Als Head of Ad Sales Germany verantwortet er das gesamte Ad Sales Geschäft für den schwedischen Streaming-Giganten Spotify. Sven Bieber ist ein Mann, der sich auskennt. Sven studierte in Köln BWL mit Schwerpunkt Marketing und begann seine berufliche Laufbahn im Herbst 2000 als Trainee & Media Planer beim BDDO Media Team in Düsseldorf. Auf der Liste seiner beruflichen Stationen stehen unter anderem neun Jahre beim privaten Audiovermarkter RMS (Radio Marketing Service) als Verkaufsmanager, Bereichsleiter der Digitalen Medien und als Mitglied der Geschäftsleitung. Im Jahr 2015 machte er sich als Gründer von audioStep selbstständig.
Bei Spotify ist Sven seit Februar 2016. Er gilt als absoluter Experte, wenn es um die Themen Audio-Konsum und Audio-Marketing geht.
Video mit Sven Bieber
Am Audio Marketing Roundtable der OMKB unterhielt sich Moderator Schahab Hosseiny mit Sven über das spannende Thema Podcasting, Podcast-Nutzung und Vermarktung.
Schahab Hosseiny: Podcasts lösen sich ja so ein Stück weit von der mobilen Limitierung. Wir haben jetzt immer mehr Devices, die eben auch Podcasts abspielen können. Von der vielleicht eher etwas exotischen Spielkonsole über Home Devices, Alexa, Siri, Apple-Produkte oder auch Cortana von Microsoft gibt es da ja mittlerweile einiges am Markt. Wie groß siehst Du persönlich den Markt – neben dem reinen Mobile Thema – im Bereich des Podcastings?
Sven Bieber: Ich glaube, dass wir ein mobiles Thema im Bereich Podcast haben, aber letztendlich ist der technische Background gar nicht mehr so wichtig. Hauptsache, er führt dazu, dass man Podcasts nutzen kann. Ein riesiges Betätigungsfeld im Nutzungszeitraum von Podcasts fand garantiert im Auto oder auf dem Weg zur Arbeit, schon in der Vor-Corona Zeit, im Bereich Commuting statt.
Podcast mit Sven Bieber
Und deshalb glaube ich, sind das sehr gute Anwendungsfelder. Genau wie mittlerweile auch das Mobile Device als Fernsteuerung im Connected-Bereich zu Hause. Wir sehen das an unseren Nutzungszahlen. Wir haben es in der Corona-Zeit insbesondere sehr intensiv gesehen. Als das öffentliche Leben im März, April einfach deutlich heruntergefahren wurde, ist die In-Car-Nutzung reduziert worden. Die Connected-At-Home-Nutzung ist deutlich nach oben gegangen und die Art und Weise, wie Podcasts genutzt worden sind, ist angestiegen und hat zu höheren Leistungszahlen geführt.
Das zeigt, dass die Situation, in der sich der Podcast-Nutzer befindet, technisch irgendwie umgesetzt werden muss. Wir sehen in der Corona-Zeit auch einen Trend. Die Leute gehen nicht mehr morgens zur Arbeit. Eine große Nutzungszeit für Gaming ist aber morgens gewesen. Vor neun Uhr, wo Leute nochmal schnell gedaddelt haben und eben auch Podcasts gehört haben.
Podcasts werden bewusst genutzt
Schahab Hosseiny: Bei Podcasts kristallisiert sich ja so ein Stück weit heraus, dass wir mittlerweile episodenartige Verläufe haben, wie wir sie teilweise auch aus TV-Shows kennen. Beispielsweise kommen Abo-Erlöse jetzt mit hinzu. Ich finde es ganz interessant, dass Podcasts mittlerweile auch in Gruppen konsumiert werden. Wenn ich zum Beispiel zuhause sitze, höre ich sie teilweise gemeinsam mit meiner Freundin über unsere Sonos Box.
