Social Business, FinTech und zertifizierte B Corporation: Tomorrow wurde 2018 von Inas Nureldin, Jakob Berndt und Michael Scheikart gegründet, um Geld zu einem Hebel für positiven Wandel statt Teil des Problems zu machen. Inzwischen hat das Unternehmen 120 Mitarbeiter:innen und über 90.000 Kund:innen, denen sie das erste klimaneutrale Bankkonto der Welt anbieten. Langfristig möchte Tomorrow die führende digitale Nachhaltigkeitsbank Europas werden.
Jakob Berndt, Co-Founder von Tomorrow, spricht im 1:1-Fireside-Chat mit Mario Rose darüber, wie er von Lemonaid zu Tomorrow gekommen ist, wie Banking und Nachhaltigkeit zusammenpassen, wie Tomorrow großes Marketing für kleines Geld betreibt und die Nachhaltigkeit seiner Investments sicherstellt.
Das Video mit Jakob Berndt im Talk
Vom Pressereferenten zum Unternehmer zum Banker
Mario Rose: Heute ist der erste Tag unserer zweitägigen OMKB-Konferenz und wir starten gleich mit einem hochkarätigen Gast durch, und zwar Jakob Berndt, Co-Founder der Nachhaltigkeitsbank Tomorrow. Moin, Jakob. Schön, dass du hier bist.
Jakob Berndt: Moin, Mario. Es ist schön, hier zu sein.
Mario Rose: Du bist aus Hamburg angereist, richtig?
Jakob Berndt: Genau, ich bin gestern angereist, habe noch ein paar Termine in Berlin wahrgenommen und bin dann zu euch gekommen.
Mario Rose: Sehr schön. Lass mich dich kurz vorstellen: Jakob hat angewandte Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg und der University of Sydney studiert. Nach seinem Studium war er zunächst strategischer Planer und Pressereferent bei Jung von Matt und 2009 gründete er mit zwei Begleitern das Unternehmen Lemonaid Beverages GmbH, zu dem auch ChariTea gehört. Lemonaid und ChariTea sind weiterhin sehr erfolgreich, mittlerweile in 15 Märkten aktiv und haben inzwischen mehr als vier Millionen Euro für soziale Projekte erwirtschaftet. Von dem Erlös jeder verkauften Flasche werden nämlich fünf Cent an wohltätige Zwecke gespendet. Jakob hat mit Tomorrow seinen Fokus nun auf das Thema der digitalen Nachhaltigkeitsbank gelenkt und darüber möchten wir heute mit ihm sprechen.
Jakob, um zu verstehen, wie du von einem Limonaden-Unternehmen zu einer Bank gekommen bist, lass uns noch einen Schritt zurück machen. Du hast dein Arbeitsleben also bei Jung von Matt begonnen und hast dann das Unternehmen Lemonaid gegründet. Worin bestand damals dein Antrieb, Unternehmer zu werden und damit nachhaltig etwas zu bewegen?
Jakob Berndt: Das ist eine berechtigte Frage. In das Unternehmertum bin ich gewissermaßen reingerutscht – das ist also etwas anders gelaufen als bei vielen, die sich schon vor dem Studium vornehmen, eines Tages auf eigenen unternehmerischen Füßen zu stehen. Ich habe recht lange bei Jung von Matt gearbeitet und dort viel gelernt und mitgenommen. Allerdings habe ich frühzeitig gemerkt, dass ich mich mit dem Arbeitsfeld, meiner Rolle dort und der Tatsache, dass ich viel Zeit und Energie in eine Tätigkeit gesteckt habe, die sich nicht mit meinen persönlichen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen gedeckt hat, nicht vollkommen identifizieren konnte.
Dort habe ich immer für große Konzerne gearbeitet und weil das nicht zu mir gepasst hat, habe ich nebenbei immer wieder Trippelschritte in andere Richtungen gemacht. Unter anderem habe ich mit zwei Freunden ein Online-Portal für Kunst und eine kleine Galerie auf St. Pauli gegründet. Das hat zwar nicht funktioniert, aber ich habe dadurch festgestellt, dass ich kein Teil eines großen Apparats sein wollte, in dem ich für große Akteur:innen lediglich ein kleines Rädchen in einer Maschine, deren Output ich nicht besonders toll finde, bin.
Und dann kam mein Freund Paul Bethke mit der noch vagen Idee zu Lemonaid um die Ecke und ich habe gemerkt, dass diese Idee alles mitbringt, was ich machen möchte: die Gesellschaft verändern, selbst am Steuer sitzen und ein weißes Blatt Papier beschreiben. Und so habe ich mich zufällig in der Rolle des Unternehmers wiedergefunden – mit all den Widrigkeiten, die dazugehören.
Mario Rose: Wow. Du warst auch viele Jahre lang dabei und hast die Geschicke von Lemonaid und ChariTea begleitet. Das war insbesondere in Hinblick auf das digitale Marketing noch eine andere Zeit. Es gab noch andere Ansätze, wenn es darum ging, ein Unternehmen großzumachen – auch im Bereich B2C und endkund:innenorientierte Kommunikation. Kannst du dich noch an die Hebel erinnern, die entscheidend waren und dazu geführt haben, dass ihr so groß geworden seid und eure Bekanntheit so sehr steigern konnten?
Jakob Berndt: Wenn ich mir die Jahre anschaut, die seitdem verstrichen sind, kommt mir das gar nicht so lange vor, aber im Marketing ist in der Zeit natürlich viel passiert.
“Vor zwölf Jahren hat das Thema Digitalität im Marketing für uns noch gar keine entscheidende Rolle gespielt.”
Wir waren viel offline unterwegs und haben viel Point of Sale (POS) gemacht und erst nach und nach haben wir einen Zugang dazu gefunden, unsere Geschichte über Social Media zu erzählen.
Es waren anfangs primär analoge Räume und Kontaktpunkte, die für uns entscheidend waren. Wir haben großen Wert auf das Design und die Haptik des Produkts gelegt und darauf, es an den richtigen Orten zu inszenieren. Damit waren wir von den großen Musikfestivals bis zur Berlinale vertreten und haben immer nach neuen Wegen gesucht, das Produkt in die Hände der Leute zu bekommen. Erst sukzessiv hat sich für uns herausgestellt, dass man dieses Erlebnis digital verlängern und inszenieren kann.
Mario Rose: Wenn ich mich richtig erinnere, gab es irgendwann eine Diskussion darüber, ob ihr euch überhaupt Limonade nennen dürft, weil euer Getränk zu gesund war. Das war doch absurd, oder?
Jakob Berndt: Ja, das ist in der Zeit passiert, als ich nicht mehr operativ am Ruder stand. Meine Mitstreiter:innen von damals haben schlau einen Nutzen daraus gezogen, dass ihnen irgendwelche öffentlichen Ämter diesen Titel entziehen wollten, weil in dem Produkt nicht genügend Zucker enthalten ist. Diese Absurdität der öffentlichen Rechtsprechung ließ sich über PR natürlich gut verlängern und drehen. Mit diesen Federn möchte ich mich aber nicht schmücken, weil ich zu dieser Zeit nur noch Beobachter war.
Mario Rose: Zu der Zeit wart ihr auf jeden Fall Teil jeden digitalen News-Feeds.
Jakob Berndt: Oh ja, das war ein guter Stunt.
Der Podcast mit Jakob Berndt, Co-Founder der Nachhaltigkeitsbank Tomorrow
Mario Rose: Ich habe es eben schon angedeutet und es ist auch kein Geheimnis, dass du bei Lemonaid und ChariTea nicht mehr an Bord bist, obwohl die Unternehmensreise so erfolgreich verlaufen ist, mit der ihr bereits viel Gutes tun konntet und weiterhin tut, was auch dir persönlich wichtig ist. Warum hast du dich dennoch dazu entschieden, deine persönliche Reise mit diesem Unternehmen zu beenden?
