Die Reisebranche hat in den letzten Jahren einige Veränderungen hinnehmen müssen. Aufgrund von Krisen wie der Corona-Pandemie haben sich die Prioritäten der Urlauber:innen geändert. Es wird vornehmlich auf Ferienwohnungen gesetzt, anstatt in den All-Inclusive-Urlaub zu fliegen. Ein Big Winner im Business ist HomeToGo, die rechtzeitig auf die veränderten Bedürfnisse der Urlauber:innen reagiert haben. Das Unternehmen bietet mehrere Millionen Ferienhäuser und -wohnungen von mehreren Tausend Partner:innen auf ihrer Seite an. Dabei vereint die Plattform Apps und Webseiten aus 25 Ländern. Das 2014 gegründete Unternehmen beschäftigt mittlerweile über 500 Mitarbeiter:innen. Zu den Marken der Gruppe gehören unter anderem Amivac, Wimdu und Casamundo.
Im 1:1 Fireside Chat mit Schahab Hosseiny erzählt Dominik Schwarz, Chief Inbound Officer bei HomeToGo, von seinen ersten Gehversuchen im Online-Marketing, den Herausforderungen im Kontext des Börsengangs von HomeToGo, was er unter Inbound Marketing versteht und wie HomeToGo in den Bereichen Content, Paid und Acquisition auf langanhaltende und aktuelle Trends reagiert.
Das Video zum Interview mit Dominik Schwarz
Von Rennmäusen und der Gehaltsstruktur eines Inhouse-SEOs
Mario Rose: Ich freue mich, Dominik Schwarz von HomeToGo vorzustellen. Er ist passionierter SEO-Stratege mit deutlich mehr als zehn Jahren Erfahrung in Start-ups und Grown-ups und seit 2015 bei HomeToGo aktiv, wo er als Teil des Management-Teams das Inbound Marketing aufgebaut hat. Er ist für Owned und Earned Media verantwortlich – also für Organic Search, SEO, Kommunikation, PR und Landingpage-Content – und für den SEO-Best-Case: wie HomeToGo Airbnb überholte. Dominik hat internationale Awards in den Bereichen Growth, Organic Search und Media Campaigning gewonnen und war schon vor seiner Zeit bei HomeToGo in der Touristik aktiv, und zwar von 2012 bis 2015 als Director SEO Europe bei der KAYAK Europe GmbH. Er ist zudem Gründer von Vertical Inhouse – einer auf Einladungen basierender Plattform exklusiv für Inhouse SEOs. Dazu hat Dominik eine sehr interessante Studie angestoßen, über die er vielleicht auch heute sprechen wird.
Vor KAYAK Europe war er Geschäftsführer bei der Schwarz & Kollegen GmbH & Co. KG, die Unternehmen wie ZooRoyal oder den 1. FC Köln beraten. Das SEO-Handwerk hat er vorher im Agenturumfeld bei der klickfreundlich GmbH und der absofort Erfolg im Internet GmbH & Co. KG gelernt. Obendrein arbeitet Dominik an einem MBA für Digital Business & Innovation von der Middlesex University in London und aufgrund seiner Expertise ist er nicht nur bei uns, sondern auch bei SEOpresso und #SEODRIVEN ein beliebter Gast. Dominik hat außerdem zahlreiche private Projekte am Start, von denen ich nur eins vorstellen möchte: Im zarten Alter von 13 Jahren hat er eine Webseite zu Rennmäusen veröffentlicht. Dominik, erst einmal herzlich willkommen bei der OMKB, schön, dass du vorbeischaust.
Dominik Schwarz: Vielen Dank für die Einladung, ihr habt eure Recherche gemacht.
Mario Rose: Das haben wir, dafür sind wir bekannt. HomeToGo muss ich wahrscheinlich gar nicht ausführlich vorstellen – das ist der weltweit größte Marktplatz für Ferienhäuser und -wohnungen mit einem IPO (Initial Public Offering) an der deutschen Börse in Frankfurt a. M. Dort hat sich sicherlich schon jede:r mal ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung gemietet. Dominik, erzähl bitte mal, wie es zu der Webseite mit Rennmäusen kam. Das finde ich durchaus eine spannende Leidenschaft.
Dominik Schwarz: Das Jahr 1998 ist schon eine Weile her, aber damals habe ich zum ersten Mal das Internet in die Finger bekommen und irgendwann auch verstanden, wie man das bedient. Dann wollte ich herausfinden, was man damit alles anstellen kann und so habe ich eine für diese Zeit recht typische Web-Karriere hingelegt, indem ich selbst angefangen habe, Internetseiten zu bauen. Später habe ich dann Webdesign angeboten, Webhosting gemacht und das war eine spannende Zeit.
Mario Rose: Du hast mal erzählt, dass du im Nachhinein festgestellt hast, dass du sogar mal einen prominenten Gast auf deiner Webseite zu Rennmäusen hattest. Wer war das?
Dominik Schwarz: Das war der Kollege Felix Beilharz. Später haben wir gemeinsam festgestellt, dass er in Kindertagen auf dieser Webseite gesurft hat. Das ist aber lange her.
Mario Rose: Heute wird es viel um Inbound Marketing gehen und natürlich auch um verwandte Themen wie Definitionsfragen. Lass uns vorher aber auf deine Initiative Vertical Inhouse zu sprechen kommen. Weil du als passionierter SEO dem Thema über viele Jahre treu geblieben bist, ist dein Engagement in diesem Bereich nachvollziehbar. Aber was war dein persönlicher Antrieb dazu und was ist Vertical Inhouse eigentlich?
Dominik Schwarz: Vertical Inhouse ist eine Plattform für Inhouse SEOs. Die haben nämlich einen sehr interessanten Job, der sich eigentlich mit den Aufgaben von SEO-Expert:innen in Agenturen oder in Beratungsfunktionen nur begrenzt vergleichen lässt. Inhouse SEOs müssen sich häufig damit beschäftigen, Mehrheiten in Unternehmen und die entsprechenden Ressourcen zu erlangen, um Projekte umsetzen zu können. Diese Aufgaben fallen nahezu ausschließlich Inhouse SEOs zu, gleichzeitig tauschen sie sich selten untereinander aus. Sie wissen also nicht, was andere überhaupt machen, wie sie an Ressourcen kommen und welche Strategien sie verfolgen. Je mehr man aber mit Kolleg:innen in anderen großen Unternehmen spricht, desto eher stellt man fest, dass sich alle in ähnlichen Situationen wiederfinden.
