte benötigt und dafür gibt es weiterhin eine Vielzahl von Anwendungsfällen, die zumindest mittelfristig nicht von Maschinen abgedeckt werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um Deep Research, unternehmensinternes Wissen, neuartige Produkte oder Research-Themen mit einer Vielzahl an Quellen.
Attributbasierte Texte sehe ich aktuell groß im Kommen, weil man anhand derer ermitteln kann, was menschliche Autor:innen anders machen würden als gut trainierte Maschinen. Die Problematik mit von KIs verfassten Texten besteht einerseits darin, dass alle SEOs unter Verwendung derselben Algorithmen und Datensätze fast identische Texte generieren, die etwa für Google schwer zu unterscheiden sind. Der Mehrwert der jeweiligen Texte wird also immer geringer.
In diesem Zusammenhang muss man die Qualität eines Textes überhaupt messbar machen.
„Alle sprechen immer von Textqualität, aber dieser Begriff ist nicht selbsterklärend.“
Das könnte sich beispielsweise auf den Lesbarkeitsindex, die Verwendung weniger Füllwörter oder die Satzlänge je nach Audience beziehen. Zunächst muss man also die relevanten Qualitätsmerkmale definieren und dann ermitteln, ob eine Maschine einen Text schreiben könnte, der diesen Anforderungen genügt.
Die KI folgt zudem keinen Regeln, sondern entscheidet selbst, welch Informationen zu einem Thema passen könnten, ist also unabhängig von den Visionen einer Firma oder Abteilung. Wenn man einen Text mit sachlichen Informationen benötigt, kann eine KI einen fehlerlosen Text erstellen. Einen Text mit kurzen Informationen über ein Reiseziel aus der Feder einer KI kann man Kund:innen schon heute problemlos anbieten.
Schahab Hosseiny: Das klappt auch gut bei Werbeanzeigen.
Norman Nielsen: Kai Spriesterbach hat sich zu dem Thema tief eingearbeitet und schreibt aus Effizienzgründen mittlerweile viele seiner Anzeigen mit Jasper.
Schahab Hosseiny: Und bist du mit der Qualität von Jasper in der deutschen Sprache zufrieden oder erstellst du nur englische Texte mit Jasper?
Norman Nielsen: Bisher haben wir Deutsch und Englisch getestet und mit der Performance hinsichtlich dieser beiden Sprachen bin ich zufrieden. Ich weiß allerdings nicht, ob mein Anspruch an die Textqualität dem anderer Menschen genügen würde.
Schahab Hosseiny: Du siehst dementsprechend aber durchaus eine internationale Skalierbarkeit, richtig?
Norman Nielsen: Genau.
Schahab Hosseiny: Das ist für ein Unternehmen wie Omio natürlich unglaublich spannend.
Norman Nielsen: Wenn die Anbieter:innen dieser KIs international agieren, bedeutet das in der Regel, dass sie die Sprachen langsam hochfahren, nachdem sie Englisch implementiert haben. Ich bin schon auf den Zeitpunkt gespannt, an dem die tatsächlich weltweit verfügbar sind.Schahab Hosseiny: Das stimmt.
Die Customer Journey bei Omio
Mario Rose: Lass uns einen Themenschwenk zur Kund:innenakquise von Omio machen. Soweit ich es verstanden habe, ist eure Plattform insbesondere dann wertstiftend, wenn Menschen ins Ausland reisen und sich dort neu orientieren müssen, weil sie das lokale Transportwesen nicht kennen. An welchem Punkt in der Kund:innenakquise sitzt eure Point of Truth und unterscheidet der sich vielleicht sogar stark? Nehmen wir an, jemand reist aus den USA nach Amsterdam, steht dort am Flughafen und weiß nicht genau, wie es nun weitergeht. Kommt ihr zu diesem Zeitpunkt ins Spiel oder setzt ihr wesentlich früher in der Customer Journey an? Und wie findet ihr heraus, zu welchem Zeitpunkt ihr bei den Kund:innen präsent werden müsst?
Norman Nielsen: Vor zweieinhalb Jahren haben wir Rome2Rio gekauft. Diese Plattform kümmert sich um die Trip-Planung vor Omio, dort kann man aber keine Reisen buchen. Stattdessen kann man dort verschiedene Routen mit verschiedenen Transportmitteln vergleichen und dann die gewählte Reise auf Omio buchen. Dementsprechend ist Rome2Rio unser Early Stage Funnel, mit dem wir Kund:innen besonders früh ansprechen können.
