Ben Harmanus gehört zweifelsohne zu den gefragtesten und beliebtesten Speaker:innen unserer Branche. Erst vor Kurzem sprach er auf der INBOUND in Boston. Und nicht umsonst hatten wir ihn bereits einige Male auf der OMKB zu Gast – zuletzt am 2. November, als er für uns live on Stage die OMKB in Berlin eröffnete und uns mit in die Welt von Web3 nahm.
Außerdem gab uns der International Brand Strategy Lead bei HubSpot und Creator der CX Spotlight vorher ein kurzes Interview für das OMKB Magazin, in dem wir ihn zu seiner Leidenschaft für das “Internet der Zukunft” befragen konnten.
Web3 auf der Main Stage
OMKB: Hallo Ben. Wie geht es dir? Was machst du gerade? Also, abgesehen von unserem Interview.
Ben Harmanus: Ich hatte einen hektischen Start in den Tag. Heute ist wieder globaler Klima-Streik und ich bin da mit meinen beiden Kindern immer dabei. Das treibt mich heute an, ansonsten verbringe ich wahrscheinlich jede freie Minute damit, mir Web3-Projekte anzugucken, mehr zu lernen. Außerdem haben wir bei HubSpot gerade eine spannende Woche hinter uns, da wir gerade ein Büro in Amsterdam eröffnet haben. Da war ich remote in die Vorbereitungen der Vorträge involviert, aber nicht vor Ort.
OMKB: Okay. Das sind ja sehr viele spannende Themen. Bestimmt ist es nicht so einfach, alles unter einen Hut zu kriegen. Du bist ja ein viel beschäftigter Mensch und gerade erst aus den USA zurück, und zwar aus Boston von der INBOUND Conference, dem weltweit größten Inbound-Marketing-Event, wo du selbst als Speaker am Start warst. Erzähl uns doch mal kurz: Wie war es in Boston? Und was hast du so erlebt?
Ben Harmanus: Ja, das stimmt. Ich bin gerade aus Boston zurück und erstmal war es wunderschön, die ganzen Kolleg:innen zu sehen. Also, ich liebe Remote Work. Es gibt einem viele Möglichkeiten, für Unternehmen zu arbeiten und auch mit Teams, mit denen es sonst gar nicht möglich wäre. Aber jetzt habe ich Kolleg:innen getroffen – aus Japan, Australien, Kolumbien, Frankreich, Irland – mein ganzes globales Netzwerk.
Ein anderer ausschlaggebender Punkt: Web3 hat deutlich an Relevanz gewonnen. Ich habe auf der Konferenz mit Menschen gesprochen, die erzählt haben, dass sie vor vier Jahren auf der INBOUND waren, als so langsam über VR und Krypto gesprochen wurde. Da fand alles noch in ganz kleinen Räumen statt und es sind zehn Menschen hingekommen. Das war irgendwie noch total abstrakt. Jetzt ist dieses Thema auf der Main Stage. Dort hatte ich eine spannende Panel-Diskussion mit Everett Wallace, Executive bei Accentures Metaverse Continuum Business Group, und Janet Kang, Managing Partner von Mach49 – zwei ganz tolle Experten und Expertinnen, mit denen ich mich zu Web3 austauschen konnte. Das Thema lautete “Connecting the Dots im Web3”, was natürlich ein sehr großes Thema ist. Unsere Mission war es, dem Publikum einen Überblick zu verschaffen. Wir reden alle über Krypto, über NFTs, über das Metaverse. Aber den meisten Menschen fällt es noch sehr schwer, diese Punkte zu verbinden und zu erkennen, warum es sie irgendwann betreffen wird. Es gab noch weitere Web3-Slots, zum Beispiel mit interessanten NFT-Anwendungsfällen. Es wurde auch ein NFT-Marktplatz vorgestellt, der mit unserem HubSpot CRM verbunden werden kann.
Ein anderes Leitthema war die Erkenntnis, dass die Verbindung in vielen Bereichen unterbrochen ist.
“Es gibt viel Reibung zwischen den unzähligen Applikationen, die Unternehmen nutzen, aber auch zwischen uns als Menschen.”
In der Pandemie wurde vieles hyper-beschleunigt und dadurch wurden viele Verbindungen geschaffen. Aber mit dieser Geschwindigkeit kamen eben auch viele Probleme, weil Applikationen sehr schnell integriert werden mussten, die “zusammengebastelt” sind, in Silos existieren und nicht miteinander kommunizieren. Wir haben auf vielen Ebenen die Verbindung verloren. Und die müssen wir jetzt erst wieder herstellen.
Eine neue Ebene mit mehr Funktionalität
OMKB: Du hast es gerade schon gesagt: Du referierst aktuell verstärkt zu Web3-Themen. Was begeistert dich so persönlich am “Internet der Zukunft”?Ben Harmanus: Internet der Zukunft: Das ist kein schlechter Begriff. Aber, um den Menschen ein bisschen die Angst zu nehmen, sollte man Web3 eher als eine neue zusätzliche Ebene sehen.
“Wir müssen uns nicht in einer neuen Welt wiederfinden, sondern wir bekommen vorerst eine Ebene mehr, die neue Funktionalität bringt.”
Web3 schleicht sich ein – so wie Web2 sich mit Social Media eingeschlichen hat und plötzlich immer interaktiver wurde und wir immer mehr Creator werden konnten, so finde ich in Web3 sehr spannend, dass sich Ownership viel stärker verschiebt, dass wir plötzlich sehen, dass Ownership dezentral wird.
Also vielleicht als kleines Beispiel, auf das ich auf der OMKB noch viel intensiver eingehen werde: Wenn ich in Social Media einen Account habe, dann gehört der mir nicht. Der gehört per se der Social-Media-Firma.
“Wenn ich eine Wallet habe, dann ist das meine Identität, die ich mitnehme, von jedem Tool oder jeder Applikation, mit der ich diese Wallet oder meine digitale, dezentrale Identität nutzen möchte.”
Das heißt, ich wandere mit dieser dezentralen Identität von Plattform zu Plattform und nehme sie immer mit. Ich habe nicht diesen einen Account, den ich lange gepflegt habe. Aber wenn ich da raus will, verliere ich mein gesamtes Netzwerk und meine gesamten Freunde, die in diesem Netzwerk sind.
Die Zukunft wird etwas anderes bringen. So zumindest hofft es die Web3-Community und arbeitet daran.
“Wir werden eine neue Form von Besitztum sehen. Wir werden eine neue Form von Creatorn sehen, eine neue Form von Influencern.”
Und Gaming spielt dabei als Wegbereiter eine große Rolle.
Das Metaverse wird aber kein Videospiel, sondern wird alle Bereiche betreffen. Gamer und die Gamingbranche sehen aber schneller die neuen Möglichkeiten. Sie verstehen den virtuellen Raum sehr gut. Und auch die dritte Ebene, die jetzt hinzugefügt wird, nämlich, dass wir viel tiefer im Web als Person drin sind, als nur darauf zu schauen wie auf 2D-Bildschirme, wird jetzt zu einem ganz anderen, intensiveren dreidimensionalen Erlebnis. Deshalb ist meine Begeisterung als Gamer und jemand, der immer gerne neue Technologien nutzt, groß.
Weit weg von Massentauglichkeit?
OMKB: Da möchte ich gerne noch einmal anknüpfen. Wir waren kürzlich auf der DMEXCO und da gab es dieses Jahr zum ersten Mal die w3.vision, also ein exklusives Event im Event, und dort standen Themen wie NFT, Blockchain usw. im Fokus. Vor Ort hatten wir allerdings ein bisschen den Eindruck, dass Marketers überwiegend Fragezeichen und bislang nur wenige Berührungspunkte haben. Was meinst du? Wie schnell wird die Entwicklung tatsächlich gehen, bis eine Vielzahl von Unternehmen Use Cases identifizieren?
Ben Harmanus: Ich wäre gerne da gewesen, habe es leider nicht geschafft, aber ich weiß, dass Vicktoria Klich das mitorganisiert, die ich im HubSpot-Podcast interviewt habe. Es ist ganz toll, dass auf der DMEXCO so eine riesige Veranstaltung stattgefunden hat. Ganz überraschend ist es nicht, dass noch viele Fragezeichen da sind. In meiner eigenen Blase nehme ich es so wahr, dass sich alles rasant entwickelt und man selbst denkt, man wäre schon spät dran in diesem Markt. Es ist eine totale Bubble-Denke. In Wirklichkeit ist es mein Kreis, in dem ich mich aufhalte. Alle anderen stoßen jetzt hinzu und der Großteil hat natürlich noch Fragezeichen überm Kopf. Ich glaube, es ist egal, mit wem ich gerade spreche, ob das jetzt Everett Wallace von Accenture ist oder ob es innerhalb vom HubSpot-Team Mitarbeitende sind, die Web3 vorantreiben, oder die gesamte Community. Der Konsens ist, dass eigentlich gerade Bildung und Fortbildung stattfinden muss. Den Mainstream hat es noch nicht erreicht. Wir denken das, weil alle über Bitcoin reden oder über Krypto generell. Oder weil ein NFT für 15 Millionen Dollar bei Sotheby’s verkauft wird.
“Wenn unsere Eltern diese Dinge noch nicht bedienen können, dann sind wir sehr, sehr weit weg von der Massentauglichkeit.”