„Ich habe Vertical Inhouse gegründet, um einen geschützten Raum für Austausch zu schaffen, in dem man nicht gleich in einem Sales-Gespräch mit Agenturen, Dienstleister:innen oder Tool-Anbieter:innen landet, sondern in dem man offen mit anderen Inhouse SEOs sprechen kann.“
Es gibt zudem einen täglichen Newsletter, in dem ich das SEO-Netz etwas kuratiere und empfehle, welche News am jeweiligen Tag für Inhouse SEOs interessant sein könnten. Wir machen aber auch andere spannende Sachen, kürzlich haben wir beispielsweise eine große Gehaltsstudie auf den Weg gebracht. Dafür haben über 315 Kolleg:innen sehr umfangreiche Fragebögen ausgefüllt und ihre Gehälter offengelegt.
Die meisten Studien zum Thema Gehalt funktionieren so, dass der Titel und das Gehalt abgefragt werden und das Ergebnis durch die Anzahl aller Teilnehmenden geteilt wird. Daraus wird dann geschlossen, wie viel eine Person mit einem bestimmten Titel verdient. In Berufsbildern, die nicht organisiert oder standardisiert sind, wie es bei der Suchmaschinenoptimierung der Fall ist, korrelieren Titel allerdings kaum mit einem bestimmten Maß an Verantwortung und dem dementsprechenden Gehalt. Wer beispielsweise bei einem großen Konzern arbeitet und den Titel SEO-Manager trägt, kann für Millionen verantwortlich sein. Wer dagegen in einem kleinen Start-up arbeitet, kann den Titel Vice Director Chief of Everything tragen, das ist aber dennoch mit einem relativ geringen Maß an Verantwortung verbunden. Zwischen Jobtitel und Gehalt besteht in unserem Bereich also kaum eine Korrelation.
Deswegen fragen wir in unserer Studie nach dem Kontext: Arbeiten die Teilnehmer:innen bei großen oder kleinen Unternehmen, haben sie Personalverantwortung, haben sie eine fachliche Verantwortung? Die wichtigste Frage ist die nach der Tätigkeit: Sind sie hauptsächlich mit der Strategieentwicklung oder der -umsetzung betraut? Daraus können wir dann ableiten, was angemessene oder zumindest reale SEO-Gehälter sind und das war ein sehr spannender Prozess.
Mario Rose: Das kann ich mir gut vorstellen. An dieser Stelle möchte ich Schahab Hosseiny dazuholen, doch bevor ihr zwei in euren Talk einsteigt, würde ich gerne wissen, ob du schon ein paar spannende Learnings aus der Gehaltsstudie mit uns teilen kannst oder ob das noch geheim ist.
Dominik Schwarz: Nein, das ist nicht geheim. Die Studie kann man auch anfordern, indem man mir eine E-Mail schreibt und ich schicke der Person dann das PDF zu. Aus unserer Studie schließe ich, dass noch viel Luft nach oben ist. Selbst Inhouse SEOs mit zehn Jahren Erfahrung verdienen im Schnitt gerade einmal 66.000 Euro. Das ist kein angemessenes Gehalt für eine Person, die Strategieentwicklung macht, sondern im besten Fall das Gehalt eines Individual Contributor. Daraus kann man meiner Meinung nach schließen, dass SEOs auch im Jahre 2022 noch stiefmütterlich behandelt werden und dass wir uns als Branche weiter professionalisieren können und müssen. Ich denke nämlich, dass Inhouse SEOs Aufgaben umsetzen, die so umfangreich und anspruchsvoll sind wie kaum eine andere Aufgabe im Digital Marketing oder der digitalen Produktentwicklung. Da sollten die Gehälter also einige Stufen nach oben steigen, aber natürlich stehen wir selbst in der Verantwortung, diese Steigerung anzustoßen.
Mario Rose: Das ist ein starkes Statement, Dominik. Damit verabschiede ich mich und wünsche euch, Schahab und Dominik, ganz viel Spaß beim 1:1 Fireside Chat.
Der Podcast mit HomeToGos Inbound-Marketing-Chef Dominik Schwarz
Der Börsengang und seine Herausforderungen für das Inbound Marketing
Schahab Hosseiny: Dankeschön. Dominik, HomeToGo ist mittlerweile am Frankfurter Parkett handelbar und war in diesem Jahrzehnt die erste europäische DE-SPAC (Special Purpose Acquisition Company) mit einem deutschen Target. Bist du rückblickend betrachtet glücklich, in einem inzwischen börsennotierten Unternehmen zu arbeiten? Das hat schließlich starke Implikationen?
Dominik Schwarz: Auf jeden Fall. Ich wurde schon im Rahmen des Börsengangs gefragt, wie sich das denn jetzt anfühlt und darüber habe ich eine Weile nachdenken müssen, denn eigentlich war mir gar nicht so klar, in was für einem Unternehmen ich arbeite.
„Wenn ich die letzten sieben Jahre bei HomeToGo Revue passieren lasse, habe ich gefühlt alle sechs Monate in einem anderen Unternehmen gearbeitet und das finde ich super.“
Wir haben innerhalb dieser sieben Jahre verschiedene Stufen durchlebt und erreicht und ganz individuelle Herausforderungen gemeistert. Es macht mir große Freude, die Dinge, die ich angestoßen habe, beim Wachsen und Weiterentwickeln zu beobachten.
Natürlich verändert sich vieles, einiges war zuvor leichter, anderes wird aber durch diesen Prozess leichter. Das Onboarding neuer Kolleg:innen läuft heute zum Beispiel wie geschmiert, weil wir eine Abteilung haben, die am ersten Tag der Kolleg:innen dafür sorgt, dass sie mit einem Account, einem Laptop und allen anderen Notwendigkeiten versorgt werden. Diese Professionalisierung hat vor sieben Jahren noch nicht existiert und an diesem operativen Beispiel sehen wir, dass sich vieles fundamental ändert. Das finde ich spannend.