Im Bereich Search ist der Touchpoint relativ klar; wenn jemand beispielsweise nach einem Zug von Berlin nach Hamburg sucht, sollten wir ganz oben in der Ergebnisliste auftauchen. Dasselbe gilt natürlich für Busse, Flüge und Fähren – insbesondere für Flüge gibt es schon viele Vergleichsportale, trotzdem komplementieren die unser Angebot.
Nachdem wir die Kund:innen im Search abgeholt werden, werden sie durch das CRM gut begleitet. Wir bekommen es beispielsweise mit, wenn potenzielle Kund:innen nicht nur einen Tab öffnen, sondern sich mehrere Verbindungen gleichzeitig anschauen. Die vergessen dann gerne, wo es den günstigsten Preis gab und werden von uns daran erinnert.
„Wir holen die Kund:innen also zu dem Zeitpunkt ab, zu dem noch eine gewisse Unsicherheit besteht und versorgen sie mit den letzten erforderlichen Informationen.“
Nach der Buchung bieten wir den Kund:innen während der nächsten sieben Tage einen Companion an, der sie mit verschiedenen Informationen versorgt.
Mario Rose: Löschen die meisten Nutzer:innen eure App nach der Reise wieder oder schafft ihr es je nach Reiseverhalten, zur Stamm-App auf den Screens eurer Kund:innen zu werden?
Norman Nielsen: Darin besteht natürlich unser Endziel. Ebenso wie Booking.com die Top-Plattform für Unterkünfte geworden ist, sollen internationale Reisen direkt über uns gebucht werden, denn niemand möchte die Apps von zehn verschiedenen Providern auf dem Smartphone haben.
Gerade Menschen, die viel reisen und Wert auf Green Travel legen und beispielsweise von Berlin nach Barcelona mit dem Zug reisen, werden den Mehrwert in Omio erkennen.
Im Uber auf dem Weg hierher habe ich dem Fahrer die Geschichte von Omio erzählt. Er sagte, dass ihm der Name bekannt vorkommt, hat auf seinem Smartphone nachgeschaut und uns tatsächlich auf Seite Drei seines Screens gefunden. Er hat die App also nicht gelöscht, bis zur nächsten Reise ist sie nur in der Versenkung verschwunden.
Schahab Hosseiny: Ihr nutzt sehr viele Tools und setzt dabei auf die Expert:innen ihrer jeweiligen Felder. Gleichzeitig habe ich Software-Entwickler:innen, von denen es sicherlich viele bei euch gibt, so kennengelernt, dass sie gerne selbst Produkte schreiben und Hand anlegen. Wie geht ihr mit diesem Bedürfnis um? Hängt ihr euch an die Best-of-Breed-Produkte ran und veredelt sie oder gibt es Bereiche, für die ihr eigene Software entwickelt?
Norman Nielsen: Im Unterschied zu den klassischen E-Commerce-Unternehmen mit ihren klassischen Tool-Sets wird bei Omio viel inhouse gebaut, unter anderem weil unsere Anbindungen so einzigartig sind. Wir integrieren und veredeln auch, aber vieles ist selbstgebaut. Das hat mich etwas an die Anfänge von Rocket Zalando erinnert, wo auch ein eigenes CMS gebaut werden sollte. Das mag für manche funktionieren, bisweilen ist eine auf dem Markt bereits existierende Lösung aber schneller.
Der Markt ist unter anderem im Tech-Bereich sehr wechselwillig geworden; Mitarbeiter:innen wechseln häufiger den Job und bewegen sich in alle Richtungen zwischen den großen und kleinen Firmen und verschiedenen Branchen. Durch die neue Home-Office- und New-Work-Kultur sehen wir einen höheren Informationsabfluss und -zufluss, was bei inhouse entwickelter Software Probleme mit sich bringt. Man muss sich also überlegen, welches Mitarbeiter:innenpotenzial man in drei Jahren haben könnte und ob eine externe Lösung die richtige Wahl sein könnte.
Mario Rose: Herzlichen Dank, Norman, dass du bei uns vorbeigeschaut hast.
Norman Nielsen: Es hat mich gefreut.
Haben dir die Tipp von Norman Nielsen gefallen, dann schau dir doch auch „Die TOP 5 SEO-Tools, um auf Google durchzustarten“ an.
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