Wie stehst Du zum Thema der Monetarisierung, speziell was das Thema Abo-Erlöse angeht? Kannst Du auch etwas mit meiner Hypothese anfangen, dass Podcasts aktuell eins zu eins konsumiert werden, dass das Produkt aber durchaus auch die Fähigkeit hat, eins zu N zu entertainen?
Sven Bieber: Gute Frage. Bei Spotify ermitteln wir im Audio-Markt natürlich die Reichweiten. Da gibt es einerseits den klassischen Bereich, andererseits den ganzen digitalen Streaming-Bereich, die dort zusammengebracht werden. Ich glaube, dass “Unique Device” als Indikator für eine persönliche eins-zu-eins-Nutzung heute nicht mehr so zutrifft.
Du erreichst mittlerweile gerade über In-Car-Targeting oder über Connected Home viele Leute. Da werden sich Reichweiten herausbilden, wie das auch in anderen Bereichen, z. B. der UKW-Nutzung, der Fall ist. Der große Unterschied zur Radionutzung ist aber eben dieser: Früher war Radio das beliebteste Nebenbei-Medium. Dieser Spruch von der Radiozentrale, „Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf.“, ist ein wichtiger Punkt hier.
Die Leute, die heute Podcasts nutzen, tun das bewusst. Das Aussuchen, selektive Wahrnehmen und sich einlassen auf den Podcast als primäre Tätigkeit, während ich andere Tätigkeiten wie Hausarbeit oder was auch immer ausübe, hat zugenommen. Die Aufmerksamkeit liegt auf dem Podcast. Ob das dann eine eins-zu-eins-Nutzung ist oder mehrere über ein Gerät hören, ist für uns eigentlich völlig egal. Obwohl – ganz egal ist es doch nicht. Alles was die Reichweite nach oben bringt und steigert, ist für uns natürlich positiv.
Wir sind aber kein Abomodell. Wir sind ein Zugangsmodell. Entweder über den Free Account, der dann werbefinanziert ist und für den ich auch heute hier stehe, oder eben über den Monatsbeitrag des gesamten Spotify-Accounts, den Du dann komplett nutzen kannst. Das ist kein Abo in dem Sinne.
Wenn Du im Premium Account bist könntest Du auch sagen “Ich will das nicht mehr”, dann würdest Du deine Zahlungen einstellen und trotzdem Zugang über den Free Account haben, der dann allerdings werbefinanziert ist. Du kannst komplett mit Deinen eingeloggten Daten Spotify nutzen. Das ist ganz wichtig für uns.
40.000 deutschsprachige Shows auf der Plattform
Schahab Hosseiny: Wenn man den Statistiken Glauben schenken darf, ist Spotify der Marktführer und an Apple vorbeigezogen. Durch Akquisen wie Gimlet Media und Co. habt Ihr durchaus – würde ich sagen – große Wetten auf das gesamte Thema Podcast gesetzt. Es gibt natürlich auch ein paar spitze Hypothesen, die sagen, das ist mitunter eine der größten Wetten, die Spotify hier stattfinden lässt, die bis jetzt auch sehr gut läuft. Was mich interessieren würde: Wie siehst Du das gesamte Thema der Distributionsstrategie?
Sven Bieber: Wir haben auf der Plattform weltweit 1,5 Millionen Podcasts. Das ist nur die Anzahl der Shows, die wir haben, nicht der einzelnen Episoden. In Deutschland sind das 40.000 deutschsprachige Shows, die wir offen auf der Plattform drauf haben. Und das ist ganz wichtig. Wir sind eine Plattform, auch wenn ich 20 Podcasts, die Original oder Exclusives Spotify Eigentum sind – lizenzrechtlich betrachtet – vermarkte, gibt es ja dann noch 39.980 andere.
Wir sind aktuell so aufgestellt, dass wir diesen Marktplatz etablieren wollen. Deshalb kümmern wir uns eben auch um Podcaster. Es gibt die Website “Spotify for Podcasters”, auf der man, wenn man sich anmeldet, Dashboards einsehen kann, sehen kann, wer wie wo zuhört, und Zahlen, Daten, Fakten an die Hand bekommt, um sein Angebot besser zu machen.