Schahab Hosseiny: Und wie blickst du in die Zukunft? Ich finde es spannend, dass du sagst, dass du durch diese ständige Entwicklung in der Vergangenheit viele verschiedene Positionen hattest. Könnt ihr diese Geschwindigkeit beibehalten oder habt ihr mit dem Börsengang und eurer breiten Mitarbeiter:innenschaft mittlerweile ein Plateau erreicht, sodass ihr jetzt nicht mehr so agil und dynamisch seid? Und wenn dem so ist, vermisst du diese Dynamik oder könnt ihr euch trotz Börsengang und Compliance-Richtlinien eine gewisse Agilität bewahren?
Dominik Schwarz: Für uns ist jeder Tag ein Day One und das ist uns auch sehr wichtig. Wir haben starke Leadership Principles formuliert, in dem wir unsere Arbeitsweisen und unseren Spirit festgehalten haben. In unserem Unternehmen ist es wichtig, dass alle Verantwortung übernehmen können. Zudem wächst der ohnehin schon dynamische Markt, wodurch wir uns in einer unfassbar spannenden Umgebung befinden und uns weit davon entfernt befinden, fertig zu sein. Ganz im Gegenteil haben wir permanent mehr Ideen und Wünsche, als wir umsetzen können und wir müssen immerzu fokussieren, welches die wichtigsten Themen sind. Mir macht das Spaß, denn das machen wir jetzt auf einer ganz anderen Skala als zuvor und dementsprechend möchte ich die Zeit nicht zurückdrehen.
Schahab Hosseiny: Vielen Dank für diese Erklärung. Vor welchen Herausforderungen standest du beim SPAC als Chief Inbound Officer oder in welche Prozesse warst du dabei involviert? Kannst du erklären, wie sich deine Position durch diesen Prozess verändert hat und welchen Input du dazu beigesteuert hast? Wie wir sicherlich gleich noch von dir erfahren werden, hat HomeToGo schließlich starke Assets im Digital Marketing.
Dominik Schwarz: Ich möchte noch einen Schritt zurückgehen und erklären, dass Inbound Marketing ein Begriff ist, der heute zwar Assoziationen weckt, dass das vor sieben Jahren aber nicht der Fall war. Dieser Begriff ist bewusst gewählt worden. Eigentlich komme ich aus der SEO-Welt und die meisten Kolleg:innen und die meisten Menschen im Management assoziieren mit SEO nichts Gutes. Daran sind wir als Branche selbst schuld, denn lange wurde in diesem wilden Westen des Digital Marketing so viel Schindluder getrieben, dass zurecht Vorurteile aufgetreten sind. Das hat sich aber geändert und die Realität im Jahr 2022 sieht anders aus. Damit mein Team und ich aber nicht in dem Moment, in dem wir durch die Tür kommen, diese Vorurteile auslösen und die Kund:innen unsere Tätigkeit nicht mehr unvoreingenommen betrachten können, haben wir diesen anderen Namen gewählt. Im Jahr 2015 haben wir uns also für Inbound Marketing entschieden und diesen Begriff eventuell auf andere Art definiert als das anderswo der Fall ist.
Laut unserem Mission-Statement möchten wir alles an Free Real Estate, was nicht durch ein Budget erworben werden kann, besetzen, optimieren und ausweiten. Dieses Real Estate sind freie Flächen, die wir besetzen können. Wir können etwa Kolleg:innen als Expert:innen in TV-Shows schicken oder in einem Artikel zum Thema Ferienhäuser auftauchen, weil wir eine Studie über Preisentwicklung oder Nachfrageentwicklung veröffentlicht haben. Dieses Real Estate kann auch ein Pin auf Pinterest sein oder eine Aktion auf anderen Social-Media-Plattformen, auf denen wir ohne Budget einen Platz besetzen können. Das wichtigste ist, dass wir die Plätze eins bis drei bei Google in den organischen Suchergebnissen besetzen möchten.
Die Prozesse, die dazu führen, dass wir diese Plätze besetzen können, sind oftmals fast identisch. In der Regel geht es darum zu identifizieren, was sich Reisende oder Nutzer:innen wünschen. Irgendetwas muss produziert werden, es muss ein Scope gefunden werden, es muss eine Geschichte entwickelt werden. Für die Geschichte muss außerdem ein Rahmen gefunden werden – ein Bild, ein Text oder eine Tabelle –, da muss man sich also über Formate und Content-Arten Gedanken machen. Schlussendlich macht es aber keinen großen Unterschied, ob diese Geschichte auf einer statischen Seite, die von Google gelesen werden kann, in Form eines Interviews oder in einem News-Artikel lebt. Das ist unsere Definition von Inbound Marketing und ich halte das für eine spannende Definition, weil sie die Jobs dahinter bereichert.
Mittlerweile löst sich das zu einem gewissen Grad auf, weil wir wachsen und dadurch auf mehr Spezialisierung angewiesen sind, aber in den ersten Jahren hatten wir viele 360-Grad-Jobs. Wir haben also Kolleg:innen, die für die Märkte zuständig sind, in denen wir aktiv sind; die sitzen beispielsweise in Frankreich, Polen und Italien, sprechen die entsprechende Sprache nativ und übernehmen Ende-zu-Ende die Verantwortung für die Geschichte, die Kreation – wie die Geschichte also im jeweiligen Markt erzählt wird – und für den Outreach – wie und wo sie ausgespielt wird. Das hat dann dazu geführt, dass verschiedene Kolleg:innen in verschiedenen Ländern plötzlich in einem TV-Studio saßen oder in einem Podcast aufgetaucht sind und HomeToGo präsentiert haben.
Ich finde es einen tollen und bereichernden Job, wenn man eine Geschichte entwickelt und sie anschließend auch präsentieren kann. Das ist also unser Verständnis von Inbound Marketing – das sind also gewisse Arten von Content, PR und Medienarbeit.
Um nach dieser langen Einleitung auf deine Frage zurückzukommen:
„Natürlich war der Börsengang sehr kommunikationsintensiv und mit meinem kleinen, aber effizienten Team habe ich einen großen Beitrag zu der Kommunikation rund um diese spannenden Tage leisten können. Und zwar – und das finde ich besonders wichtig – nicht nur nach außen, sondern auch nach innen.“
Schahab Hosseiny: Das ist wichtig, da bin ich vollkommen bei dir. Inbound Marketing ist für dich im digitalen Umfeld also dafür da, im Non-Paid-Bereich Touchpoints zu generieren – das kann PR-Arbeit, Social Media oder euer Main-Asset SEO sein. Das ist eine spannende Definition von Inbound Marketing und wie du richtig aufgezeichnet hast, ist der Begriff SEO tatsächlich negativ behaftet. Das hängt sicherlich viel mit Affiliate-Marketing zusammen und so ein Image wird man so schnell nicht wieder los. Insofern finde ich es interessant, dass ihr schon 2015 das Wording Inbound Marketing verwendet habt, weil das heute in aller Munde ist.
