Seit 1897 hat sich Toyota zu einer der weltweit bekanntesten Automobilmarken entwickelt – 2015 war die Firma mit nahezu zehn Millionen verkauften Fahrzeugen sogar der weltweit größte Hersteller in der Automobilbranche. Schon früh setzte Toyota auf die Themen Hybrid und Brennstoffzellen. Mit seinen innovativen Technologien möchte Toyota zur umweltfreundlichen Mobilität beitragen und vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter werden.
The&Partnership ist eine weltweit agierende Full-Service-Werbeagentur, die ihre Kund:innen seit 2017 mit datengetriebener Technologie dabei unterstützt, Silos aufzubrechen und in der immer dynamischer werdenden Marketinglandschaft zu navigieren. Unter anderem arbeitet The&Partnership mit Marken wie Toyota, The Wall Street Journal und Lexus zusammen. Mittlerweile beschäftige The&Partnership über 1.600 Mitarbeiter:innen auf vier Kontinenten.
In ihrem Vortrag sprechen Niels Klamma, General Manager Brand & Marketing Communication bei Toyota Deutschland, und Sarah Mooslechner, Head of Strategy & Social Media bei The&Partnership Germany, über Toyotas Rebranding, wie man das Chaos im Feed beherrscht und welche Früchte ihre Zusammenarbeit bisher getragen hat.
Das Video mit Sarah Mooslechner und Niels Klamma
Bekannt, aber die Emotionen fehlen – das Toyota-Dilemma
Mario Rose: Vielen Dank für den fantastischen Vortrag, Sarah und Niels. Mit den Content-Beispielen aus eurem Instagram-Feed am Ende habt ihr sicherlich nicht nur mich zum Schmunzeln gebracht. Mich habt ihr natürlich auch mit dem „alten“ Spot von Toyota gecatcht: „Nichts ist unmöglich“. Ich gehöre nämlich zur Fernsehgeneration der 90er-Jahre und kann dementsprechend insbesondere das bestätigen, was Niels aufgeführt hat. Toll, dass ihr uns auf diese inspirierende Reise mitgenommen habt.
Ich würde gerne noch einige Details mit euch beleuchten. In eurem Vortrag habt ihr mit der Strategie begonnen und berichtet, dass die Bekanntheit eurer Marke eigentlich kein Problem darstellt – ihr produziert immerhin weltweit die meisten Autos –, sondern dass ihr an der emotionalen Identifikation mit der Marke arbeitet. Welche emotionalen KPIs habt ihr als ausschlaggebend identifiziert und wie könnt ihr die sukzessive überprüfen?
Niels Klamma: Ich versuche, deine Frage von der Unternehmensseite zu beantworten und vielleicht kann Sarah noch Informationen von der Agenturseite ergänzen. Wir führen in jedem Quartal eine Brand-Messung durch, aber um die Herausforderungen rund um die Marke zu ergründen, muss man noch genauer hinschauen. Dabei stößt man auf Faktoren, von denen man nicht weiß, wie man die beeinflussen kann. Das können etwa Aussagen sein wie: „Das ist eine Marke, auf die ich stolz bin.“ Ich habe keine einfache Antwort darauf, wie man diese Aussage beeinflussen kann. Dieser Wert ist bei uns jedenfalls im Vergleich mit anderen Automobilmarken unterirdisch.
„Wenn man möchte, dass die eigene Marke von Kund:innen weiterempfohlen wird, weil sie stolz auf das Produkt der Marke sind, kann man nicht einfach eine Kampagne aufsetzen, die die Kund:innen dazu aufruft, stolz auf die Marke zu sein.“
Niels Klamma
Also haben wir uns gefragt, welche Fragestellungen sich dahinter verbergen. Klar ist, dass es sich hier um ein emotionales und kein rationales Thema handelt. Dementsprechend muss man bestimmte emotionale Trigger setzen, die dazu führen, dass jemand stolz auf eine bestimmte Marke ist. Diese Trigger kann Sarah detaillierter erklären, denn es gibt ein breites Set-up von Dingen, die wir tracken und messen.
Sarah Mooslechner: Ein großer Unterschied besteht zwischen Aided und Unaided Awareness.
„Wir verfügen über eine gute Aided Awareness, aber es mangelt an der Unaided Awareness und das liegt am Mangel der emotionalen Aspekte.“
Sarah Mooslechner
Deswegen haben wir zusätzlich zum Quartal-Brand-Tracker lokale Brand-Tracker implementiert. Natürlich messen wir weiterhin Parameter wie Sentiment, gleichzeitig lassen wir aber mehrere Brand-Studien laufen. Darunter ist etwa eine Brand-Studie, die sich explizit mit der Zuschreibung inhaltlicher Faktoren auseinandersetzt. Das ist ein Reizreaktionsverfahren, in dessen Rahmen die Menschen der Marke Zuschreibungen geben können.