Jakob Berndt: Der Begriff Reise ist ein gutes Stichwort.
“Ich war fast zehn Jahre lang auf dem schnellen Zug namens Lemonaid unterwegs, der mich an viele Orte in der ganzen Welt gebracht hat, die ich als Tourist nie entdeckt hätte.”
Ich habe zum Beispiel in Südafrika Rooibos geerntet, Zuckerrohr in Paraguay geschlagen und in Sri Lanka Tee gepflückt. Auch inhaltlich habe ich eine Metamorphose durchgemacht und nach zehn Jahren hat sich das Gefühl verfestigt, dass ich Lust habe, noch ein weißes Blatt Papier zu beschreiben, eine neue Herausforderung und ein neues Thema anzugehen, weil meine Lernkurve bei Lemonaid an ihr Ende gekommen war. Also habe ich gemeinsam mit meinen damaligen Partnern beschlossen, dass sie das Unternehmen ohne mich weiterführen und mir eine kleine Auszeit genommen. In der Zeit habe ich mich sehr für eine NGO engagiert, bin gereist und dann war es Zeit für ein neues Projekt.
Banking und Social Business – wie passt das zusammen?
Mario Rose: Das ist sehr verständlich. In Start-up-Städten wie Hamburg oder Berlin sehen wir, dass Erfolg und nachhaltiges Handeln für immer mehr Gründer:innen relevant wird, in dem Zusammenhang wird auch oft der Begriff des Social Entrepreneur genutzt. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber meiner Meinung nach wird der fast schon inflationär verwendet. Erkläre bitte vor dem Hintergrund dieser Social Entrepreneurship deinen Sprung in das Banking Business. Im ersten Moment tauchen nämlich Fragezeichen auf, wenn man so einen Schritt von nachhaltigen Getränken mit Spenden an gute Zwecke in den Finanzsektor sieht, der auf den ersten Blick nämlich nicht Teil dieses Themas Social Entrepreneurship zu sein scheint. Wie bist du von der Limonade zur Bank gekommen?
Jakob Berndt: Du hast die richtigen Stichpunkte schon genannt. Zum einen scheint eine Diskrepanz zwischen dem Getränke- und dem Banking-Markt zu bestehen. Es gibt dort aber in vielerlei Hinsicht Parallelen. In beiden Bereichen habe ich mir die Frage gestellt, wie man einen etablierten Markt aus sich heraus noch einmal neu erfinden und wie man Menschen für eine Geschichte begeistern kann, die bisher ihr Dasein in einer verstaubten Ecke gefristet hat. Bei Lemonaid haben wir das damals mit den Themen Fairtrade und kleinbäuerliche Landwirtschaft gemacht. Das waren vermeintlich langweilige Nischenthemen, die wir aufpoliert und an den Zeitgeist angepasst haben.
Hinter Tomorrow steckt eine ähnliche Mission. Auch hier haben wir das Thema nachhaltiges Banking oder nachhaltige Finanzen nicht erfunden – Akteurinnen wie die GLS oder die Triodos machen das schon seit Jahren auf eine sehr authentische Weise. Unserer Meinung nach konzentrieren die sich aber auf eine Nische, deshalb haben wir uns den Auftrag gegeben, das Thema aus dieser Nische zu holen und herauszufinden, wie wir das darreichen, verändern und wie wir diese Geschichte erzählen können, sodass das Thema den Weg in die Mitte der Gesellschaft findet. Insofern ähneln sich die Aufträge an Lemonaid und Tomorrow sehr.
Ich verstehe mich gar nicht als Banker und das gilt wahrscheinlich auch für die anderen 130 Leute, die mit an Bord sind. Wir machen das trotzdem, weil da ein wahnsinniger Hebel für gesellschaftliche und ökologische Veränderung sitzt.
“Aktuell hat die Branche viel Dreck am Stecken, gleichzeitig wohnt ihr die Chance inne, vieles zum positiven zu verändern.”
Das reizt uns daran, in dieses Haifischbecken zu springen.
Mario Rose: Spannend. Lass mich noch ein paar Fakten zu Tomorrow nennen, bevor wir intensiver in das Thema einsteigen. Tomorrow ist im Jahr 2017 als Pionier in den Bereich der grünen FinTechs gestartet. Im Jahr 2021 habt ihr zusätzliche 14 Millionen Euro eingesammelt und mittlerweile habt ihr über 120.000 Kund:innen. Ihr bewegt euch in einem Markt mit über 500 Millionen Personen in ganz Europa, die ein Bankkonto besitzen dürfen, was zunächst ein unglaublich spannendes Wachstumspotenzial für euch bedeutet – sofern ihr euch überhaupt auf Europa beschränken wollt. Weiteres Geld soll perspektivisch unter anderem von Crowd-Investor:innen kommen, die teilweise jetzt schon an Bord sind und das Geschäftsmodell mittragen.
Wenn wir uns Tomorrow als Marke zuwenden, ist die Namensgebung natürlich kein Zufall, sondern ihr möchtet die Vision des Bankings von morgen prägen. Das ist ein starker Satz – was bedeutet es für dich persönlich, die Vision des Bankings von morgen zu prägen?
Jakob Berndt: Wir haben in der Tat große, prosaische Worte gewählt.
“Der Markenname ist natürlich nicht zufällig gewählt worden, sondern vielmehr mit einer ordentlichen Portion Symbolik aufgeladen, der wir auch gerecht werden wollen.”
Dabei gibt es drei Veränderungsfelder, in die wir rein möchten:
- Das primäre Motiv ist der Nachhaltigkeitsaspekt des Bankings. Ich habe schon anklingen lassen, dass die Finanzbranche in vielerlei Hinsicht Teil der großen Probleme ist, vor denen wir als globale Gemeinschaft stehen. Aktuell finanziert diese Gemeinschaft vorwiegend die alten, bösen, dreckigen, Branchen, auf die wir eigentlich verzichten könnten. Deswegen müssen wir das Geld dorthin lenken, wo es Teil der Lösung statt des Problems sein kann.
- Der zweite Aspekt besteht darin, Transparenz in einer Branche zu schaffen, die unglaublich undurchsichtig ist. Wir alle haben Bankkonten und gegebenenfalls auch Aktiendepots und agieren in dieser Form mit Banken, dennoch verstehen viele nicht, wie dieses Wirtschaftssystem und wie seine Wertschöpfungsketten funktionieren. Man liest immer nur von horrenden Boni und Cum-Ex-Skandalen, aber man versteht das System dahinter nicht. Deswegen besteht unser zweiter Auftrag darin, maximale Transparenz in diesem Bereich zu schaffen. In unserer App kann man in Echtzeit sehen, wie viele Kund:innen bei uns sind, über wie viel Geld die verfügen und wohin dieses Geld fließt.
- Der dritte Aspekt hat mit der Darreichung zu tun. Da fragen wir uns, wie wir Banking stärker im Alltag und den Lebensrealitäten der Menschen verankern können. Dabei geht es viel um UX (User Experience), Convenience und den Abbau von Barrieren. Es gibt einen Satz, den man bei uns überall lesen kann: „If you want to save the world, you have to throw a better party than those who are destroying it.” Dementsprechend geht es uns darum, eine geile Party zu schmeißen und ein Produkt zu bauen, was im Alltag der Menschen ganz funktionale Bedürfnisse befriedigt.
Das sind also die drei Handlungsfelder, innerhalb derer wir navigieren und zusammen ergeben sie den Auftrag, den wir uns selbst mit Blick auf das Banking von morgen gestellt haben.