Dominik Schwarz: Ich glaube auch gar nicht, dass das die einzige Lösung für alle Unternehmen oder der einzige Begriff ist. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich das heute noch einmal so benennen würde, obwohl ich immer noch sehr glücklich damit bin. Obwohl dieser Schuh nicht allen Unternehmen passt, finde ich ein Umdenken dahingehend gut, wo die Suchmaschinenoptimierung und Presse überhaupt sitzen, ob das nicht sogar ähnliche Prozesse sind und wie man die aus ihren Silos herausholen und anders unterbringen kann. Dafür müssen in unterschiedlichen Organisationsformen unterschiedliche Lösungen gefunden werden, aber für uns ist das bis heute ein erfolgreiches Modell.
Content-Marketing: Neue Kanäle und Methoden oder altbewährtes bei HomeToGo?
Schahab Hosseiny: So hört sich das an. Ich glaube, viele Titel kommen und gehen auch. Ich kann mich zum Beispiel noch an den Titel Webmaster erinnern, den ich sogar mal innehatte, den heute aber niemand mehr trägt. Mit Pinterest hast du schon Social Media angesprochen, ich würde zusätzlich gerne mit dir über TikTok sprechen, weil diese Plattform aktuell ein aggressives Wachstum hinlegt und auf eurer Webseite habt ihr TikTok Pixel bereits integriert. Wie sieht eure TikTok-Strategie im Non-Paid-Bereich aus?
Dominik Schwarz: Dazu gibt es noch nicht so viel zu erzählen, weil wir damit noch am Anfang stehen. Wir halten Experimente aber für wichtig und beobachten diese Entwicklung genau. Bei uns gibt es etablierte und weniger etablierte Kanäle und wir versuchen, die richtige Balance zu finden. Einerseits wissen wir nämlich genau, was unser Return ist und mit welchem Input wir welchen Impact erreichen und darauf fokussieren wir. Gleichzeitig lassen wir ein Fenster offen für Experimente, die keinen baldigen Return garantieren, denn so sammelt man Erfahrungen.
Es gibt tolle Beispiele von Einzelpersonen, die über TikTok wahnsinnigen Erfolg haben. Bei Duolingo und Ryanair gibt es zum Beispiel einzelne junge Menschen, die Millionen Follower und eine unglaubliche Reichweite haben. Das finde ich unglaublich inspirierend, kopieren würde ich dieses Konzept aber nicht. Stattdessen muss man mit einer eigenen Sprache und einem eigenen Verständnis in diese Kanäle gehen, um herauszufinden, welchen Mehrwert man dort für die eigene Zielgruppe generieren kann.
Die erste Frage sollte dabei sein, wie man die eigene Zielgruppe auf dieser Plattform überhaupt erreicht. Das finden wir nur heraus, indem wir spielerisch damit umgehen und damit experimentieren, welche Formate wir produzieren können, welche Formate kurz-, mittel- oder langfristig auf unsere Ziele einzahlen und welche Formate wir konsistent mit einer hohen Qualität ausspielen können.
Aktuell sind wir in dieser Experimentierphase und wir probieren das in verschiedenen Sprachen und Märkten aus. In einem Jahr können wir vielleicht noch einmal darüber sprechen, dann weiß ich mehr.
„Es wäre meiner Meinung nach töricht, die Augen vor neuen Trends zu verschließen und gleichzeitig wäre es unklug, die Aufmerksamkeit zu sehr auf die Experimente zu richten.“
In unseren etablierten Kanälen gibt es noch so viel Potenzial und das ist unser Fokus.
Schahab Hosseiny: Da geht es sicherlich auch um Kapazitäten, das kann ich nachvollziehen. Im Zusammenhang mit TikTok hast du schon über Content gesprochen, kommen wir also zum Thema Content-Marketing. Spätestens seit diesem Jahr sind wir an einem Punkt angekommen, an dem Copywriting Robots meiner Ansicht nach gute Inhalte produzieren. Dazu würde ich gerne deine Meinung hören, ich möchte aber auch über Technologien wie GPT-2 (Generative Pre-trained Transformer) oder Open AI sprechen. Wie geht HomeToGo mit automatisiert produzierten Texten um und wenn ihr damit arbeitet – wovon ich ausgehe –, welche Technologien setzt ihr ein?
Dominik Schwarz: Ich finde es interessant, wie du herausfindest, dass wir mit automatisiertem Content arbeiten und was das über unseren Content aussagt.
Schahab Hosseiny: Das ist ein Bauchgefühl, ich habe keine tiefe Recherche durchgeführt.
Dominik Schwarz: Verstehe. Grundsätzlich finde ich den Fortschritt, der in diesem Bereich gemacht wird, absolut faszinierend und persönlich bin ich ein Freund dieser Entwicklungen, verfolge das sehr nah und sehe darin unendlich viele Möglichkeiten. Aktuell sind diese Möglichkeiten meiner Meinung nach aber noch begrenzt und liefern noch nicht die Qualität, die wir erwarten würden. Bei Content-Generierung stellen wir uns immer die Frage, ob wir auf Scale gehen und dann übersetzen oder ob wir lokalen Content kreieren. Ich halte einen globalen Ansatz für alle Use Cases für zu kurz gegriffen, denn dazwischen gibt es so viele Graustufen, auf die es keine klaren Antworten gibt.
Wenn du beispielsweise für einen Urlaub an die Ostsee fährst und Sonntag dein Anreisetag ist, weißt du, dass am Sonntag alle Läden geschlossen sind und dass du Essen für den ersten Tag selbst mitbringen musst. Wenn du nun aber Amerikaner:in bist und nach Deutschland kommst und ebenfalls an einem Sonntag an der Ostsee ankommst, wirst du überrascht sein, dass du nirgends einkaufen kannst. Das ist eine Information, die in einer Übersetzung nicht enthalten wäre, weil man im deutschen Originaltext natürlich nicht erwähnt, dass am Sonntag die Läden geschlossen sind. Menschen, die nicht daran gewöhnt sind, sind aber auf diese Informationen angewiesen. Und das ist nur ein simples Beispiel, das veranschaulicht, warum wir große Teile unseres Contents lokal produzieren. Wir möchten nämlich durch eine echte Lokalisierung einen Informationsverlust für die Kund:innen verhindern und den Use Case nicht verlieren.