Es muss so einfach werden, dass wirklich jeder mit einem Handy ein NFT kaufen und jemand anderem schicken kann. Dann haben wir einen Mainstream erreicht. Aber davon sind wir noch ganz weit weg, weil die Usability noch nicht da ist, weil immer noch so viel Angst da ist, weil selbst wir im Bereich Technologie uns noch sehr viel fortbilden müssen.
Wir haben zudem gerade eine Marktsituation, die große Skepsis auslöst. Ich sehe aber nach wie vor jetzt den Zeitpunkt, an dem sich Marketingverantwortliche fortbilden müssen. Die Desillusionierung, weil Web3 viel mit Spekulation in Verbindung gebracht wird, wird weichen. Denn im Hintergrund wird ganz viel gebaut und wir müssen uns alle jetzt damit beschäftigen und verstehen: Was zieht die First Mover dort rein? Warum bleiben sie in Web3.
“Marketingverantwortliche sollten sich eine Wallet zulegen, dieses Erlebnis haben, ein NFT zu bekommen.”
Es gibt ganz viele kostenlose Angebote. Es gibt ganz oft Möglichkeiten, wo Plattformen Aufklärung betreiben, indem sie sagen “Hey, hole dir dein erstes NFT”. Das heißt, man legt sich eine Wallet an, drückt auf einen Knopf, und hat es in der Wallet. Ich hatte auf diese Weise viele Aha-Momente, in denen ich dachte “Oh wow, okay, das ist ganz neu für mich, das ist ja total verrückt. Ich habe jetzt tatsächlich einen Coin zwischen zwei Wallets hin- und hergeschickt, die mir auch selbst gehören.” Das auf der Blockchain zu beobachten, denn es ist ja alles öffentlich, ist spannend. Diese Erlebnisse muss man haben. Dann versteht man auch nach und nach, was die Community gut findet. Und natürlich lernt man auch viel, wenn man in den entsprechenden Discord Channels, auf Twitter und in den Twitter Spaces liest, zuhört und mitredet.
“Ich rate Unternehmen, die Web3-Enthusiasten in den eigenen Reihen zu identifizieren.”
Wenn da jemand Begeisterung zeigt, fördert die Person, gebt ihm oder ihr 20 % der Arbeitszeit, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, mal einen Call mit Leuten aus der Branche zu führen, sich zu vernetzen, zu Events zu gehen, zum Beispiel zur DMEXCO oder auch der OMKB, um sich Web3-Vorträge anzuhören und neue Leute kennenzulernen. Es ist ganz wichtig, diesen Menschen Zeit dafür zu geben und nicht alles als Betrug oder reine Spekulation vorzuverurteilen. Es braucht Leute im Unternehmen, die jetzt die darunter liegende Technologie erforschen und dadurch Möglichkeiten für das eigene Unternehmen identifizieren können.
Aus Spekulation wurde langfristige Investition
OMKB: Ein super spannender Einblick. Du hast es gerade schon selbst einmal angeteasert: Du bist am 2. November live bei uns auf der OMKB in Berlin am Start und das auch schon zum zweiten Mal, weil du im April bei unserem Onsite-Comeback schon dabei warst – mit einer spannenden Session zum Thema “Diversität im Marketing als globaler Wachstumshebel”. Was hast du der OMKB-Community diesmal für eine Session mitgebracht?
Ben Harmanus: Ich werde meine eigene Web3-Reise beleuchten, weil ich diese für hilfreich halte, um alle mitzunehmen. “Wie bin ich da hineingekommen? Was hat mich am Anfang begeistert? Welche Fehler habe ich gemacht? Es gibt genug Menschen, die denken, dass man nur einen ganzen Bitcoin für 20.000 € kaufen kann. Sie denken, dass sie nicht teilhaben können. Aber diesem Irrtum unterlag ich auch und wusste nicht, dass ich nur für 5 € einen Teil eines Bitcoin kaufen kann. Täglich habe ich seitdem etwas Neues gelernt. Aus Spekulation wurde bei mir eine langfristige Investition und der Schritt in eine Community.
Als NFTs aufkamen, habe ich wieder geforscht: Was sind die Anwendungsfälle? Ich habe erkannt, dass, wie ich schon sagte, Gaming eine große Rolle spielt. Ich habe Anwendungen und Lösungen gesehen, die vorher nicht da waren. Wir sehen jetzt viele technologische Entwicklungen, aber jedes Big-Tech-Unternehmen versucht, seinen Bereich abzuschirmen. Die Web3-Community möchte das verhindern, möchte eine Welt schaffen, in der wir virtuelle Assets mitnehmen können und die im Web an vielen Stellen funktionieren. Ein einfacher Vergleich: Vor einigen Dekaden war es noch kompliziert, dass Menschen, die einen Apple Macintosh und Leute, die einen Windows-Rechner nutzen, reibungsfrei miteinander arbeiten. Heute sehen wir diese Barrieren kaum. Google Docs funktionieren auf jedem System. Wir haben Dateien, die miteinander funktionieren. JPEG funktioniert überall. Es hat aber gedauert, bis wir diesen Grad an Kompatibilität erreicht haben. Und es gibt auch immer noch sehr viele Bereiche, die ganz gut abgeschirmt werden, so dass sie nicht miteinander funktionieren. In Web3 soll das anders werden und ich möchte zeigen, wie das Ultimative, das auf uns zukommt, der virtuelle Raum, der noch in den Kinderschuhen steckt, gerade entsteht und wie die einzelnen Bauteile gerade zusammenkommen.
“Wir dürfen jetzt nicht verpassen, die Entwicklung zu beobachten und zu verstehen, weil die Pioniere sonst einen großen Vorsprung haben.”
Wir müssen diesen Markt verstehen, bevor auf einmal unsere Kundinnen und Kunden, unsere Konsumierenden schon ganz woanders sind und wir als Marken gar nicht mehr mitkommen können, weil andere Marken diesen Raum für sich erobert haben.
Reibung ist vorprogrammiert
OMKB: Danke Ben, eine letzte Frage: Ausgehend von deinen ganzen Erfahrungen in Boston, von deinen Erfahrungen allgemein und natürlich auch mit Blick auf deinen Vortrag auf der OMKB in Berlin: Was glaubst du, sind die wichtigsten MarTech-Trends für das kommende Jahr 2023?
Ben Harmanus: Ich glaube, zwei Problemfelder können wir dafür direkt ansprechen, die sind im Bereich Customer Experience: Erstens geht der Zugang zur Kundschaft verloren. Wir sehen übersättigte Marketing- und Vertriebskanäle. Nehmen wir einfach nur die SEO-Branche. Wir sehen, dass 65 % der Google-Suchen inzwischen ohne Klick enden. Da verliert ein Traffic-Kanal an Kraft. Blogs wachsen nicht nur langsamer, teilweise schrumpfen sie in Bezug auf ihren Traffic. Wir sehen 40 % niedrigere Response-Raten auf Vertriebs-Emails. Das heißt, Vertriebsteams merken, dass diese E-Mails rauszuschicken, auch nicht mehr ganz wie vorher funktioniert. Zumindest nicht so, wie wir sie rausschicken, denn sie werden noch geöffnet, aber es mangelt an Kontext. Man muss besser verstehen, was Kundinnen und Kunden derzeit beschäftigt und bewegt. Deswegen holen wir sie zu wenig ab, ziehen sie mit der Story nicht herein. Die Interaktion mit ihnen wird dadurch sehr schwer.
Das andere große Problem ist, dass Systeme nicht miteinander funktionieren. Unternehmen nutzen immer mehr cloud-basierte Applikationen. Sogar Unternehmen, die unter 500 Mitarbeitende haben, nutzen teilweise schon über 200 Applikationen, die sie mehr oder weniger miteinander verknüpfen. Vom CRM- zu Social-Media-Tools, zu einem Canva, mit dem man Designs macht. Die Systeme, die Daten anhäufen und generieren, nehmen zu, leben aber in Silos. Das führt zu fragmentierten Datensätzen. Ops-Teams verbringen 40 % ihrer Zeit damit, Datensätze zu bereinigen und aufzubereiten. Da ist die Reibung mit der Kundschaft vorprogrammiert. Es ist nun unser aller Aufgabe, Applikationen zu verbinden, Datensätze nutzbar zu machen und dadurch eine bessere Customer Experience zu schaffen.
Und, um den Bogen zu Punkt drei zu spannen: Wenn das Web jetzt um eine dritte Ebene ergänzt wird, und man sich nicht damit beschäftigt, dann wird der Kreis der Menschen größer, zu denen man keinen Zugang hat. Viele beliebte Tools der Web3-Community sind Web2-Applikationen wie Discord oder Twitter Spaces. Dort finden Konversationen statt, denen man lauschen muss oder an denen man sich beteiligen sollte. Dann versteht man, welchen Wert Menschen in NFTs sehen, außer damit schnell Geld zu machen. Menschen lieben Communities, sie wollen irgendwo dazugehören, sie identifizieren sich mit den NFTs, die sie besitzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Zukunft die Summe der NFTs sind, die wir besitzen.
“Für viele, das sieht man z. B. an den Profil-Bildern in sozialen Netzwerken, sind die NFTs die eigene Identität und sie werden immer mehr.”
Wenn man diese neue Creator-Economy und dieses neue Mindset versteht, schafft man eine Verbindung zu diesen Menschen. Diese Community möchte nicht nur etwas von Unternehmen kaufen, sondern einen Teil der Marken besitzen und mitgestalten.
OMKB: Ben, vielen Dank für diesen interessanten Einblick und für deine Insights.