Mario Rose: Gib uns noch einen kleinen Einblick zum aktuellen Entwicklungsstand von Tomorrow. Ihr kommt aus Hamburg, habt dort weiterhin euren Hauptsitz. Wie sieht aktuell eure Unternehmensstruktur aus? Wie viele Mitarbeiter:innen habt ihr? Habt ihr Bedarf nach speziellen Talenten, etwa aus dem Bereich Development?
Jakob Berndt: Wir verstehen uns als Social Business, mit dem von dir angesprochenen Stichwort Social Entrepreneurship kann ich also ganz gut leben. Auf der anderen Seite sind wir ein Technologieunternehmen; wir bauen eine technologische Plattform beziehungsweise haben bereits große Teile davon gebaut, die wir jetzt erweitern. Unser Team ist aktuell etwa 125 Köpfe stark, sitzt größtenteils in Hamburg, ist aber sonst überall auf der Welt verstreut – das ist heute in dem Ökosystem, in dem wir uns bewegen, einfach unternehmerische Realität.
“Fast die Hälfte unseres Teams kann man dem Bereich des Engineering/ Product/ UX zuordnen.”
Die sitzen gewissermaßen im Maschinenraum und gestalten die Banking-Experience vom Backend bis zum Frontend.
Außerdem gibt es natürlich den Customer Support; wir sind eine dialogorientierte Marke und investieren daher stark darin, präsent und erreichbar zu sein und Fragen zu beantworten. Der Rest konstituiert sich aus den klassischen Funktionen wie Brand und Growth Marketing. Zudem gibt es eine große People & Culture Unit; in diesem Bereich sind wir personell und inhaltlich überproportional gut besetzt, weil wir viel in Werte und Organisationen investieren. Auch unternehmerisch finden wir es spannend, herauszufinden, wie man eine Organisation bauen kann, die auch in der Zusammenarbeit zeitgemäß ist. Es geht dabei nicht nur darum, ein Produkt zu haben, das dem Anspruch von morgen genügt, auch nach innen sollte das eine tolle Organisation sein.
Rasantes Wachstum und Nachhaltigkeit – geht das?
Mario Rose: So eine Organisation zu schaffen, wird eine große Herausforderung mit sich bringen, gerade weil ihr ambitionierte Pläne für eure Weiterentwicklung habt. Einen großen Meilenstein habt ihr sogar schon erreicht und Ende 2021 hast du im FinanceFWD-Podcast gesagt, dass ihr aktuell so stark wachst wie nie zuvor, was sicherlich auch immer strukturelle Herausforderungen mit sich bringt. In dem Podcast hast du auch gesagt, dass ihr bis 2024 die Schallmauer von 1 Million Kund:innen respektive eröffneten Konten durchbrechen möchtet. Wenn man das hochrechnet, strebt ihr eine jährliche Verdoppelung an – also durchaus eine progressive Wachstumskurve.
Du bist einerseits begeistert davon, dich unternehmerisch ambitioniert Projekten hinzugeben, andererseits lehnst du aber Wachstum um jeden Preis ab. Eure Investor:innenfamilie umfasst Family-Offices, institutionelle Investor:innen, aber auch Crowd-Investor:innen. Siehst du einen Zielkonflikt zwischen der von euch angestrebten rasanten Wachstumskurve einerseits und dem Anspruch, eine gute Organisation mit sauberen Strukturen und nachhaltigem Wachstum zu sein, andererseits?
Jakob Berndt: Du hast recht, das ist auf jeden Fall ein neuralgischer Punkt. Ich würde ihn aber nicht als Zielkonflikt beschreiben, weil die groben Ziele bei allen Stakeholdern aufeinander abgestimmt sind.
“Das Team, die Investor:innen und unsere Community eint das Ziel, nachhaltiges Banking großzumachen, aus der Nische herauszuholen, in die Mitte der Gesellschaft zu führen und perspektivisch zu internationalisieren.”
Alle stehen also hinter den Themen groß, mutig und skalierbar.
Es geht natürlich trotzdem darum, wie, wie schnell und zu welchem Preis man das macht. An dieser Stelle agieren wir sicherlich anders als Akteur:innen in der Branche und unserem Vertical, die auf Hypergrowth getrimmt sind, weil wir werteorientiert arbeiten und darauf achten, die Interessen aller Stakeholder zusammenführen. Wir sind außerdem eine zertifizierte B Corporation und gehören zu den fünf besten B Corps der Welt. In diesem Nukleus geht es darum, allen Interessengruppen gerecht zu werden; der Öffentlichkeit, den Mitarbeiter:innen, Partner:innen, Investor:innen. Schlussendlich geht es also nicht darum, den Profit in den Fokus zu stellen, sondern darum, all diesen Interessen zuträglich zu sein.
Das haben wir immer offensiv und klar formuliert, als B Corp muss man das sogar im Gesellschaftsvertrag verankern, das ist also keine hohle Phrase. Das haben immer alle gewusst und deshalb sind unsere Investor:innen erklärte Impact-Investor:innen – das sind Leute, die ihr Geld gezielt in Unternehmen investieren, die positive Veränderungen bewirken. Insofern haben wir einen offenen und transparenten Dialog, in dem es bisher keine Konflikte gab. Ein Interessenwettstreit kann auch etwas Positives sein, weil man immer ein Korrektiv hat. Hinter der Grundsatzmission stehen aber alle: Tomorrow groß machen, auf dem Weg aber keine Leichen im Keller verscharren, sondern positive Veränderung anstoßen.
Mario Rose: Wie kommt so eine Zieldefinition wie 1 Million Kund:innen bis Ende 2024 zustande? Ist das eine strategische Überlegung mit hoher Relevanz oder eher eine Mission, deren Erreichen gar nicht im Vordergrund steht?
Jakob Berndt: Im Start-up-Bereich kann man alles, was zwei bis drei Jahre in der Zukunft stattfinden soll, nur als Vision titulieren. Darauf arbeiten wir hin und danach richten wir unsere Strategien aus, aber auf dem Weg dahin kann vieles passieren. Insofern steht und fällt das Wohlergehen unserer Organisation nicht mit diesem Fixpunkt, obwohl das eine schöne Zahl mit Symbolkraft ist. Die Geschwindigkeit, die zum Erreichen dieses Ziel erforderlich ist, halten wir für ambitioniert, aber dennoch für möglich. Das ist eine Geschwindigkeit, an der wir uns messen lassen möchten. Dementsprechend geht es gar nicht darum, wann wir die Millionenmarke knacken, sondern das ist ein Fixpunkt, an dem wir uns festhalten und der stellvertretend für das Thema nachhaltiges Banking steht. Wir möchten es uns schließlich nicht in einer Nische gemütlich machen, sondern perspektivisch und im Rahmen der Möglichkeiten auch expandieren.
Besseres Morgen ohne schlechtes Heute – wer ist die Zielgruppe von Tomorrow?
Mario Rose: Wachstum ist einerseits eine strukturelle Herausforderung – man benötigt die richtigen Köpfe mit den richtigen Kompetenzen –, andererseits eine große Marketing-Challenge. Bei der OMKB handelt es sich primär um eine Veranstaltung rund um das Thema digitales Marketing, deswegen würde ich gerne verstehen, wie eure Kernzielgruppe heute aussieht und wie die Zielgruppen aussehen, in denen ihr das größte Wachstumspotenzial seht. Eine klassische These lautet: Ihr seid eher in den städtischen Regionen präsent, eure Kund:innen verfügen über ein überdurchschnittliches Einkommen und sind gut gebildet. Stimmt das so oder erreicht ihr auch ganz andere Leute?
Jakob Berndt: Das ist eine treffende Beschreibung. Die Daten spiegeln dieses Klischee wider, unsere Kund:innen sind in der Regel jung, digitalaffin, städtisch und relativ akademisch. Das trifft aber nicht auf alle zu.