Und das geht über B2B-Podcasts bis hin zu einem B2C-Podcast wie “Gemischtes Hack” oder “Fest & Flauschig” so weiter. Das heißt, auch dort kann man Zahlen, Daten, Fakten einsetzen, mit denen man sein Produkt – den Podcast – optimieren und verbessern kann. Die können das dann natürlich auch in der Werbevermarktung einsetzen und schauen, wie wir diesen Marktplatz aufbauen und entwickeln.
Die Podcaster und die Branche, eben die Szene, ist das, was diese ganze Plattform ausmacht. Je mehr wir davon kriegen, desto mehr wird sich die Nutzung weiter etablieren. Wir sehen ja schon in den verschiedenen Studien der letzten Jahre, dass die Nutzungsdauer von Podcasts deutlich angestiegen ist. Sie gleicht sich mittlerweile der Nutzungszeit von Audio und Radio von 110 Minuten am Tag an.
Und das ist eben genau das, was so wichtig ist: Dass die Menschen die Chance haben, Podcasts zu hören, egal wo in ihrem Umfeld und zeitgleich auch die Nutzungszeiten ansteigen, damit auch Podcaster irgendwann davon leben können.
Schahab Hosseiny: Wunderbar. Du hast gerade einen wichtigen Punkt angesprochen, Sven: ZDF. Zahlen, Daten, Fakten. Wenn wir uns jetzt vorstellen, ich bin Podcaster, ich habe jetzt meinen Podcast zu Hause produziert, habe ein bisschen Hardware organisiert und das Ganze ganz lean gestaltet.
Wie kriege ich da jetzt wirklich Reach drauf? Sollte ich Audio-Ads bei Spotify schalten? Das ist mit Sicherheit ein gängiger Weg. Soll ich Display-Ads schalten? Soll ich PPC-Ads schalten? Kann ich SEO Maßnahmen durchführen? Sollte ich Mobile-Ads schalten? Wie kann ich mit ein bisschen Fleisch an den Knochen jetzt Reach auf mein Podcast bekommen? Denn da ist ja viel Management Attention und auch Zeit eingeflossen und jetzt will ich da ganz pragmatisch Reach drauf bekommen. Wie würdest du diese Frage beantworten?
„Jemand der einen Podcast promoten will, sollte alle Non-Paid-Kanäle, die er hat, nutzen.“
Sven Bieber: Das hängt davon ab, würde ich mal sagen. Natürlich ist das eine Frage des Budgets. Wenn wir jetzt bei uns Brands in die Vermarktung oder als Podcast für die Vermarktung anbieten, dann ist für einen Podcast wie “Gemischtes Hack”, der durchaus eine Million Nutzer in der Woche erreicht, eine ganz andere Skalierung möglich. Wenn ich dagegen einen B2B-Podcast habe, der – das bitte nicht falsch verstehen, denn das ist auch eine Errungenschaft – 1.000 oder 2.000 Nutzer hat, liegt der Fall anders.
Ich weiß gar nicht, wo da die Benchmarks liegen. Das ist auch nur beispielhaft herausgegriffen. Und daraufhin muss ich auch meine Möglichkeiten anpassen. Social zu gehen ist dabei immer ein wichtiger Weg. Ich denke, jemand der einen Podcast promoten will, sollte alle Non-Paid-Kanäle, die er hat, nutzen, um den Traffic darauf zu bringen.
Genau wie Brands es eben auch machen sollten: In ihren integrierten Kampagnen immer nur einen Bestandteil in die Podcast Vermarktung reinbringen, aber dazu auch andere Kanäle belegen. Das sind halt die Fragen, die man für sich selber beantworten muss. Was sind meine Ziele? Wie will ich die Ziele erreichen? Und dann kann es eben sein, dass ich mit 5.000 Euro klarkomme, dass ich aber auch eventuell mehr als 150.000 bis 200.000 Euro einsetze.