Ben Harmanus gehört zweifelsohne zu den gefragtesten und beliebtesten Speaker:innen unserer Branche. Erst vor Kurzem sprach er auf der INBOUND in Boston. Und nicht umsonst hatten wir ihn bereits einige Male auf der OMKB zu Gast – zuletzt am 2. November, als er für uns live on Stage die OMKB in Berlin eröffnete und uns mit in die Welt von Web3 nahm.
Außerdem gab uns der International Brand Strategy Lead bei HubSpot und Creator der CX Spotlight vorher ein kurzes Interview für das OMKB Magazin, in dem wir ihn zu seiner Leidenschaft für das “Internet der Zukunft” befragen konnten.
Web3 auf der Main Stage
OMKB: Hallo Ben. Wie geht es dir? Was machst du gerade? Also, abgesehen von unserem Interview.
Ben Harmanus: Ich hatte einen hektischen Start in den Tag. Heute ist wieder globaler Klima-Streik und ich bin da mit meinen beiden Kindern immer dabei. Das treibt mich heute an, ansonsten verbringe ich wahrscheinlich jede freie Minute damit, mir Web3-Projekte anzugucken, mehr zu lernen. Außerdem haben wir bei HubSpot gerade eine spannende Woche hinter uns, da wir gerade ein Büro in Amsterdam eröffnet haben. Da war ich remote in die Vorbereitungen der Vorträge involviert, aber nicht vor Ort.
OMKB: Okay. Das sind ja sehr viele spannende Themen. Bestimmt ist es nicht so einfach, alles unter einen Hut zu kriegen. Du bist ja ein viel beschäftigter Mensch und gerade erst aus den USA zurück, und zwar aus Boston von der INBOUND Conference, dem weltweit größten Inbound-Marketing-Event, wo du selbst als Speaker am Start warst. Erzähl uns doch mal kurz: Wie war es in Boston? Und was hast du so erlebt?
Ben Harmanus: Ja, das stimmt. Ich bin gerade aus Boston zurück und erstmal war es wunderschön, die ganzen Kolleg:innen zu sehen. Also, ich liebe Remote Work. Es gibt einem viele Möglichkeiten, für Unternehmen zu arbeiten und auch mit Teams, mit denen es sonst gar nicht möglich wäre. Aber jetzt habe ich Kolleg:innen getroffen – aus Japan, Australien, Kolumbien, Frankreich, Irland – mein ganzes globales Netzwerk.
Ein anderer ausschlaggebender Punkt: Web3 hat deutlich an Relevanz gewonnen. Ich habe auf der Konferenz mit Menschen gesprochen, die erzählt haben, dass sie vor vier Jahren auf der INBOUND waren, als so langsam über VR und Krypto gesprochen wurde. Da fand alles noch in ganz kleinen Räumen statt und es sind zehn Menschen hingekommen. Das war irgendwie noch total abstrakt. Jetzt ist dieses Thema auf der Main Stage. Dort hatte ich eine spannende Panel-Diskussion mit Everett Wallace, Executive bei Accentures Metaverse Continuum Business Group, und Janet Kang, Managing Partner von Mach49 – zwei ganz tolle Experten und Expertinnen, mit denen ich mich zu Web3 austauschen konnte. Das Thema lautete “Connecting the Dots im Web3”, was natürlich ein sehr großes Thema ist. Unsere Mission war es, dem Publikum einen Überblick zu verschaffen. Wir reden alle über Krypto, über NFTs, über das Metaverse. Aber den meisten Menschen fällt es noch sehr schwer, diese Punkte zu verbinden und zu erkennen, warum es sie irgendwann betreffen wird. Es gab noch weitere Web3-Slots, zum Beispiel mit interessanten NFT-Anwendungsfällen. Es wurde auch ein NFT-Marktplatz vorgestellt, der mit unserem HubSpot CRM verbunden werden kann.
Ein anderes Leitthema war die Erkenntnis, dass die Verbindung in vielen Bereichen unterbrochen ist.
“Es gibt viel Reibung zwischen den unzähligen Applikationen, die Unternehmen nutzen, aber auch zwischen uns als Menschen.”
In der Pandemie wurde vieles hyper-beschleunigt und dadurch wurden viele Verbindungen geschaffen. Aber mit dieser Geschwindigkeit kamen eben auch viele Probleme, weil Applikationen sehr schnell integriert werden mussten, die “zusammengebastelt” sind, in Silos existieren und nicht miteinander kommunizieren. Wir haben auf vielen Ebenen die Verbindung verloren. Und die müssen wir jetzt erst wieder herstellen.
Eine neue Ebene mit mehr Funktionalität
OMKB: Du hast es gerade schon gesagt: Du referierst aktuell verstärkt zu Web3-Themen. Was begeistert dich so persönlich am “Internet der Zukunft”?Ben Harmanus: Internet der Zukunft: Das ist kein schlechter Begriff. Aber, um den Menschen ein bisschen die Angst zu nehmen, sollte man Web3 eher als eine neue zusätzliche Ebene sehen.
“Wir müssen uns nicht in einer neuen Welt wiederfinden, sondern wir bekommen vorerst eine Ebene mehr, die neue Funktionalität bringt.”
Web3 schleicht sich ein – so wie Web2 sich mit Social Media eingeschlichen hat und plötzlich immer interaktiver wurde und wir immer mehr Creator werden konnten, so finde ich in Web3 sehr spannend, dass sich Ownership viel stärker verschiebt, dass wir plötzlich sehen, dass Ownership dezentral wird.
Also vielleicht als kleines Beispiel, auf das ich auf der OMKB noch viel intensiver eingehen werde: Wenn ich in Social Media einen Account habe, dann gehört der mir nicht. Der gehört per se der Social-Media-Firma.
“Wenn ich eine Wallet habe, dann ist das meine Identität, die ich mitnehme, von jedem Tool oder jeder Applikation, mit der ich diese Wallet oder meine digitale, dezentrale Identität nutzen möchte.”
Das heißt, ich wandere mit dieser dezentralen Identität von Plattform zu Plattform und nehme sie immer mit. Ich habe nicht diesen einen Account, den ich lange gepflegt habe. Aber wenn ich da raus will, verliere ich mein gesamtes Netzwerk und meine gesamten Freunde, die in diesem Netzwerk sind.
Die Zukunft wird etwas anderes bringen. So zumindest hofft es die Web3-Community und arbeitet daran.
“Wir werden eine neue Form von Besitztum sehen. Wir werden eine neue Form von Creatorn sehen, eine neue Form von Influencern.”
Und Gaming spielt dabei als Wegbereiter eine große Rolle.
Das Metaverse wird aber kein Videospiel, sondern wird alle Bereiche betreffen. Gamer und die Gamingbranche sehen aber schneller die neuen Möglichkeiten. Sie verstehen den virtuellen Raum sehr gut. Und auch die dritte Ebene, die jetzt hinzugefügt wird, nämlich, dass wir viel tiefer im Web als Person drin sind, als nur darauf zu schauen wie auf 2D-Bildschirme, wird jetzt zu einem ganz anderen, intensiveren dreidimensionalen Erlebnis. Deshalb ist meine Begeisterung als Gamer und jemand, der immer gerne neue Technologien nutzt, groß.
Weit weg von Massentauglichkeit?
OMKB: Da möchte ich gerne noch einmal anknüpfen. Wir waren kürzlich auf der DMEXCO und da gab es dieses Jahr zum ersten Mal die w3.vision, also ein exklusives Event im Event, und dort standen Themen wie NFT, Blockchain usw. im Fokus. Vor Ort hatten wir allerdings ein bisschen den Eindruck, dass Marketers überwiegend Fragezeichen und bislang nur wenige Berührungspunkte haben. Was meinst du? Wie schnell wird die Entwicklung tatsächlich gehen, bis eine Vielzahl von Unternehmen Use Cases identifizieren?
Ben Harmanus: Ich wäre gerne da gewesen, habe es leider nicht geschafft, aber ich weiß, dass Vicktoria Klich das mitorganisiert, die ich im HubSpot-Podcast interviewt habe. Es ist ganz toll, dass auf der DMEXCO so eine riesige Veranstaltung stattgefunden hat. Ganz überraschend ist es nicht, dass noch viele Fragezeichen da sind. In meiner eigenen Blase nehme ich es so wahr, dass sich alles rasant entwickelt und man selbst denkt, man wäre schon spät dran in diesem Markt. Es ist eine totale Bubble-Denke. In Wirklichkeit ist es mein Kreis, in dem ich mich aufhalte. Alle anderen stoßen jetzt hinzu und der Großteil hat natürlich noch Fragezeichen überm Kopf. Ich glaube, es ist egal, mit wem ich gerade spreche, ob das jetzt Everett Wallace von Accenture ist oder ob es innerhalb vom HubSpot-Team Mitarbeitende sind, die Web3 vorantreiben, oder die gesamte Community. Der Konsens ist, dass eigentlich gerade Bildung und Fortbildung stattfinden muss. Den Mainstream hat es noch nicht erreicht. Wir denken das, weil alle über Bitcoin reden oder über Krypto generell. Oder weil ein NFT für 15 Millionen Dollar bei Sotheby’s verkauft wird.
“Wenn unsere Eltern diese Dinge noch nicht bedienen können, dann sind wir sehr, sehr weit weg von der Massentauglichkeit.”
