Philipp Klöckner ist einer der wichtigsten Search-Experten Deutschlands. Der Angel Investor war zuvor als Inhouse-SEO, Produktmanager und CMO bei Deutschlands marktführender Preisvergleichsseite Idealo tätig. Anschließend hat er für Rocket Internet, die Startup-Schmiede der Samwer Brüder, zahlreiche internationale Marktplätze, Classifieds, vertikale Suchen und sonstige Aggregatoren mit Bezug auf Digitales Marketing, Produkt und Business Intelligence mitgeformt.
Video mit Philipp Klöckner
In den letzten 15 Jahren hat Philipp aktiv an über hundert Startups und Wachstumsunternehmen mitgewirkt, von denen mittlerweile mehr als ein Dutzend den begehrten Unicorn-Status erreicht haben. Seit 2017 berät er hauptsächlich verschiedene private Equity-Firmen, Venture-Capital-Fonds und Wachstumsunternehmen.
Podcast mit Philipp Klöckner
https://open.spotify.com/episode/6DFMZG2oISMcWlJ8BA8PLx?si=A6T-TmEwSI-HcgtZDjTgog&dl_branch=1Im OMKB Talk mit den Moderatoren der Think11 GmbH – CEO Schahab Hosseiny und COO Mario Rose – gibt uns Philipp spannende Insights zu seinem eigenen “Doppelgänger” Podcast und beschreibt uns seine Sichtweise zu aktuellen Social Hypes und Marketing Strategien.
Mario Rose: Hallo Philipp. Schön, dass du da bist.
Philipp Klöckner: Hallo. Es freut mich sehr.
Mario Rose: Wir kennen dich aus dem Doppelgänger Podcast entsprechend mit deinem fast Namensvetter Philipp Glöckler, der im wöchentlichen Rhythmus erscheint. Dort werden News aus den Bereichen Technologie, Startups und Neuigkeiten aus dem World-Wide-Web-diskutiert. Du warst vor einigen Wochen als maßgeblicher Initiator des temporären Clubhouse Hypes und Organisator einer Telegram Einladungskette in aller Munde und ich glaube, du hast viele Wochenenden in ganz Deutschland lahmgelegt. Zumindest mein persönliches, weil auch ich damals in die Telegram Gruppe eingesprungen bin. Ich hatte ein Opt-in für Clubhouse und seitdem spielte sich mein Wochenende nur noch in dieser Audioapp ab.
Zudem habe ich gerade bei dir auf der Facebookseite noch ein Zitat wahrgenommen, dass du dich in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem sozialen Netzwerk verabschieden wirst. Ich bin gespannt, wie oder ob es dazu kommen wird. Darüber hinaus kennen wir Philipp als namhaften Speaker und OMR Stammgast. Er hat tatsächlich die letzte physische Konferenz, seinerzeit noch in der Stadthalle Bielefeld, mit seiner Keynote eröffnet. Damit schließt sich nun der Kreis und unsere zweitägige OMKB wird heute mit Philipp beendet.
Dazu möchte ich einmal an Schahab überleiten, der jetzt in die Q&A-Session einsteigen wird. Ich wünsche euch viel Spaß und noch einmal volle Konzentration für die nächsten Spannenden 45 bis 60 Minuten.
Schahab Hosseiny: Sehr schön und vielen Dank Mario für die einleitenden Worte. Philipp erst einmal herzlich Willkommen hier bei der OMKB. Es ist nicht deine erste OMKB. Ich habe im Vorfeld ein bisschen recherchiert und bei SlideShare deine alten Folien gefunden, die du damals präsentiert hast. Kannst du dich noch an die OMKB erinnern und wenn ja, auch noch an das Thema, das du präsentiert hast?
Philipp Klöckner: Ich glaube, ich war insgesamt zwei oder drei Mal da. Das letzte Mal zum Thema “Konträre Marketingthesen”. Das erste Mal ging es um “Competitive Intelligence”, also Wettbewerbsbeobachtung.
Schahab Hosseiny: Wahnsinniges Gedächtnis. Das ist absolut korrekt. Ist das Thema für dich immer noch heiß?
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es gehört zum Standard Tool-Set von Marketern, dass man über Tools verfügt, um zu schauen, was die Konkurrenz richtig macht. Das muss man mitverfolgen, wenn man den Beruf gut machen und auf dem Laufenden bleiben möchte.
SEMrush vollzieht Börsengang – Top oder Flop?
Schahab Hosseiny: SEMrush ist gestern mit zwei Milliarden Bewertungen an die Aktienmärkte gegangen. Das kommt ja auch sehr stark aus dem Bereich Competitive Intelligence. Danach sind sie allerdings um zwanzig Prozent diskontiert worden. Glaubst du, dass der Markt viel Upsite hat?
Philipp Klöckner: SEMrush hat einen sehr günstigen Einstiegspreis. Und ich glaube, dass sie einen Großteil des Marktes schon erreicht haben. Die Frage ist, ob der Markt an Online Marketing Executives oder Leute, die das Betreiben, schnell genug wächst. Es kommen bestimmt immer wieder neue Leute, weil sich immer neue Unternehmen auch damit beschäftigen. Das Problem bei SEMrush ist ein bisschen, dass sie nicht so schnell wachsen, weil die sogenannte Review Expansion – also wieviel mehr Geld mache ich mit dem gleichen Kunden jedes Jahr – nicht so spannend wächst, wie bei anderen Cloud-Aktien oder Software-Aktien. Ich glaube, deshalb wird es nicht ganz so euphorisch gefeiert. Sie starten auch in einem schlechteren Umfeld. Die Tech-Aktien werden gerade ein bisschen verprügelt. Ich denke, das hat auch damit zu tun. Das muss man beides sehen.
Schahab Hosseiny: Was glaubst du, wird in dem gesamten Markt noch in naher Zukunft passieren? Du hast einen sehr starken Marketing-Background. Wir sehen, dass sich viele Tools eher in Richtung Marketing-Suiten entwickeln. SEMrush kommt ebenso aus dem SEO-Bereich. Mittlerweile haben sich verschiedenste Module mit angeschlossen. Wir haben auch tolle deutsche Unternehmen mit dabei. Wir hatten heute Markus Tandler von Ryte beispielsweise mit dabei. Glaubst du, dass der Gesamtmarkt in Summe noch wachsen wird und hältst du Tool-Unterstützung im digitalen Marketing mittlerweile für Pflicht? Oder bist du der Meinung, dass man auch ohne Tool-Unterstützung in den Bereichen SEO und SEA immer noch gut auskommt, wenn du weißt, wo du angreifen musst?
Philipps Best of Breed – diese Tools sollten nicht fehlen
Philipp Klöckner: Das ist eine sehr gute Frage. Ich will nicht so weit gehen, dass man der Vorstellung unterliegen soll, wenn man ein Tool hat, dann kann man irgendetwas automatisieren und muss weniger arbeiten. Das stimmt nicht. Ohne Tools geht es aus meiner Sicht aber auch sehr schwer oder gar nicht. Man braucht zumindest irgendein Einsteiger-Tool bei einem niedrigen Preispunkt, wie SEMrush, SISTRIX, oder Ryte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das ohne Tools hinbekommt. Wie lautet der Anfang der Frage nochmal?
Schahab Hosseiny: Ob du glaubst, dass der Gesamtmarkt eher wächst?
Philipp Klöckner: Wir haben jetzt einen großen Umschwung. Es ist viel auf einmal online gegangen. Alle Werbenetzwerke profitieren. Auch die, die nicht mehr so gut aussehen. Deshalb denke ich schon, dass der Online-Gesamtmarkt schneller gewachsen ist. Dadurch, dass wir die nächsten Jahre vorweggenommen haben. Das hebt dann alle Schiffe, völlig egal, wie gut man die einzelne Software oder das einzige Netzwerk beurteilen möchte. Dieser Shift ist einfach für den Gesamtmarkt positiv gewesen.
Schahab Hosseiny: Wenn du dir die Unternehmen anschaust, was ist denn dein Ads-Deck um für dich eine schnelle technische Due Diligence durchzuführen und ein Gefühl dafür zu bekommen? Nutzt du Tools wie SEMrush und kannst du unserer Crowd vielleicht sogar ein paar Empfehlungen aussprechen?
Philipp Klöckner: Nur um präzise zu sein, die Technical Due Diligence wird von Leuten mit einem technischen Hintergrund gemacht. Ich komplettiere die sogenannte Commercial Due Diligence, also wo man sich das Geschäft selbst anschaut, und schaue mir da besonders den Bereich digitales Marketing und digitales Produkt an. Ich benutze zum Beispiel Similarweb – also woher kommt der Traffic, was sind die Top Keywords, was sind die Top Landingpages?
Für das sogenannte Benchmarking – also wenn ich es mit den Konkurrenten vergleiche – sind die Tools natürlich wichtig. Wer ist der Marktführer oder gibt es noch einen, der größer ist oder in einem bestimmten Kanal deutlich stärker ist? Dafür ist Similarweb sehr gut. Es gibt eine kostenfreie Version. Die kostenpflichtige ist relativ teuer. Ansonsten mit SimilarTech oder BuiltWith kann man den Marketingtext sehr gut weg explorieren. Man sieht damit, ob jemand schon auf Facebook wirbt oder ein A/B-Testing-Tool implementiert hat. Sowas kann man dann in der sogenannten Outside-In-Analyse umsetzen.
Wenn ich noch keinen Zugang zu den Unternehmensdaten habe und diese von außen betrachte, wären das typische Tools, die ich benutze. Ich benutze für verschiedene Zwecke auch alle drei oder vier. Für die OnPage-Analyse nutze ich beispielsweise Ryte. Für Search-Sichtbarkeit vielleicht eher SEMrush, SISTRIX oder Searchmetrics. Es gibt bei allen Funktionen, die besonders gut sind.
Schahab Hosseiny: Okay, du bist doch durchaus fragmentiert aufgestellt – ein bisschen der Best of Breed-Ansatz.
Philipp Klöckner: Genauso. Der sogenannte Best of Breed-Ansatz. Es gibt Tools, die wie ein Schweizer Taschenmesser sind, mit denen man sehr weit kommt. Aber durch die sehr intensiven Einsätze, macht es schon Sinn, für jede Funktion das beste Tool zu benutzen.
Wie Pip durch Clubhouse eine neue Audience gewinnt
Schahab Hosseiny: Mario hat schon das Thema Clubhouse angesprochen. Spätestens seit dem Clubhouse Hype kennt dich eine etwas größere Masse an Publikum oder an Menschen, weil du auch eine gewisse Medienpräsenz genossen hast. Auch die Suchanfragen nach Philipp Klöckner steigen. Mittlerweile wirst du sogar bei Wikipedia in direktem Zusammenhang mit Clubhouse genannt, was ich fantastisch finde. Was hat sich für dich durch die höhere Wahrnehmung und die höhere Medienpräsenz verändert? Welche Implikationen waren eher positiv und was war vielleicht nicht so positiv?
Philipp Klöckner: Das war hauptsächlich viel Arbeit für eine kurze Zeit. Ich hatte schon ein oder zweimal in meiner Karriere Momente, in denen ich kurz ein bisschen Presse genießen durfte. Daher bin das gewohnt. Positiv ist, dass wir nicht nur viele Hörer für unseren Doppelgänger Podcast gewinnen konnten, sondern auch ein anderes Klientel. Wir hatten vorher eine sehr Marketing-Tech lastige Audience und haben zusätzlich neue Leute aus der Journalisten-Sphäre gewonnen, die wir anders vielleicht erst später oder gar nicht erreicht hätten. Es war auch mit unter unser Ziel, dass wir das nutzen, um eine neue Audience für unseren Podcast aufzubauen, da beides Audioformate sind.
Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden.
Wir dachten uns, das passe gut zusammen und das ist ein Greenfield, das man noch besetzen könne. Bis auf den Zeitverbrauch in den ersten Wochen, unter dem jeder geklagt hat, sehe ich keine negativen Konsequenzen. Es hat eine Woche viel Pressearbeit gegeben, aber das macht auch Spaß. Bis auf, dass uns ein bisschen alle Sachen, die mit Clubhouse zu tun haben, dann gern angelastet werden.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Podcast erwähnt. Heißt das, dass ihr jetzt durch die höhere mediale Wahrnehmung eine neue Audience erreichen konntet? Wird es dann auch neue inhaltliche Schwerpunkte geben oder bleibt ihr der Linie treu?
Philipp Klöckner: Manchmal wurde uns vorgeworfen, wir hätten gar keine klare Linie. Die Linie ist digitales Produkt und Marketing. Sie ist ein bisschen Technologie. Sie ist viel Aktien, weil uns das selbst interessiert und auch ein bisschen menschliche Themen. Also quer Beet. Wir haben jetzt keine redaktionelle Agenda, wenn man ganz ehrlich ist. Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden. Der uns bewegt oder bei dem wir glauben, wir können Dinge auch für andere Leute hilfreich einordnen.
Das muss man nicht mögen, aber es hören relativ viele Leute und verändert hat es sich durch Clubhouse nicht. Es kommt dazu, dass tatsächlich Leute versuchen, jetzt Produkte zu platzieren. Sie sagen, ‘Wir haben hier eine App, die macht dies und das. Könnt ihr die nicht auch genauso groß machen?’ Wenn wir davon überzeugt sind oder es spannend finden, würden wir das sowieso machen, aber als Dienstleistung kann man das noch nicht erwerben. So wichtig sehen wir uns dann auch nicht.
Schahab Hosseiny: Das heißt, ihr seid noch nicht für Product-Placement empfänglich.
Philipp Klöckner: Das passt bis jetzt gar nicht. Wir sind immer werbefrei und leisten uns das als Hobby.
Schahab Hosseiny: Wie kann ich mir das vorstellen? Ihr habt eine sehr ordentliche Frequenz und der Podcast ist auch nicht wirklich komprimiert, sondern geht durchaus über einige Minuten. Wie intensiv ist die Abstimmung? Mittlerweile bist du gut eingegroovt mit deinem Co-Host. Dennoch müssen die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Wie kann ich mir sowas vorstellen? Habt ihr eine Google Drive Folder-Struktur, die ihr dann kollaborativ bearbeitet? Wie geht ihr das Thema an?
Philipp Klöckner: Ja, vielleicht genauso, wie die meisten das lösen würden. Ganz am Anfang haben wir überlegt, ‘Wie bauen wir diesen Podcast überhaupt oder was wollen wir gerne hören?’ Wir haben einfach unsere Stichpunkte eine Zeit lang in Google Doc gesammelt und ein oder zweimal telefoniert. Dadurch ist es zum Beispiel zu diesem Namen gekommen.
Die wöchentliche Themenplanung ist tatsächlich ein Trello-Board, wo wir ganz agil Kärtchen einschieben und da steht beispielsweise SEMrush IPO oder was uns gerade bewegt. Unsere Aufgabe ist es dann, uns unabhängig voneinander darauf vorzubereiten. Entweder interessiert einen das schon vorher oder er versucht sich in kurzer Zeit kompetent zu machen. Wir sprechen nicht ab, wie wir das Besprechen. Ich bekomme das dann meistens als Überraschungsfrage zugeworfen oder stelle auch Philipp die Frage. Deshalb ist es eine Mischung. Die Agenda ist geplant, aber wie wir darüber reden ist Freestyle. Das kommt uns bisher auch am authentischsten vor. Ich glaube, wenn man das komplett skripten würde oder Argumente vorfertigt, dann wird es auch ein bisschen langweilig. Der Nachteil ist, dass ich dann vor mich hin stottere oder die Sätze mittendrin nochmal anfange. Das ist der Nachteil der Authentizität.
Schahab Hosseiny: Da teilen wir uns dasselbe Leid. Ich finde das sehr sympathisch. Blockierst du weiterhin bewusst eine höhere Management Attention of Clubhouse?
Die Herausforderungen als Audio-only-App und warum es bei Clubhouse nicht so richtig funktioniert
Philipp Klöckner: Ich habe das Gefühl, Clubhouse hat ein bisschen den Ball verdribbelt. Am Anfang haben sie viele Dinge richtig gemacht. Im Moment merke ich, dass hauptsächlich die Discovery Engine – also, wie finde ich spannende Räume auf Clubhouse – nicht mehr so gut funktioniert wie am Anfang. Ich bekomme dort vollkommen irrelevante Dinge vorgeschlagen. Das so gut wie TikTok hinzubekommen, ist eine große Herausforderung. Aber es mittelmäßig gut hinzubekommen, ist eigentlich nicht so schwer und Clubhouse kriegt es im Moment nicht einmal mittelmäßig hin. Ich weiß nicht, ob sie sehr stark versuchen wollen, das diverser zu gestalten und bewusst Leute auf neue Inhalte stoßen. Wenn dem so ist, dann funktioniert es jedoch relativ schlecht. Zumindest für mich und mit Sicherheit auch für viele andere.