“Grundsätzlich ist unser Produkt interessant für alle, die über 18 Jahre alt sind, ein Smartphone bedienen können und möchten, dass ihr Geld nicht für krumme Geschäfte genutzt wird.”
Insofern haben wir sowohl 18-jährige Kund:innen, als auch solche, die schon Anfang 90 sind, wobei sich das große Cluster natürlich auf die Menschen zwischen Anfang 20 und Ende 30 konzentriert.
Hinsichtlich unserer Kommunikation, Produkte und Kampagnen haben wir grob drei Segmente im Blick:
- das studentische Milieu
- junge urbane Arbeitnehmer:innen
- das „neue grüne Bürgertum“, also die Familie, die Nachhaltigkeit und Lebensqualität unter einen Hut bringen möchte
Die sind meiner Meinung nach alle interessiert an einem besseren morgen, wollen aber nicht zwingend ein schlechteres heute. Das sind also Menschen mit einem Bewusstsein und einer Offenheit für Nachhaltigkeit – nachhaltigen Konsum oder nachhaltige Veränderungen –, aber das sind keine Nachhaltigkeitsprofis, die abseits von der Optimierung des Fußabdrucks ihres Alnatura-Einkaufskorbs noch andere Sorgen haben. Die sind zudem an ganz unterschiedlichen Abschnitten ihrer Reise und all das gilt es also auszubalancieren.
Mario Rose: Ihr seid in einer rasant wachsenden Zielgruppe aktiv, in der ihr euch der ebenfalls wachsenden Awareness entsprechend positionieren könnt. Wie können eure Wege zum Wachstum auf der Seite des Marketings aussehen? Arbeitet ihr schon heute mit einem Fokus auf Performance und geht das überhaupt nachhaltig? Seid ihr bei Google, im Zielgruppen-Building und bei Meta und Co. aktiv? Oder habt ihr einen ganz anderen Marketing-Ansatz?
Jakob Berndt: Die Antwort ist ja und nein. Anhand der Skill Sets und Qualifikationen innerhalb unseres Teams sind wir in der Lage einen Großteil der von dir genannten Kanäle zu bespielen. In den letzten Jahren haben wir ein internationales Growth Team gebaut, in denen Fachleute für Product, Tech und Customer Engagement sitzen, aber auch Performance-Marketing, von Paid Social über Search bis SEO. Wir haben also alle relevanten Disziplinen an Bord. Die exakten Zahlen des Wettbewerbs kenne ich natürlich nicht, aber soweit ich das abschätzen kann, liegt bei uns eine deutlich größere Bedeutung auf organischen Effekten; in der Vergangenheit sind wir stark über PR, Word of Mouth und Social Media gewachsen.
Die konventionellen Banken geben in der Akquise pro Neukund:in 200 bis 400 Euro aus und das unterschreiten wir deutlich, weil wir einerseits mit unserem Produkt und unserer Mission den Menschen eine ganz andere Anschlussfähigkeit bieten und weil wir andererseits eine andere Marketing-Klaviatur bespielen. Das tun wir, indem wir etwa stark auf das Thema Referral – sprich, Kund:innen werben Kund:innen – setzen, was gut funktioniert dank unserer enthusiastischen, loyalen Community, die sich auch als Ambassadors begreifen. Insofern sind wir natürlich im digitalen Marketing aktiv, aber der Großteil der Traglast liegt auf Effekten, für die wir keinen harten Marketing-Dollar bezahlen müssen. Es geht bei uns eher darum, die Leute erfolgreich durch den Funnel zu konvertieren, wofür auch mal eine Reklame hilfreich sein kann, die ist aber nicht unser Wachstumshebel.
Mario Rose: Es geht sicherlich auch darum, einen einfachen Onboarding-Prozess für Neukund:innen zu haben, zu diesem Key Feature der Tomorrow-Bank kommen wir gleich. Zunächst möchte ich darauf zurückkommen, dass du gesagt hast, dass ihr die Customer Acquisition Costs der klassischen Player mit eurer Strategie um ein Vielfaches unterschreitet. Liegen die Kosten für die Akquise von Neukund:innen bei euch unter 75 Euro?
Jakob Berndt: Ja, da liegen wir ganz klar drunter und wir haben zudem die Zielsetzung, das noch weiter zu verbessern. Aktuell investieren wir stark in Product-led Growth und versuchen herauszufinden, wie wir aus dem Produkt selbst den größten Growth Engine bauen können. In diesem Zusammenhang bemühen wir uns, alle Features noch sozialer, integrativer und partizipativer denkt, sodass aus dem Produkt heraus ständig Pull-Faktoren kreiert werden, die immer mehr Leute an Bord holen. Die Zielsetzung besteht darin, diesen Wert noch weiter zu unterschreiten.
Welche Features braucht es heute für das Banking von morgen?
Mario Rose: Ich habe mir einige Banken angeschaut, die meisten sind uns ja geläufig, und meiner Einschätzung nach seid ihr die einzigen, die erfolgreich das Thema Banking nachhaltig emotionalisieren. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, aus dem ihr in der Lage seid, über die Empfehlungen ehrlicher Ambassadors Wachstum zu generieren. Eines der ersten Differenzierungsmerkmale, das für mich im Markt sichtbar war, ist das Element der Debitkarte aus Holz, die auch nicht bei jedem Konto dabei ist – dafür muss man schon in das obere Regal greifen. Das halte ich für einen sehr intelligenten Zug, weil dadurch Banking und Zahlungsprozesse sichtbar werden. Wie wichtig ist diese Holzkarte für euch und wie kam es dazu?
Jakob Berndt: Wirklich quantifizieren kann ich die Bedeutung dieser Karte nicht. Wir haben sie vor etwa anderthalb Jahren gelauncht und sie ist mit Tomorrow Zero – unserem Top-Tier-Produkt – verknüpft. Das ist also das teuerste unserer drei Kontoprodukte und es beinhaltet das größte Feature Bundle, einschließlich dieser Karte. Die Adoption Rates sind bei Tomorrow Zero sehr hoch; 20 Prozent der Neukund:innen entscheiden sich für dieses Modell, was für so ein verhältnismäßig teures Produkt eine gute Quote ist. Welche Bedeutung die Karte und welche Bedeutung der Rest den Bundles hat, kann ich nicht beziffern.
Du sagst aber berechtigterweise, dass das ein tolles Symbol für die Idee des nachhaltigen Bankings ist. Wir haben sonst nicht so viele physische Kontaktpunkte mit Banken, aber wenn man mit so einer Karte im Café oder Hotel bezahlt, sorgt das auch für Gesprächsstoff und darum geht es uns letztlich. Insofern haben wir mit der Holzkarte ein erfolgreiches Instrument eingeführt, welches inzwischen andere Marktteilnehmer:innen kopiert haben. Das ist für uns aber vollkommen in Ordnung – so ist das eben, wenn man Vorreiter ist.
Mario Rose: Das ist mehr oder weniger auch ein Kompliment. Lass uns über eure App sprechen, die auch ein Key Feature von Tomorrow ist. Welche Elemente sind euch in Hinblick auf Features, Simplicity und das Onboarding besonders wichtig und welche unterscheiden euch von anderen Playern?
Jakob Berndt: Du hast die wesentlichen Stichpunkte schon genannt; es geht um Einfachheit und Barriereabbau. Wir möchten es den Leuten so einfach wie möglich machen, Tomorrow kennenzulernen und zu nutzen. Das fängt mit dem Onboarding an, bei dem man sich mit einem einfachen Video Call innerhalb weniger Minuten identifiziert, dann gleich die App nutzen kann und einige Tage später liegt die Karte im Briefkasten. Wenn man das damit vergleicht, wie man früher Konten oder Depots eröffnet hat, ist das ein fundamental anderes Erlebnis.