Es muss so einfach werden, dass wirklich jeder mit einem Handy ein NFT kaufen und jemand anderem schicken kann. Dann haben wir einen Mainstream erreicht. Aber davon sind wir noch ganz weit weg, weil die Usability noch nicht da ist, weil immer noch so viel Angst da ist, weil selbst wir im Bereich Technologie uns noch sehr viel fortbilden müssen.
Wir haben zudem gerade eine Marktsituation, die große Skepsis auslöst. Ich sehe aber nach wie vor jetzt den Zeitpunkt, an dem sich Marketingverantwortliche fortbilden müssen. Die Desillusionierung, weil Web3 viel mit Spekulation in Verbindung gebracht wird, wird weichen. Denn im Hintergrund wird ganz viel gebaut und wir müssen uns alle jetzt damit beschäftigen und verstehen: Was zieht die First Mover dort rein? Warum bleiben sie in Web3.
“Marketingverantwortliche sollten sich eine Wallet zulegen, dieses Erlebnis haben, ein NFT zu bekommen.”
Es gibt ganz viele kostenlose Angebote. Es gibt ganz oft Möglichkeiten, wo Plattformen Aufklärung betreiben, indem sie sagen “Hey, hole dir dein erstes NFT”. Das heißt, man legt sich eine Wallet an, drückt auf einen Knopf, und hat es in der Wallet. Ich hatte auf diese Weise viele Aha-Momente, in denen ich dachte “Oh wow, okay, das ist ganz neu für mich, das ist ja total verrückt. Ich habe jetzt tatsächlich einen Coin zwischen zwei Wallets hin- und hergeschickt, die mir auch selbst gehören.” Das auf der Blockchain zu beobachten, denn es ist ja alles öffentlich, ist spannend. Diese Erlebnisse muss man haben. Dann versteht man auch nach und nach, was die Community gut findet. Und natürlich lernt man auch viel, wenn man in den entsprechenden Discord Channels, auf Twitter und in den Twitter Spaces liest, zuhört und mitredet.
“Ich rate Unternehmen, die Web3-Enthusiasten in den eigenen Reihen zu identifizieren.”
Wenn da jemand Begeisterung zeigt, fördert die Person, gebt ihm oder ihr 20 % der Arbeitszeit, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, mal einen Call mit Leuten aus der Branche zu führen, sich zu vernetzen, zu Events zu gehen, zum Beispiel zur DMEXCO oder auch der OMKB, um sich Web3-Vorträge anzuhören und neue Leute kennenzulernen. Es ist ganz wichtig, diesen Menschen Zeit dafür zu geben und nicht alles als Betrug oder reine Spekulation vorzuverurteilen. Es braucht Leute im Unternehmen, die jetzt die darunter liegende Technologie erforschen und dadurch Möglichkeiten für das eigene Unternehmen identifizieren können.
Aus Spekulation wurde langfristige Investition
OMKB: Ein super spannender Einblick. Du hast es gerade schon selbst einmal angeteasert: Du bist am 2. November live bei uns auf der OMKB in Berlin am Start und das auch schon zum zweiten Mal, weil du im April bei unserem Onsite-Comeback schon dabei warst – mit einer spannenden Session zum Thema “Diversität im Marketing als globaler Wachstumshebel”. Was hast du der OMKB-Community diesmal für eine Session mitgebracht?
Ben Harmanus: Ich werde meine eigene Web3-Reise beleuchten, weil ich diese für hilfreich halte, um alle mitzunehmen. “Wie bin ich da hineingekommen? Was hat mich am Anfang begeistert? Welche Fehler habe ich gemacht? Es gibt genug Menschen, die denken, dass man nur einen ganzen Bitcoin für 20.000 € kaufen kann. Sie denken, dass sie nicht teilhaben können. Aber diesem Irrtum unterlag ich auch und wusste nicht, dass ich nur für 5 € einen Teil eines Bitcoin kaufen kann. Täglich habe ich seitdem etwas Neues gelernt. Aus Spekulation wurde bei mir eine langfristige Investition und der Schritt in eine Community.
Als NFTs aufkamen, habe ich wieder geforscht: Was sind die Anwendungsfälle? Ich habe erkannt, dass, wie ich schon sagte, Gaming eine große Rolle spielt. Ich habe Anwendungen und Lösungen gesehen, die vorher nicht da waren. Wir sehen jetzt viele technologische Entwicklungen, aber jedes Big-Tech-Unternehmen versucht, seinen Bereich abzuschirmen. Die Web3-Community möchte das verhindern, möchte eine Welt schaffen, in der wir virtuelle Assets mitnehmen können und die im Web an vielen Stellen funktionieren. Ein einfacher Vergleich: Vor einigen Dekaden war es noch kompliziert, dass Menschen, die einen Apple Macintosh und Leute, die einen Windows-Rechner nutzen, reibungsfrei miteinander arbeiten. Heute sehen wir diese Barrieren kaum. Google Docs funktionieren auf jedem System. Wir haben Dateien, die miteinander funktionieren. JPEG funktioniert überall. Es hat aber gedauert, bis wir diesen Grad an Kompatibilität erreicht haben. Und es gibt auch immer noch sehr viele Bereiche, die ganz gut abgeschirmt werden, so dass sie nicht miteinander funktionieren. In Web3 soll das anders werden und ich möchte zeigen, wie das Ultimative, das auf uns zukommt, der virtuelle Raum, der noch in den Kinderschuhen steckt, gerade entsteht und wie die einzelnen Bauteile gerade zusammenkommen.
“Wir dürfen jetzt nicht verpassen, die Entwicklung zu beobachten und zu verstehen, weil die Pioniere sonst einen großen Vorsprung haben.”
Wir müssen diesen Markt verstehen, bevor auf einmal unsere Kundinnen und Kunden, unsere Konsumierenden schon ganz woanders sind und wir als Marken gar nicht mehr mitkommen können, weil andere Marken diesen Raum für sich erobert haben.
Reibung ist vorprogrammiert
OMKB: Danke Ben, eine letzte Frage: Ausgehend von deinen ganzen Erfahrungen in Boston, von deinen Erfahrungen allgemein und natürlich auch mit Blick auf deinen Vortrag auf der OMKB in Berlin: Was glaubst du, sind die wichtigsten MarTech-Trends für das kommende Jahr 2023?
Ben Harmanus: Ich glaube, zwei Problemfelder können wir dafür direkt ansprechen, die sind im Bereich Customer Experience: Erstens geht der Zugang zur Kundschaft verloren. Wir sehen übersättigte Marketing- und Vertriebskanäle. Nehmen wir einfach nur die SEO-Branche. Wir sehen, dass 65 % der Google-Suchen inzwischen ohne Klick enden. Da verliert ein Traffic-Kanal an Kraft. Blogs wachsen nicht nur langsamer, teilweise schrumpfen sie in Bezug auf ihren Traffic. Wir sehen 40 % niedrigere Response-Raten auf Vertriebs-Emails. Das heißt, Vertriebsteams merken, dass diese E-Mails rauszuschicken, auch nicht mehr ganz wie vorher funktioniert. Zumindest nicht so, wie wir sie rausschicken, denn sie werden noch geöffnet, aber es mangelt an Kontext. Man muss besser verstehen, was Kundinnen und Kunden derzeit beschäftigt und bewegt. Deswegen holen wir sie zu wenig ab, ziehen sie mit der Story nicht herein. Die Interaktion mit ihnen wird dadurch sehr schwer.
Das andere große Problem ist, dass Systeme nicht miteinander funktionieren. Unternehmen nutzen immer mehr cloud-basierte Applikationen. Sogar Unternehmen, die unter 500 Mitarbeitende haben, nutzen teilweise schon über 200 Applikationen, die sie mehr oder weniger miteinander verknüpfen. Vom CRM- zu Social-Media-Tools, zu einem Canva, mit dem man Designs macht. Die Systeme, die Daten anhäufen und generieren, nehmen zu, leben aber in Silos. Das führt zu fragmentierten Datensätzen. Ops-Teams verbringen 40 % ihrer Zeit damit, Datensätze zu bereinigen und aufzubereiten. Da ist die Reibung mit der Kundschaft vorprogrammiert. Es ist nun unser aller Aufgabe, Applikationen zu verbinden, Datensätze nutzbar zu machen und dadurch eine bessere Customer Experience zu schaffen.
Und, um den Bogen zu Punkt drei zu spannen: Wenn das Web jetzt um eine dritte Ebene ergänzt wird, und man sich nicht damit beschäftigt, dann wird der Kreis der Menschen größer, zu denen man keinen Zugang hat. Viele beliebte Tools der Web3-Community sind Web2-Applikationen wie Discord oder Twitter Spaces. Dort finden Konversationen statt, denen man lauschen muss oder an denen man sich beteiligen sollte. Dann versteht man, welchen Wert Menschen in NFTs sehen, außer damit schnell Geld zu machen. Menschen lieben Communities, sie wollen irgendwo dazugehören, sie identifizieren sich mit den NFTs, die sie besitzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Zukunft die Summe der NFTs sind, die wir besitzen.
“Für viele, das sieht man z. B. an den Profil-Bildern in sozialen Netzwerken, sind die NFTs die eigene Identität und sie werden immer mehr.”
Wenn man diese neue Creator-Economy und dieses neue Mindset versteht, schafft man eine Verbindung zu diesen Menschen. Diese Community möchte nicht nur etwas von Unternehmen kaufen, sondern einen Teil der Marken besitzen und mitgestalten.
OMKB: Ben, vielen Dank für diesen interessanten Einblick und für deine Insights.