Es gibt aber auch Themen wie die Anreise mit dem Flugzeug oder die Points of Interest in der Umgebung, die sich nicht von Markt zu Markt ändern werden. Der Eiffelturm bleibt beispielsweise der Eiffelturm – egal ob man Französisch, Deutsch oder Englisch spricht – und der wird auch nicht je nach Sprache unterschiedlich hoch sein. Deswegen muss man sich klar darüber sein, an welchen Stellen der Content automatisiert übersetzt werden kann und an welchen nicht. Bei uns besteht der Großteil, wie gesagt, in der lokalen Produktion.
Schahab Hosseiny: Welche Einsatzmöglichkeiten siehst du denn neben der automatisierten Textgenerierung in den Bereichen Audio und Video?
Dominik Schwarz: In Zukunft stehen in den Bereichen sicherlich viele Möglichkeiten offen, wir haben dazu aber keine Projekte, die wir schon skaliert veröffentlicht haben. Allerdings erhalten wir viel Content von unseren Partner:innen; wir haben viele Millionen Ferienhäuser und Angebote aus der ganzen Welt auf unserer Plattform. In unserer App analysieren wir deshalb schon seit Jahren, was überhaupt auf diesen Bildern abgebildet ist, welche Einrichtungsgegenstände es gibt und ob das überhaupt schöne Bilder sind. Das ist aber eine andere Art Content als der Werbe- oder Ratgeber-Content im Upper Funnel, das sind ganz unterschiedliche Welten, die sich auch organisatorisch unterscheiden.
Schahab Hosseiny: Würdest du nach dem letzten Google-Update auch davon ausgehen, dass Video weiter an Relevanz gewinnen wird, auch mit Schwerpunkt in Richtung YouTube?
Dominik Schwarz: Auf den entsprechenden Use Case heruntergebrochen ist das sicherlich der Fall. Die Verwendung von Videos als Informationsträger hat sich in breiteren Schichten durchgesetzt, als das vor drei bis fünf Jahren noch der Fall war. Ich denke, es ist heute deutlich salonfähiger geworden, sich ein 30-sekündiges Video anzuschauen, in dem eine Destination gezeigt wird, als einen Text darüber zu lesen. Auch Video ist nicht der Schuh, der zu jedem Kontext passt, aber sicherlich gibt es Anwendungsmöglichkeiten auch für die Reisebranche, etwa beim Aussuchen von Unterkünften oder Reisezielen.
Schahab Hosseiny: Hast du ein Beispiel im Kopf oder kennst du ein Unternehmen, das in dem Segment gute, skalierbare, synthetische Videos suchmaschinenoptimiert einsetzt?
Dominik Schwarz: Viele behaupten, dass sie gut darin sind und es würden mir auch einige einfallen, die synthetischen Content einsetzen. In gewissen Bereichen gibt es bestimmt relativ simple Anwendungsfälle, wenn es etwa um die Börse, Sport oder das Wetter geht. Dort gibt es Strukturen, die sich einfach umsetzen lassen, das ist aber auch eine andere Art von Konsum. Einen Sportbericht liest man gegebenenfalls aufgrund des Schreibstils der Autor:innen, der eine bestimmte Persönlichkeit transportiert.
„Ich bin nicht überzeugt davon, dass synthetischer Content die Zukunft von jeder Form von Inhalt ist.“
Ich sehe einen ebenso starken Trend hinsichtlich meinungsstarker Schreibstile. Newsletter und Podcasts etwa sind so populär wie nie zuvor und das liegt daran, dass Persönlichkeiten dahinter stecken. Die Information könnte man auch aus einem synthetischen Text gewinnen, aber man möchte vielleicht nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden.
Schahab Hosseiny: Spannend sind in dem Zusammenhang synthetische Persönlichkeiten.
Dominik Schwarz: Richtig, das wollte ich auch gerade sagen. Bis wir da angekommen sind, dauert es noch etwas, aber in absehbarer Zeit wird es wahrscheinlich so weit sein.
Warum CMS nicht ausreichend für HomeToGo ist
Schahab Hosseiny: Lass uns beim Thema Google und YouTube bleiben. Mit MUM hat Google einen neuen Ansatz vorgestellt, der nicht mehr zwischen Text, Bild und Video unterscheidet. Die Präsenz von Video, insbesondere via YouTube, wird damit wahrscheinlich weiter erhöht und wir haben schon bei den letzten Updates gesehen, dass sich bereits etwas in dieser Richtung getan hat. Wir haben schon etwas über das Thema gesprochen, ich wüsste aber gerne noch mehr darüber, wie konkret ihr euch in dem Segment positioniert. Ist das eher im Upper Funnel relevant und konzentriert ihr euch da vielleicht aufgrund der von dir beschriebenen begrenzten Ressourcen auf andere Low-hanging Fruits, die einen höheren Impact haben, anstatt dieses neue Thema anzugehen?
Dominik Schwarz: Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich mein Geld auf Video setzen würde. MUM ist eine spannende Weiterentwicklung, mit Blick auf unsere Use Cases sehe ich aber nicht, dass sich der Markt gedreht hätte, sodass nur noch Videos konsumiert werden. Das ist in anderen Branchen eher der Fall, bei uns wäre das aber zu kurz gegriffen. Bei HomeToGo haben wir eine spannende Sache umgesetzt, und zwar haben wir ein hervorragendes Verständnis davon, über welche Inhalte wir verfügen. Die meisten Leute, die einen Online-Shop oder E-Commerce-Portal betreiben, wissen gar nicht, über welche Inhalte sie verfügen, weil die meisten CMS darauf nicht ausgelegt sind.