Dass es wirklich schwer ist gute Inhalte zu finden, die relevant für mich oder für die Hörer insgesamt sind, macht es ein bisschen unattraktiv. Das nächste ist, dass sie die wichtigen Feature Push-Notifications so inflationär genutzt haben, dass sie den Hörern antrainiert haben, die Push-Notification komplett zu ignorieren. Es kam einfach so viel. Das kann nicht alles relevant gewesen sein. Wenn jetzt wirklich jemand auf der Bühne steht, der mich interessieren könnte, dann bekomme ich es nicht mehr mit, weil dieser Kanal durch diese Inflation von Nachrichten verschlossen wurde. Deshalb ist es jetzt auch schwer, Leute zu reaktivieren.
Wir sind jeden Mittwochabend für unsere Session da und unter der Woche verbringe ich nicht mehr so viel Zeit. Obwohl ich mir sicher bin, dass es weiterhin großartige Gespräche gibt. Aber dieses sogenannte Fear-of-Missing-out-Gefühl, dass ich etwas verpasse.. “Es könnte jetzt ein Bekannter auf der Bühne sein, den ich unbedingt hören muss oder ein Star oder Politiker” – Damit muss man leben. Wenn das passiert, dann ist es auch einfacher zu akzeptieren und dann ist dieser Reiz sehr schwach geworden.
Schahab Hosseiny: Du sagst, die Nutzer wurden ein Stück weit konditioniert, auf Push Nachrichten zu reagieren. Das Ganze wurde viel zu inflationär eingesetzt und dadurch ist die Reaktivierungsquote jetzt sehr gering oder die Nutzer nutzen die Applikation gar nicht mehr. Wobei man sagen muss, der Demand ist immer noch da, also Wachstum wird immer noch produziert. Du hast für dich persönlich jedoch nicht mehr den hohen Motivationsgrad?
Philipp Klöckner: Genau. Am Anfang war es so, wie bei euch wahrscheinlich auch. Ich verbrachte 24 oder 30 Stunden in der ersten Woche dort, was ja schon viel ist. Ich war ständig nebenbei und in jeder freien Minute online. Davon bin ich inzwischen weit entfernt und es ist auch kompatibler für die Beziehung. Im Zweifel merke ich auch, dass ein Podcast mir dann mehr liegt. Weil ich auch auf Clubhouse eher passiv war. Und dann ist ein Podcast genauso gut.
Schahab Hosseiny: Haben die Gründer jemals Kontakt zu dir aufgenommen? Du hast eine gewisse mediale Aufmerksamkeit genossen und wurdest immer mit dem Erfolg von Clubhouse in Deutschland in Korrelation gesetzt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du auch namentlich auf der Agenda gelandet bist, entweder bei den Gründern oder bei den Investoren. Gab es da mal Gespräche?
Philipp Klöckner: Kontaktiert wurden wir nicht. Letztlich wissen wir aber nicht, ob besprochen wurde, dass Deutschland ein Thema war. Ich glaube, um Deutschland zu übersehen, war das zu groß. Da hat bestimmt jemand geschaut, wo Deutschland liegt und warum das hier jetzt abgeht. Das wurde bei OMR ausreichend beschrieben. Tatsächlich kontaktiert wurden wir jedoch nicht. Die Frage taucht immer wieder auf. Philipp Glöckler, mein Co-Host, versuchte mit einem Partner von Andreessen Horowitz Kontakt aufzunehmen. Ansonsten gab es keinen großen Austausch. Inzwischen gibt es eine Art Outreach-Team, mit welchem versucht wird, etwas mit der Community zusammen auf die Beine zu stellen. Zumindest habe ich das über hören und sagen erfahren.
Das Audio-Only-Modell hat Zukunft – Doch bislang ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür Leute auch bereit wären, Geld auszugeben.
Schahab Hosseiny: Du bist Investor. Wenn du die Wahl hättest, unabhängig von der Bewertung, findest du, die Idee hat Zukunft noch ein weiteres soziales Netzwerk, – wenn man das als soziales Netzwerk betiteln dürfte – Audio Only zu starten? Du kennst ja auch die Diskussion mit Twitter und Facebook und den Möglichkeiten der Competition. Glaubst du an das Modell als solches?
Philipp Klöckner: Ja, das Modell als solches, finde ich weiterhin attraktiv. Ich finde es nur operativ oder taktisch verdribbelt. Ich glaube, man könnte es weiter gut aufziehen. Es wurden auch viele Dinge richtig gemacht. Das Einladungssystem hat bereits dazu geführt, dass es eins der zivileren Netzwerke wurde. Zumindest so wie ich es erlebt habe. Deshalb gibt es schon viele Faktoren, weshalb ich glaube, dass Audio Only etwas Gutes ist. Aktuell würde mich ein bisschen abschrecken, dass für mich selbst die Produkterfahrung nicht so gut war. Denn jemanden zu fixen oder jemanden noch einmal zurückzuholen ist fast schwerer, als ihn dazu zu bringen, etwas das erste Mal auszuprobieren. Von daher ist es jetzt ein bisschen wie mit einer heißen Kartoffel: Ich weiß nicht, ob ich sie anfassen will.
An Facebook glaube ich nicht. Ich versuche dort eher meinen Absprung zu finden, weil ich merke, dass ich die Zeit, die ich dort verbringe, nicht genieße. Ich bin auch ein Typ, der sich in Debatten verfängt und sich hinterher darüber ärgert, dass er überhaupt angefangen hat zu schreiben. Ich kann mir selbst die Schuld dafür geben. Aber ich merke auch, dass es auf Facebook viel schneller passiert als auf Twitter. Deshalb gebe ich in dem Fall zumindest die Mitschuld an Facebook. Ich glaube schon, dass es ein Grundbedürfnis ist, sich zu vernetzen. Von der Aura her, fand ich bisher auch, dass es das bessere Netzwerk ist.
Clubhouse und die Audioidee haben auch Sinn ergeben. Man kann passiv sein und muss sich nicht beteiligen. Man kann auch nur zuhören. Es gab durchaus viele gute Features, an die ich glaube. Ich bin ein großer Fan von Twitter, so wie es ist. Ich finde, es muss sich nicht großartig verändern. Obwohl es auf der Geschäftsseite nicht besonders gut funktioniert. Aber als Nutzer finde ich es hervorragend.
Schahab Hosseiny: Glaubst du an die Monetarisierungsformen, die Twitter mit Werbeanzeigen verfolgt oder glaubst du, das ist der falsche Monetarisierungsweg?
Philipp Klöckner: Mich stört das nicht, da ich es über TweetDeck nutze, wie viele professionelle Nutzer. Dann sieht man wenig von der Werbung, außer wenn ich jetzt etwas auf dem Handy mache. Für das Unternehmen oder für die Investoren funktioniert es nicht gut, da die Werbung nicht genug Gewinne abwirft, weil die Leute werbeblind sind oder Tools nutzen, um die Werbung nicht zu sehen.
Gleichzeitig ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür man auch bereit wäre, Geld auszugeben. Das ist nicht einfach, weil es der Marktplatz der Ideen ist und in den USA fast einen Demokratie bildenden Charakter hat. Denn ein Großteil der Bevölkerung ist auf Twitter, weil der ehemalige Präsident fast exklusiv darüber kommuniziert hat. Wo legt man die Bezahlschranke? Muss ich bezahlen, um mitzulesen? Muss ich bezahlen, um mich äußern zu dürfen? Was heißt es dann für die Demokratie, wenn genau das der Marktplatz der Ideen ist. Wenn ich bezahlen muss, damit ich etwas sagen darf? Es ist nicht so einfach zu sagen, wir nehmen jetzt jedem beispielsweise fünf Dollar im Monat ab. Damit schließt man Leute aus, die dann ihre Stimme verlieren. Das kann gefährlich sein.
Schahab Hosseiny: Ja. Wir hatten Dirk Freytag auch hier und haben über das Thema gesprochen. Die Bereitschaft für guten Content Geld zu bezahlen. Wie würdest du das Thema für dich einordnen? Glaubst du, dass wir 2021 bereit sind, für guten journalistischen, kuratierten Content, Geld zu bezahlen? Content, der auch über Twitter etc. publiziert wird? Oder denkst du, hier gibt es nur eine Alternative und das ist die Werbefinanzierung? Dazu würde mich deine Position interessieren.
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es ist schwer, das für alle richtig zu beantworten. Ein Teil ist längst bereit dafür zu bezahlen. Die stört dann eher, dass man trotzdem noch Werbung sieht oder man weiter getrackt wird. Ich habe heute ein Abo für KATAPULT MV abgeschlossen. KATAPULT MV macht Lokalpresse und versucht das nochmal aufzubauen, weil sie unterstellen, dass die Lokalpresse in Mecklenburg-Vorpommern ein bisschen eingefärbt ist. Das finde ich gut. Das unterstütze ich mit meinem Geld und das will ich lesen. Das möchte ich sehen in der Welt. Andere Leute unterstützen dann die New York Times oder The Information oder was immer man lesen mag.
Aber ich finde, dann muss es auch so sein, dass ich nicht getrackt werde. Dann soll es auch eine sehr gute Erfahrung sein, wenn man dafür zahlt. Die Gefahr ist natürlich ein bisschen, dass das die meisten Leute nicht unbegrenzt machen können. Damit begibt man sich auch in eine Art Bubble. Wenn man nur den Fokus liest oder nur die Zeit, hat man natürlich auch eine eingefärbte Sicht der Dinge. Und nicht jede Familie kann sich das leisten, die vier großen Tageszeitungen zu abonnieren. Deshalb braucht man ein Modell. Das scheitert, meiner Meinung nach, an der Zusammenarbeit der Verlagswelt. Eine Art Spotify für Zeitung, wofür ich ein Abo zahle, das wird ein bisschen nutzungsbasiert aufgeteilt und ich kann dafür vielleicht hundert Artikel im Monat kostenlos lesen.
Ich glaube, das wäre das schönste, denn ansonsten werden wir irgendwann eine Subskription Fatigue haben. Dann kommen die ersten Apps wie Aboalarm: “Schau mal, du hast hier vier Streaming Services und den einen hast du gar nicht mehr genutzt. Du abonnierst fünf Zeitungen und drei davon hast du gar nicht mehr angeschaut” – Das ist wahrscheinlich das nächste Geschäftsmodell, was sich daraus ergeben würde.
Schahab Hosseiny: Die Preissensibilität ist in den letzten Jahren, was digitale Produkte angeht, auch von den ganz Großen vorformuliert worden. Spotify, beispielsweise, liegt inzwischen bei 15 Euro. Du hast Recht, wenn die Verlage in Deutschland zusammenkommen würden, würden bestimmt tolle Produkte entstehen. Bei Spotify hast du nur eine gewisse Anzahl an Major Labels, mit denen du sprechen musst. In Deutschland hast du so viele Verlage. Es ist eine fragmentierte Situation, dass man immer noch nach mehreren Jahren offenbar nicht auf eine gemeinsame Lösung kommen konnte.
Das ist sehr traurig. Die Lokalpresse hat auch einen gewissen gesellschaftsrechtlichen Auftrag und das führt dazu, dass eine Demokratisierung in Deutschland stattfindet. Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn der Bürgermeister in der Provinz irgendwo Geschäfte mit seinem Nachbarn treibt, wer soll denn darüber berichten? Die Öffentlich-Rechtlichen machen es nicht, denn dafür ist es zu granular. Deshalb bin ich der Meinung, brauchen wir die Lokalpresse. Aber das ist ein guter Punkt, den du ansprichst. Die Verlage hier müssen mittelfristig wahrscheinlich eine gemeinsame Lösung auf den Markt werfen. Denn niemand ist bereit, diese Gelder für teure Redaktionen zu bezahlen, wenn es eine so hohe fragmentierte Anzahl an Verlagen gibt.
Philipp Klöckner: Ja, man kann vielleicht die Parallele zu Australien ziehen. Dort ging es darum: Kann sich die Verlagswelt gegen Google und Facebook verbinden? Dadurch, dass die dort noch konzentrierter sind, konnte auf Augenhöhe verhandelt werden. Und das funktioniert in fast keinem anderen Land. In Deutschland gibt es immer einen Streikbrecher, der sagt: Selbst wenn sich drei große Verlage zusammentun und z.B. Google News für 2 Wochen bestreiken, gibt es immer ein oder zwei Verlage, die sagen: Dann nehmen wir den Traffic aber gerne, denn uns geht es gerade am schlechtesten. Ansonsten könnte man sowas wahrscheinlich auch in Deutschland gut durchsetzen. Es wäre sogar sinnvoll, aber dazu muss man den Willen haben zu kooperieren.
YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Schahab Hosseiny: Machen wir einen kurzen Schwenk von Clubhouse, Audio Only, auf YouTube. Ich habe dich auch im Vorfeld etwas recherchiert. Philipp, du bist mittlerweile mit einem eigens gedrehten Video, welches du persönlich auch hochgeladen und gerüstet hast, über deinen eigenen Channel im Rahmen einer Landingpage zu Clubhouse. Kam hier ein bisschen der alte SEO Philipp durch, dass du gesagt hast, ich habe jetzt eine Landingpage, dann brauche ich auch ein Video? Oder was hast du dort konkret verfolgt? Das Video rankt auch gut und du hast auch sehr positive Kommentare in einer Mini-Sentiment-Analyse geerntet. Wann erleben wir dich denn häufiger im Bereich Bewegbild? Ist das ein Thema für dich und für euren Podcast als Verlängerung?
Philipp Klöckner: Das wurde ich schon oft gefragt, aber da muss ich dich wahrscheinlich enttäuschen. Das war ein bisschen die alte Zeit und taktisch sehr opportunistisch getrieben. Einfach gesagt, unsere Doppelgänger Podcast Blog Domain war einfach noch sehr jung. Wir haben es nicht geschafft den Inhalt schnell in Google reinzubekommen. Auch nicht mit allen Hilfsmitteln, die man als SEO kennt. Und selbst das hat dann relativ lange gedauert. Und so ein Video auf YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Ich habe das dann auch eingesetzt und einfach kurz an einem Samstag nach dem Frühstück eingesprochen. Das war dann wirklich fünf Minuten später in den Suchergebnissen. Ansonsten – strategisch wird das in Zukunft nicht die Rolle spielen. Für mich ist Audio eher mein Medium, zumindest nach meinen bisherigen Erkenntnissen. Ich sage immer böse, dass mein Co-Host ein Radio Gesicht hat. Wir fühlen uns mit Audio wohler.
Schahab Hosseiny: Okay, sehr gut. Das Thema Video hast du gerade angesprochen. Video SEO, siehst du da weiter noch einen sehr starken Demand am Markt? Oder ist es ein Umfeld, bei dem du sagst, da kannst du mit der smarten SEO-Strategie für gute Reichweite und Reach sorgen?
Philipp Klöckner: Es ist ein offenes Geheimnis, dass YouTube die zweitgrößte Suchmaschine ist, größer als jeder sogenannte Google Konkurrent. Deshalb kann man das bei vielen Modellen eigentlich nicht auslassen. Man kann es auch mit fast jedem Motiv verbinden und ein passendes Format schaffen. Wenn man von einem holistischen Marketing oder Content-Strategie sprechen möchte, dann gehört Video wahrscheinlich für die meisten dazu. Man hat in der Regel weniger Konkurrenz in dem Kanal – deshalb habe ich ihn auch gewählt. Während die ersten Webseiten versucht haben, etwas über Clubhouse zu schreiben, gab es auf YouTube deutschsprachig noch keine Inhalte dazu. Das ist eine Lücke, die man wahrscheinlich auf viele Geschäftsmodelle beziehen kann. Gibt es für meine Nische dort schon gute deutschsprachige Inhalte?
Wir kennen das aus der Anwaltsszene, von der Fahrschule über den Steuerberater oder der Mathelehrer, der Nachhilfe gibt. Es gibt so viele Beispiele, die diesen Kanal perfekt nutzen. Technisch ist es gar nicht so anspruchsvoll, wie klassisches SEO. Es gibt Dinge, die man richtig machen und schauen muss, dass man die Leute irgendwie früher begeistert, gleichzeitig Cliffhanger findet und danach weitere Videos schauen. Am Ende will YouTube die Zuschauerzeit maximieren. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir glauben, das passt nicht gut zu uns und das ist nicht das, was uns Spaß macht. Aber ansonsten sollte das in den Marketing-Mix wahrscheinlich bei den meisten Modellen mit einbezogen werden.
Ich schaffe es jeden Tag so zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Wie hältst du dich up to date? Du bist sehr belesen, auch was die Tech-Industrie angeht. Konsumierst du gerne auch über Audio oder bist du eher der Dr. Speed-Reader oder vielleicht sogar bewegte Bilder? Wie hältst du dich fit?
Philipp Klöckner: Ich bin ein bisschen der Audio-Typ und das betrifft auch die Informationsaufnahme. Ich schaffe es jeden Tag ca. zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Auf doppeltem Speed oder wirklich?