Wir beobachten dann, ob sich die Zuschreibungen über die Quartale hinweg in diesem Reizreaktionsverfahren erhöhen. Es kommt dabei nicht zu schnellen Bewegungen, aber es bewegt sich. Wir können die Zuschreibungen außerdem clustern, damit wir Zuschreibungen auf ganzen Clustern beobachten können. Zudem können wir unsere Werbemittel mit demselben Reizreaktionsverfahren messen, wobei wir das nicht bei jedem Stück Content machen. Dadurch erhalten wir relativ schnell Feedback dazu, welche Art von Content welche Zuschreibungen beeinflusst und können unsere Strategie dementsprechend anpassen.
Mario Rose: Ich merke schon, dass allein das Thema Messmethoden einen ganzen Nachmittag füllen könnte. Ihr habt gesagt, dass ihr auch lokal arbeitet. Wie lokal kann ich mir das in Hinblick auf eure Brand Surveys vorstellen? Geht das runter auf einzelne Events, in deren Zusammenhang ihr lokal separat Studien anlegt?
Sarah Mooslechner: Die grundlegende Brand-Messung ist ein europäisches Konstrukt und wird in allen Ländern identisch durchgeführt. Lokal bedeutet, dass wir in Deutschland zusätzliche Messungen aufsetzen. Niels hat vorhin schon gesagt, dass Toyota ein unglaublich zahlengetriebenes Unternehmen ist, dementsprechend kommen bei uns ständig Reportings an.
Zielgruppengerechte Kommunikation bei Toyota
Mario Rose: Eine eurer Kernzielgruppen ist logischerweise die Gen Z. Vielen Unternehmen, die mit starken Marken kommunizieren, fällt auf, dass diese Generation wesentlich mündiger und kritischer im Umgang mit Information und Selektion ist und dass für sie Aufmerksamkeit und Engagement die relevanten Metriken sind. Habt ihr im Toyota-Kosmos Bereiche identifiziert, die keine oder kaum eine Rolle in der Kommunikation mit der Gen Z spielen, wie der Motorsport? Hat sich das seit den 90er-Jahren verändert, sieht diese Generation das Thema Motorsport kritischer? Gibt es rote Themenbereiche, die ihr in Hinblick auf die Gen Z umgeht, obwohl sie zum Markenkern von Toyota gehören?
Niels Klamma: Nein, wir orientieren uns an unseren vier Markensäulen und dabei haben wir noch kein Thema gefunden, dass wir ausschließen mussten. In der Zielgruppenansprache sind wir breit aufgestellt und natürlich versuchen wir, die Themen datenbasiert jeweils an die relevanten Interessengruppen auszuspielen. Ich empfände es nahezu als tragisch, wenn ich deine Frage mit Ja beantworten würde, denn wir versuchen die Zielgruppen mit eben den Themen zu adressieren, die sie interessieren.
Aufsehen haben wir erregt, als wir uns vom Automobilprospekt auf Instagram zu unserer aktuellen Strategie bewegt haben.
„Plötzlich tauchte Mathias Mester auf unserem Kanal auf, weil er bei der Olympiade im TEAM TOYOTA ist. Da haben wir einige missliebige Kommentare von Menschen bekommen, die sich nicht für Sport interessieren.“
Niels Klamma
Das hat sich aber relativ schnell aufgelöst.
Sarah Mooslechner: Das war anfangs sehr interessant, weil sich die Leute über diesen unerwarteten Content in ihrem Feed geärgert haben. Aber das muss man aushalten.
Mario Rose: Stimmt, in eurem Vortrag habt ihr gesagt, dass es mit einer sechswöchigen Kampagne nicht getan ist.
Sarah Mooslechner: In dem Zusammenhang ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Gen Z nur ein Teil unserer Zielgruppe ist.
„Unsere Zielgruppenstrategie ist ebenso komplex wie unsere Auswertung, dementsprechend haben wir unterschiedliche Zielgruppen-Cluster.“
Sarah Mooslechner
Daher ist es wichtig, dieses Chaos in der Distribution zu beherrschen und den Content in spezifische Zielgruppen zu spielen, statt alles an alle zu verteilen. Deswegen müssen wir keine Themen ausschließen; die Motorsport-Fans kommen weiterhin zu unseren Kanälen.
Mario Rose: Ihr habt Instagram als Fokus-Instrument in den Vordergrund eures Vortrags gestellt. Mittlerweile ist die Plattform mit diversen Newsfeeds ausgestattet – da gibt es den normalen Feed, Stories, Reels und so weiter – und wie ihr aufgezeigt habt, herrscht dort das perfekte Chaos. Glaubt ihr, dass Instagram auch im nächsten Jahr noch euer führendes Social-Media-Instrument sein wird oder werdet ihr euch in eurer Strategie auf andere Kanäle wie TikTok oder Snapchat fokussieren?