Ben Harmanus gehört zweifelsohne zu den gefragtesten und beliebtesten Speaker:innen unserer Branche. Erst vor Kurzem sprach er auf der INBOUND in Boston. Und nicht umsonst hatten wir ihn bereits einige Male auf der OMKB zu Gast – zuletzt am 2. November, als er für uns live on Stage die OMKB in Berlin eröffnete und uns mit in die Welt von Web3 nahm.
Außerdem gab uns der International Brand Strategy Lead bei HubSpot und Creator der CX Spotlight vorher ein kurzes Interview für das OMKB Magazin, in dem wir ihn zu seiner Leidenschaft für das “Internet der Zukunft” befragen konnten.
Web3 auf der Main Stage
OMKB: Hallo Ben. Wie geht es dir? Was machst du gerade? Also, abgesehen von unserem Interview.
Ben Harmanus: Ich hatte einen hektischen Start in den Tag. Heute ist wieder globaler Klima-Streik und ich bin da mit meinen beiden Kindern immer dabei. Das treibt mich heute an, ansonsten verbringe ich wahrscheinlich jede freie Minute damit, mir Web3-Projekte anzugucken, mehr zu lernen. Außerdem haben wir bei HubSpot gerade eine spannende Woche hinter uns, da wir gerade ein Büro in Amsterdam eröffnet haben. Da war ich remote in die Vorbereitungen der Vorträge involviert, aber nicht vor Ort.
OMKB: Okay. Das sind ja sehr viele spannende Themen. Bestimmt ist es nicht so einfach, alles unter einen Hut zu kriegen. Du bist ja ein viel beschäftigter Mensch und gerade erst aus den USA zurück, und zwar aus Boston von der INBOUND Conference, dem weltweit größten Inbound-Marketing-Event, wo du selbst als Speaker am Start warst. Erzähl uns doch mal kurz: Wie war es in Boston? Und was hast du so erlebt?
Ben Harmanus: Ja, das stimmt. Ich bin gerade aus Boston zurück und erstmal war es wunderschön, die ganzen Kolleg:innen zu sehen. Also, ich liebe Remote Work. Es gibt einem viele Möglichkeiten, für Unternehmen zu arbeiten und auch mit Teams, mit denen es sonst gar nicht möglich wäre. Aber jetzt habe ich Kolleg:innen getroffen – aus Japan, Australien, Kolumbien, Frankreich, Irland – mein ganzes globales Netzwerk.
Ein anderer ausschlaggebender Punkt: Web3 hat deutlich an Relevanz gewonnen. Ich habe auf der Konferenz mit Menschen gesprochen, die erzählt haben, dass sie vor vier Jahren auf der INBOUND waren, als so langsam über VR und Krypto gesprochen wurde. Da fand alles noch in ganz kleinen Räumen statt und es sind zehn Menschen hingekommen. Das war irgendwie noch total abstrakt. Jetzt ist dieses Thema auf der Main Stage. Dort hatte ich eine spannende Panel-Diskussion mit Everett Wallace, Executive bei Accentures Metaverse Continuum Business Group, und Janet Kang, Managing Partner von Mach49 – zwei ganz tolle Experten und Expertinnen, mit denen ich mich zu Web3 austauschen konnte. Das Thema lautete “Connecting the Dots im Web3”, was natürlich ein sehr großes Thema ist. Unsere Mission war es, dem Publikum einen Überblick zu verschaffen. Wir reden alle über Krypto, über NFTs, über das Metaverse. Aber den meisten Menschen fällt es noch sehr schwer, diese Punkte zu verbinden und zu erkennen, warum es sie irgendwann betreffen wird. Es gab noch weitere Web3-Slots, zum Beispiel mit interessanten NFT-Anwendungsfällen. Es wurde auch ein NFT-Marktplatz vorgestellt, der mit unserem HubSpot CRM verbunden werden kann.
Ein anderes Leitthema war die Erkenntnis, dass die Verbindung in vielen Bereichen unterbrochen ist.
“Es gibt viel Reibung zwischen den unzähligen Applikationen, die Unternehmen nutzen, aber auch zwischen uns als Menschen.”
In der Pandemie wurde vieles hyper-beschleunigt und dadurch wurden viele Verbindungen geschaffen. Aber mit dieser Geschwindigkeit kamen eben auch viele Probleme, weil Applikationen sehr schnell integriert werden mussten, die “zusammengebastelt” sind, in Silos existieren und nicht miteinander kommunizieren. Wir haben auf vielen Ebenen die Verbindung verloren. Und die müssen wir jetzt erst wieder herstellen.
Eine neue Ebene mit mehr Funktionalität
OMKB: Du hast es gerade schon gesagt: Du referierst aktuell verstärkt zu Web3-Themen. Was begeistert dich so persönlich am “Internet der Zukunft”?Ben Harmanus: Internet der Zukunft: Das ist kein schlechter Begriff. Aber, um den Menschen ein bisschen die Angst zu nehmen, sollte man Web3 eher als eine neue zusätzliche Ebene sehen.
“Wir müssen uns nicht in einer neuen Welt wiederfinden, sondern wir bekommen vorerst eine Ebene mehr, die neue Funktionalität bringt.”
Web3 schleicht sich ein – so wie Web2 sich mit Social Media eingeschlichen hat und plötzlich immer interaktiver wurde und wir immer mehr Creator werden konnten, so finde ich in Web3 sehr spannend, dass sich Ownership viel stärker verschiebt, dass wir plötzlich sehen, dass Ownership dezentral wird.
Also vielleicht als kleines Beispiel, auf das ich auf der OMKB noch viel intensiver eingehen werde: Wenn ich in Social Media einen Account habe, dann gehört der mir nicht. Der gehört per se der Social-Media-Firma.
“Wenn ich eine Wallet habe, dann ist das meine Identität, die ich mitnehme, von jedem Tool oder jeder Applikation, mit der ich diese Wallet oder meine digitale, dezentrale Identität nutzen möchte.”
Das heißt, ich wandere mit dieser dezentralen Identität von Plattform zu Plattform und nehme sie immer mit. Ich habe nicht diesen einen Account, den ich lange gepflegt habe. Aber wenn ich da raus will, verliere ich mein gesamtes Netzwerk und meine gesamten Freunde, die in diesem Netzwerk sind.
Die Zukunft wird etwas anderes bringen. So zumindest hofft es die Web3-Community und arbeitet daran.
“Wir werden eine neue Form von Besitztum sehen. Wir werden eine neue Form von Creatorn sehen, eine neue Form von Influencern.”
Und Gaming spielt dabei als Wegbereiter eine große Rolle.
Das Metaverse wird aber kein Videospiel, sondern wird alle Bereiche betreffen. Gamer und die Gamingbranche sehen aber schneller die neuen Möglichkeiten. Sie verstehen den virtuellen Raum sehr gut. Und auch die dritte Ebene, die jetzt hinzugefügt wird, nämlich, dass wir viel tiefer im Web als Person drin sind, als nur darauf zu schauen wie auf 2D-Bildschirme, wird jetzt zu einem ganz anderen, intensiveren dreidimensionalen Erlebnis. Deshalb ist meine Begeisterung als Gamer und jemand, der immer gerne neue Technologien nutzt, groß.
Weit weg von Massentauglichkeit?
OMKB: Da möchte ich gerne noch einmal anknüpfen. Wir waren kürzlich auf der DMEXCO und da gab es dieses Jahr zum ersten Mal die w3.vision, also ein exklusives Event im Event, und dort standen Themen wie NFT, Blockchain usw. im Fokus. Vor Ort hatten wir allerdings ein bisschen den Eindruck, dass Marketers überwiegend Fragezeichen und bislang nur wenige Berührungspunkte haben. Was meinst du? Wie schnell wird die Entwicklung tatsächlich gehen, bis eine Vielzahl von Unternehmen Use Cases identifizieren?
Ben Harmanus: Ich wäre gerne da gewesen, habe es leider nicht geschafft, aber ich weiß, dass Vicktoria Klich das mitorganisiert, die ich im HubSpot-Podcast interviewt habe. Es ist ganz toll, dass auf der DMEXCO so eine riesige Veranstaltung stattgefunden hat. Ganz überraschend ist es nicht, dass noch viele Fragezeichen da sind. In meiner eigenen Blase nehme ich es so wahr, dass sich alles rasant entwickelt und man selbst denkt, man wäre schon spät dran in diesem Markt. Es ist eine totale Bubble-Denke. In Wirklichkeit ist es mein Kreis, in dem ich mich aufhalte. Alle anderen stoßen jetzt hinzu und der Großteil hat natürlich noch Fragezeichen überm Kopf. Ich glaube, es ist egal, mit wem ich gerade spreche, ob das jetzt Everett Wallace von Accenture ist oder ob es innerhalb vom HubSpot-Team Mitarbeitende sind, die Web3 vorantreiben, oder die gesamte Community. Der Konsens ist, dass eigentlich gerade Bildung und Fortbildung stattfinden muss. Den Mainstream hat es noch nicht erreicht. Wir denken das, weil alle über Bitcoin reden oder über Krypto generell. Oder weil ein NFT für 15 Millionen Dollar bei Sotheby’s verkauft wird.
“Wenn unsere Eltern diese Dinge noch nicht bedienen können, dann sind wir sehr, sehr weit weg von der Massentauglichkeit.”