Convenience – das muss ich dir nicht erzählen – ist die Währung des 21. Jahrhunderts. Gerade bei einem Prozess wie einem Kontowechsel, der als stressig wahrgenommen wird, müssen wir es den Leuten besonders leicht machen und genau das versuchen wir gegenüber dem nachhaltigen Banking, das es schon vor uns gab, anders zu machen. In der Vergangenheit musste man 30 Seiten Vertragsdokumente ausfüllen, heute ist man in acht Minuten und mit einem Call startklar.
Danach geht es stark darum, Transparenz zu schaffen.
“In der App kann man in einem Impact Board – einem unserer Key Features – sehen, was das eigene Geld bewirkt und was man als Community schon realisiert hat.”
Die App ist also nicht nur ein funktionales Instrument, mit dem man seine Daueraufträge oder Überweisungen steuert, sondern anhand der App kann man verstehen, was sich hinter der Mission verbirgt.
Das letzte Thema, das aktuell immer mehr Fahrt aufnimmt, ist Financial Education. Über die App möchten wir die Leute befähigen, ihre Finanzen noch besser zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen und diese künftig auch zu optimieren.
Nachhaltiges Investieren mit Sustainable Development Goals und Impact Board
Mario Rose: Lass uns noch weiter auf das Impact Board eingehen, die Holzkarte ist schließlich nicht euer einziges nachhaltiges Element. Eure Grundidee besteht wie erwähnt darin, Geld zum Teil der Lösung der größten Probleme unserer Zeit zu machen. Das schwingt wieder viel Pathos mit, das bedeutet aber im Grunde, dass ihr einen relevanten Anteil der von euch verwalteten Geldeinlagen in nachhaltige Projekte investiert und damit im Vergleich zu der durchschnittlichen Bank wesentlich mehr wertstiftende Unternehmen und Geschäftsmodelle unterstützt. Bei euren Investitionen konzentriert ihr euch auf die Sustainable Development Goals (SDG) der United Nation. Kannst du erklären, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und hast du Beispiele für konkrete Projekte und Ziele, denen ihr euch verschrieben habt?
Jakob Berndt: Du hast recht, anders als eine Bio-Zucchini sind diese Sustainable Development Goals erklärungsbedürftig. Im Grunde geht es darum, Geld dorthin zu lenken, wo es zum Teil der Lösung wird. Diese Geldströme könnten wir in unterschiedliche Bereiche lenken. Das prominenteste Beispiel ist die Frage, was mit dem Geld passiert, das auf den Konten unserer Kund:innen liegt – die sogenannten Kund:inneneinlagen. Aktuell haben wir etwa 130.000 Kund:innen, auf deren Konten aufgerundet 400 Millionen Euro liegen. Und dieses Geld soll nicht nur herumliegen, sondern arbeiten und dort geht es eben darum, dieses Geld in Green Bonds und Social Bonds zu investieren, mit denen etwa Renaturierungsprojekte, Klimaschutzprojekte und sozialer Wohnungsbau finanziert werden.
Des Weiteren haben wir Benefits gelauncht – das ist ein Programm, mit dem man aus der App hinaus bei nachhaltigen Marken einkaufen kann. Auch da geht es darum, Geld – in diesem Fall Geld, das für Konsum ausgegeben wird – zu nachhaltigen Alternativen zu lenken. Überdies haben wir eine sogenannte Interchange Fee; jedes Mal, wenn man mit der Karte bezahlt, wird eine kleine Gebühr fällig, die zu 100 Prozent in Klimaschutzprojekte investiert wird. In der Vergangenheit ist das Geld in das brasilianische Amazonasgebiet geflossen, seit Kurzem haben wir in Südafrika ein eigenes Klimaschutzprojekt initiiert, bei dem es um Dekarbonisierung geht.
Es gibt also verschiedene Hebel und künftig wird auch das Thema Investment hinzukommen. Im Jahr 2021 haben wir einen eigenen Aktienfonds entwickelt, der demnächst gelauncht wird. Wenn unsere Kund:innen ihr Geld investieren möchten, geht es auch hier darum, es in die richtige Richtung zu lenken.
Mario Rose: Wir unterhalten uns gleich noch weiter über euren Fonds. Vorher wüsste ich gerne, wie die Auswahl der Projekte zustande kommt. Zwei Projekte hast du schon genannt, es gibt außerdem den Impact Council, aber die Verantwortung lastet letztlich auf euren Schultern. Wie wählt ihr Projekte aus, die wirklich einen wirksamen Effekt in Hinblick auf die SDGs haben?
Jakob Berndt: Ich habe eben versäumt, die SDGs genauer zu erklären; das sind die 16 großen Baustellen, die die Menschheit laut den Vereinten Nationen angehen muss. Das sind also die Handlungsfelder, in denen wir aktiv werden müssen, um das Wohl des Planeten und seiner Bewohner:innen zu bewahren.
Wir fokussieren uns auf drei Themen aus dem SDG-Katalog:
- den Klimaschutz
- die nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum
- die Reduktion des sozialen Ungleichgewichts
Dass wir auf diese Ziele einzahlen, stellen wir mit einem mehrstufigen Prozess sicher. Dabei geht es primär um positive Kriterien: jedes Projekt, jede Institution, jedes Finanzprodukt, das von uns finanziert wird, muss einen Beitrag zu diesem SDGs leisten. Außerdem gibt es negative Kriterien, das bedeutet, dass Themen wie Rüstung, Massentierhaltung und fossile Energien ausgeschlossen werden.
Zusätzlich gibt es ein ESG-Screening, bei dem Kriterien in den Bereichen Environment, Social und Governance geprüft werden und ganz am Ende dieses Prüfprozesses, der von unserem Impact Management Team durchgeführt wird, sitzt das Impact Council. Das besteht aus unabhängigen Vertreter:innen aus den Bereichen Aktivismus, NGO und Forschung sitzen und die haben bei jedem Investment das letzte Wort. Das ist gewissermaßen ein objektives Gremium, in dem unser Management, unsere Mitarbeiter:innen oder unsere Investor:innen keinen Platz haben, sondern externe Fachkräfte, die entscheiden, ob ein Projekt alle Tomorrow-Standards erfüllt. Erst dann kann ein Green Bond gezeichnet werden oder künftig ein Titel seinen Weg in unseren Aktienfonds finden.
Mario Rose: Wie kann man als private oder gewerbliche Kund:in im Bankensektor überprüfen, in welche Unternehmen und Assets die persönliche Hausbank die eigenen Einlagen investiert? Ist das irgendwo klar ersichtlich, gibt es ein Register oder Leitlinien dazu oder können die das machen, wie sie wollen?
Jakob Berndt: Das wäre schön, aber dieses gesamte System ist wahnsinnig intransparent und die großen, konventionellen Finanzinstitute haben in der Vergangenheit ihr Bestes gegeben, um genau das zu verschleiern. Der politische Druck steigt aktuell; die EU-Gesetzgebung möchte die Finanzinstitute mit der Taxonomie dazu zwingen, offenzulegen, wie es um den Nachhaltigkeitsanspruch ihrer Produkte bestellt ist. Dieser Transformationsprozess befindet sich aber noch an seinem Anfang und als Kund:in muss man heute sehr aktiv nachschauen, wenn man mehr darüber wissen möchte. Im Finanzsektor gibt es unglaublich viel Greenwashing; allein auf dem deutschen Markt gibt es hunderte Finanzprodukte, die sich ein grünes Label verpassen, von denen unserer Meinung nach aber nur eine Handvoll diesem Anspruch auch standhält.