Philipp Klöckner: Ich schaue schon, dass ich Dinge höre, die eine hohe Informationsdichte haben. Was jetzt zu sehr “Laber Kram” ist oder zur Unterhaltung dient, das schaffe ich dann auch nicht. Ich höre es in der originalen Geschwindigkeit. Ich habe ein Programm von ein paar Nachrichten Shows, ein paar tiefere Sachen, die mich interessieren, ein paar Börsen-Sachen, ein paar Tech-Sachen, ein paar Marketing-Sachen. Audio ist das, was ich gut passiv aufnehmen kann. Es gibt Sachen, da muss man auch aktiv zuhören, aber prinzipiell ist es so, wenn die Geschichte gut erzählt ist, dann kann ich mir diese ewig merken. Ich habe das einmal gehört und dann habe ich es in der Regel verstanden oder zumindest einen Aspekt dazu verstanden und deswegen liegt mir das.
Ansonsten habe ich den ganzen Tag mein TweetDeck auf meinem zweiten Monitor. Egal was ich tue, es läuft immer eine Art Nachrichten Ticker. Das ist manchmal schon sehr störend, aber es gibt einem auch das Gefühl, man hat einen guten Überblick darüber, was Leute jetzt wichtig finden. Das ist auch gleichzeitig immer ein bisschen die Recherche für den Podcast. Das sind die Sachen, die uns in der Woche beschäftigt haben. Wir monetarisieren, kann man nicht sagen, da wir nichts verdienen. Aber wir verwerten dann schon, was wir diese Woche an Informationen aufgenommen haben und versuchen das dann nochmal für die Hörer zu interpretieren.
Die wichtigsten KPIs und Motivation, die hinter Philipp Klöckners Podcast stecken
Schahab Hosseiny: Du bist durchaus ein datenorientierter Mensch. Wir haben jetzt über Podcasts gesprochen, da werden wir gleich auch noch einmal einen kurzen Deep Dive machen. Was sind für dich persönlich die KPIs, bei denen du sagst, ‘Das passt für mich. Denn ich investiere in hohe Management Attention. Das Thema Podcast ist für mich ein Kanal, bei dem ich mich wohl fühle. Da habe ich auch für mich ein Return.’ Was ist für euch die Motivation? Ist es eher die Reach? Du bist ja Investor. Kommst du damit gegebenenfalls schneller und besser in Kontakt mit Targets? Ist das für dich ein Netzwerk? Was ist die Motivation oder ist es die reine Ideologie, zu sagen, ‘Wir haben was zu erzählen und wollen es einfach diskutieren.’?
Philipp Klöckner: Ja, ein bisschen schon. Der ursprüngliche Arbeitstitel war “Sendungsbewusstsein”, als Name für den Podcast. Wir haben uns dagegen entschieden. Ich denke es wäre uneitel zu sagen, dass Reichweite auch ein Motiv ist. Das wäre auch eine der zwei KPIs. Uns ist schon wichtig wie viele Leute das Hören. Das heißt aber nicht, wenn es mehr Reichweite bringen würde, würden wir jetzt die Dinge anders machen.
Wir überlegen eher, ob wir uns mit dem, was wir gemacht haben, freuen, wenn es mehr Reichweite findet. Was wir nicht tun, ist jetzt einen In-Friend einzuladen, weil es mehr Reichweite gibt. Das ist nicht authentisch. Aber wir hoffen, dass das, was wir machen, immer mehr Leuten gefällt und sich rumspricht. Das ist leider das, was am schwersten zu messen ist. Die World of Mouth wäre etwas, was wir gerne verstehen möchten. Eine Art R Faktor, den jetzt jeder kennt. Es gibt manche, die das sehr aktiv machen und auch schreiben. Sie haben ihren gesamten Bekanntenkreis damit infiziert. Wir wissen auch, dass es noch Leute gibt, die es für sich behalten, weil sie im Meeting dann schlauer sind. Damit ist es schwer einen Podcast groß hochzuziehen.
Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Ansonsten achten wir sehr stark auf die Durchhördauer, was auch eine wichtige KPI für die Netzwerke Apple und Spotify selber ist. Wir machen uns Gedanken, wenn die Leute an einer gewissen Stelle abbrechen oder nicht durchhören. Wir waren am Anfang überrascht, dass die Durchhörrate deutlich besser ist, als in der Industrie. Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Das ist bei uns definitiv nicht so. Es ist eher so: Es gibt am Anfang eine kleine Stufe auf der Leute weggehen, die das aus Versehen angespielt haben oder nicht wissen, wo sie gerade sind oder das nicht hören wollen. Von da an verlieren wir jedoch kaum noch Zuhörer. Es hören erstaunlich viele durch. Das war überraschend, denn wir haben uns oft gefragt wo der Fehler liegt. Wir kannten das von anderen Podcasts nicht so. Das motiviert uns sehr und gibt uns ein bisschen den Rückenwind zu sagen, wir machen das einfach weiter, wie wir es gut finden. Ansonsten bekommen wir viele nette Mails, die uns motivieren. Das ist auch ein großartiges 1:1 Feedback. Noch mehr Daten-Visibilität versuchen wir gar nicht zu erzeugen. Dann wird es irgendwann zu technisch und dann optimiert man vielleicht doch schon in die falsche Richtung.
Schahab Hosseiny: Das spricht definitiv für eure Qualität, sowie du es gerade dargestellt hast. Seid ihr werblich aktiv? Bewerbt ihr euren Podcast und nehmt ihr Werbegelder in die Hand?
Philipp Klöckner: Nein. Ich hatte einmal einen Plan das zu tun. Ich bin der Meinung, es gebe eine Art Arbitrage-Möglichkeit. Gerade wenn du selbst Werbung machst, hast du ein hohes Incentive. Wenn es einen zweiten Podcast gibt, der eine sehr ähnliche Audience hat, kannst du dort Nutzer einkaufen. Dann brauchst du nur rechnen, wie oft diese deinen Podcast hören müssen, bis du es wieder reingespielt hast.
Sagen wir als Beispiel, es gibt einen Startup Podcast für 2,5 Tausend Euro und du kannst zehntausend Hörer kaufen. Dann bekomme ich über die Zeit mit, ob dieser mir zusätzliche Hörer bringt und bekomme es wahrscheinlich wieder eingespielt. Damit könnte man es vielleicht ein bisschen beschleunigen. Am Ende erreicht man die Leute auch so. Deshalb haben wir uns noch nicht dafür entschieden, die Audience künstlich auszublenden. Wir glauben auch, wir erreichen damit ein anderes Profil von Leuten, die nicht so loyal sind oder nicht so durchhören, wie unsere jetzigen Nutzer. Die Qualität wäre auf jeden Fall anders. Deshalb setzen wir eher auf den harten Kern und auf das World of Mouth. Aber ich würde es nicht für immer ausschließen.
Audio-Retargeting – Wer macht das Rennen unter den Platzhirschen?
Schahab Hosseiny: Ja, Audio Retargeting ist ein sehr spannendes Thema. Auf bestehende Nutzer nochmal ein Podcast Retargeting zu setzen. Sprechen wir jetzt gerne noch einmal über das Thema. Du hast gerade schon Apple und Spotify angesprochen. Wir gehen in ein fachlich spezifisches Podcast-Thema. Du bist in diesem Markt aktiv. Wir sehen auch ein sehr starkes Wachstum. Dominiert wird der Markt immer noch von Apple und Spotify. Das sind die Platzhirsche.
Wir haben auf der einen Seite Apple. Die haben ein eigenes Operating-System und auch Smart-Assistent-Geräte, wie den Home-Port. Wir sehen, dass ein Sprachassistent wie Siri dabei ist. Wir sehen, dass Apple sehr intensiv in das Thema Bluetooth-Kopfhörer eingestiegen ist, Beats-Akquise und auch die Airpods. Auf der anderen Seite haben wir Spotify, die ein paar Akquisitionen im Bereich Podcasting durchgeführt haben. Gimlet Media haben sie gekauft. Was sagst du mit deiner Erfahrung? Wer wird hier das Rennen machen? Wie ist deine Position zwischen den beiden? Wo fühlst du dich wohler?
Philipp Klöckner: Das sind viele sehr gute Fragen. Ich neige dazu, zu glauben, dass es fragmentiert bleibt. Es bleibt ein Duopol, allein begrenzt durch die Betriebssysteme. Ich habe ein Android-Phone und ich könnte ja gar nicht in das Apple System wechseln. Ein Großteil der Menschheit hat im Moment nicht die Mittel dort zu wechseln und möchte trotzdem Podcast hören.
Schahab Hosseiny: Wenn ich kurz reingrätschen darf. Wie hast du denn Clubhouse genutzt?
Philipp Klöckner: Ich habe ein iPad, um schnell eine E-Mail zu schreiben. Ich habe mir dann zusätzlich tatsächlich für Clubhouse ein iPhone gekauft. Also ich glaube, da wird es eine Art Dichotomie geben. Es gibt Android-User, die werden verstärkt auf Spotify und Apple-Nutzer wahrscheinlich sehr stark auf Apple Podcasts hören. Das sehen wir auch in unseren Zahlen. Wir sehen auch, dass Amazon erhebliche Anstrengungen unternimmt, noch in den Markt reinzukommen. Das kann man sich mit exklusiven Titeln zu einem gewissen Grad erkaufen. Ganz einfach ist es nicht. Google nutzt natürlich seine Dominanz in der horizontalen Suche aus, um das eigene Podcast-Produkt zu bewerben. Was in den USA schon erfolgreich ist und viele Hörer hat. Die kommen über Google darauf. Gerade Leute, die das erste Mal Podcasts hören.
Schahab Hosseiny: Ist das YouTube Music? Das kenne ich gar nicht.
Philipp Klöckner: Nein, das ist Google Podcast. Die haben ein eigenes. Würdest du jetzt den Namen unseres Podcast bei Google eingeben, dann findest du meistens auf Position eins oder zwei das Google Produkt. Lange bevor du unsere Webseite oder Spotify oder Apple siehst. Das treibt auch die Adoption. Es ist nicht so, dass Leute sich zwischen vier Produkten entscheiden und sagen, ich nehme jetzt Google Podcast. Sondern in vielen Fällen ist es ganz einfach, weil Google ihr eigenes Produkt nach ganz oben stellt. Von daher wird es wahrscheinlich noch eine Zeitlang fragmentiert bleiben. Einen Gewinner sehe ich eher nicht.
Es gäbe aber eine gute Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende eine Zweiteilung zwischen Apple Podcast und Spotify gibt. Wenn Amazon noch den großen Durchbruch bei der Programmierung schafft, also einen sehr guten exklusiven Content bekommt, dann vielleicht. Denn dort zahlt der Hörer sowieso schon als Prime-Kunde. Diese hätten das inklusive oder können das einfach dazu buchen. Sie haben den Kunden schon, das ist der große Vorteil. Da hat Spotify es am schwersten. Apple besitzt seine eigenen Schienen, Google besitzt die horizontale Suche und Android als sein eigenes Schienensystem und Amazon besitzt schon den Kunden und hat mit fast jedem Kunden eine Beziehung und die Hardware mit Echo oder Alexa.
Spotify hat es insofern schwer, dass selbst wenn sie Nutzer erreichen, noch diese fünfzehn bis dreißig Prozent Gebühren an die Appstores zahlen müssen. Der größte Profiteur des Musik Streaming-Marktes ist Apple. Denn es ist vollkommen egal, ob du die Musik über Apple Music hörst oder über Podcast oder Spotify. Apple bekommt immer seine dreißig Prozent im ersten Jahr über den Appstore. Von daher ist Spotify echt in einer komplizierten Lage. Aber wenn sie groß genug werden und eigene Produkte herausbringen, für die sie eben nicht siebzig Prozent an die Künstler abgeben müssen – wie bei Musik – kann es trotzdem spannend sein, wenn sie am Ball bleiben.
Schahab Hosseiny: Das ist ein kapitalintensives Thema: Eigenproduktion.
Philipp Klöckner: Ja, genau. Es kostet einmal Produktionskosten, aber die sind gedeckelt. Wenn ich jetzt zehn Millionen neue Hörer gewinne, dann musst du immer die siebzig Prozent an den Artisten abgeben. Das hast du beim Podcast nicht. Du gibst zum Beispiel dem Host zwei Millionen Euro im Jahr und dann bekommst du es fertig. Wenn du mehr Hörer hast, ist es irgendwann umsonst, weil du keine variablen zusätzlichen Kosten pro Hörer mehr hast. Deshalb ist es besser als das bisherige Geschäftsmodell von Spotify, wenn es funktioniert und groß genug wird. Denn bisher müssen sie von jedem Euro siebzig Cent wieder teilen. Das ist bei Podcast eventuell anders.
Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch.
Schahab Hosseiny: Wir haben ein bisschen Research im Vorfeld durchgeführt. Ich bin auf ein Tweet von dir gestoßen. Wahrscheinlich einer deiner ersten Tweets, aber das wirst du mir gleich bestätigen können. Der Tweet lautet “Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch. Schuld ist @_DD_. Hat mich auf dumme Ideen gebracht.” Ich konnte mit “_DD_” nichts anfangen. Ich gehe davon aus, dass du damit David Deutsch meinst. Ich würde gerne den Ball aufnehmen und über deine SEO-Vergangenheit sprechen – was bestimmt auch für die Audience mit Sicherheit sehr interessant ist.
Domains bunkern – Lohnt sich die Investition?
Wir haben ein bisschen weiter recherchiert und haben einige Web-Projekte gefunden, die sogar noch live sind – was ich supercool finde. Neben “skiurlaub.org” hast du noch ein paar weitere Top Level Domains, wie “bademode.com”, “Mode.net”, “gebrauchtwagen.net”, “Gesellschaftsspiele.de”, “Stau.info”, “Spielzeug.com” besessen oder besitzt sie immer noch. Erzähl uns ein bisschen von diesem Background und auch von deinem Domain Portfolio. Welche Juwelen hast du gegebenenfalls noch oder planst du noch was? Wenn du möchtest, lass uns etwas teilhaben. Dann habe ich zum Ende hin noch eine Frage: Wie bist du an “PK.de” herangekommen? Das ist eine fantastische Domäne.
Philipp Klöckner: Der Tweet muss wahrscheinlich von vor 2012 gewesen sein. Denn danach habe ich meine Domain Sammelsucht geheilt oder begriffen, dass es keine gute Idee ist. Ich habe für den Podcast einmal ausgerechnet, hätte ich das ganze Geld was ich in Domains gesteckt hätte, in Amazon-Aktien zu der Zeit gesteckt, wären das heute irgendwo zwischen dreißig und vierzig Millionen Euro. Das war im Nachhinein kein gutes Investment diese ganzen Domains zu sammeln.
Schahab Hosseiny: Ja, hast du diese gekauft oder einfach registriert?
Philipp Klöckner: Die konnte man damals nicht mehr registrieren. Es gab Zeiten, in denen man solche Domains auch hätte registrieren können. Da hat man das gemacht und diese lange gehalten. Es war ein gutes Business, wenn man sie für nichts oder für wenige Euro Registrierungsgebühren eingekauft hat. Diese dann so teuer zu kaufen hat sich im Nachhinein für nicht so schön herausgestellt. Je nachdem, wie man den Zinssatz oder die alternative Anlage wählt. Wenn man Amazon Aktien nimmt, sieht es sehr schlecht aus. Ein bisschen besser als ein Sparbuch war es vielleicht noch, weil man die auch wieder verkaufen kann. Die “Mode.net” wurde zum Beispiel wieder verkauft. “Gesellschaftsspiele” glaube ich auch, aber die gehörten mir alle mal. Also die Recherche ist einwandfrei. Insgesamt waren es mal 3.500 Stück. Am Höhepunkt der Sammelwut habe ich auch paketweise eingekauft.
Damals gab es den Exact-Match Domain-Bonus. Das heißt, wenn der Domain-Name genau deinem Haupt-Keyword entspricht. Zum Beispiel: Hättest du damals eine “Onlinemarketingagentur.com” gehabt, hätte das deine SEO-Bestrebungen stark vereinfacht. Das habe ich früh erkannt, damit auch bescheiden Geld verdient und wollte das skalieren. Ich habe schmerzhaft gelernt, dass ich nicht die operativen Fähigkeiten habe, eine Unternehmung anzuführen, die auch 3.500 Domains projektiert. Für ein paar meiner Lieblingsprojekte habe ich das selbst gemacht. Ich habe es mit Partnern probiert und mit Angestellten. Jedoch würde ich mir hundert Prozent der Schuld geben, dass es nicht funktioniert hat. Das waren alles sehr begabte Leute. Daraufhin habe ich die Lust daran auch wieder verloren und deshalb gammeln die jetzt herum. Viele habe ich im Nachhinein noch verkauft.