„Viele CMS funktionieren gut beim Aufbau von Seiten, aber nicht beim tatsächlichen Management von Content.“
Wir dagegen haben intern ein gutes Verständnis dafür entwickelt, für welche Themen wir welche Arten von Content in einer gegebenen Menge und Qualität haben. Wir können auch Remixes von Content bauen, wenn wir zum Beispiel wissen, dass wir aus 20 verschiedenen französischen Städten jeweils bestimmte Content-Arten und Metainformationen haben. Dann kann man diesen Content nämlich relativ beliebig neu mixen, und zwar unabhängig von der Ausgabeform. Dann ist es fast egal, ob das als Text oder Video ausgegeben wird. Deswegen bin ich extrem optimistisch und froh zu wissen, dass wir sofort bereit sind, falls sich etwas verändert und wir auf ein anderes Format reagieren müssen. Die Problematik liegt allenfalls darin, den richtigen Zeitpunkt zu definieren und zu entscheiden, wann ein Investment wirklich lohnenswert ist. Aber morgen ist es mit Video sicher noch nicht so weit.
Schahab Hosseiny: Ihr habt also ein Content Asset Management und aufgrund dieses breiten Portfolios könnt ihr schnell kuratieren und neue Inhalte dadurch schaffen, dass ihr viele unterschiedliche Puzzleteile neu zusammenführt.
Dominik Schwarz: Exakt.
Schahab Hosseiny: Es ist eine gute Herleitung, dass ein klassisches CMS genau das nicht kann.
Dominik Schwarz: Das führt auch zu Problemen. Wenn man nämlich nicht weiß, über welche Inhalte man verfügt, produziert man neue Inhalte, die sich womöglich doppeln und man verschwendet Zeit. In einem CMS ist vielleicht hinterlegt, welche interessanten Themen und Points of Interest es an einer Destination gibt, wie die Nachfrage aussieht und welche Entwicklungen es in den letzten Jahren gab. Wenn aber niemand weiß, welche Assets genau zur Verfügung stehen, wird gegebenenfalls jemand mit der Produktion neuen Contents beauftragt. Das führt zu Ineffizienz, Personalverschwendung, unnötigen Prozessen und am Ende hat man alles doppelt und dreifach. Das kann man sich aber ersparen und so konnten wir auch in der Vergangenheit sehr agil auf neue Themen und Trends reagieren und das werden wir auch in Zukunft tun.
Schahab Hosseiny: Lass uns noch tiefer in Google MUM einsteigen; MUM hat wahrscheinlich eine Erhöhung von informationsorientierten Suchanzeigen oder -ausgaben zur Folge. Ihr seid eine Metasuchmaschine, richtig?
Dominik Schwarz: Wir sind eine Plattform.
Schahab Hosseiny: Und warum definiert ihr euch als Plattform statt Metasuchmaschine?
Dominik Schwarz: Wir haben tatsächlich als Metasuchmaschine gestartet und waren ähnlich tätig wie KAYAK oder SWOODOO vor vielen Jahren. Wir entwickeln uns Stufe für Stufe weiter und sind jetzt bei einem Plattformstatus angekommen.
Das bedeutet, dass man jetzt direkt bei HomeToGo buchen kann, von dort auch die Buchungsbestätigung bekommt und unseren Customer Support nutzen kann. Das ist ein großer Schritt für uns und eine radikale Weiterentwicklung und ein weiterer Grund dafür, dass ich das Gefühl habe, in den letzten sechs Monaten in verschiedenen Firmen gearbeitet zu haben. Wir haben unser Geschäftsmodell damit nämlich massiv weiterentwickelt und das finde ich spannend.
Schahab Hosseiny: Ihr bildet also als Intermediär viele Transaktionen direkt über die Plattform ab und habt dadurch sicherlich einen direkteren Zugang und Zugriff auf die Beziehung zu den Kund:innen. Ich würde zusätzlich gerne über LaMDA (Language Models for Dialog Applications) sprechen – eine AI, die Konversationen noch programmatischer und menschlicher gestalten soll. Wie wichtig sind das Thema Messenger Marketing und die Conversion-Kette für euch oder wie geht ihr im Bereich Messenger Marketing konkret mit WhatsApp oder ähnlichen Systemen um? Ist das für euch ein spannendes Thema und geht ihr davon aus, dass zukünftig Buchungen eher über Messenger abgebildet werden?
Dominik Schwarz: Auf jeden Fall. Ich habe sogar noch einen Anwendungsfall und das ist der Customer Support. Dort haben wir fantastische Kolleg:innen, die in den letzten Jahren ein beeindruckendes Set-up aufgebaut haben, denn wir möchten für die Kund:innen genau dann da sein, wenn sie ein Problem haben.
Schahab Hosseiny: Bietet ihr Messenger Marketing auf dem First oder Second Level im Customer Support an?
Dominik Schwarz: Die Kund:innen rufen uns tatsächlich an; genauer gesagt schreiben uns über den Facebook-Messenger und ähnliche Dienste und genau da möchten wir also auch sein. Das werden mit der Zeit immer mehr Kanäle und wir möchten an allen Orten präsent sein, an denen sich Menschen aufhalten, wo sie über ihre Probleme berichten und sie an uns herantragen. Dementsprechend ist jede Art der Kommunikation, Automatisierung oder Hilfe zur Selbsthilfe essenziell für uns, um Probleme noch schneller lösen zu können.
„Letztlich besteht unser Anspruch darin, in jeder Situation – ob vor oder nach der Buchung – omnipräsent zu sein und das geht unter anderem mit der Unterstützung von Technologie.“
Ein Großteil meiner Kolleg:innen sind Software-Entwickler:innen – eigentlich sind wir also kein Reiseunternehmen, sondern größtenteils ein Software- und Tech-Unternehmen. Wir haben vergleichsweise große Abteilungen mit Kolleg:innen, die ausschließlich damit beschäftigt sind, in den Einzelbereichen Technologielösungen für unsere Kund:innen zu entwickeln. Das betrifft das Kernprodukt ebenso wie den Support rund um das Kernprodukt.
HomeToGo vs. Google: Warum HomeToGo für einen fairen Wettbewerb kämpft
Schahab Hosseiny: HomeToGo ist unter anderem dafür bekannt, dass ihr gegenüber Google Beschwerde eingelegt habt unter der Berufung auf das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung. Hier in Berlin sitzt außerdem Idealo, die Google mit derselben Begründung auf rund eine halbe Milliarde Euro verklagen. Was ist derweil aus eurer Beschwerde geworden?