Zum Glück gibt es tolle NGOs wie die urgewald e. V., die das durchleuchten und unabhängige Reports darüber schreiben, wer wie viel Dreck am Stecken hat. In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, an Verbraucherschutzzentralen heranzutreten. Es gibt neutrale Instanzen, die Transparenz im Finanzsektor schaffen möchten und die eine Klarheit schaffen können, zu der die Marktakteur:innen nicht in der Lage sind.
Mario Rose: Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe, aber ich finde es gut, dass Organisationen wir urgewald sich damit intensiv auseinandersetzen. Schauen wir auf die Perspektive der Konsument:innen. Ich kann mir vorstellen, dass sich die wenigsten Inhaber:innen von Bankkonten bisher damit auseinandergesetzt haben, was abseits von der Rendite mit ihrem Geld passiert. Stellt ihr fest, dass sich das zusammen mit den vielen positiven und negativen Veränderungen im europäischen Markt ändert?
Ich denke da zum Beispiel an diese unsägliche Kriegssituation, ihre Auswirkung auf die Energieversorgung und die Ängste, die in diesem Zusammenhang geschürt werden. Aber natürlich auch an die Pandemie und die damit einhergehenden Kompromisse in Bezug etwa auf unser Reiseverhalten. Gleichzeitig denke ich an die Nachhaltigkeitsbewegung, deren treibende Kräfte aus der Jugend, aber zunehmend auch aus dem Unternehmer:innentum kommen. Stellt ihr fest, dass sich dadurch etwas auf der Seite der Konsument:innen tut und dass die zunehmend hinterfragen, was Banken oder andere Akteur:innen überhaupt mit ihrem Geld machen? Oder passiert diese Anregung zum Nachdenken aus eurer Kommunikation heraus?
Jakob Berndt: Die Antwort ist vermutlich: sowohl als auch. Die von dir beschriebenen Ströme führen einerseits dazu, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Wandel begriffen und auf dem Vormarsch ist. Akteur:innen wie Fridays for Future haben dieses Bewusstsein extrem geschärft und das schlägt sich unter anderem darin nieder, dass immer mehr Menschen die Grünen wählen. Alle diese Indikatoren zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Menschen, die sich Banken und den Finanzsektor genau anschauen, gehören allerdings eher zu einer kleinen Gruppe und dieses Problembewusstsein herzustellen und zu schärfen ist der Auftrag an uns und unsere Marketing-Abteilung.
“Viele wissen schon, wie ihre Kleidung hergestellt wird, wie sie nachhaltig reisen können und wo ihr Essen herkommt, aber in Bezug auf Finanzen ist dieser Fußabdruck noch sehr verschleiert.”
Wir müssen Aufklärungsarbeit dahingehend leisten, dass wir uns alle mit Banken und Finanzen auseinandersetzen und es demzufolge selbst in der Hand haben, die damit verbundene Wirkungsmacht zu steuern.
Und natürlich hat die Diskussion um nachhaltige Energiequellen und der Unabhängigkeit von fossilen Energien durch den schrecklichen Krieg in Osteuropa eine neue Brisanz erhalten, weil es jetzt wirtschaftlichen existenziell wird für die Leute. Die merken jetzt, dass der Wechsel hin zu anderen Energieträgern nicht nur eine Bedeutung für ökologische Folgeschäden, sondern reale politische und wirtschaftliche Implikationen hat. Ich vermag aber nicht zu sagen, ob sich diese Brisanz im Blick der Menschen auf Tomorrow niederschlägt. Ich glaube, das ist noch relativ entkoppelt voneinander. Die Energiewende muss jetzt aber in einem viel radikaleren Tempo vollzogen werden, dafür wird Geld benötigt und das Umlegen von Geld in diese Wirtschaftskreisläufe wird mittelbar einen Einfluss auf den Kapitalmarkt und Finanzprodukte haben.
Was passiert mit dem Geld auf meinem Tomorrow-Konto?
Mario Rose: Du hast über eure Projekte und die Geldanlagen gesprochen, in die ihr investiert und es gibt außerdem Statistiken über euch, die besagen, dass ihr bis Ende 2021 etwa 15 Prozent der Geldanlagen eurer Kund:innen in nachhaltige Projekte investiert habt. Ich glaube, ihr habt mit einem noch geringeren Prozentsatz angefangen und diesen dann sukzessive weiterentwickelt. Unbedarfte Geldanleger:innen könnten sich allerdings fragen, ob 15 Prozent nicht zu wenig sind. Stell bitte einen Kontext zu diesen 15 Prozent her. Seid ihr damit zufrieden oder was sind eure eigentlichen Ziele?
Jakob Berndt: Die Zahlen sind richtig, die stammen aus dem Jahreswechsel 2021/22. Damals waren wir überhaupt nicht damit zufrieden, haben intensiv daran gearbeitet und stehen jetzt kurz vor der Schwelle zu den 30 Prozent. Das bedeutet, dass wir die Ratio zwischen der Menge an Geld, die auf den Konten unserer Kund:innen liegt, und dem Anteil dessen, der fair in Green und Social Bonds investiert wurde, annähernd verdoppelt haben. Wir hatten auch eine intrinsische Motivation zu dieser Steigerung, wir haben uns aber auch die Kritik von außen zu Herzen genommen und unsere Bemühungen in diese Richtung dementsprechend intensiviert. Die Einlagen unserer Kund:innen dürfen aus regulatorischen Gründen nie einhundert Prozent investiert sein, ein gewisser Liquiditätspuffer muss immer gegeben sein.
Als Nächstes stellt sich natürlich die Frage, in welche Finanzprodukte alles außerhalb dieses Puffers investiert wird.
“Gegenüber Staatsanleihen werden Green Bonds als etwas riskanter eingestuft, weshalb wir noch mehr Geld im Puffer lassen müssen, wenn wir in Green Bonds investieren.”
Schon vor einigen Jahren haben wir uns vorgenommen, mindestens 30 Prozent der Einlagen nachhaltig anlegen möchten, und da sind wir nun angekommen. Mit unserem Partner, der Solarisbank, arbeiten wir jetzt intensiv daran, das noch zu übertreffen.
Mario Rose: Du hast auch mal gesagt, dass es gar nicht so einfach war, die richtigen Projekte zu identifizieren. Das hat mich überrascht, weil ich keinen tiefen Markteinblick habe und dachte, dass eine Vielzahl an finanziellen Bewegungen in diesem Sektor stattfinden, weil das Thema so omnipräsent zu sein scheint. Warum ist es so schwer, das Geld passend anzulegen? Gibt es nicht genügend Projekte oder ist die Anlegekonkurrenz so groß, dass zu viele in dieselben Projekte investieren wollen?
Jakob Berndt: Im Grunde trifft beides zu. Der Markt gibt nicht so viel her, zudem können wir nur in spezifische Anlageprodukte investieren; Bonds und Anleihen. In Einzelunternehmen zu investieren wäre viel zu riskant, das könnten wir unseren Kund:innen nicht vermitteln. Wir investieren ausschließlich in vorstrukturierte Anleihen, die unserem Nachhaltigkeitsstandard entsprechen. Und weil unsere Kriterien so anspruchsvoll sind und unser Council so genau hinschaut, verengt sich das Portfolio möglicher Anlageprodukte noch weiter. Das könnten wir umgehen, wenn wir auch in fossile Energien investieren würden, aber weil wir das nicht tun, haben wir es mit einem engen Markt zu tun, auf den viele zugreifen. Angesichts des politischen Drucks kommen aber immer mehr Produkte auf diesen Markt, wodurch wir unsere Ratio vergrößern konnten.
Mario Rose: Okay, das verstehe ich. Eine weitere sicherlich komplexe Angelegenheit ist euer eigener Aktienfonds. Als langfristiges Bindungsprodukt ist der sicherlich elementar wichtig für euch, auch um die Investitionsmöglichkeiten zu erhöhen und zu erweitern. Meiner Recherche zufolge wolltet ihr längst mit dem Fonds an den Start gehen; er wurde vielfach angekündigt, eben noch einmal von dir. Ist es bald soweit und warum ist das so schwierig?