Ich hatte eine Landrush-Phase, als es die Two Letter Domains gab. Das sind Domains, die vorher KFZ-Kennzeichen waren oder nur aus 2 Buchstaben bestanden und frei geworden sind. Ich konnte “PK.de” zwar nicht registrieren, aber man konnte sie damals alle im mittleren vierstelligen Bereich kaufen und “PK.de” war mir aus purer Eitelkeit natürlich wichtig genug. Ich habe außerdem noch ein paar andere gekauft. “HB.de” habe ich an Hugo Boss verkauft. Diese habe ich für 5.000 Euro eingekauft. Das wurde in kurzer Zeit verfünffacht. “PK.de” wollte lustiger Weise Paul Kalkbrenner kaufen. Er hatte damals das Album mit einem schwarzen Stempel darauf, das auch “PK” hieß. Für die Kampagne oder sein Label wollte er das wahrscheinlich haben. Leider musste ich ablehnen. Es kam nicht einmal zu Preisverhandlungen. Ich weiß gar nicht, ob ich ein Angebot gemacht habe.. oder vielleicht habe ich vorsichtig gefragt, in welche Regionen sich das bewegt. Aber das hätte schon im fünfstelligen Bereich sein müssen, damit es mich überzeugt hätte, sie abzugeben.
Schahab Hosseiny: Das finde ich sehr spannend. Dann lass uns erneut ein bisschen tiefer in das Thema fachliches Sparring einsteigen. Wir haben auch nicht mehr allzu viel Zeit. Aber ich denke, ein oder zwei Fragen kriegen wir auf jeden Fall noch durch. Thema virtuelle Veranstaltung: Hopin hat ein wahnsinniges Wachstum hingelegt. Ich glaube Europas schnellst wachsendes Unternehmen im Startup oder im faktischen Startup-Bereich. Glaubst du, das ist eine berechtigte Bewertung, die die auf die Waage bringen? Und was hältst du generell von virtuellen Veranstaltungen?
Hopin geht eher den Weg “Wir wollen ein Ökosystem um den Bereich Video-Kommunikation bauen. Denn daran glauben wir, deshalb auch die zusätzlichen Akquisitionen, die durchgeführt wurden.” Andererseits muss das viele Geld auch geparkt werden. Glaubst du, da ist noch mehr Spiel in diesem gesamten Segment? Oder bist du der Meinung, das ist eine ganz heiße Wette, die kann auch nach hinten losgehen?
Philipp Klöckner: Ich verbinde es mit zwei Sachen: Es gibt bei ganz vielen Geschäftsmodellen gerade die Herausforderung zu isolieren, was ist jetzt nur Corona-Effekt und was wird auch danach bleiben. Wieviel des Wachstums kann erhalten bleiben in einer normalen Welt? Das ein bisschen auseinander zu klamüsern, ist gar nicht so einfach. Bei der Aktienanalyse oder auch bei anderen Recherche-Task ist das eine tägliche Herausforderung. Und gerade bei dem Modell ist es schwer vorherzusagen. Ich nehme an, ihr würdet wahrscheinlich lieber wieder eine Live-Veranstaltung machen, wenn es ginge. Oder würdet ihr dauerhaft auf Hopin bleiben?
Schahab Hosseiny: Die erste Veranstaltung haben wir über Hopin durchgeführt. Aktuell läuft die Veranstaltung über Balloon. Das ist eine gute Frage. Virtuelle Events haben einen großen Charme, weil du wirklich ein nationales Publikum oder auch ein internationales Publikum ansprechen kannst. Wohingegen du bei einer physischen Konferenz auf deine Region eingeschränkt bist. Du kannst mit einer wesentlich höheren Frequenz virtuelle Veranstaltungen durchführen. Ich glaube, dass hybride Events durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Aber virtuelle Events wurden in den letzten Monaten sehr inflationär genutzt. Das Qualitätsniveau ist weit gestreut und dieses reine virtuelle Modell wird sich wahrscheinlich nicht durchsetzen.
Philipp Klöckner: Dem würde ich fast beipflichten. Ich sehe auch ein bisschen die Inflation-Ermüdung. Es gibt fast zu viele Events. Überall gibt es freie Webseminare. Dass man die Audience erweitert und man sagt: Wir haben hier eine lokale Konferenz für unsere treuesten Kunden oder für spannendsten Leute aus der Region oder wer auch immer Lust hat zu networken, der ist hier herzlich Willkommen und dieser zahlt vielleicht etwas mehr dafür, damit er lecker essen und networken kann. Trotzdem erweitern wir das, um auch Leuten, die vielleicht gerade digitale Nomaden oder im Urlaub sind, zu ermöglichen, virtuell beizuwohnen. Da kann ich mir gut vorstellen, dass der Markt größer wird. Weil viele gelernt haben: Es kann auch ohne Reisen funktionieren.
Es gibt auch Unternehmen wie Zoom, die so groß und teuer geworden sind, dass sie sehr schnell auf weitere Märkte belegen müssen. Da wird es schnell die Einsicht geben, dass reines Video-Conference nicht mehr reicht, um die Bewertung zu rechtfertigen. Die werden genauso in solche Modelle hineingehen. Vielleicht erst einmal kleinere Sachen, wie Kochkurse, Yogakurse, andere Live-Video-Cases, vielleicht Live-Shopping, vielleicht Live-Kaufberatung.
Player, die schon relevant in einem kleinen Teil am Markt sind, gehen in die anderen Felder über. Es ist noch sehr schwer abzusehen, wer das endgültig gewinnt und wer wem den Marktanteil abspenstig macht.
Gorillas – Darum glaubt Philipp Klöckner an das Geschäftsmodell des Unicorns
Schahab Hosseiny: Sehr spannend. Sprechen wir über Gorillas. Du bist auch bekannt dafür, wenn man deinen Social-Stream verfolgt, dass du häufiger dazu Stellung beziehst. Die Erfolge, die Gorillas aktuell immer wieder bewiesen hat, zumindest was die Bewertung angeht. Du hast auch bei Gorillas investiert und seit vorgestern ist es jetzt offenbar Deutschlands Unicorn in Benchmarking. Kein anderes Unternehmen hat es in Deutschland in dieser Kürze der Zeit geschafft.
Ein weiteres Zitat bei Twitter finde ich klasse. Du verstehst nicht, warum der Großteil noch nicht verstanden hat, dass wir alle demnächst in der Nähe eines etwaigen Gorilla Lagers sitzen werden. Erkläre unsere Crowd einfach mal, warum du an dieses Geschäftsmodell glaubst. Ist diese Bewertung innerhalb dieser Kürze der Zeit auf die geniale Idee zurückzuführen, zum genialsten Zeitpunkt mit einem wahnsinnigen Management, kombiniert mit einer guten Story, die Begehrlichkeiten weckt und gepaart mit einer fantastischen Logistik? Woher kommt dieser sehr hohe Demand für dieses Thema?
Philipp Klöckner: Der Zeitpunkt spielt eine Rolle, aber das hätte auch ohne Corona funktionieren können. Es ist einfach, durch die schwierige Situation in den einzelnen Branchen Arbeitskräfte zu finden. Es gibt auch eine höhere Bereitschaft, Dinge online zu bestellen. Das ist alles normal geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob das unbedingt nötig gewesen wäre, aber es unterstützt bestimmt das sehr schnelle Wachstum. Ich würde nicht sagen, dass jeder bald neben dem Gorilla Depot wohnt. Das bezieht sich auf Großstädte. Man braucht eine gewisse Höhe an Stockwerken, damit das Modell funktionieren kann. Gorilla liefert aus sogenannten Dark-Warehouse oder Micro-Fulfillment Center Waren des täglichen Bedarfs, die man sonst in einem Supermarkt bekäme, innerhalb von 10 Minuten nach Hause. Das ist das Modell. Zu den gleichen Preisen wie im Supermarkt, teilweise günstiger oder teilweise minimal teurer. Nicht auf einem Discounter-Niveau, aber durchaus vergleichbar mit Rewe oder Edeka.
In der Anfangszeit wurde es sehr schlecht geredet, denn es ist ein margenarmes Geschäft und es sind natürlich Lebensmittel. Andererseits – du kennst wahrscheinlich die zwei oder drei reichsten Familien in Deutschland. Die haben ihr Geld mit genau dem angeblich schlechten Geschäftsmodell gemacht und es zu den reichsten Menschen geschafft, wie Aldi oder die Lidl Gruppe. Weil man die Ware unheimlich schnell dreht. Ich kaufe etwas ein, was 48 Stunden später schon wieder verkauft ist. Selbst wenn dann nur ein Prozent Marge darauf ist, lohnt sich das, weil man das Ganze Geschäft hundert Mal im Jahr machen kann.
In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht.
Ein Supermarkt ist nichts anderes als ein Showroom, in dem Dinge in Regale geräumt werden, damit andere es wieder ausräumen können und in dem sie kurzzeitig gut aussehen und dann aber in bestimmten Sortimenten mindestens zwanzig Prozent der Ware vergammeln, beispielsweise beim Fleisch oder bei Obst und Gemüse. Das muss alles nicht sein, es dort auszustellen, damit wir es befummeln können und lecker finden. In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht. Es ist frischer und es muss weniger Konservierungsmittel enthalten, denn ich muss nicht mehr die sogenannte shelf time überbrücken. Das ist meine persönliche Meinung. Ich spreche auf keinen Fall für das Unternehmen, sondern nur aus meiner Überzeugung heraus. Die beste Version wäre es, wenn du Farm to Table – vom Bauern in die Wohnung – innerhalb von zwei Tagen schaffen kannst. Dann müssen die Sachen nicht in irgendwelchen Schutzatmosphären mit Konservierungsmitteln versehen werden. Das kann effizienter sein. Auch ein Supermarkt braucht Platz, auch dieser braucht Personal, das die Waren einräumt.
Deshalb sehe ich das nicht so negativ wie viele es sehen. Das größte Gegenargument ist oft, dass der sogenannte Wocheneinkauf bei Gorillas nicht erledigt werden kann, der große Samstag Einkaufskorb. Das halte ich für ein falsches Argument, weil es aus der Unzulänglichkeit des bisherigen Systems kommt. Den Wocheneinkauf mache ich nur, um den Schmerz oder die Transaktionskosten zu minimieren. Den Weg zum Kaufland zu fahren, dann diesen großen Korb voll zu packen, alles in das Auto und vom Auto wieder in mein Haus zu packen. Diesen Aufwand will ich minimieren, deshalb gehe ich einmal die Woche einkaufen. Wenn ich bei Gorillas aber jeden Tag genau das, was ich heute kochen möchte und morgen früh zum Frühstück habe tagesgenau kaufe, das auch noch sehr frisch, genauso günstig und dabei noch viel Zeit spare, die ich mit Kindern, Hobbys oder Arbeit verbringen kann, dann gibt es keinen Grund mehr für den Wocheneinkauf.
Es gibt vielleicht immer Waren, die ich nicht aus Frust kaufe, sondern für den Genuss. Ich gehe vielleicht trotzdem am Sonntag noch auf den Bauernmarkt. Ich gehe bestimmt auch nochmal andere Sachen shoppen, wenn ich mich einmal inspirieren lassen will. Aber die wichtigsten Dinge kann man sich täglich auch bringen lassen, viel Zeit dabei sparen und wahrscheinlich besser und gesünder essen. Und dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr für diesen Wocheneinkauf. Oder er wird dann deutlich kleiner und kann vielleicht in einem Einkaufsnetz oder einer Einkaufstüte auch spazierender Weise nach Hause getragen werden. Ich möchte diese Visionen gar nicht jedem aufdrängen. Das ist meine eigene Vorstellung.
Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt.
Ich glaube auch nicht, dass jeder so leben muss, aber für einen gewissen Anteil der Bevölkerung ist das ein sehr relevantes Konzept. Wenn das für einen Anteil so funktioniert, dann ist es wahrscheinlich so, dass diese Micro-Fulfillment-Center sich immer weiter verbreiten und die Wege vom Warenhaus zum Kunden sogar noch kürzer werden, als sie jetzt schon sind. Ich rate immer jedem das einmal zu probieren, bevor man sich ein Urteil darüber erlaubt. Ich habe Gorillas gar nicht als Investor kennengelernt, sondern war ein großer Fan als Kunde und habe jemanden damit vollgequatscht. Dieser sagte dann zu mir, “Ich kenne wen, der das macht”. Wer es einmal probiert hat, versteht auch die Faszination und die Begeisterung dafür. Selbst die Zeit kann man nochmal schlagen, wenn das Netz engmaschiger wird. Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt. Dann wird das auch ökonomisch nochmal spannender, wenn die Wege kürzer sind.
Schahab Hosseiny: glaubst du, dass der akute Bedarf die Loyalität schlägt und Gorillas auch mittelfristig eigene Brands ohne Markenloyalität problemlos an den Kunden bringen kann? Denn wenn ich innerhalb von 10 Minuten meinen Salat haben kann, habe ich vielleicht gar nicht mehr die Präferenz, den Salat – wie vorher – von Unternehmen XYZ zu beziehen. Ist das eine Hypothese, die hier auch mitschwingt? Bedarf schlägt Loyalität?
Philipp Klöckner: Ja, ich denke, Gorillas selbst ist eine Love-Brand, die die Leute gerne mögen. Wenn es eine Gorillas Milch gibt oder die Banane, die nicht von Dole sein muss, sondern von Gorillas direkt kommen kann und Fair-Trade ist – das traue ich ihnen zu. Ich kann nicht für die Strategie sprechen. Ich bin mir sicher, dass solche Ideen aufkommen. Alles andere wäre Quatsch. Handelsmarken sind die besseren Lösungen für den Kunden. Die Marke ist ein fiktiver Wert, den man dem Produkt zurechnet, dem aber kein echter Nutzen gegenübersteht. Von daher macht das wahrscheinlich schon Sinn.
An dem Modell hat mich am meisten überzeugt, dass der Markt groß genug ist. Das braucht man nicht lange durchzurechnen. Auch, dass die Value Creation oder die Wertbildung dieses Modells so schnell geht. Wenn ich als Investor jemanden fünfundzwanzig oder fünfzigtausend Euro gebe, bekomme ich nach zehn Jahren im Schnitt – im besten Fall – Geld wieder. Bei dem Modell ist es durch den schnellen Turnover und die Skalierbarkeit in kürzester Zeit zu Milliarden Bewertungen gekommen, obwohl es kapitalintensiv ist. Man muss diese Warenhäuser aufbauen und mit Inventar versorgen. Ehrlich gesagt fand ich es absehbar, dass das – im Vergleich zu anderen Startups – besonders schnell einen Wert entwickeln kann, wenn man sich das Investment angeschaut hat.
NFTs und ihr Nutzen – Welches Protokoll wird sich durchsetzen?
Schahab Hosseiny: Da hast du definitiv den richtigen Riecher bewiesen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Eine Frage können wir vielleicht noch einmal flott abschließen. NFT. Auch darüber sprichst du immer wieder. Kryptowährungen sind seit vielen Jahren in aller Munde. Einerseits würde mich interessieren, ob du ein virtuelles Gemälde für sehr viel Geld ersteigert hast. Im NFT-Business ist es heute so, dass ich das Gemälde auch zweimal ersteigern kann, wenn ich es möchte über zwei verschiedene Protokolle. Welches Protokoll wird sich vom Gefühl her durchsetzen, um diese sehr großen Defizite rauszunehmen? Dass ich dieses Produkt einmalig verkaufe, da es ansonsten seinen Charme verliert, wenn es mehrfach vorhanden ist? Vielleicht dazu ein kurzes Statement, wie deine Position dazu ist?
Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen.
Philipp Klöckner über NFT
Philipp Klöckner: Ehrlicherweise bin ich nicht tief genug in dem Blockchain-Thema drin, um zu sagen, was da jetzt das effizientere Protokoll ist. Da gibt es bestimmt andere Experten dafür. Im Moment haben NFT sehr viel Traktion und es gibt gute Gründe zu glauben, das könnte funktionieren. Ich bin auch nicht sicher, dass es sich jetzt durchgesetzt hat. Ich bin der Meinung, wenn unsere Welt wieder physischer wird und man mehr Zeit draußen verbringt, dass der Hang zu digitalen Produkten dann auch wieder ein bisschen nachlässt. Ich will nicht sagen, dass das jetzt ein Hype ist und bald weg sein wird. Im Moment halte ich beides noch für gut möglich. Es würde mir jetzt schwer fallen eine Wette abzuschließen, ob es das in zehn Jahren noch gibt oder nicht. Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen. Und NFTs lösen das, indem sie sagen, “Das ist das einzige Original”. Da sehe ich noch viel mehr den Nutzen als bei Kunst.
Das gleiche brauchen wir vielleicht auch bei Statements von Politikern oder Leuten mit großer Reichweite wie beispielsweise Elon Musk. Um festzustellen, ob es gefaked ist oder ein authentisches Zitat. Da eine Art Signatur oder Verschlüsselungen zu bauen oder ein NFT, das man mit einem Content Piece distribuiert mit welchem man die Gegenseite authentifizieren oder validieren kann. Es handelt sich dabei um die Aussage einer echten Person. Das ist der erste Anwendungsfall von Krypto, von dem ich bisher stark überzeugt bin. Dafür scheint mir die Technologie, soweit ich sie verstehe, gut geeignet zu sein.