Natürlich kriegen wir bei uns auch Kampagnen von Podcasts rein, die beworben werden. Auch da gibt es durchaus sehr erfolgreiche Beispiele. Aber es gibt eben auch einige Beispiele, bei denen die Ziele gar nicht klar gesetzt worden sind, die da nicht so erfolgreich gewesen sind. Das muss man echt unterscheiden. Brands auf Podcasts bewerben – gegenüber dem Thema Podcast über Ads „groß machen“. Das sind zwei verschiedene Dinge.
So much goes into podcasting like scheduling, writing, editing, marketing, and managing social media. It can get pretty busy!
— Spotify for Podcasters (@forpodcasters) August 25, 2021
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Die Algorithmen sind der Kern
Schahab Hosseiny: Sven, Du hast gerade schon angesprochen, wie viele Podcasts es mittlerweile gibt und dass es auch weiterhin ein steigendes Segment ist. Jetzt muss man sagen, Podcasts sind ja auch ein Long-Run Business. Mit Sicherheit gibt es da auch sehr viele Podcasts, die werden einfach mal schnell produziert und dann geht den Leuten oder dem Produzenten die Luft aus oder es bleibt vielleicht auch nur bei dem einen Podcast.
Spotify kuratiert ja auch gewissermaßen, Du hast gerade gesagt, Ihr seid ja auch eine Plattform, die diese Experience zur Verfügung stellt. Wie kann ich mich hier im Rahmen der Kuratierung, die wahrscheinlich ja algorithmisch vonstatten geht, als Podcast-Produzent in die Pole-Position hinein katapultieren? Gibt es da gewisse Kniffe in Richtung SEO Impact, Optimierung, textueller Natur? Gibt es da irgendetwas, das Du den Produzenten und Zuhörern bei uns mit an die Hand geben kannst? Denn das ist natürlich bei der hohen Anzahl an Podcasts, die tagtäglich produziert werden, tatsächlich etwas schwierig.
Sven Bieber: Wir haben über zehn Jahre Erfahrung im Kuratieren, im algorithmischen Handling von Musik. Das ist ein Vorteil, den wir bei Podcasts mit einbringen können. Deshalb glauben wir, dass Podcasts ähnlich skalierbar sind wie auch Musik.
Ja, man arbeitet dann sehr hart daran, natürlich die Algorithmen zu erkennen. Wir können sie natürlich nicht preisgeben. Das ist halt so. Algorithmen sind unser Kerngeschäft im weitesten Sinn. Aber natürlich gibt es Möglichkeiten. Und wenn ich gehört werde, wenn mein Podcast gehört wird und wenn er gewisse Reichweiten erzielt, dann kann ich natürlich auch irgendwann sehen, dass sich etwas entwickelt.
Und dafür sind genau diese Daten bei “Spotify for Podcasters” auch so notwendig, dass eben die Podcaster selber Rückschlüsse und damit Lerneffekte über das Auswerten der Daten erzielen können. Daraufhin können sie Dinge verändern. Ich glaube, das ist der beste Hinweis, den man an dieser Stelle geben kann. Ich bin zwar nicht der Experte für Content Programming, aber ich glaube, dass das genau der Weg ist, den ein Podcaster bei Spotify haben kann.
Die Daten bei “Spotify for Podcaster” anzuschauen und daraufhin zu sehen, was er aus ihnen lernen und wie er Erfolge generieren kann. Der Algorithmus wird das irgendwann aufnehmen.
Schahab Hosseiny: Herzlichen Dank für Deine Zeit, Sven. Es war mir ein absolutes Vergnügen. Ich bin jetzt deutlich schlauer, was das Thema Podcast angeht. Hat sehr viel Spaß gemacht und sicherlich bis ganz bald.
FAQ zu Sven Bieber
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