Jakob Berndt: Das stimmt, da hast du uns erwischt. In diesem Zusammenhang sind wir unserem eigenen Zeitanspruch nicht gerecht geworden. Als Finanzprodukt ist der Fonds inklusive BaFin-Lizenzierung seit einem Jahr fertig. Deshalb können wir schon jetzt über seine Performance sprechen – das darf man nach der Vorgabe des Gesetzgebers nämlich erst, wenn der ein Jahr lang gewirkt hat. Die Konstitution – also welche Titel darin enthalten sind und nach welchen Kriterien der konstituiert wurde – ist längst abgeschlossen.
Wir haben allerdings etwas länger für die technische Darreichung gebraucht – man wird den zunächst auch nur in unserer App kaufen können –, jetzt sind wir aber fast an der Zielgeraden. In einigen Wochen startet die Beta-Phase und dann holen wir sukzessive mehr User rein. Der Launch unseres Fonds hätte schneller vonstattengehen können, wir bewegen uns da aber in einem komplexen Terrain, viele andere Partner sind in diese Wertschöpfungskette involviert und das ist ein stark regulierter Markt, der zurecht die besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers genießt. Insofern kann man so ein Produkt nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, deshalb haben wir uns Zeit gelassen.
Mario Rose: Wir sind gespannt, danke für die Transparenz. Du hast eben in einem Nebensatz erwähnt, dass ihr mit der Solarisbank aus Berlin kooperiert, weil ihr keine eigene Banklizenz habt, was gar nicht unüblich ist. Entstehen euch Nachteile daraus, dass ihr nicht mit einer eigenen Lizenz ausgestattet seid oder ist das eigentlich egal?
Jakob Berndt: Einer der Nachteile besteht vielleicht darin, dass man das in jedem Interview erklären muss. Wir arbeiten seit dem Beginn mit der Solarisbank – einem Berliner Technologieunternehmen – zusammen, die für uns einen sogenannten Banking-as-a-Service-Provider darstellen. Wir nutzen deren Vollbanklizenz und dadurch konnten wir viel schneller, agiler und mit weniger Finanzbedarf in den Markt einsteigen, insofern bewerten wir da weiterhin als eine richtige Entscheidung. Hätten wir das nicht gemacht, hätten wir 50 zusätzliche Risk- und Compliance-Manager zusätzlich einstellen und viel mehr Geld auf der hohen Kante haben müssen. Mit der Solarisbank haben wir ein hervorragendes Set-up, denn wir können uns auf die Entwicklung eines spannenden digitalen Produkts und eines konsequenten, wissenschaftsgetriebenen Nachhaltigkeitsprozess konzentrieren.
Den organisatorischen Mittelbau outsourcen wir, wodurch wir viel schneller sind und den Usern dennoch genau das geben können, was sie sich wünschen: ein gutes Banking-Produkt mit gutem Customer Support, guter Kommunikation und der Garantie, dass das alles ernsthaft und wissenschaftsgetrieben kuratiert ist.
Wie Tomorrow den CO₂-Fußabdruck seiner Kund:innen kompensiert
Mario Rose: Schauen wir noch einmal auf den Markt der Banken und insbesondere den Markt der Banken mit einem grünen Konto. Du hast ein paar Player genannt, die schon wesentlich länger mit einer anderen Marktpositionierung bei dem Spiel dabei sind, wie die Triodos Bank oder die GLS. Die haben teilweise auch andere Auffassungen und Kriterien hinsichtlich Nachhaltigkeit – verständlicherweise ist das sehr individuell. Und dann gibt es natürlich die konventionellen Banken und du hast vorhin schon gesagt, dass die ihre PR gerne grün anstreichen und Greenwashing betreiben.
Ein sehr beliebtes Modell – nicht nur im Bankensektor – ist das Thema der Kompensation des CO₂-Abdrucks. Das gibt es auch bei euch; wenn ich mich richtig erinnere, kompensiert ihr in einem eurer Kontenmodelle den CO₂-Abdruck eurer Kund:innen vollständig. Für Unternehmen ist das übrigens wesentlich günstiger als für Privatpersonen, was ich für vollkommen legitim halte. Wenn man Kund:in bei euch ist, kann man den eigenen CO₂-Abdruck in der App sehen und sich anschauen, wie sinnvoll es etwa war, mit dem Auto zu Alnatura zu fahren. Wie funktioniert diese Kompensation bei euch?
Jakob Berndt: Das ist tatsächlich erklärungsbedürftig. Man muss das Footprinting, also die Analyse, wie es um den jeweiligen Fußabdruck unserer Kund:innen bestellt ist, von dem Kompensationsaspekt in gewisser Hinsicht trennen.
“Tomorrow Zero – unser Premium-Produkt mit der Holzkarte – kommt mit dem namensgebenden Versprechen daher, dass wir monatlich den Fußabdruck einer durchschnittlichen deutschen Konsument:in kompensieren.”
Das ist etwa eine Tonne im Monat und wir versprechen, diese eine Tonne zu kompensieren. Natürlich können wir nicht wissen, ob die einzelnen Kund:innen bereits viel klimaneutraler oder weniger klimaneutral leben als der Durchschnitt, also müssen wir eine Annahme treffen.
Daneben gibt es für alle unsere Nutzer:innen das Footprinting Feature, mit dem bei jeder Aktion – etwa wenn man bei der Tankstelle oder im Supermarkt bezahlt – der CO₂-Fußabdruck ausgewiesen wird. Und da sind wir auch schon bei der Diskussion um das Für und Wider der Kompensation. Unsere Perspektive sieht so aus, dass die CO₂-Reduktion in einem Dreiklang passieren muss; der Ausstoß von CO₂ muss vermieden und verringert werden und wenn er nicht vermieden oder verringert werden kann, muss er kompensiert werden. Tomorrow adressiert alle diese drei Dinge.
Mit dem Footprinting Feature erhalten unsere Kund:innen die Transparenz, welche Aktionen sie überdenken oder vermeiden sollten. Die Benefits tragen zur Verringerung des CO₂-Fußabdrucks bei, weil mit ihnen nachhaltige Alternativen angeboten werden – wenn man zum Beispiel bei einem konventionellen Stromanbieter ist, könnte der Wechsel zu einem nachhaltigen Anbieter empfohlen und die positiven Effekte aufgezeigt werden, die man dadurch erzielen kann. Und wenn man dann mal fliegen muss, bieten wir auch Kompensationsleistungen an. Mit Kompensation allein werden wir die Schlacht um die Klimarettung nicht gewinnen, wir halten sie aber für einen legitimen Bestandteil dieses Dreiklangs.
Mario Rose: Das ist sicherlich so und damit geht ihr auch einen großen Schritt weiter als viele andere. Wenn man nun ein Konto bei Tomorrow hat, könnte man sich ja zurücklehnen, jeden Tag ein heißes Bad nehmen, die Kinder mit dem Auto zur Schule fahren und leben wie immer, weil Tomorrow das ja alles ausgleicht. Das ist eine einfache Methode, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Macht ihr euch dazu Gedanken und habt ihr das Gefühl, dass sich Kund:innen tatsächlich bei euch anmelden, um etwas Gutes tun zu können, ohne etwas verändern zu müssen?
Jakob Berndt: Das können wir natürlich nur bedingt einsehen und beeinflussen. Wie gesagt besteht unser Ansatz darin, die Leute holistisch zu befähigen, sich ihres eigenen Fußabdrucks bewusst zu werden. Aber natürlich steht und fällt das mit dem Wunsch und Willen der einzelnen Person, dieses Wissen auch umzusetzen. Man kann unser Footprinting Feature auch aus- und wieder anschalten und man hat die Wahl, ob man Kompensationsleistungen in Anspruch nimmt.