Ich sehe auf jeden Fall, dass das ein Problem wird und ich wüsste nicht, wie man es im Moment besser nutzen kann. Ich könnte jetzt auch gerade gar nicht hier sein. Es könnte jemand mit einem grünen Anzug hier sitzen, auf dem ein paar Bilder von mir gespielt werden. Dass man sicherstellt durch irgendeinen Codec oder Token, der verifizieren kann, ob jetzt gerade der echte spricht oder der mit der ID, da sehe ich einen Anwendungsfall, den wir wahrscheinlich brauchen werden. Ich weiß nicht, wie wir das Problem Deepfake gerade anders lösen könnten.
Schahab Hosseiny: Das ist ein valider Punkt, der aber voraussetzt, dass sich die Krypto-Branche zumindest auf ein gängiges Protokoll einigt, um genau diese Validierungskomponenten durchzuführen.
Philipp Klöckner: Ich bin schon skeptisch. Es gibt sicherlich ein paar gute Anwendungsfälle für Krypto. Wir haben das jetzt seit 2009 und dafür ist in der ersten Zeit noch relativ wenig daraus entstanden. Nach 10 Jahren Smartphone und nach 10 Jahren Consumer-Internet hatten wir deutlich mehr Anwendungen. Wenn man überlegt, was gibt es für Krypto-Anwendungen außer das reine kaufen von Bitcoin und selbst das ist ein Nischenphänomen, trotz immer mehr Verbreitung. Ich würde nicht sagen, es ist eine Failed-Technologie. Aber es ist auch auf jeden Fall eine, die sich noch nicht durchgesetzt hat oder den Massen Anwendungsfall noch nicht gefunden hat. Ich frage mich, warum in so einer digitalen Welt ausgerechnet da eine sinnvolle Anwendung als letztes entstehen sollte. Das hat sich mir noch nicht ganz entschlossen. Das lässt mich ein bisschen kritisch demgegenüber stehen. Aber ich besitze selbst auch Kryptos, um mich dagegen zu versichern, dass ich falsch liege. Sollte ich mich brutal irren, dann habe ich mich dagegen versichert, indem ich einen kleinen Teil meines bescheidenen Vermögens in Kryptos gesteckt habe.
Schahab Hosseiny: Ich sehe schon, dass die Regie leicht nervös wird. Wahrscheinlich sind wir jetzt etwas über unsere Zeit. Philipp, es war sehr kurzweilig. Vielen Lieben Dank, dass du heute zur OMKB gekommen bist. Du hast hier fantastischen Input geleistet zu vielen großartigen Themen und ich hoffe auch, dass die Community etwas mitnehmen konnte. Mir hat es persönlich sehr gut gefallen. Es war das erste Mal, dass wir persönlich aufeinandergetroffen sind. Ich kann mir eine Wiederholung absolut vorstellen und sage herzlichen Dank. Als Geste der Wertschätzung haben wir noch etwas Kleines für dich mitgebracht. Dann darf ich den Moderator Mario hier noch einmal auf die Bühne bitten. Philipp vielen Dank von meiner Seite aus.
Philipp Klöckner: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
FAQ zu Philipp Klöckner
Philipp Klöckner ist einer der wichtigsten Search-Experten Deutschlands. Der Angel Investor war zuvor als Inhouse-SEO, Produktmanager und CMO bei Deutschlands marktführender Preisvergleichsseite Idealo tätig. Anschließend hat er für Rocket Internet, die Startup-Schmiede der Samwer Brüder, zahlreiche internationale Marktplätze, Classifieds, vertikale Suchen und sonstige Aggregatoren mit Bezug auf Digitales Marketing, Produkt und Business Intelligence mitgeformt.
Video mit Philipp Klöckner
In den letzten 15 Jahren hat Philipp aktiv an über hundert Startups und Wachstumsunternehmen mitgewirkt, von denen mittlerweile mehr als ein Dutzend den begehrten Unicorn-Status erreicht haben. Seit 2017 berät er hauptsächlich verschiedene private Equity-Firmen, Venture-Capital-Fonds und Wachstumsunternehmen.
Podcast mit Philipp Klöckner
https://open.spotify.com/episode/6DFMZG2oISMcWlJ8BA8PLx?si=A6T-TmEwSI-HcgtZDjTgog&dl_branch=1Im OMKB Talk mit den Moderatoren der Think11 GmbH – CEO Schahab Hosseiny und COO Mario Rose – gibt uns Philipp spannende Insights zu seinem eigenen “Doppelgänger” Podcast und beschreibt uns seine Sichtweise zu aktuellen Social Hypes und Marketing Strategien.
Mario Rose: Hallo Philipp. Schön, dass du da bist.
Philipp Klöckner: Hallo. Es freut mich sehr.
Mario Rose: Wir kennen dich aus dem Doppelgänger Podcast entsprechend mit deinem fast Namensvetter Philipp Glöckler, der im wöchentlichen Rhythmus erscheint. Dort werden News aus den Bereichen Technologie, Startups und Neuigkeiten aus dem World-Wide-Web-diskutiert. Du warst vor einigen Wochen als maßgeblicher Initiator des temporären Clubhouse Hypes und Organisator einer Telegram Einladungskette in aller Munde und ich glaube, du hast viele Wochenenden in ganz Deutschland lahmgelegt. Zumindest mein persönliches, weil auch ich damals in die Telegram Gruppe eingesprungen bin. Ich hatte ein Opt-in für Clubhouse und seitdem spielte sich mein Wochenende nur noch in dieser Audioapp ab.
Zudem habe ich gerade bei dir auf der Facebookseite noch ein Zitat wahrgenommen, dass du dich in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem sozialen Netzwerk verabschieden wirst. Ich bin gespannt, wie oder ob es dazu kommen wird. Darüber hinaus kennen wir Philipp als namhaften Speaker und OMR Stammgast. Er hat tatsächlich die letzte physische Konferenz, seinerzeit noch in der Stadthalle Bielefeld, mit seiner Keynote eröffnet. Damit schließt sich nun der Kreis und unsere zweitägige OMKB wird heute mit Philipp beendet.
Dazu möchte ich einmal an Schahab überleiten, der jetzt in die Q&A-Session einsteigen wird. Ich wünsche euch viel Spaß und noch einmal volle Konzentration für die nächsten Spannenden 45 bis 60 Minuten.
Schahab Hosseiny: Sehr schön und vielen Dank Mario für die einleitenden Worte. Philipp erst einmal herzlich Willkommen hier bei der OMKB. Es ist nicht deine erste OMKB. Ich habe im Vorfeld ein bisschen recherchiert und bei SlideShare deine alten Folien gefunden, die du damals präsentiert hast. Kannst du dich noch an die OMKB erinnern und wenn ja, auch noch an das Thema, das du präsentiert hast?
Philipp Klöckner: Ich glaube, ich war insgesamt zwei oder drei Mal da. Das letzte Mal zum Thema “Konträre Marketingthesen”. Das erste Mal ging es um “Competitive Intelligence”, also Wettbewerbsbeobachtung.
Schahab Hosseiny: Wahnsinniges Gedächtnis. Das ist absolut korrekt. Ist das Thema für dich immer noch heiß?
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es gehört zum Standard Tool-Set von Marketern, dass man über Tools verfügt, um zu schauen, was die Konkurrenz richtig macht. Das muss man mitverfolgen, wenn man den Beruf gut machen und auf dem Laufenden bleiben möchte.
SEMrush vollzieht Börsengang – Top oder Flop?
Schahab Hosseiny: SEMrush ist gestern mit zwei Milliarden Bewertungen an die Aktienmärkte gegangen. Das kommt ja auch sehr stark aus dem Bereich Competitive Intelligence. Danach sind sie allerdings um zwanzig Prozent diskontiert worden. Glaubst du, dass der Markt viel Upsite hat?
Philipp Klöckner: SEMrush hat einen sehr günstigen Einstiegspreis. Und ich glaube, dass sie einen Großteil des Marktes schon erreicht haben. Die Frage ist, ob der Markt an Online Marketing Executives oder Leute, die das Betreiben, schnell genug wächst. Es kommen bestimmt immer wieder neue Leute, weil sich immer neue Unternehmen auch damit beschäftigen. Das Problem bei SEMrush ist ein bisschen, dass sie nicht so schnell wachsen, weil die sogenannte Review Expansion – also wieviel mehr Geld mache ich mit dem gleichen Kunden jedes Jahr – nicht so spannend wächst, wie bei anderen Cloud-Aktien oder Software-Aktien. Ich glaube, deshalb wird es nicht ganz so euphorisch gefeiert. Sie starten auch in einem schlechteren Umfeld. Die Tech-Aktien werden gerade ein bisschen verprügelt. Ich denke, das hat auch damit zu tun. Das muss man beides sehen.
Schahab Hosseiny: Was glaubst du, wird in dem gesamten Markt noch in naher Zukunft passieren? Du hast einen sehr starken Marketing-Background. Wir sehen, dass sich viele Tools eher in Richtung Marketing-Suiten entwickeln. SEMrush kommt ebenso aus dem SEO-Bereich. Mittlerweile haben sich verschiedenste Module mit angeschlossen. Wir haben auch tolle deutsche Unternehmen mit dabei. Wir hatten heute Markus Tandler von Ryte beispielsweise mit dabei. Glaubst du, dass der Gesamtmarkt in Summe noch wachsen wird und hältst du Tool-Unterstützung im digitalen Marketing mittlerweile für Pflicht? Oder bist du der Meinung, dass man auch ohne Tool-Unterstützung in den Bereichen SEO und SEA immer noch gut auskommt, wenn du weißt, wo du angreifen musst?
Philipps Best of Breed – diese Tools sollten nicht fehlen
Philipp Klöckner: Das ist eine sehr gute Frage. Ich will nicht so weit gehen, dass man der Vorstellung unterliegen soll, wenn man ein Tool hat, dann kann man irgendetwas automatisieren und muss weniger arbeiten. Das stimmt nicht. Ohne Tools geht es aus meiner Sicht aber auch sehr schwer oder gar nicht. Man braucht zumindest irgendein Einsteiger-Tool bei einem niedrigen Preispunkt, wie SEMrush, SISTRIX, oder Ryte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das ohne Tools hinbekommt. Wie lautet der Anfang der Frage nochmal?
Schahab Hosseiny: Ob du glaubst, dass der Gesamtmarkt eher wächst?
Philipp Klöckner: Wir haben jetzt einen großen Umschwung. Es ist viel auf einmal online gegangen. Alle Werbenetzwerke profitieren. Auch die, die nicht mehr so gut aussehen. Deshalb denke ich schon, dass der Online-Gesamtmarkt schneller gewachsen ist. Dadurch, dass wir die nächsten Jahre vorweggenommen haben. Das hebt dann alle Schiffe, völlig egal, wie gut man die einzelne Software oder das einzige Netzwerk beurteilen möchte. Dieser Shift ist einfach für den Gesamtmarkt positiv gewesen.
Schahab Hosseiny: Wenn du dir die Unternehmen anschaust, was ist denn dein Ads-Deck um für dich eine schnelle technische Due Diligence durchzuführen und ein Gefühl dafür zu bekommen? Nutzt du Tools wie SEMrush und kannst du unserer Crowd vielleicht sogar ein paar Empfehlungen aussprechen?
Philipp Klöckner: Nur um präzise zu sein, die Technical Due Diligence wird von Leuten mit einem technischen Hintergrund gemacht. Ich komplettiere die sogenannte Commercial Due Diligence, also wo man sich das Geschäft selbst anschaut, und schaue mir da besonders den Bereich digitales Marketing und digitales Produkt an. Ich benutze zum Beispiel Similarweb – also woher kommt der Traffic, was sind die Top Keywords, was sind die Top Landingpages?
Für das sogenannte Benchmarking – also wenn ich es mit den Konkurrenten vergleiche – sind die Tools natürlich wichtig. Wer ist der Marktführer oder gibt es noch einen, der größer ist oder in einem bestimmten Kanal deutlich stärker ist? Dafür ist Similarweb sehr gut. Es gibt eine kostenfreie Version. Die kostenpflichtige ist relativ teuer. Ansonsten mit SimilarTech oder BuiltWith kann man den Marketingtext sehr gut weg explorieren. Man sieht damit, ob jemand schon auf Facebook wirbt oder ein A/B-Testing-Tool implementiert hat. Sowas kann man dann in der sogenannten Outside-In-Analyse umsetzen.
Wenn ich noch keinen Zugang zu den Unternehmensdaten habe und diese von außen betrachte, wären das typische Tools, die ich benutze. Ich benutze für verschiedene Zwecke auch alle drei oder vier. Für die OnPage-Analyse nutze ich beispielsweise Ryte. Für Search-Sichtbarkeit vielleicht eher SEMrush, SISTRIX oder Searchmetrics. Es gibt bei allen Funktionen, die besonders gut sind.
Schahab Hosseiny: Okay, du bist doch durchaus fragmentiert aufgestellt – ein bisschen der Best of Breed-Ansatz.
Philipp Klöckner: Genauso. Der sogenannte Best of Breed-Ansatz. Es gibt Tools, die wie ein Schweizer Taschenmesser sind, mit denen man sehr weit kommt. Aber durch die sehr intensiven Einsätze, macht es schon Sinn, für jede Funktion das beste Tool zu benutzen.
Wie Pip durch Clubhouse eine neue Audience gewinnt
Schahab Hosseiny: Mario hat schon das Thema Clubhouse angesprochen. Spätestens seit dem Clubhouse Hype kennt dich eine etwas größere Masse an Publikum oder an Menschen, weil du auch eine gewisse Medienpräsenz genossen hast. Auch die Suchanfragen nach Philipp Klöckner steigen. Mittlerweile wirst du sogar bei Wikipedia in direktem Zusammenhang mit Clubhouse genannt, was ich fantastisch finde. Was hat sich für dich durch die höhere Wahrnehmung und die höhere Medienpräsenz verändert? Welche Implikationen waren eher positiv und was war vielleicht nicht so positiv?
Philipp Klöckner: Das war hauptsächlich viel Arbeit für eine kurze Zeit. Ich hatte schon ein oder zweimal in meiner Karriere Momente, in denen ich kurz ein bisschen Presse genießen durfte. Daher bin das gewohnt. Positiv ist, dass wir nicht nur viele Hörer für unseren Doppelgänger Podcast gewinnen konnten, sondern auch ein anderes Klientel. Wir hatten vorher eine sehr Marketing-Tech lastige Audience und haben zusätzlich neue Leute aus der Journalisten-Sphäre gewonnen, die wir anders vielleicht erst später oder gar nicht erreicht hätten. Es war auch mit unter unser Ziel, dass wir das nutzen, um eine neue Audience für unseren Podcast aufzubauen, da beides Audioformate sind.
Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden.
Wir dachten uns, das passe gut zusammen und das ist ein Greenfield, das man noch besetzen könne. Bis auf den Zeitverbrauch in den ersten Wochen, unter dem jeder geklagt hat, sehe ich keine negativen Konsequenzen. Es hat eine Woche viel Pressearbeit gegeben, aber das macht auch Spaß. Bis auf, dass uns ein bisschen alle Sachen, die mit Clubhouse zu tun haben, dann gern angelastet werden.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Podcast erwähnt. Heißt das, dass ihr jetzt durch die höhere mediale Wahrnehmung eine neue Audience erreichen konntet? Wird es dann auch neue inhaltliche Schwerpunkte geben oder bleibt ihr der Linie treu?
Philipp Klöckner: Manchmal wurde uns vorgeworfen, wir hätten gar keine klare Linie. Die Linie ist digitales Produkt und Marketing. Sie ist ein bisschen Technologie. Sie ist viel Aktien, weil uns das selbst interessiert und auch ein bisschen menschliche Themen. Also quer Beet. Wir haben jetzt keine redaktionelle Agenda, wenn man ganz ehrlich ist. Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden. Der uns bewegt oder bei dem wir glauben, wir können Dinge auch für andere Leute hilfreich einordnen.
Das muss man nicht mögen, aber es hören relativ viele Leute und verändert hat es sich durch Clubhouse nicht. Es kommt dazu, dass tatsächlich Leute versuchen, jetzt Produkte zu platzieren. Sie sagen, ‘Wir haben hier eine App, die macht dies und das. Könnt ihr die nicht auch genauso groß machen?’ Wenn wir davon überzeugt sind oder es spannend finden, würden wir das sowieso machen, aber als Dienstleistung kann man das noch nicht erwerben. So wichtig sehen wir uns dann auch nicht.
Schahab Hosseiny: Das heißt, ihr seid noch nicht für Product-Placement empfänglich.
Philipp Klöckner: Das passt bis jetzt gar nicht. Wir sind immer werbefrei und leisten uns das als Hobby.