Dominik Schwarz: Wenn man an der Börse notiert ist, kann oder möchte man sich nicht mehr zu allem äußern, aber ganz allgemein ist es so, dass Google eines der weltweit größten und mächtigsten Unternehmen ist, das von sich selbst sagt, es hätte die beste Maschine gebaut, um Qualität zu evaluieren. Sie sagen von sich, dass sie mit dieser Maschine erkennen können, was gute und was schlechte Qualität ist und dass man sich als Webmaster um gar nichts mehr kümmern muss. Aus den jeweiligen Portalen, Webseiten und E-Commerce-Shops behaupten sie nämlich ableiten zu können, wie hoch die Qualität eines Produktes ist.
Nun haben sie aber angefangen, eigene Produkte zu bauen und ausgerechnet diese Produkte müssen sich nicht dieser Qualitätsüberprüfung unterziehen lassen, sondern sind ganz oben in der Ergebnisliste verankert – unabhängig davon, ob die Systeme von Google sie als gut oder schlecht bewerten würden. Wir finden, das kann nicht richtig sein.
Wenn die Qualität gut ist, haben Unternehmen wie Idealo oder HomeToGo keine Angst vor einem fairen Wettbewerb, denn wir konkurrieren bereits mit den global größten Unternehmen. Wichtig in diesem Kontext ist aber das Stichwort Fairness.
„Wenn sich alle Unternehmen in einem Qualitätswettbewerb messen müssen, um bei Google organisch gelistet zu werden und Google sich über diesen Wettbewerb erhebt und sich selbst auf die erste Position setzt, finde ich das schwierig.“
Schahab Hosseiny: Mit dem Thema werden sich jetzt sicherlich viele Behörden und Rechtsanwält:innen beschäftigen. Sollten die schlussendlich zu Googles Gunsten entscheiden, geht dann von Google eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell aus?
Dominik Schwarz: Google ist schon jetzt auf dem Markt und wir gehen bereits jetzt mit diesem Unternehmen um. Viel kann ich zu den künftigen Entwicklungen nicht sagen, andererseits sind wir aktuell so transparent wie nie zuvor. Deswegen haben wir Investor Relations (IR) und Informationen hinsichtlich unseres Standpunkts und unserer Zahlen auf unserer Webseite veröffentlicht. Da kann man sich selbst ein gutes Bild davon machen, wie das alles funktioniert, während Google sein aktuelles Verhalten an den Tag legt.
Schahab Hosseiny: Wie stehst du zu Zero-Click Searches auf Google? Für Endkonsument:innen sind die natürlich praktisch, weil man blitzschnell Informationen erhält. Die Publisher sind davon allerdings nicht begeistert. Wie stehst du dazu?
Dominik Schwarz: Ich bin in dem Zusammenhang relativ entspannt, weil ich kein Publisher im klassischen Sinn bin. Für Unternehmen, deren einziger Geschäftszweck darin besteht, einzelne Antworten zur Verfügung zu stellen und welche diese Antworten nicht als Original-Content zur Verfügung stellen können, wird es aktuell natürlich schwierig. Andererseits frage ich mich, ob das überhaupt tragbare Geschäftsmodelle sind und ob die in einem anderen Kontext eine Zukunft haben könnten. Wenn man keinen originellen Content produziert und nur Inhalte veröffentlicht, die es schon an fünf anderen Stellen gibt, ist nachhaltiges Wirtschaften schwierig. Arbitrage-Modelle leiden natürlich sehr darunter, dass Google ihre Inhalte direkt als Antwort zur Verfügung stellt. Von Fragen wie: „Google, wie ist das Wetter morgen“, haben die Wetterplattformen im Zweifel nichts.
Schahab Hosseiny: Die guten Wetterplattformen verzeichnen aktuell tatsächlich Reichweitenrekorde.
Dominik Schwarz: Diese Reichweiten erreichen sie wahrscheinlich nicht mehr mit dieser einfachen Frage, sondern mit zusätzlichen Lösungen. Dementsprechend ist es gut und wichtig, dass sie sich weiterentwickeln. Bei HomeToGo sieht es so aus, dass wir mit wenigen Fragen und Antworten konfrontiert sind, die sich in einem einzigen Satz stellen und beantworten lassen. Grundsätzlich ist Voice Search eher ein Aus- und Eingabekanal als ein komplett neues Prinzip. Für Voice würde ich nichts anderes tun als für die generelle Suchmaschinensichtbarkeit, insofern gibt es in diesem Kontext keinen Action Point.
Wir beobachten, ob sich das Verhalten ändert, aber in den letzten Jahren habe ich kaum Bewegungen gesehen, die über Fragen nach dem Wetter, der Fahrzeit zu einem bestimmten Ziel und Trivia-Fragen hinausgehen. Auch in meinem eigenen Verhalten beobachte ich nicht, dass ich darüber hinausgehende Funktionen genutzt hätte. Falls sich das ändert, werden sich die Mechanismen dahinter nicht wesentlich von der heutigen textbasierten Suche unterscheiden.
Schahab Hosseiny: Du verwendest die Suchmaschine Nona. Magst du sagen, was das überhaupt ist und warum du dich dafür entschieden hast?
Dominik Schwarz: Ich nutze Nona, weil mir Vielfalt im Suchmaschinenmarkt wichtig ist. Es gibt immer mehr Suchmaschinen im europäischen und internationalen Kontext und Nona ist eine Suchmaschine aus Köln. Ich empfinde es als wichtig, dass es immer mehr davon gibt, dass dadurch Innovation, leichter zu bedienende und datenschutzkonformere Alternativen zu den großen Playern entstehen, denn Monopole sind nie gut. Nona hat spannende Ansätze, deswegen unterstütze ich sie gerne dabei, in diesem Markt Fuß zu fassen.
Brand-Building und Akquisition – wie HomeToGo in einem zunehmend dynamischen Markt agiert
Schahab Hosseiny: Du hast eben über große Player wie Google gesprochen. Lass uns über einen anderen Player in eurem Segment sprechen: Airbnb. Die haben kürzlich öffentlichkeitswirksam entschieden, weniger im Bereich Paid zu tun und sich verstärkt durch TV-Spots, Out-of-Home-Werbung, Radio und Funk auf das Brand-Building zu fokussieren. In der Öffentlichkeit hat das Unternehmen das so dargestellt, dass sie sich nicht vollständig aus Paid zurückziehen möchten, dass sie durch eine deutliche Reduktion aber Abhängigkeiten reduzieren und eine starke Brand aufbauen möchten. Wie bewertest du diese Entscheidung? Macht ihr euch auf demselben Weg oder gibt es noch so viele Möglichkeiten im Paid-Bereich, die ihr wahrnehmen möchtet, bevor ihr euch in dieser Tiefe mit Brand-Building auseinandersetzt.