Es muss so einfach werden, dass wirklich jeder mit einem Handy ein NFT kaufen und jemand anderem schicken kann. Dann haben wir einen Mainstream erreicht. Aber davon sind wir noch ganz weit weg, weil die Usability noch nicht da ist, weil immer noch so viel Angst da ist, weil selbst wir im Bereich Technologie uns noch sehr viel fortbilden müssen.
Wir haben zudem gerade eine Marktsituation, die große Skepsis auslöst. Ich sehe aber nach wie vor jetzt den Zeitpunkt, an dem sich Marketingverantwortliche fortbilden müssen. Die Desillusionierung, weil Web3 viel mit Spekulation in Verbindung gebracht wird, wird weichen. Denn im Hintergrund wird ganz viel gebaut und wir müssen uns alle jetzt damit beschäftigen und verstehen: Was zieht die First Mover dort rein? Warum bleiben sie in Web3.
“Marketingverantwortliche sollten sich eine Wallet zulegen, dieses Erlebnis haben, ein NFT zu bekommen.”
Es gibt ganz viele kostenlose Angebote. Es gibt ganz oft Möglichkeiten, wo Plattformen Aufklärung betreiben, indem sie sagen “Hey, hole dir dein erstes NFT”. Das heißt, man legt sich eine Wallet an, drückt auf einen Knopf, und hat es in der Wallet. Ich hatte auf diese Weise viele Aha-Momente, in denen ich dachte “Oh wow, okay, das ist ganz neu für mich, das ist ja total verrückt. Ich habe jetzt tatsächlich einen Coin zwischen zwei Wallets hin- und hergeschickt, die mir auch selbst gehören.” Das auf der Blockchain zu beobachten, denn es ist ja alles öffentlich, ist spannend. Diese Erlebnisse muss man haben. Dann versteht man auch nach und nach, was die Community gut findet. Und natürlich lernt man auch viel, wenn man in den entsprechenden Discord Channels, auf Twitter und in den Twitter Spaces liest, zuhört und mitredet.
“Ich rate Unternehmen, die Web3-Enthusiasten in den eigenen Reihen zu identifizieren.”
Wenn da jemand Begeisterung zeigt, fördert die Person, gebt ihm oder ihr 20 % der Arbeitszeit, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, mal einen Call mit Leuten aus der Branche zu führen, sich zu vernetzen, zu Events zu gehen, zum Beispiel zur DMEXCO oder auch der OMKB, um sich Web3-Vorträge anzuhören und neue Leute kennenzulernen. Es ist ganz wichtig, diesen Menschen Zeit dafür zu geben und nicht alles als Betrug oder reine Spekulation vorzuverurteilen. Es braucht Leute im Unternehmen, die jetzt die darunter liegende Technologie erforschen und dadurch Möglichkeiten für das eigene Unternehmen identifizieren können.
Aus Spekulation wurde langfristige Investition
OMKB: Ein super spannender Einblick. Du hast es gerade schon selbst einmal angeteasert: Du bist am 2. November live bei uns auf der OMKB in Berlin am Start und das auch schon zum zweiten Mal, weil du im April bei unserem Onsite-Comeback schon dabei warst – mit einer spannenden Session zum Thema “Diversität im Marketing als globaler Wachstumshebel”. Was hast du der OMKB-Community diesmal für eine Session mitgebracht?
Ben Harmanus: Ich werde meine eigene Web3-Reise beleuchten, weil ich diese für hilfreich halte, um alle mitzunehmen. “Wie bin ich da hineingekommen? Was hat mich am Anfang begeistert? Welche Fehler habe ich gemacht? Es gibt genug Menschen, die denken, dass man nur einen ganzen Bitcoin für 20.000 € kaufen kann. Sie denken, dass sie nicht teilhaben können. Aber diesem Irrtum unterlag ich auch und wusste nicht, dass ich nur für 5 € einen Teil eines Bitcoin kaufen kann. Täglich habe ich seitdem etwas Neues gelernt. Aus Spekulation wurde bei mir eine langfristige Investition und der Schritt in eine Community.
Als NFTs aufkamen, habe ich wieder geforscht: Was sind die Anwendungsfälle? Ich habe erkannt, dass, wie ich schon sagte, Gaming eine große Rolle spielt. Ich habe Anwendungen und Lösungen gesehen, die vorher nicht da waren. Wir sehen jetzt viele technologische Entwicklungen, aber jedes Big-Tech-Unternehmen versucht, seinen Bereich abzuschirmen. Die Web3-Community möchte das verhindern, möchte eine Welt schaffen, in der wir virtuelle Assets mitnehmen können und die im Web an vielen Stellen funktionieren. Ein einfacher Vergleich: Vor einigen Dekaden war es noch kompliziert, dass Menschen, die einen Apple Macintosh und Leute, die einen Windows-Rechner nutzen, reibungsfrei miteinander arbeiten. Heute sehen wir diese Barrieren kaum. Google Docs funktionieren auf jedem System. Wir haben Dateien, die miteinander funktionieren. JPEG funktioniert überall. Es hat aber gedauert, bis wir diesen Grad an Kompatibilität erreicht haben. Und es gibt auch immer noch sehr viele Bereiche, die ganz gut abgeschirmt werden, so dass sie nicht miteinander funktionieren. In Web3 soll das anders werden und ich möchte zeigen, wie das Ultimative, das auf uns zukommt, der virtuelle Raum, der noch in den Kinderschuhen steckt, gerade entsteht und wie die einzelnen Bauteile gerade zusammenkommen.
“Wir dürfen jetzt nicht verpassen, die Entwicklung zu beobachten und zu verstehen, weil die Pioniere sonst einen großen Vorsprung haben.”
Wir müssen diesen Markt verstehen, bevor auf einmal unsere Kundinnen und Kunden, unsere Konsumierenden schon ganz woanders sind und wir als Marken gar nicht mehr mitkommen können, weil andere Marken diesen Raum für sich erobert haben.
Reibung ist vorprogrammiert
OMKB: Danke Ben, eine letzte Frage: Ausgehend von deinen ganzen Erfahrungen in Boston, von deinen Erfahrungen allgemein und natürlich auch mit Blick auf deinen Vortrag auf der OMKB in Berlin: Was glaubst du, sind die wichtigsten MarTech-Trends für das kommende Jahr 2023?
Ben Harmanus: Ich glaube, zwei Problemfelder können wir dafür direkt ansprechen, die sind im Bereich Customer Experience: Erstens geht der Zugang zur Kundschaft verloren. Wir sehen übersättigte Marketing- und Vertriebskanäle. Nehmen wir einfach nur die SEO-Branche. Wir sehen, dass 65 % der Google-Suchen inzwischen ohne Klick enden. Da verliert ein Traffic-Kanal an Kraft. Blogs wachsen nicht nur langsamer, teilweise schrumpfen sie in Bezug auf ihren Traffic. Wir sehen 40 % niedrigere Response-Raten auf Vertriebs-Emails. Das heißt, Vertriebsteams merken, dass diese E-Mails rauszuschicken, auch nicht mehr ganz wie vorher funktioniert. Zumindest nicht so, wie wir sie rausschicken, denn sie werden noch geöffnet, aber es mangelt an Kontext. Man muss besser verstehen, was Kundinnen und Kunden derzeit beschäftigt und bewegt. Deswegen holen wir sie zu wenig ab, ziehen sie mit der Story nicht herein. Die Interaktion mit ihnen wird dadurch sehr schwer.
Das andere große Problem ist, dass Systeme nicht miteinander funktionieren. Unternehmen nutzen immer mehr cloud-basierte Applikationen. Sogar Unternehmen, die unter 500 Mitarbeitende haben, nutzen teilweise schon über 200 Applikationen, die sie mehr oder weniger miteinander verknüpfen. Vom CRM- zu Social-Media-Tools, zu einem Canva, mit dem man Designs macht. Die Systeme, die Daten anhäufen und generieren, nehmen zu, leben aber in Silos. Das führt zu fragmentierten Datensätzen. Ops-Teams verbringen 40 % ihrer Zeit damit, Datensätze zu bereinigen und aufzubereiten. Da ist die Reibung mit der Kundschaft vorprogrammiert. Es ist nun unser aller Aufgabe, Applikationen zu verbinden, Datensätze nutzbar zu machen und dadurch eine bessere Customer Experience zu schaffen.
Und, um den Bogen zu Punkt drei zu spannen: Wenn das Web jetzt um eine dritte Ebene ergänzt wird, und man sich nicht damit beschäftigt, dann wird der Kreis der Menschen größer, zu denen man keinen Zugang hat. Viele beliebte Tools der Web3-Community sind Web2-Applikationen wie Discord oder Twitter Spaces. Dort finden Konversationen statt, denen man lauschen muss oder an denen man sich beteiligen sollte. Dann versteht man, welchen Wert Menschen in NFTs sehen, außer damit schnell Geld zu machen. Menschen lieben Communities, sie wollen irgendwo dazugehören, sie identifizieren sich mit den NFTs, die sie besitzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Zukunft die Summe der NFTs sind, die wir besitzen.
“Für viele, das sieht man z. B. an den Profil-Bildern in sozialen Netzwerken, sind die NFTs die eigene Identität und sie werden immer mehr.”
Wenn man diese neue Creator-Economy und dieses neue Mindset versteht, schafft man eine Verbindung zu diesen Menschen. Diese Community möchte nicht nur etwas von Unternehmen kaufen, sondern einen Teil der Marken besitzen und mitgestalten.
OMKB: Ben, vielen Dank für diesen interessanten Einblick und für deine Insights.