Schahab Hosseiny: Wie kann ich mir das vorstellen? Ihr habt eine sehr ordentliche Frequenz und der Podcast ist auch nicht wirklich komprimiert, sondern geht durchaus über einige Minuten. Wie intensiv ist die Abstimmung? Mittlerweile bist du gut eingegroovt mit deinem Co-Host. Dennoch müssen die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Wie kann ich mir sowas vorstellen? Habt ihr eine Google Drive Folder-Struktur, die ihr dann kollaborativ bearbeitet? Wie geht ihr das Thema an?
Philipp Klöckner: Ja, vielleicht genauso, wie die meisten das lösen würden. Ganz am Anfang haben wir überlegt, ‘Wie bauen wir diesen Podcast überhaupt oder was wollen wir gerne hören?’ Wir haben einfach unsere Stichpunkte eine Zeit lang in Google Doc gesammelt und ein oder zweimal telefoniert. Dadurch ist es zum Beispiel zu diesem Namen gekommen.
Die wöchentliche Themenplanung ist tatsächlich ein Trello-Board, wo wir ganz agil Kärtchen einschieben und da steht beispielsweise SEMrush IPO oder was uns gerade bewegt. Unsere Aufgabe ist es dann, uns unabhängig voneinander darauf vorzubereiten. Entweder interessiert einen das schon vorher oder er versucht sich in kurzer Zeit kompetent zu machen. Wir sprechen nicht ab, wie wir das Besprechen. Ich bekomme das dann meistens als Überraschungsfrage zugeworfen oder stelle auch Philipp die Frage. Deshalb ist es eine Mischung. Die Agenda ist geplant, aber wie wir darüber reden ist Freestyle. Das kommt uns bisher auch am authentischsten vor. Ich glaube, wenn man das komplett skripten würde oder Argumente vorfertigt, dann wird es auch ein bisschen langweilig. Der Nachteil ist, dass ich dann vor mich hin stottere oder die Sätze mittendrin nochmal anfange. Das ist der Nachteil der Authentizität.
Schahab Hosseiny: Da teilen wir uns dasselbe Leid. Ich finde das sehr sympathisch. Blockierst du weiterhin bewusst eine höhere Management Attention of Clubhouse?
Die Herausforderungen als Audio-only-App und warum es bei Clubhouse nicht so richtig funktioniert
Philipp Klöckner: Ich habe das Gefühl, Clubhouse hat ein bisschen den Ball verdribbelt. Am Anfang haben sie viele Dinge richtig gemacht. Im Moment merke ich, dass hauptsächlich die Discovery Engine – also, wie finde ich spannende Räume auf Clubhouse – nicht mehr so gut funktioniert wie am Anfang. Ich bekomme dort vollkommen irrelevante Dinge vorgeschlagen. Das so gut wie TikTok hinzubekommen, ist eine große Herausforderung. Aber es mittelmäßig gut hinzubekommen, ist eigentlich nicht so schwer und Clubhouse kriegt es im Moment nicht einmal mittelmäßig hin. Ich weiß nicht, ob sie sehr stark versuchen wollen, das diverser zu gestalten und bewusst Leute auf neue Inhalte stoßen. Wenn dem so ist, dann funktioniert es jedoch relativ schlecht. Zumindest für mich und mit Sicherheit auch für viele andere.
Dass es wirklich schwer ist gute Inhalte zu finden, die relevant für mich oder für die Hörer insgesamt sind, macht es ein bisschen unattraktiv. Das nächste ist, dass sie die wichtigen Feature Push-Notifications so inflationär genutzt haben, dass sie den Hörern antrainiert haben, die Push-Notification komplett zu ignorieren. Es kam einfach so viel. Das kann nicht alles relevant gewesen sein. Wenn jetzt wirklich jemand auf der Bühne steht, der mich interessieren könnte, dann bekomme ich es nicht mehr mit, weil dieser Kanal durch diese Inflation von Nachrichten verschlossen wurde. Deshalb ist es jetzt auch schwer, Leute zu reaktivieren.
Wir sind jeden Mittwochabend für unsere Session da und unter der Woche verbringe ich nicht mehr so viel Zeit. Obwohl ich mir sicher bin, dass es weiterhin großartige Gespräche gibt. Aber dieses sogenannte Fear-of-Missing-out-Gefühl, dass ich etwas verpasse.. “Es könnte jetzt ein Bekannter auf der Bühne sein, den ich unbedingt hören muss oder ein Star oder Politiker” – Damit muss man leben. Wenn das passiert, dann ist es auch einfacher zu akzeptieren und dann ist dieser Reiz sehr schwach geworden.
Schahab Hosseiny: Du sagst, die Nutzer wurden ein Stück weit konditioniert, auf Push Nachrichten zu reagieren. Das Ganze wurde viel zu inflationär eingesetzt und dadurch ist die Reaktivierungsquote jetzt sehr gering oder die Nutzer nutzen die Applikation gar nicht mehr. Wobei man sagen muss, der Demand ist immer noch da, also Wachstum wird immer noch produziert. Du hast für dich persönlich jedoch nicht mehr den hohen Motivationsgrad?
Philipp Klöckner: Genau. Am Anfang war es so, wie bei euch wahrscheinlich auch. Ich verbrachte 24 oder 30 Stunden in der ersten Woche dort, was ja schon viel ist. Ich war ständig nebenbei und in jeder freien Minute online. Davon bin ich inzwischen weit entfernt und es ist auch kompatibler für die Beziehung. Im Zweifel merke ich auch, dass ein Podcast mir dann mehr liegt. Weil ich auch auf Clubhouse eher passiv war. Und dann ist ein Podcast genauso gut.
Schahab Hosseiny: Haben die Gründer jemals Kontakt zu dir aufgenommen? Du hast eine gewisse mediale Aufmerksamkeit genossen und wurdest immer mit dem Erfolg von Clubhouse in Deutschland in Korrelation gesetzt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du auch namentlich auf der Agenda gelandet bist, entweder bei den Gründern oder bei den Investoren. Gab es da mal Gespräche?
Philipp Klöckner: Kontaktiert wurden wir nicht. Letztlich wissen wir aber nicht, ob besprochen wurde, dass Deutschland ein Thema war. Ich glaube, um Deutschland zu übersehen, war das zu groß. Da hat bestimmt jemand geschaut, wo Deutschland liegt und warum das hier jetzt abgeht. Das wurde bei OMR ausreichend beschrieben. Tatsächlich kontaktiert wurden wir jedoch nicht. Die Frage taucht immer wieder auf. Philipp Glöckler, mein Co-Host, versuchte mit einem Partner von Andreessen Horowitz Kontakt aufzunehmen. Ansonsten gab es keinen großen Austausch. Inzwischen gibt es eine Art Outreach-Team, mit welchem versucht wird, etwas mit der Community zusammen auf die Beine zu stellen. Zumindest habe ich das über hören und sagen erfahren.
Das Audio-Only-Modell hat Zukunft – Doch bislang ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür Leute auch bereit wären, Geld auszugeben.
Schahab Hosseiny: Du bist Investor. Wenn du die Wahl hättest, unabhängig von der Bewertung, findest du, die Idee hat Zukunft noch ein weiteres soziales Netzwerk, – wenn man das als soziales Netzwerk betiteln dürfte – Audio Only zu starten? Du kennst ja auch die Diskussion mit Twitter und Facebook und den Möglichkeiten der Competition. Glaubst du an das Modell als solches?
Philipp Klöckner: Ja, das Modell als solches, finde ich weiterhin attraktiv. Ich finde es nur operativ oder taktisch verdribbelt. Ich glaube, man könnte es weiter gut aufziehen. Es wurden auch viele Dinge richtig gemacht. Das Einladungssystem hat bereits dazu geführt, dass es eins der zivileren Netzwerke wurde. Zumindest so wie ich es erlebt habe. Deshalb gibt es schon viele Faktoren, weshalb ich glaube, dass Audio Only etwas Gutes ist. Aktuell würde mich ein bisschen abschrecken, dass für mich selbst die Produkterfahrung nicht so gut war. Denn jemanden zu fixen oder jemanden noch einmal zurückzuholen ist fast schwerer, als ihn dazu zu bringen, etwas das erste Mal auszuprobieren. Von daher ist es jetzt ein bisschen wie mit einer heißen Kartoffel: Ich weiß nicht, ob ich sie anfassen will.
An Facebook glaube ich nicht. Ich versuche dort eher meinen Absprung zu finden, weil ich merke, dass ich die Zeit, die ich dort verbringe, nicht genieße. Ich bin auch ein Typ, der sich in Debatten verfängt und sich hinterher darüber ärgert, dass er überhaupt angefangen hat zu schreiben. Ich kann mir selbst die Schuld dafür geben. Aber ich merke auch, dass es auf Facebook viel schneller passiert als auf Twitter. Deshalb gebe ich in dem Fall zumindest die Mitschuld an Facebook. Ich glaube schon, dass es ein Grundbedürfnis ist, sich zu vernetzen. Von der Aura her, fand ich bisher auch, dass es das bessere Netzwerk ist.
Clubhouse und die Audioidee haben auch Sinn ergeben. Man kann passiv sein und muss sich nicht beteiligen. Man kann auch nur zuhören. Es gab durchaus viele gute Features, an die ich glaube. Ich bin ein großer Fan von Twitter, so wie es ist. Ich finde, es muss sich nicht großartig verändern. Obwohl es auf der Geschäftsseite nicht besonders gut funktioniert. Aber als Nutzer finde ich es hervorragend.
Schahab Hosseiny: Glaubst du an die Monetarisierungsformen, die Twitter mit Werbeanzeigen verfolgt oder glaubst du, das ist der falsche Monetarisierungsweg?
Philipp Klöckner: Mich stört das nicht, da ich es über TweetDeck nutze, wie viele professionelle Nutzer. Dann sieht man wenig von der Werbung, außer wenn ich jetzt etwas auf dem Handy mache. Für das Unternehmen oder für die Investoren funktioniert es nicht gut, da die Werbung nicht genug Gewinne abwirft, weil die Leute werbeblind sind oder Tools nutzen, um die Werbung nicht zu sehen.
Gleichzeitig ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür man auch bereit wäre, Geld auszugeben. Das ist nicht einfach, weil es der Marktplatz der Ideen ist und in den USA fast einen Demokratie bildenden Charakter hat. Denn ein Großteil der Bevölkerung ist auf Twitter, weil der ehemalige Präsident fast exklusiv darüber kommuniziert hat. Wo legt man die Bezahlschranke? Muss ich bezahlen, um mitzulesen? Muss ich bezahlen, um mich äußern zu dürfen? Was heißt es dann für die Demokratie, wenn genau das der Marktplatz der Ideen ist. Wenn ich bezahlen muss, damit ich etwas sagen darf? Es ist nicht so einfach zu sagen, wir nehmen jetzt jedem beispielsweise fünf Dollar im Monat ab. Damit schließt man Leute aus, die dann ihre Stimme verlieren. Das kann gefährlich sein.
Schahab Hosseiny: Ja. Wir hatten Dirk Freytag auch hier und haben über das Thema gesprochen. Die Bereitschaft für guten Content Geld zu bezahlen. Wie würdest du das Thema für dich einordnen? Glaubst du, dass wir 2021 bereit sind, für guten journalistischen, kuratierten Content, Geld zu bezahlen? Content, der auch über Twitter etc. publiziert wird? Oder denkst du, hier gibt es nur eine Alternative und das ist die Werbefinanzierung? Dazu würde mich deine Position interessieren.
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es ist schwer, das für alle richtig zu beantworten. Ein Teil ist längst bereit dafür zu bezahlen. Die stört dann eher, dass man trotzdem noch Werbung sieht oder man weiter getrackt wird. Ich habe heute ein Abo für KATAPULT MV abgeschlossen. KATAPULT MV macht Lokalpresse und versucht das nochmal aufzubauen, weil sie unterstellen, dass die Lokalpresse in Mecklenburg-Vorpommern ein bisschen eingefärbt ist. Das finde ich gut. Das unterstütze ich mit meinem Geld und das will ich lesen. Das möchte ich sehen in der Welt. Andere Leute unterstützen dann die New York Times oder The Information oder was immer man lesen mag.
Aber ich finde, dann muss es auch so sein, dass ich nicht getrackt werde. Dann soll es auch eine sehr gute Erfahrung sein, wenn man dafür zahlt. Die Gefahr ist natürlich ein bisschen, dass das die meisten Leute nicht unbegrenzt machen können. Damit begibt man sich auch in eine Art Bubble. Wenn man nur den Fokus liest oder nur die Zeit, hat man natürlich auch eine eingefärbte Sicht der Dinge. Und nicht jede Familie kann sich das leisten, die vier großen Tageszeitungen zu abonnieren. Deshalb braucht man ein Modell. Das scheitert, meiner Meinung nach, an der Zusammenarbeit der Verlagswelt. Eine Art Spotify für Zeitung, wofür ich ein Abo zahle, das wird ein bisschen nutzungsbasiert aufgeteilt und ich kann dafür vielleicht hundert Artikel im Monat kostenlos lesen.
Ich glaube, das wäre das schönste, denn ansonsten werden wir irgendwann eine Subskription Fatigue haben. Dann kommen die ersten Apps wie Aboalarm: “Schau mal, du hast hier vier Streaming Services und den einen hast du gar nicht mehr genutzt. Du abonnierst fünf Zeitungen und drei davon hast du gar nicht mehr angeschaut” – Das ist wahrscheinlich das nächste Geschäftsmodell, was sich daraus ergeben würde.
Schahab Hosseiny: Die Preissensibilität ist in den letzten Jahren, was digitale Produkte angeht, auch von den ganz Großen vorformuliert worden. Spotify, beispielsweise, liegt inzwischen bei 15 Euro. Du hast Recht, wenn die Verlage in Deutschland zusammenkommen würden, würden bestimmt tolle Produkte entstehen. Bei Spotify hast du nur eine gewisse Anzahl an Major Labels, mit denen du sprechen musst. In Deutschland hast du so viele Verlage. Es ist eine fragmentierte Situation, dass man immer noch nach mehreren Jahren offenbar nicht auf eine gemeinsame Lösung kommen konnte.
Das ist sehr traurig. Die Lokalpresse hat auch einen gewissen gesellschaftsrechtlichen Auftrag und das führt dazu, dass eine Demokratisierung in Deutschland stattfindet. Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn der Bürgermeister in der Provinz irgendwo Geschäfte mit seinem Nachbarn treibt, wer soll denn darüber berichten? Die Öffentlich-Rechtlichen machen es nicht, denn dafür ist es zu granular. Deshalb bin ich der Meinung, brauchen wir die Lokalpresse. Aber das ist ein guter Punkt, den du ansprichst. Die Verlage hier müssen mittelfristig wahrscheinlich eine gemeinsame Lösung auf den Markt werfen. Denn niemand ist bereit, diese Gelder für teure Redaktionen zu bezahlen, wenn es eine so hohe fragmentierte Anzahl an Verlagen gibt.
Philipp Klöckner: Ja, man kann vielleicht die Parallele zu Australien ziehen. Dort ging es darum: Kann sich die Verlagswelt gegen Google und Facebook verbinden? Dadurch, dass die dort noch konzentrierter sind, konnte auf Augenhöhe verhandelt werden. Und das funktioniert in fast keinem anderen Land. In Deutschland gibt es immer einen Streikbrecher, der sagt: Selbst wenn sich drei große Verlage zusammentun und z.B. Google News für 2 Wochen bestreiken, gibt es immer ein oder zwei Verlage, die sagen: Dann nehmen wir den Traffic aber gerne, denn uns geht es gerade am schlechtesten. Ansonsten könnte man sowas wahrscheinlich auch in Deutschland gut durchsetzen. Es wäre sogar sinnvoll, aber dazu muss man den Willen haben zu kooperieren.
YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Schahab Hosseiny: Machen wir einen kurzen Schwenk von Clubhouse, Audio Only, auf YouTube. Ich habe dich auch im Vorfeld etwas recherchiert. Philipp, du bist mittlerweile mit einem eigens gedrehten Video, welches du persönlich auch hochgeladen und gerüstet hast, über deinen eigenen Channel im Rahmen einer Landingpage zu Clubhouse. Kam hier ein bisschen der alte SEO Philipp durch, dass du gesagt hast, ich habe jetzt eine Landingpage, dann brauche ich auch ein Video? Oder was hast du dort konkret verfolgt? Das Video rankt auch gut und du hast auch sehr positive Kommentare in einer Mini-Sentiment-Analyse geerntet. Wann erleben wir dich denn häufiger im Bereich Bewegbild? Ist das ein Thema für dich und für euren Podcast als Verlängerung?
Philipp Klöckner: Das wurde ich schon oft gefragt, aber da muss ich dich wahrscheinlich enttäuschen. Das war ein bisschen die alte Zeit und taktisch sehr opportunistisch getrieben. Einfach gesagt, unsere Doppelgänger Podcast Blog Domain war einfach noch sehr jung. Wir haben es nicht geschafft den Inhalt schnell in Google reinzubekommen. Auch nicht mit allen Hilfsmitteln, die man als SEO kennt. Und selbst das hat dann relativ lange gedauert. Und so ein Video auf YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Ich habe das dann auch eingesetzt und einfach kurz an einem Samstag nach dem Frühstück eingesprochen. Das war dann wirklich fünf Minuten später in den Suchergebnissen. Ansonsten – strategisch wird das in Zukunft nicht die Rolle spielen. Für mich ist Audio eher mein Medium, zumindest nach meinen bisherigen Erkenntnissen. Ich sage immer böse, dass mein Co-Host ein Radio Gesicht hat. Wir fühlen uns mit Audio wohler.