Wir versuchen, in der Art und Weise, wie wir kommunizieren – auf Social Media oder im Customer Relationship Management (CRM) – ein umfassendes Bild zu zeichnen, ohne die Leute zu bevormunden und dann liegt die Verantwortung bei den Einzelnen.
“Es mag sehr wohl sein, dass einige nur deshalb ein Konto bei Tomorrow haben, um sich etwas besser zu fühlen und das finden wir zunächst auch legitim und besser, als wenn man gar nichts tut.”
Wir wollen natürlich nicht kommunizieren, dass man gar nichts mehr machen muss, wenn man Tomorrow Zero abgeschlossen hat, sondern dass das ein Instrument von vielen ist und welche Instrumente es sonst noch gibt.
Mario Rose: Schauen wir auf eine Marktteilnehmerin, die wir bereits genannt haben: die Triodos Bank, die schon wesentlich länger am Markt ist. Nach eigenen Angaben hat die etwa 57.000 Kund:innen und ist damit etwa fünfmal so groß wie ihr, wobei ihr mit großen Schritten aufholt. Steht ihr, weil ihr mit einer ähnlichen Intention am Markt seid, in einem regen Austausch mit Akteurinnen wir der Triodos Bank oder der GLS oder sind das eure Konkurrenten im Wettbewerb um die Menschen, die sich für nachhaltiges Banking interessieren?
Jakob Berndt: Ganz klar ersteres: uns eint mehr als uns trennt. Mit diesen Akteurinnen haben wir die Grundidee gemein, dass wir Geld in die richtige Richtung lenken und zum Teil der Lösung machen möchten. Wir waren mit allen Ethik- oder Nachhaltigkeitsbanken im deutschsprachigen und vielen im europäischen Raum im Gespräch und es findet ständig ein Dialog auf der Ebene des Managements, Vorstands und der Geschäftsführung statt. Es gibt auch die EthikBank und die UmweltBank, die zusammen mit der Triodos Bank und der GLS die vier wichtigsten Akteurinnen in Deutschland sind. Eine Zusammenarbeit gibt es allerdings nur bedingt. Wir haben mal Kampagnen gemacht, in denen wir die Leute aufgerufen haben, den Bad Banks den Rücken zu kehren und sich einer nachhaltigen Alternative zuzuwenden, wobei wir neben uns selbst auch andere Akteur:innen aufgezeigt haben.
Die anderen nachhaltigen Banken sind nicht unserer wichtigster Wettbewerb, sondern unser Auftrag besteht darin, die vielen hundert Millionen Kund:innen konventioneller Banken in Europa von dort wegzuholen. Die Triodos Bank hat natürlich mehr Kund:innen als wir und ich wünsche ihnen von Herzen, dass auch sie weiterhin wachsen. Gemeinsam machen wir Nachhaltigkeitsbanken aber nach wie vor einen viel zu kleinen Anteil des Gesamtmarktes aus, dementsprechend geht es darum, die Leute von den Volksbanken, Sparkassen, Commerzbanken und so weiter wegzuholen, statt sie den anderen Nachhaltigkeitsbanken abzuwerben. Wir konzentrieren uns also nicht auf die anderen, sondern auf uns und das Gros des Marktes, in dem noch viel im Argen liegt.
Krypto: Rettung durch Dezentralisierung oder dystopischer Stromfresser?
Mario Rose: Ich möchte noch ein anderes Thema im Finanzbereich zu sprechen kommen, das ich die Investmentalternative Cryptocurrencies nenne, womit auch Dinge wie NFTs im Zusammenhang stehen, die vielfach auch von Banken als sinnvolle Investmentalternativen eingeschätzt werden. Ist für dich persönlich oder für euch als Tomorrow die Investmentalternative Cryptocurrencies – wenn auch nicht in Hinblick auf den heutigen Stand des Portfolios, weil der Markt in den letzten Wochen und Monaten erheblichen Schwankungen ausgesetzt war – eher eine echte Alternative oder aufgrund der Energieverbrauchsaspekte keine Asset-Klasse, die zu Tomorrow passt?
Jakob Berndt: Ich bin nicht der Experte dafür bei uns im Haus, meine beiden Partner würden jetzt aber leuchtende Augen bekommen, weil die sich schon intensiver mit der Dezentralisierung von Finanzsystemen beschäftigt haben.
“Strukturell wohnen der Dezentralisierung durch Cryptocurrencies wirklich sinnvolle Eigenschaften inne, weil dadurch Asset-Klassen liquider und handelbarer werden.”
Du sprichst aber berechtigterweise den ökologischen Fußabdruck an; dieses Problem ist zumindest bei den großen Systemen, die eine enorme Popularität genießen, noch nicht gelöst.
In den letzten Wochen haben wir außerdem gemerkt, dass die potenzielle Downside für Verbraucher:innen enorm ist, weil das System nicht stabil ist und Leute viel hart verdientes und erspartes Geld verlieren, weil sie auf dieses Thema gesetzt haben. Insofern schauen wir mit viel Skepsis, aber auch Sachkenntnis auf dieses Thema und beschäftigen uns im Hintergrund damit, wie man nachhaltige Finanzierungsformen über die Blockchain abbilden könnte. Aktuell ist das aber noch nicht weit genug gediehen, um unserem Anspruch gerecht zu werden.
Mario Rose: Vielen Dank für das klare Statement. Lass uns noch mit etwas Pathos in die Zukunft blicken: Was muss sich heute ändern, damit wir nicht kläglich an unseren Herausforderungen scheitern? Es gibt weltweit eine Vielzahl von Konzernen und Geschäftsmodellen, die in die Downside investieren – also das, was nicht uns als Bewohner:innen dieses Planeten in den Vordergrund stellt, sondern ganz andere Erlösströme. Was muss sich mit Blick auf Ziele wie Treibhausgasneutralität und Co. ändern?
Jakob Berndt: Wir müssen unfassbar Gas geben. Viele Entscheidungträger:innen haben schon heute realisiert, dass ein Umdenken notwendig ist und dass wir Wirtschaft fundamental transformieren müssen, aber es geht viel zu langsam.
“Wir haben noch etwa sechs Jahre, in denen wir das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels beeinflussen können und in dieser Zeit muss unglaublich viel passieren.”
Politisch wurde einiges in Bewegung gebracht, aber bei diesem Umschwung werden alle Akteur:innen gebraucht – insbesondere Wirtschaftsvertreter:innen –, um fundamental die Geschwindigkeit zu erhöhen. Von alten Privilegien und Statusdenken müssen wir abrücken und den Hebel in Richtung Veränderung umlegen.
Viele scheinen nicht zu realisieren, dass es sich bei dem Wort Klimawandel um ein Problem handelt, für dessen Lösung wir nur noch wenige Jahre zur Verfügung haben. Wenn wir das nicht schaffen, wird die Scheiße am Dampfen sein und das wird vielleicht nicht uns, aber unsere Kinder und Kindeskinder betreffen. Insofern müssen wir radikalere und mutigere Entscheidungen treffen. Das passiert bereits an einigen Stellen, an vielen aber noch nicht, das treibt mich persönlich um und ich wünsche mir, dass wir mutiger werden.
Mario Rose: Vielen Dank und schön, dass du bei der OMKB zu Gast gewesen bist, Jakob. Es hat mir großen Spaß gemacht, mit dir auf eine Reise von Lemonaid bis Tomorrow zu gehen.
Hat dir der Fireside-Chat mit Jakob Berndt gefallen? Dann schau oder hör dir doch auch mal den Talk mit Ben Harmanus zum Thema „Diversität als Wachstumshebel“ an.