Dominik Schwarz: Die Analyse zu Airbnb muss ich dir überlassen – du hast schon erwähnt, was die aktuell machen. Ich lese dasselbe, glaube aber nicht, dass meine Meinung dazu relevant ist. Bei HomeToGo versuchen wir, alle Kanäle und Möglichkeiten so effizient wie möglich auszuschöpfen.
Wir haben ein hervorragendes Paid-Team mit ausgezeichneten Expert:innen, die dieses Thema so effizient bearbeiten, wie ich es nie zuvor gesehen habe. Programmatic Marketing ist ein breites Feld, das in den letzten Jahren enorm gewachsen ist. Im Grunde haben die das spiegelbildliche Mission-Statement zu dem, was ich vorhin in Bezug auf Inbound erzählt habe. Im Zusammenhang mit Inbound habe ich gesagt, dass wir das gesamte Free Real Estate besetzen möchten und die Kolleg:innen im Paid-Team möchten alle Paid-Plätze effektiv und effizient besetzen. Diese Aufgabe ist nie abgeschlossen und stellt eine wichtige Basis für unseren Erfolg dar.
Wir machen aber noch mehr – du hast etwa das Thema Brand angesprochen. Neben dem Börsengang haben wir im letzten Jahr einen Relaunch unserer Brand vorgenommen. Wir sehen jetzt anders aus, fühlen und hören uns anders an und ich halte unsere neue Appearance für sehr gelungen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wir einen modernen Anstrich, der ausgezeichnet ankommt. In diesem Kontext haben wir ständig ein Auge auf unsere gestützte und ungestützte Markenbekanntheit und ihre Entwicklung. Und mit der sind wir aktuell sehr zufrieden.
Schahab Hosseiny: Ich formuliere meine Frage etwas um, weil du keine ganz konkrete Antwort darauf geben möchtest. Wenn wir uns die Channels von HomeToGo anschauen, habt ihr ein höheres Wachstumspotenzial im Bereich Paid oder Organic?
Dominik Schwarz: Ich glaube tatsächlich nicht, dass sich diese Frage so einfach beantworten lässt. Zunächst befinden wir uns in einem stark wachsenden, dynamischen Markt – das ist also kein Nullsummenspiel, sondern der Kuchen wird von Jahr zu Jahr größer. Zudem lassen sich die Dynamiken dieses Marktes schwer vorhersagen. Aktuell stecken wir alle in einer durch einen furchtbaren Krieg ausgelösten Krise, vorher wurden Menschen weltweit von Corona schwer gebeutelt – beides hatte ironischerweise grundsätzlich eher positive Auswirkungen auf den Ferienhausmarkt. Denn in unsicheren Zeiten entscheiden sich viele Menschen oft für sichere Varianten wie Ferienhäuser als All-inclusive-Urlaube im Ausland. Dadurch sind vollkommen neue Dynamiken entstanden, die sich nicht über einen Zeitraum von beispielsweise fünf Jahren planen lassen, sondern auf die man agil reagieren muss.
Wenn du nach dem größten Wachstumspotenzial fragst, haben wir natürlich eine am Reißbrett angefertigte Strategie. Für mindestens ebenso wichtig wie eine Strategie halte ich aber agile Reaktionen auf Veränderungen, die buchstäblich über Nacht auftreten. Nach diesen Veränderungen können sich die Potenziale und die Prioritäten hinsichtlich unterschiedlicher Kanäle nämlich verschieben.
„Man sollte sowohl den aktuellen Markt verstehen und wie er sich langfristig entwickeln könnte und gleichzeitig muss man in der Lage sein, kurzfristig vom langfristigen Plan abzuweichen.“
Schahab Hosseiny: Ihr habt also eine langfristige Strategie in Bezug darauf, in welchen Kanälen ihr wachsen möchtet. Gleichzeitig fahrt ihr auf Sicht und agiert kurzfristig, falls sich neue Möglichkeiten eröffnen.
Dominik Schwarz: Absolut.
Schahab Hosseiny: Okay. Lass uns noch kurz über eure Amivac-Akquise sprechen. Welche Rolle hat das Inbound-Marketing bei der Due Diligence übernommen?
Dominik Schwarz: Wir haben in der Vergangenheit relativ viele Akquisitionen durchgeführt, seit unserem IPO sind unsere M&A-Aktivitäten zudem transparenter. Inzwischen gehören zahlreiche Marken zu uns und wir betreuen weltweit eine dreistellige Anzahl an Domains. Wir müssen also mit vielen verschiedenen Assets in unterschiedlichen Ländern umgehen. Dabei ist die organische Sichtbarkeit natürlich stets relevant für uns und sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung, ob sich ein spezifisches Target für uns lohnt.
Im Onboarding-Prozess besteht der offensichtliche Teil darin, dass man ein M&A-Target ausmacht, sich auf einen Preis einigt, einen Vertrag unterschreibt und das Eigentum an der jeweiligen Webseite übertragen bekommt. Danach kann man aber nicht einfach so mit der Webseite weitermachen, wie es bisher gelaufen ist – das funktioniert nicht. Wenn man zehn verschiedene Brands mit zehn verschiedenen Abläufen hat, kann man die nicht individuell betreuen und gegebenenfalls sogar ausbauen.
Deswegen besteht bei uns ein erfolgreicher M&A-Prozess nicht ausschließlich im Input vom Inbound-Marketing, sondern auch in der Transition in die Technologie von HomeToGo. Natürlich möchten wir die Brands weiterführen, aber das können wir nur tun, weil wir ein System entwickelt haben, in dem wir Assets auf eine einheitliche Plattform umziehen können, ohne große Umbrüche im Frontend zu verursachen. Dadurch können wir den Search Value beibehalten und optimieren und vereinheitlichen gleichzeitig den Motor unter der Haube. Und auf dieses in den letzten Jahren von meinen Kolleg:innen professionalisierte und optimierte Onboarding können wir meiner Ansicht nach besonders stolz sein.
Schahab Hosseiny: Das waren hervorragende Abschlussworte. Vielen Dank für das kurzweilige Gespräch.
Dominik Schwarz: Danke für die Einladung.
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