Schahab Hosseiny: Okay, sehr gut. Das Thema Video hast du gerade angesprochen. Video SEO, siehst du da weiter noch einen sehr starken Demand am Markt? Oder ist es ein Umfeld, bei dem du sagst, da kannst du mit der smarten SEO-Strategie für gute Reichweite und Reach sorgen?
Philipp Klöckner: Es ist ein offenes Geheimnis, dass YouTube die zweitgrößte Suchmaschine ist, größer als jeder sogenannte Google Konkurrent. Deshalb kann man das bei vielen Modellen eigentlich nicht auslassen. Man kann es auch mit fast jedem Motiv verbinden und ein passendes Format schaffen. Wenn man von einem holistischen Marketing oder Content-Strategie sprechen möchte, dann gehört Video wahrscheinlich für die meisten dazu. Man hat in der Regel weniger Konkurrenz in dem Kanal – deshalb habe ich ihn auch gewählt. Während die ersten Webseiten versucht haben, etwas über Clubhouse zu schreiben, gab es auf YouTube deutschsprachig noch keine Inhalte dazu. Das ist eine Lücke, die man wahrscheinlich auf viele Geschäftsmodelle beziehen kann. Gibt es für meine Nische dort schon gute deutschsprachige Inhalte?
Wir kennen das aus der Anwaltsszene, von der Fahrschule über den Steuerberater oder der Mathelehrer, der Nachhilfe gibt. Es gibt so viele Beispiele, die diesen Kanal perfekt nutzen. Technisch ist es gar nicht so anspruchsvoll, wie klassisches SEO. Es gibt Dinge, die man richtig machen und schauen muss, dass man die Leute irgendwie früher begeistert, gleichzeitig Cliffhanger findet und danach weitere Videos schauen. Am Ende will YouTube die Zuschauerzeit maximieren. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir glauben, das passt nicht gut zu uns und das ist nicht das, was uns Spaß macht. Aber ansonsten sollte das in den Marketing-Mix wahrscheinlich bei den meisten Modellen mit einbezogen werden.
Ich schaffe es jeden Tag so zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Wie hältst du dich up to date? Du bist sehr belesen, auch was die Tech-Industrie angeht. Konsumierst du gerne auch über Audio oder bist du eher der Dr. Speed-Reader oder vielleicht sogar bewegte Bilder? Wie hältst du dich fit?
Philipp Klöckner: Ich bin ein bisschen der Audio-Typ und das betrifft auch die Informationsaufnahme. Ich schaffe es jeden Tag ca. zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Auf doppeltem Speed oder wirklich?
Philipp Klöckner: Ich schaue schon, dass ich Dinge höre, die eine hohe Informationsdichte haben. Was jetzt zu sehr “Laber Kram” ist oder zur Unterhaltung dient, das schaffe ich dann auch nicht. Ich höre es in der originalen Geschwindigkeit. Ich habe ein Programm von ein paar Nachrichten Shows, ein paar tiefere Sachen, die mich interessieren, ein paar Börsen-Sachen, ein paar Tech-Sachen, ein paar Marketing-Sachen. Audio ist das, was ich gut passiv aufnehmen kann. Es gibt Sachen, da muss man auch aktiv zuhören, aber prinzipiell ist es so, wenn die Geschichte gut erzählt ist, dann kann ich mir diese ewig merken. Ich habe das einmal gehört und dann habe ich es in der Regel verstanden oder zumindest einen Aspekt dazu verstanden und deswegen liegt mir das.
Ansonsten habe ich den ganzen Tag mein TweetDeck auf meinem zweiten Monitor. Egal was ich tue, es läuft immer eine Art Nachrichten Ticker. Das ist manchmal schon sehr störend, aber es gibt einem auch das Gefühl, man hat einen guten Überblick darüber, was Leute jetzt wichtig finden. Das ist auch gleichzeitig immer ein bisschen die Recherche für den Podcast. Das sind die Sachen, die uns in der Woche beschäftigt haben. Wir monetarisieren, kann man nicht sagen, da wir nichts verdienen. Aber wir verwerten dann schon, was wir diese Woche an Informationen aufgenommen haben und versuchen das dann nochmal für die Hörer zu interpretieren.
Die wichtigsten KPIs und Motivation, die hinter Philipp Klöckners Podcast stecken
Schahab Hosseiny: Du bist durchaus ein datenorientierter Mensch. Wir haben jetzt über Podcasts gesprochen, da werden wir gleich auch noch einmal einen kurzen Deep Dive machen. Was sind für dich persönlich die KPIs, bei denen du sagst, ‘Das passt für mich. Denn ich investiere in hohe Management Attention. Das Thema Podcast ist für mich ein Kanal, bei dem ich mich wohl fühle. Da habe ich auch für mich ein Return.’ Was ist für euch die Motivation? Ist es eher die Reach? Du bist ja Investor. Kommst du damit gegebenenfalls schneller und besser in Kontakt mit Targets? Ist das für dich ein Netzwerk? Was ist die Motivation oder ist es die reine Ideologie, zu sagen, ‘Wir haben was zu erzählen und wollen es einfach diskutieren.’?
Philipp Klöckner: Ja, ein bisschen schon. Der ursprüngliche Arbeitstitel war “Sendungsbewusstsein”, als Name für den Podcast. Wir haben uns dagegen entschieden. Ich denke es wäre uneitel zu sagen, dass Reichweite auch ein Motiv ist. Das wäre auch eine der zwei KPIs. Uns ist schon wichtig wie viele Leute das Hören. Das heißt aber nicht, wenn es mehr Reichweite bringen würde, würden wir jetzt die Dinge anders machen.
Wir überlegen eher, ob wir uns mit dem, was wir gemacht haben, freuen, wenn es mehr Reichweite findet. Was wir nicht tun, ist jetzt einen In-Friend einzuladen, weil es mehr Reichweite gibt. Das ist nicht authentisch. Aber wir hoffen, dass das, was wir machen, immer mehr Leuten gefällt und sich rumspricht. Das ist leider das, was am schwersten zu messen ist. Die World of Mouth wäre etwas, was wir gerne verstehen möchten. Eine Art R Faktor, den jetzt jeder kennt. Es gibt manche, die das sehr aktiv machen und auch schreiben. Sie haben ihren gesamten Bekanntenkreis damit infiziert. Wir wissen auch, dass es noch Leute gibt, die es für sich behalten, weil sie im Meeting dann schlauer sind. Damit ist es schwer einen Podcast groß hochzuziehen.
Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Ansonsten achten wir sehr stark auf die Durchhördauer, was auch eine wichtige KPI für die Netzwerke Apple und Spotify selber ist. Wir machen uns Gedanken, wenn die Leute an einer gewissen Stelle abbrechen oder nicht durchhören. Wir waren am Anfang überrascht, dass die Durchhörrate deutlich besser ist, als in der Industrie. Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Das ist bei uns definitiv nicht so. Es ist eher so: Es gibt am Anfang eine kleine Stufe auf der Leute weggehen, die das aus Versehen angespielt haben oder nicht wissen, wo sie gerade sind oder das nicht hören wollen. Von da an verlieren wir jedoch kaum noch Zuhörer. Es hören erstaunlich viele durch. Das war überraschend, denn wir haben uns oft gefragt wo der Fehler liegt. Wir kannten das von anderen Podcasts nicht so. Das motiviert uns sehr und gibt uns ein bisschen den Rückenwind zu sagen, wir machen das einfach weiter, wie wir es gut finden. Ansonsten bekommen wir viele nette Mails, die uns motivieren. Das ist auch ein großartiges 1:1 Feedback. Noch mehr Daten-Visibilität versuchen wir gar nicht zu erzeugen. Dann wird es irgendwann zu technisch und dann optimiert man vielleicht doch schon in die falsche Richtung.
Schahab Hosseiny: Das spricht definitiv für eure Qualität, sowie du es gerade dargestellt hast. Seid ihr werblich aktiv? Bewerbt ihr euren Podcast und nehmt ihr Werbegelder in die Hand?
Philipp Klöckner: Nein. Ich hatte einmal einen Plan das zu tun. Ich bin der Meinung, es gebe eine Art Arbitrage-Möglichkeit. Gerade wenn du selbst Werbung machst, hast du ein hohes Incentive. Wenn es einen zweiten Podcast gibt, der eine sehr ähnliche Audience hat, kannst du dort Nutzer einkaufen. Dann brauchst du nur rechnen, wie oft diese deinen Podcast hören müssen, bis du es wieder reingespielt hast.
Sagen wir als Beispiel, es gibt einen Startup Podcast für 2,5 Tausend Euro und du kannst zehntausend Hörer kaufen. Dann bekomme ich über die Zeit mit, ob dieser mir zusätzliche Hörer bringt und bekomme es wahrscheinlich wieder eingespielt. Damit könnte man es vielleicht ein bisschen beschleunigen. Am Ende erreicht man die Leute auch so. Deshalb haben wir uns noch nicht dafür entschieden, die Audience künstlich auszublenden. Wir glauben auch, wir erreichen damit ein anderes Profil von Leuten, die nicht so loyal sind oder nicht so durchhören, wie unsere jetzigen Nutzer. Die Qualität wäre auf jeden Fall anders. Deshalb setzen wir eher auf den harten Kern und auf das World of Mouth. Aber ich würde es nicht für immer ausschließen.
Audio-Retargeting – Wer macht das Rennen unter den Platzhirschen?
Schahab Hosseiny: Ja, Audio Retargeting ist ein sehr spannendes Thema. Auf bestehende Nutzer nochmal ein Podcast Retargeting zu setzen. Sprechen wir jetzt gerne noch einmal über das Thema. Du hast gerade schon Apple und Spotify angesprochen. Wir gehen in ein fachlich spezifisches Podcast-Thema. Du bist in diesem Markt aktiv. Wir sehen auch ein sehr starkes Wachstum. Dominiert wird der Markt immer noch von Apple und Spotify. Das sind die Platzhirsche.
Wir haben auf der einen Seite Apple. Die haben ein eigenes Operating-System und auch Smart-Assistent-Geräte, wie den Home-Port. Wir sehen, dass ein Sprachassistent wie Siri dabei ist. Wir sehen, dass Apple sehr intensiv in das Thema Bluetooth-Kopfhörer eingestiegen ist, Beats-Akquise und auch die Airpods. Auf der anderen Seite haben wir Spotify, die ein paar Akquisitionen im Bereich Podcasting durchgeführt haben. Gimlet Media haben sie gekauft. Was sagst du mit deiner Erfahrung? Wer wird hier das Rennen machen? Wie ist deine Position zwischen den beiden? Wo fühlst du dich wohler?
Philipp Klöckner: Das sind viele sehr gute Fragen. Ich neige dazu, zu glauben, dass es fragmentiert bleibt. Es bleibt ein Duopol, allein begrenzt durch die Betriebssysteme. Ich habe ein Android-Phone und ich könnte ja gar nicht in das Apple System wechseln. Ein Großteil der Menschheit hat im Moment nicht die Mittel dort zu wechseln und möchte trotzdem Podcast hören.
Schahab Hosseiny: Wenn ich kurz reingrätschen darf. Wie hast du denn Clubhouse genutzt?
Philipp Klöckner: Ich habe ein iPad, um schnell eine E-Mail zu schreiben. Ich habe mir dann zusätzlich tatsächlich für Clubhouse ein iPhone gekauft. Also ich glaube, da wird es eine Art Dichotomie geben. Es gibt Android-User, die werden verstärkt auf Spotify und Apple-Nutzer wahrscheinlich sehr stark auf Apple Podcasts hören. Das sehen wir auch in unseren Zahlen. Wir sehen auch, dass Amazon erhebliche Anstrengungen unternimmt, noch in den Markt reinzukommen. Das kann man sich mit exklusiven Titeln zu einem gewissen Grad erkaufen. Ganz einfach ist es nicht. Google nutzt natürlich seine Dominanz in der horizontalen Suche aus, um das eigene Podcast-Produkt zu bewerben. Was in den USA schon erfolgreich ist und viele Hörer hat. Die kommen über Google darauf. Gerade Leute, die das erste Mal Podcasts hören.
Schahab Hosseiny: Ist das YouTube Music? Das kenne ich gar nicht.
Philipp Klöckner: Nein, das ist Google Podcast. Die haben ein eigenes. Würdest du jetzt den Namen unseres Podcast bei Google eingeben, dann findest du meistens auf Position eins oder zwei das Google Produkt. Lange bevor du unsere Webseite oder Spotify oder Apple siehst. Das treibt auch die Adoption. Es ist nicht so, dass Leute sich zwischen vier Produkten entscheiden und sagen, ich nehme jetzt Google Podcast. Sondern in vielen Fällen ist es ganz einfach, weil Google ihr eigenes Produkt nach ganz oben stellt. Von daher wird es wahrscheinlich noch eine Zeitlang fragmentiert bleiben. Einen Gewinner sehe ich eher nicht.
Es gäbe aber eine gute Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende eine Zweiteilung zwischen Apple Podcast und Spotify gibt. Wenn Amazon noch den großen Durchbruch bei der Programmierung schafft, also einen sehr guten exklusiven Content bekommt, dann vielleicht. Denn dort zahlt der Hörer sowieso schon als Prime-Kunde. Diese hätten das inklusive oder können das einfach dazu buchen. Sie haben den Kunden schon, das ist der große Vorteil. Da hat Spotify es am schwersten. Apple besitzt seine eigenen Schienen, Google besitzt die horizontale Suche und Android als sein eigenes Schienensystem und Amazon besitzt schon den Kunden und hat mit fast jedem Kunden eine Beziehung und die Hardware mit Echo oder Alexa.
Spotify hat es insofern schwer, dass selbst wenn sie Nutzer erreichen, noch diese fünfzehn bis dreißig Prozent Gebühren an die Appstores zahlen müssen. Der größte Profiteur des Musik Streaming-Marktes ist Apple. Denn es ist vollkommen egal, ob du die Musik über Apple Music hörst oder über Podcast oder Spotify. Apple bekommt immer seine dreißig Prozent im ersten Jahr über den Appstore. Von daher ist Spotify echt in einer komplizierten Lage. Aber wenn sie groß genug werden und eigene Produkte herausbringen, für die sie eben nicht siebzig Prozent an die Künstler abgeben müssen – wie bei Musik – kann es trotzdem spannend sein, wenn sie am Ball bleiben.
Schahab Hosseiny: Das ist ein kapitalintensives Thema: Eigenproduktion.
Philipp Klöckner: Ja, genau. Es kostet einmal Produktionskosten, aber die sind gedeckelt. Wenn ich jetzt zehn Millionen neue Hörer gewinne, dann musst du immer die siebzig Prozent an den Artisten abgeben. Das hast du beim Podcast nicht. Du gibst zum Beispiel dem Host zwei Millionen Euro im Jahr und dann bekommst du es fertig. Wenn du mehr Hörer hast, ist es irgendwann umsonst, weil du keine variablen zusätzlichen Kosten pro Hörer mehr hast. Deshalb ist es besser als das bisherige Geschäftsmodell von Spotify, wenn es funktioniert und groß genug wird. Denn bisher müssen sie von jedem Euro siebzig Cent wieder teilen. Das ist bei Podcast eventuell anders.
Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch.
Schahab Hosseiny: Wir haben ein bisschen Research im Vorfeld durchgeführt. Ich bin auf ein Tweet von dir gestoßen. Wahrscheinlich einer deiner ersten Tweets, aber das wirst du mir gleich bestätigen können. Der Tweet lautet “Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch. Schuld ist @_DD_. Hat mich auf dumme Ideen gebracht.” Ich konnte mit “_DD_” nichts anfangen. Ich gehe davon aus, dass du damit David Deutsch meinst. Ich würde gerne den Ball aufnehmen und über deine SEO-Vergangenheit sprechen – was bestimmt auch für die Audience mit Sicherheit sehr interessant ist.
Domains bunkern – Lohnt sich die Investition?
Wir haben ein bisschen weiter recherchiert und haben einige Web-Projekte gefunden, die sogar noch live sind – was ich supercool finde. Neben “skiurlaub.org” hast du noch ein paar weitere Top Level Domains, wie “bademode.com”, “Mode.net”, “gebrauchtwagen.net”, “Gesellschaftsspiele.de”, “Stau.info”, “Spielzeug.com” besessen oder besitzt sie immer noch. Erzähl uns ein bisschen von diesem Background und auch von deinem Domain Portfolio. Welche Juwelen hast du gegebenenfalls noch oder planst du noch was? Wenn du möchtest, lass uns etwas teilhaben. Dann habe ich zum Ende hin noch eine Frage: Wie bist du an “PK.de” herangekommen? Das ist eine fantastische Domäne.