Niels Klamma: In dem Zusammenhang sind wir vollkommen leidenschaftslos. Wir haben eine Matrix entwickelt, die bestimmt, auf welchen Kanälen wir tiefe Informationen über die Marke verbreiten und auf welchen wir uns auf aktuelle Trends fokussieren. Wenn beispielsweise unser Präsident am Wasserstoffgipfel teilnimmt, eignen sich Inhalte darüber eher für sachliche Kanäle wie LinkedIn. Auf TikTok dagegen arbeiten wir ausschließlich mit Trends und wir sind auf dieser Plattform, weil sie das Thema Social vollkommen neu definieren könnte. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen liegt unser Wachstumskanal namens Instagram. Aber es bricht mir nicht das Herz, wenn sich das eines Tages verschiebt.
Sarah Mooslechner: Meiner Meinung nach müssen Marken immer sinnhafte Entscheidungen treffen.
„TikTok erhält aktuell zwar viel Relevanz, man muss dennoch hinterfragen, ob dieser Kanal auch zur eigenen Marke passt und was man gegebenenfalls dort macht.“
Sarah Mooslechner
Natürlich bewegen wir uns in diesem Umfeld und probieren das aus, das muss man aber auch diskutieren und sich gut überlegen, statt einfach auf den Zug aufzuspringen, in dem schon alle anderen sitzen. Schlecht wäre es nämlich, wenn man eine Präsenz auf einer neuen Plattform aufbaut und später feststellt, dass man dort nicht Schritt halten kann, etwa weil man keine Inhouse-Content-Produktion hat.
Warum Toyota seine Content-Produktion ausgelagert hat
Mario Rose: Das ist ein sehr zentrales Thema. Ich denke auch, dass Inhouse-Mikro-Content notwendig ist, um als Marke auf TikTok, aber auch auf Instagram überhaupt stattfinden zu können. Gegen Ende eures Vortrags habt ihr eines meiner Lieblingszitate angeführt: „Culture eats Strategy for Breakfast.“ Vor zwei Jahren konnte man sich noch gar nicht vorstellen, über welche Kompetenzen man im Marketing verfügen muss, um überhaupt so arbeiten und beispielsweise innerhalb einer Stunde mit einem Format wie einem Instagram Reel online sein zu können. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Toyota den Großteil seiner Content-Produktion an The&Partnership ausgelagert. Wie passt das zusammen? Müsstet ihr das nicht inhouse machen?
Niels Klamma: Das sehe ich anders. Dazu muss man wissen, dass The&Partnership bei uns unten im Haus sitzt. Ich weiß gar nicht, ob es einen großen Unterschied gäbe, wenn das Content-Team eine Etage höher in unserer Marketing-Abteilung angesiedelt wäre. Das kommt natürlich auch auf das Unternehmen an, da müssen alle ihre eigenen Lösungen finden. Wenn man etwa L’Oréal heißt und jeden Tag zehn neue Produkte auf den Markt bringt, sollte man einen direkten Einfluss auf den Content haben, weil alles etwas schneller gehen muss. Wir sind mit unserem jetzigen Konstrukt jedenfalls sehr zufrieden.
Es gibt immer langfristige und kurzfristige Projekte und Social als Kanal deckt den Funnel von oben bis unten ab – von der reinen Awareness bis zum tatsächlichen Verkauf. Die verschiedenen Stufen müssen also mit einzelnen Themen, Retargeting und so vielem mehr bespielt werden. Das ist also unfassbar komplex, deswegen lohnt es sich, intensiv darüber nachzudenken und auszuprobieren. Ob unsere Lösung in fünf Jahren noch so aussehen wird wie heute, vermag ich nicht zu sagen, aber momentan funktioniert sie.
Sarah Mooslechner: Wir haben natürlich mit uns als Agentur, die mit im Haus sitzt, eine besondere Situation, die durch Corona allerdings in gewisser Hinsicht redundant geworden ist. Niels hat das unter dem Stichwort „Chaos im Team“ angesprochen; wir haben Redaktionsteams, die aus den Leuten im Unternehmen bestehen, die sich ohnehin auf diesen Kanälen bewegen und Lust darauf haben. Die bringen also das Interesse mit und von uns kommen die Expertise aus der Markensicht und die Content Creators. Deswegen funktioniert dieses Konstrukt unfassbar gut.
Mario Rose: Vielen Dank, Niels und Sarah, dass ihr hier wart und euer Wissen rund um das Thema Social Media Out Of Control eingebracht habt. Es hat mir großen Spaß bereitet, euch zuzuhören.
Hat dir das Q&A mit Sarah Mooslechner und Niels Klamma über das Rebranding der Marke Toyota gefallen? Dann schau dir doch auch mal die OMKB-Session mit Ole Mehles an, der dir verrät, was ODiN ist und wie man es im Display-Advertising einsetzen kann.