Ben Harmanus gehört zweifelsohne zu den gefragtesten und beliebtesten Speaker:innen unserer Branche. Erst vor Kurzem sprach er auf der INBOUND in Boston. Und nicht umsonst hatten wir ihn bereits einige Male auf der OMKB zu Gast – zuletzt am 2. November, als er für uns live on Stage die OMKB in Berlin eröffnete und uns mit in die Welt von Web3 nahm.
Außerdem gab uns der International Brand Strategy Lead bei HubSpot und Creator der CX Spotlight vorher ein kurzes Interview für das OMKB Magazin, in dem wir ihn zu seiner Leidenschaft für das “Internet der Zukunft” befragen konnten.
Web3 auf der Main Stage
OMKB: Hallo Ben. Wie geht es dir? Was machst du gerade? Also, abgesehen von unserem Interview.
Ben Harmanus: Ich hatte einen hektischen Start in den Tag. Heute ist wieder globaler Klima-Streik und ich bin da mit meinen beiden Kindern immer dabei. Das treibt mich heute an, ansonsten verbringe ich wahrscheinlich jede freie Minute damit, mir Web3-Projekte anzugucken, mehr zu lernen. Außerdem haben wir bei HubSpot gerade eine spannende Woche hinter uns, da wir gerade ein Büro in Amsterdam eröffnet haben. Da war ich remote in die Vorbereitungen der Vorträge involviert, aber nicht vor Ort.
OMKB: Okay. Das sind ja sehr viele spannende Themen. Bestimmt ist es nicht so einfach, alles unter einen Hut zu kriegen. Du bist ja ein viel beschäftigter Mensch und gerade erst aus den USA zurück, und zwar aus Boston von der INBOUND Conference, dem weltweit größten Inbound-Marketing-Event, wo du selbst als Speaker am Start warst. Erzähl uns doch mal kurz: Wie war es in Boston? Und was hast du so erlebt?
Ben Harmanus: Ja, das stimmt. Ich bin gerade aus Boston zurück und erstmal war es wunderschön, die ganzen Kolleg:innen zu sehen. Also, ich liebe Remote Work. Es gibt einem viele Möglichkeiten, für Unternehmen zu arbeiten und auch mit Teams, mit denen es sonst gar nicht möglich wäre. Aber jetzt habe ich Kolleg:innen getroffen – aus Japan, Australien, Kolumbien, Frankreich, Irland – mein ganzes globales Netzwerk.
Ein anderer ausschlaggebender Punkt: Web3 hat deutlich an Relevanz gewonnen. Ich habe auf der Konferenz mit Menschen gesprochen, die erzählt haben, dass sie vor vier Jahren auf der INBOUND waren, als so langsam über VR und Krypto gesprochen wurde. Da fand alles noch in ganz kleinen Räumen statt und es sind zehn Menschen hingekommen. Das war irgendwie noch total abstrakt. Jetzt ist dieses Thema auf der Main Stage. Dort hatte ich eine spannende Panel-Diskussion mit Everett Wallace, Executive bei Accentures Metaverse Continuum Business Group, und Janet Kang, Managing Partner von Mach49 – zwei ganz tolle Experten und Expertinnen, mit denen ich mich zu Web3 austauschen konnte. Das Thema lautete “Connecting the Dots im Web3”, was natürlich ein sehr großes Thema ist. Unsere Mission war es, dem Publikum einen Überblick zu verschaffen. Wir reden alle über Krypto, über NFTs, über das Metaverse. Aber den meisten Menschen fällt es noch sehr schwer, diese Punkte zu verbinden und zu erkennen, warum es sie irgendwann betreffen wird. Es gab noch weitere Web3-Slots, zum Beispiel mit interessanten NFT-Anwendungsfällen. Es wurde auch ein NFT-Marktplatz vorgestellt, der mit unserem HubSpot CRM verbunden werden kann.
Ein anderes Leitthema war die Erkenntnis, dass die Verbindung in vielen Bereichen unterbrochen ist.
“Es gibt viel Reibung zwischen den unzähligen Applikationen, die Unternehmen nutzen, aber auch zwischen uns als Menschen.”
In der Pandemie wurde vieles hyper-beschleunigt und dadurch wurden viele Verbindungen geschaffen. Aber mit dieser Geschwindigkeit kamen eben auch viele Probleme, weil Applikationen sehr schnell integriert werden mussten, die “zusammengebastelt” sind, in Silos existieren und nicht miteinander kommunizieren. Wir haben auf vielen Ebenen die Verbindung verloren. Und die müssen wir jetzt erst wieder herstellen.
Eine neue Ebene mit mehr Funktionalität
OMKB: Du hast es gerade schon gesagt: Du referierst aktuell verstärkt zu Web3-Themen. Was begeistert dich so persönlich am “Internet der Zukunft”?Ben Harmanus: Internet der Zukunft: Das ist kein schlechter Begriff. Aber, um den Menschen ein bisschen die Angst zu nehmen, sollte man Web3 eher als eine neue zusätzliche Ebene sehen.
“Wir müssen uns nicht in einer neuen Welt wiederfinden, sondern wir bekommen vorerst eine Ebene mehr, die neue Funktionalität bringt.”
Web3 schleicht sich ein – so wie Web2 sich mit Social Media eingeschlichen hat und plötzlich immer interaktiver wurde und wir immer mehr Creator werden konnten, so finde ich in Web3 sehr spannend, dass sich Ownership viel stärker verschiebt, dass wir plötzlich sehen, dass Ownership dezentral wird.
Also vielleicht als kleines Beispiel, auf das ich auf der OMKB noch viel intensiver eingehen werde: Wenn ich in Social Media einen Account habe, dann gehört der mir nicht. Der gehört per se der Social-Media-Firma.
“Wenn ich eine Wallet habe, dann ist das meine Identität, die ich mitnehme, von jedem Tool oder jeder Applikation, mit der ich diese Wallet oder meine digitale, dezentrale Identität nutzen möchte.”
Das heißt, ich wandere mit dieser dezentralen Identität von Plattform zu Plattform und nehme sie immer mit. Ich habe nicht diesen einen Account, den ich lange gepflegt habe. Aber wenn ich da raus will, verliere ich mein gesamtes Netzwerk und meine gesamten Freunde, die in diesem Netzwerk sind.
Die Zukunft wird etwas anderes bringen. So zumindest hofft es die Web3-Community und arbeitet daran.
“Wir werden eine neue Form von Besitztum sehen. Wir werden eine neue Form von Creatorn sehen, eine neue Form von Influencern.”
Und Gaming spielt dabei als Wegbereiter eine große Rolle.
Das Metaverse wird aber kein Videospiel, sondern wird alle Bereiche betreffen. Gamer und die Gamingbranche sehen aber schneller die neuen Möglichkeiten. Sie verstehen den virtuellen Raum sehr gut. Und auch die dritte Ebene, die jetzt hinzugefügt wird, nämlich, dass wir viel tiefer im Web als Person drin sind, als nur darauf zu schauen wie auf 2D-Bildschirme, wird jetzt zu einem ganz anderen, intensiveren dreidimensionalen Erlebnis. Deshalb ist meine Begeisterung als Gamer und jemand, der immer gerne neue Technologien nutzt, groß.
Weit weg von Massentauglichkeit?
OMKB: Da möchte ich gerne noch einmal anknüpfen. Wir waren kürzlich auf der DMEXCO und da gab es dieses Jahr zum ersten Mal die w3.vision, also ein exklusives Event im Event, und dort standen Themen wie NFT, Blockchain usw. im Fokus. Vor Ort hatten wir allerdings ein bisschen den Eindruck, dass Marketers überwiegend Fragezeichen und bislang nur wenige Berührungspunkte haben. Was meinst du? Wie schnell wird die Entwicklung tatsächlich gehen, bis eine Vielzahl von Unternehmen Use Cases identifizieren?
Ben Harmanus: Ich wäre gerne da gewesen, habe es leider nicht geschafft, aber ich weiß, dass Vicktoria Klich das mitorganisiert, die ich im HubSpot-Podcast interviewt habe. Es ist ganz toll, dass auf der DMEXCO so eine riesige Veranstaltung stattgefunden hat. Ganz überraschend ist es nicht, dass noch viele Fragezeichen da sind. In meiner eigenen Blase nehme ich es so wahr, dass sich alles rasant entwickelt und man selbst denkt, man wäre schon spät dran in diesem Markt. Es ist eine totale Bubble-Denke. In Wirklichkeit ist es mein Kreis, in dem ich mich aufhalte. Alle anderen stoßen jetzt hinzu und der Großteil hat natürlich noch Fragezeichen überm Kopf. Ich glaube, es ist egal, mit wem ich gerade spreche, ob das jetzt Everett Wallace von Accenture ist oder ob es innerhalb vom HubSpot-Team Mitarbeitende sind, die Web3 vorantreiben, oder die gesamte Community. Der Konsens ist, dass eigentlich gerade Bildung und Fortbildung stattfinden muss. Den Mainstream hat es noch nicht erreicht. Wir denken das, weil alle über Bitcoin reden oder über Krypto generell. Oder weil ein NFT für 15 Millionen Dollar bei Sotheby’s verkauft wird.
“Wenn unsere Eltern diese Dinge noch nicht bedienen können, dann sind wir sehr, sehr weit weg von der Massentauglichkeit.”
Es muss so einfach werden, dass wirklich jeder mit einem Handy ein NFT kaufen und jemand anderem schicken kann. Dann haben wir einen Mainstream erreicht. Aber davon sind wir noch ganz weit weg, weil die Usability noch nicht da ist, weil immer noch so viel Angst da ist, weil selbst wir im Bereich Technologie uns noch sehr viel fortbilden müssen.
Wir haben zudem gerade eine Marktsituation, die große Skepsis auslöst. Ich sehe aber nach wie vor jetzt den Zeitpunkt, an dem sich Marketingverantwortliche fortbilden müssen. Die Desillusionierung, weil Web3 viel mit Spekulation in Verbindung gebracht wird, wird weichen. Denn im Hintergrund wird ganz viel gebaut und wir müssen uns alle jetzt damit beschäftigen und verstehen: Was zieht die First Mover dort rein? Warum bleiben sie in Web3.
“Marketingverantwortliche sollten sich eine Wallet zulegen, dieses Erlebnis haben, ein NFT zu bekommen.”
Es gibt ganz viele kostenlose Angebote. Es gibt ganz oft Möglichkeiten, wo Plattformen Aufklärung betreiben, indem sie sagen “Hey, hole dir dein erstes NFT”. Das heißt, man legt sich eine Wallet an, drückt auf einen Knopf, und hat es in der Wallet. Ich hatte auf diese Weise viele Aha-Momente, in denen ich dachte “Oh wow, okay, das ist ganz neu für mich, das ist ja total verrückt. Ich habe jetzt tatsächlich einen Coin zwischen zwei Wallets hin- und hergeschickt, die mir auch selbst gehören.” Das auf der Blockchain zu beobachten, denn es ist ja alles öffentlich, ist spannend. Diese Erlebnisse muss man haben. Dann versteht man auch nach und nach, was die Community gut findet. Und natürlich lernt man auch viel, wenn man in den entsprechenden Discord Channels, auf Twitter und in den Twitter Spaces liest, zuhört und mitredet.
“Ich rate Unternehmen, die Web3-Enthusiasten in den eigenen Reihen zu identifizieren.”
Wenn da jemand Begeisterung zeigt, fördert die Person, gebt ihm oder ihr 20 % der Arbeitszeit, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, mal einen Call mit Leuten aus der Branche zu führen, sich zu vernetzen, zu Events zu gehen, zum Beispiel zur DMEXCO oder auch der OMKB, um sich Web3-Vorträge anzuhören und neue Leute kennenzulernen. Es ist ganz wichtig, diesen Menschen Zeit dafür zu geben und nicht alles als Betrug oder reine Spekulation vorzuverurteilen. Es braucht Leute im Unternehmen, die jetzt die darunter liegende Technologie erforschen und dadurch Möglichkeiten für das eigene Unternehmen identifizieren können.
Aus Spekulation wurde langfristige Investition
OMKB: Ein super spannender Einblick. Du hast es gerade schon selbst einmal angeteasert: Du bist am 2. November live bei uns auf der OMKB in Berlin am Start und das auch schon zum zweiten Mal, weil du im April bei unserem Onsite-Comeback schon dabei warst – mit einer spannenden Session zum Thema “Diversität im Marketing als globaler Wachstumshebel”. Was hast du der OMKB-Community diesmal für eine Session mitgebracht?
Ben Harmanus: Ich werde meine eigene Web3-Reise beleuchten, weil ich diese für hilfreich halte, um alle mitzunehmen. “Wie bin ich da hineingekommen? Was hat mich am Anfang begeistert? Welche Fehler habe ich gemacht? Es gibt genug Menschen, die denken, dass man nur einen ganzen Bitcoin für 20.000 € kaufen kann. Sie denken, dass sie nicht teilhaben können. Aber diesem Irrtum unterlag ich auch und wusste nicht, dass ich nur für 5 € einen Teil eines Bitcoin kaufen kann. Täglich habe ich seitdem etwas Neues gelernt. Aus Spekulation wurde bei mir eine langfristige Investition und der Schritt in eine Community.
Als NFTs aufkamen, habe ich wieder geforscht: Was sind die Anwendungsfälle? Ich habe erkannt, dass, wie ich schon sagte, Gaming eine große Rolle spielt. Ich habe Anwendungen und Lösungen gesehen, die vorher nicht da waren. Wir sehen jetzt viele technologische Entwicklungen, aber jedes Big-Tech-Unternehmen versucht, seinen Bereich abzuschirmen. Die Web3-Community möchte das verhindern, möchte eine Welt schaffen, in der wir virtuelle Assets mitnehmen können und die im Web an vielen Stellen funktionieren. Ein einfacher Vergleich: Vor einigen Dekaden war es noch kompliziert, dass Menschen, die einen Apple Macintosh und Leute, die einen Windows-Rechner nutzen, reibungsfrei miteinander arbeiten. Heute sehen wir diese Barrieren kaum. Google Docs funktionieren auf jedem System. Wir haben Dateien, die miteinander funktionieren. JPEG funktioniert überall. Es hat aber gedauert, bis wir diesen Grad an Kompatibilität erreicht haben. Und es gibt auch immer noch sehr viele Bereiche, die ganz gut abgeschirmt werden, so dass sie nicht miteinander funktionieren. In Web3 soll das anders werden und ich möchte zeigen, wie das Ultimative, das auf uns zukommt, der virtuelle Raum, der noch in den Kinderschuhen steckt, gerade entsteht und wie die einzelnen Bauteile gerade zusammenkommen.
“Wir dürfen jetzt nicht verpassen, die Entwicklung zu beobachten und zu verstehen, weil die Pioniere sonst einen großen Vorsprung haben.”
Wir müssen diesen Markt verstehen, bevor auf einmal unsere Kundinnen und Kunden, unsere Konsumierenden schon ganz woanders sind und wir als Marken gar nicht mehr mitkommen können, weil andere Marken diesen Raum für sich erobert haben.
Reibung ist vorprogrammiert
OMKB: Danke Ben, eine letzte Frage: Ausgehend von deinen ganzen Erfahrungen in Boston, von deinen Erfahrungen allgemein und natürlich auch mit Blick auf deinen Vortrag auf der OMKB in Berlin: Was glaubst du, sind die wichtigsten MarTech-Trends für das kommende Jahr 2023?
Ben Harmanus: Ich glaube, zwei Problemfelder können wir dafür direkt ansprechen, die sind im Bereich Customer Experience: Erstens geht der Zugang zur Kundschaft verloren. Wir sehen übersättigte Marketing- und Vertriebskanäle. Nehmen wir einfach nur die SEO-Branche. Wir sehen, dass 65 % der Google-Suchen inzwischen ohne Klick enden. Da verliert ein Traffic-Kanal an Kraft. Blogs wachsen nicht nur langsamer, teilweise schrumpfen sie in Bezug auf ihren Traffic. Wir sehen 40 % niedrigere Response-Raten auf Vertriebs-Emails. Das heißt, Vertriebsteams merken, dass diese E-Mails rauszuschicken, auch nicht mehr ganz wie vorher funktioniert. Zumindest nicht so, wie wir sie rausschicken, denn sie werden noch geöffnet, aber es mangelt an Kontext. Man muss besser verstehen, was Kundinnen und Kunden derzeit beschäftigt und bewegt. Deswegen holen wir sie zu wenig ab, ziehen sie mit der Story nicht herein. Die Interaktion mit ihnen wird dadurch sehr schwer.
Das andere große Problem ist, dass Systeme nicht miteinander funktionieren. Unternehmen nutzen immer mehr cloud-basierte Applikationen. Sogar Unternehmen, die unter 500 Mitarbeitende haben, nutzen teilweise schon über 200 Applikationen, die sie mehr oder weniger miteinander verknüpfen. Vom CRM- zu Social-Media-Tools, zu einem Canva, mit dem man Designs macht. Die Systeme, die Daten anhäufen und generieren, nehmen zu, leben aber in Silos. Das führt zu fragmentierten Datensätzen. Ops-Teams verbringen 40 % ihrer Zeit damit, Datensätze zu bereinigen und aufzubereiten. Da ist die Reibung mit der Kundschaft vorprogrammiert. Es ist nun unser aller Aufgabe, Applikationen zu verbinden, Datensätze nutzbar zu machen und dadurch eine bessere Customer Experience zu schaffen.
Und, um den Bogen zu Punkt drei zu spannen: Wenn das Web jetzt um eine dritte Ebene ergänzt wird, und man sich nicht damit beschäftigt, dann wird der Kreis der Menschen größer, zu denen man keinen Zugang hat. Viele beliebte Tools der Web3-Community sind Web2-Applikationen wie Discord oder Twitter Spaces. Dort finden Konversationen statt, denen man lauschen muss oder an denen man sich beteiligen sollte. Dann versteht man, welchen Wert Menschen in NFTs sehen, außer damit schnell Geld zu machen. Menschen lieben Communities, sie wollen irgendwo dazugehören, sie identifizieren sich mit den NFTs, die sie besitzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Zukunft die Summe der NFTs sind, die wir besitzen.
“Für viele, das sieht man z. B. an den Profil-Bildern in sozialen Netzwerken, sind die NFTs die eigene Identität und sie werden immer mehr.”
Wenn man diese neue Creator-Economy und dieses neue Mindset versteht, schafft man eine Verbindung zu diesen Menschen. Diese Community möchte nicht nur etwas von Unternehmen kaufen, sondern einen Teil der Marken besitzen und mitgestalten.
OMKB: Ben, vielen Dank für diesen interessanten Einblick und für deine Insights.