Philipp Klöckner: Der Tweet muss wahrscheinlich von vor 2012 gewesen sein. Denn danach habe ich meine Domain Sammelsucht geheilt oder begriffen, dass es keine gute Idee ist. Ich habe für den Podcast einmal ausgerechnet, hätte ich das ganze Geld was ich in Domains gesteckt hätte, in Amazon-Aktien zu der Zeit gesteckt, wären das heute irgendwo zwischen dreißig und vierzig Millionen Euro. Das war im Nachhinein kein gutes Investment diese ganzen Domains zu sammeln.
Schahab Hosseiny: Ja, hast du diese gekauft oder einfach registriert?
Philipp Klöckner: Die konnte man damals nicht mehr registrieren. Es gab Zeiten, in denen man solche Domains auch hätte registrieren können. Da hat man das gemacht und diese lange gehalten. Es war ein gutes Business, wenn man sie für nichts oder für wenige Euro Registrierungsgebühren eingekauft hat. Diese dann so teuer zu kaufen hat sich im Nachhinein für nicht so schön herausgestellt. Je nachdem, wie man den Zinssatz oder die alternative Anlage wählt. Wenn man Amazon Aktien nimmt, sieht es sehr schlecht aus. Ein bisschen besser als ein Sparbuch war es vielleicht noch, weil man die auch wieder verkaufen kann. Die “Mode.net” wurde zum Beispiel wieder verkauft. “Gesellschaftsspiele” glaube ich auch, aber die gehörten mir alle mal. Also die Recherche ist einwandfrei. Insgesamt waren es mal 3.500 Stück. Am Höhepunkt der Sammelwut habe ich auch paketweise eingekauft.
Damals gab es den Exact-Match Domain-Bonus. Das heißt, wenn der Domain-Name genau deinem Haupt-Keyword entspricht. Zum Beispiel: Hättest du damals eine “Onlinemarketingagentur.com” gehabt, hätte das deine SEO-Bestrebungen stark vereinfacht. Das habe ich früh erkannt, damit auch bescheiden Geld verdient und wollte das skalieren. Ich habe schmerzhaft gelernt, dass ich nicht die operativen Fähigkeiten habe, eine Unternehmung anzuführen, die auch 3.500 Domains projektiert. Für ein paar meiner Lieblingsprojekte habe ich das selbst gemacht. Ich habe es mit Partnern probiert und mit Angestellten. Jedoch würde ich mir hundert Prozent der Schuld geben, dass es nicht funktioniert hat. Das waren alles sehr begabte Leute. Daraufhin habe ich die Lust daran auch wieder verloren und deshalb gammeln die jetzt herum. Viele habe ich im Nachhinein noch verkauft.
Ich hatte eine Landrush-Phase, als es die Two Letter Domains gab. Das sind Domains, die vorher KFZ-Kennzeichen waren oder nur aus 2 Buchstaben bestanden und frei geworden sind. Ich konnte “PK.de” zwar nicht registrieren, aber man konnte sie damals alle im mittleren vierstelligen Bereich kaufen und “PK.de” war mir aus purer Eitelkeit natürlich wichtig genug. Ich habe außerdem noch ein paar andere gekauft. “HB.de” habe ich an Hugo Boss verkauft. Diese habe ich für 5.000 Euro eingekauft. Das wurde in kurzer Zeit verfünffacht. “PK.de” wollte lustiger Weise Paul Kalkbrenner kaufen. Er hatte damals das Album mit einem schwarzen Stempel darauf, das auch “PK” hieß. Für die Kampagne oder sein Label wollte er das wahrscheinlich haben. Leider musste ich ablehnen. Es kam nicht einmal zu Preisverhandlungen. Ich weiß gar nicht, ob ich ein Angebot gemacht habe.. oder vielleicht habe ich vorsichtig gefragt, in welche Regionen sich das bewegt. Aber das hätte schon im fünfstelligen Bereich sein müssen, damit es mich überzeugt hätte, sie abzugeben.
Schahab Hosseiny: Das finde ich sehr spannend. Dann lass uns erneut ein bisschen tiefer in das Thema fachliches Sparring einsteigen. Wir haben auch nicht mehr allzu viel Zeit. Aber ich denke, ein oder zwei Fragen kriegen wir auf jeden Fall noch durch. Thema virtuelle Veranstaltung: Hopin hat ein wahnsinniges Wachstum hingelegt. Ich glaube Europas schnellst wachsendes Unternehmen im Startup oder im faktischen Startup-Bereich. Glaubst du, das ist eine berechtigte Bewertung, die die auf die Waage bringen? Und was hältst du generell von virtuellen Veranstaltungen?
Hopin geht eher den Weg “Wir wollen ein Ökosystem um den Bereich Video-Kommunikation bauen. Denn daran glauben wir, deshalb auch die zusätzlichen Akquisitionen, die durchgeführt wurden.” Andererseits muss das viele Geld auch geparkt werden. Glaubst du, da ist noch mehr Spiel in diesem gesamten Segment? Oder bist du der Meinung, das ist eine ganz heiße Wette, die kann auch nach hinten losgehen?
Philipp Klöckner: Ich verbinde es mit zwei Sachen: Es gibt bei ganz vielen Geschäftsmodellen gerade die Herausforderung zu isolieren, was ist jetzt nur Corona-Effekt und was wird auch danach bleiben. Wieviel des Wachstums kann erhalten bleiben in einer normalen Welt? Das ein bisschen auseinander zu klamüsern, ist gar nicht so einfach. Bei der Aktienanalyse oder auch bei anderen Recherche-Task ist das eine tägliche Herausforderung. Und gerade bei dem Modell ist es schwer vorherzusagen. Ich nehme an, ihr würdet wahrscheinlich lieber wieder eine Live-Veranstaltung machen, wenn es ginge. Oder würdet ihr dauerhaft auf Hopin bleiben?
Schahab Hosseiny: Die erste Veranstaltung haben wir über Hopin durchgeführt. Aktuell läuft die Veranstaltung über Balloon. Das ist eine gute Frage. Virtuelle Events haben einen großen Charme, weil du wirklich ein nationales Publikum oder auch ein internationales Publikum ansprechen kannst. Wohingegen du bei einer physischen Konferenz auf deine Region eingeschränkt bist. Du kannst mit einer wesentlich höheren Frequenz virtuelle Veranstaltungen durchführen. Ich glaube, dass hybride Events durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Aber virtuelle Events wurden in den letzten Monaten sehr inflationär genutzt. Das Qualitätsniveau ist weit gestreut und dieses reine virtuelle Modell wird sich wahrscheinlich nicht durchsetzen.
Philipp Klöckner: Dem würde ich fast beipflichten. Ich sehe auch ein bisschen die Inflation-Ermüdung. Es gibt fast zu viele Events. Überall gibt es freie Webseminare. Dass man die Audience erweitert und man sagt: Wir haben hier eine lokale Konferenz für unsere treuesten Kunden oder für spannendsten Leute aus der Region oder wer auch immer Lust hat zu networken, der ist hier herzlich Willkommen und dieser zahlt vielleicht etwas mehr dafür, damit er lecker essen und networken kann. Trotzdem erweitern wir das, um auch Leuten, die vielleicht gerade digitale Nomaden oder im Urlaub sind, zu ermöglichen, virtuell beizuwohnen. Da kann ich mir gut vorstellen, dass der Markt größer wird. Weil viele gelernt haben: Es kann auch ohne Reisen funktionieren.
Es gibt auch Unternehmen wie Zoom, die so groß und teuer geworden sind, dass sie sehr schnell auf weitere Märkte belegen müssen. Da wird es schnell die Einsicht geben, dass reines Video-Conference nicht mehr reicht, um die Bewertung zu rechtfertigen. Die werden genauso in solche Modelle hineingehen. Vielleicht erst einmal kleinere Sachen, wie Kochkurse, Yogakurse, andere Live-Video-Cases, vielleicht Live-Shopping, vielleicht Live-Kaufberatung.
Player, die schon relevant in einem kleinen Teil am Markt sind, gehen in die anderen Felder über. Es ist noch sehr schwer abzusehen, wer das endgültig gewinnt und wer wem den Marktanteil abspenstig macht.
Gorillas – Darum glaubt Philipp Klöckner an das Geschäftsmodell des Unicorns
Schahab Hosseiny: Sehr spannend. Sprechen wir über Gorillas. Du bist auch bekannt dafür, wenn man deinen Social-Stream verfolgt, dass du häufiger dazu Stellung beziehst. Die Erfolge, die Gorillas aktuell immer wieder bewiesen hat, zumindest was die Bewertung angeht. Du hast auch bei Gorillas investiert und seit vorgestern ist es jetzt offenbar Deutschlands Unicorn in Benchmarking. Kein anderes Unternehmen hat es in Deutschland in dieser Kürze der Zeit geschafft.
Ein weiteres Zitat bei Twitter finde ich klasse. Du verstehst nicht, warum der Großteil noch nicht verstanden hat, dass wir alle demnächst in der Nähe eines etwaigen Gorilla Lagers sitzen werden. Erkläre unsere Crowd einfach mal, warum du an dieses Geschäftsmodell glaubst. Ist diese Bewertung innerhalb dieser Kürze der Zeit auf die geniale Idee zurückzuführen, zum genialsten Zeitpunkt mit einem wahnsinnigen Management, kombiniert mit einer guten Story, die Begehrlichkeiten weckt und gepaart mit einer fantastischen Logistik? Woher kommt dieser sehr hohe Demand für dieses Thema?
Philipp Klöckner: Der Zeitpunkt spielt eine Rolle, aber das hätte auch ohne Corona funktionieren können. Es ist einfach, durch die schwierige Situation in den einzelnen Branchen Arbeitskräfte zu finden. Es gibt auch eine höhere Bereitschaft, Dinge online zu bestellen. Das ist alles normal geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob das unbedingt nötig gewesen wäre, aber es unterstützt bestimmt das sehr schnelle Wachstum. Ich würde nicht sagen, dass jeder bald neben dem Gorilla Depot wohnt. Das bezieht sich auf Großstädte. Man braucht eine gewisse Höhe an Stockwerken, damit das Modell funktionieren kann. Gorilla liefert aus sogenannten Dark-Warehouse oder Micro-Fulfillment Center Waren des täglichen Bedarfs, die man sonst in einem Supermarkt bekäme, innerhalb von 10 Minuten nach Hause. Das ist das Modell. Zu den gleichen Preisen wie im Supermarkt, teilweise günstiger oder teilweise minimal teurer. Nicht auf einem Discounter-Niveau, aber durchaus vergleichbar mit Rewe oder Edeka.
In der Anfangszeit wurde es sehr schlecht geredet, denn es ist ein margenarmes Geschäft und es sind natürlich Lebensmittel. Andererseits – du kennst wahrscheinlich die zwei oder drei reichsten Familien in Deutschland. Die haben ihr Geld mit genau dem angeblich schlechten Geschäftsmodell gemacht und es zu den reichsten Menschen geschafft, wie Aldi oder die Lidl Gruppe. Weil man die Ware unheimlich schnell dreht. Ich kaufe etwas ein, was 48 Stunden später schon wieder verkauft ist. Selbst wenn dann nur ein Prozent Marge darauf ist, lohnt sich das, weil man das Ganze Geschäft hundert Mal im Jahr machen kann.
In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht.
Ein Supermarkt ist nichts anderes als ein Showroom, in dem Dinge in Regale geräumt werden, damit andere es wieder ausräumen können und in dem sie kurzzeitig gut aussehen und dann aber in bestimmten Sortimenten mindestens zwanzig Prozent der Ware vergammeln, beispielsweise beim Fleisch oder bei Obst und Gemüse. Das muss alles nicht sein, es dort auszustellen, damit wir es befummeln können und lecker finden. In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht. Es ist frischer und es muss weniger Konservierungsmittel enthalten, denn ich muss nicht mehr die sogenannte shelf time überbrücken. Das ist meine persönliche Meinung. Ich spreche auf keinen Fall für das Unternehmen, sondern nur aus meiner Überzeugung heraus. Die beste Version wäre es, wenn du Farm to Table – vom Bauern in die Wohnung – innerhalb von zwei Tagen schaffen kannst. Dann müssen die Sachen nicht in irgendwelchen Schutzatmosphären mit Konservierungsmitteln versehen werden. Das kann effizienter sein. Auch ein Supermarkt braucht Platz, auch dieser braucht Personal, das die Waren einräumt.
Deshalb sehe ich das nicht so negativ wie viele es sehen. Das größte Gegenargument ist oft, dass der sogenannte Wocheneinkauf bei Gorillas nicht erledigt werden kann, der große Samstag Einkaufskorb. Das halte ich für ein falsches Argument, weil es aus der Unzulänglichkeit des bisherigen Systems kommt. Den Wocheneinkauf mache ich nur, um den Schmerz oder die Transaktionskosten zu minimieren. Den Weg zum Kaufland zu fahren, dann diesen großen Korb voll zu packen, alles in das Auto und vom Auto wieder in mein Haus zu packen. Diesen Aufwand will ich minimieren, deshalb gehe ich einmal die Woche einkaufen. Wenn ich bei Gorillas aber jeden Tag genau das, was ich heute kochen möchte und morgen früh zum Frühstück habe tagesgenau kaufe, das auch noch sehr frisch, genauso günstig und dabei noch viel Zeit spare, die ich mit Kindern, Hobbys oder Arbeit verbringen kann, dann gibt es keinen Grund mehr für den Wocheneinkauf.
Es gibt vielleicht immer Waren, die ich nicht aus Frust kaufe, sondern für den Genuss. Ich gehe vielleicht trotzdem am Sonntag noch auf den Bauernmarkt. Ich gehe bestimmt auch nochmal andere Sachen shoppen, wenn ich mich einmal inspirieren lassen will. Aber die wichtigsten Dinge kann man sich täglich auch bringen lassen, viel Zeit dabei sparen und wahrscheinlich besser und gesünder essen. Und dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr für diesen Wocheneinkauf. Oder er wird dann deutlich kleiner und kann vielleicht in einem Einkaufsnetz oder einer Einkaufstüte auch spazierender Weise nach Hause getragen werden. Ich möchte diese Visionen gar nicht jedem aufdrängen. Das ist meine eigene Vorstellung.
Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt.
Ich glaube auch nicht, dass jeder so leben muss, aber für einen gewissen Anteil der Bevölkerung ist das ein sehr relevantes Konzept. Wenn das für einen Anteil so funktioniert, dann ist es wahrscheinlich so, dass diese Micro-Fulfillment-Center sich immer weiter verbreiten und die Wege vom Warenhaus zum Kunden sogar noch kürzer werden, als sie jetzt schon sind. Ich rate immer jedem das einmal zu probieren, bevor man sich ein Urteil darüber erlaubt. Ich habe Gorillas gar nicht als Investor kennengelernt, sondern war ein großer Fan als Kunde und habe jemanden damit vollgequatscht. Dieser sagte dann zu mir, “Ich kenne wen, der das macht”. Wer es einmal probiert hat, versteht auch die Faszination und die Begeisterung dafür. Selbst die Zeit kann man nochmal schlagen, wenn das Netz engmaschiger wird. Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt. Dann wird das auch ökonomisch nochmal spannender, wenn die Wege kürzer sind.
Schahab Hosseiny: glaubst du, dass der akute Bedarf die Loyalität schlägt und Gorillas auch mittelfristig eigene Brands ohne Markenloyalität problemlos an den Kunden bringen kann? Denn wenn ich innerhalb von 10 Minuten meinen Salat haben kann, habe ich vielleicht gar nicht mehr die Präferenz, den Salat – wie vorher – von Unternehmen XYZ zu beziehen. Ist das eine Hypothese, die hier auch mitschwingt? Bedarf schlägt Loyalität?
Philipp Klöckner: Ja, ich denke, Gorillas selbst ist eine Love-Brand, die die Leute gerne mögen. Wenn es eine Gorillas Milch gibt oder die Banane, die nicht von Dole sein muss, sondern von Gorillas direkt kommen kann und Fair-Trade ist – das traue ich ihnen zu. Ich kann nicht für die Strategie sprechen. Ich bin mir sicher, dass solche Ideen aufkommen. Alles andere wäre Quatsch. Handelsmarken sind die besseren Lösungen für den Kunden. Die Marke ist ein fiktiver Wert, den man dem Produkt zurechnet, dem aber kein echter Nutzen gegenübersteht. Von daher macht das wahrscheinlich schon Sinn.
An dem Modell hat mich am meisten überzeugt, dass der Markt groß genug ist. Das braucht man nicht lange durchzurechnen. Auch, dass die Value Creation oder die Wertbildung dieses Modells so schnell geht. Wenn ich als Investor jemanden fünfundzwanzig oder fünfzigtausend Euro gebe, bekomme ich nach zehn Jahren im Schnitt – im besten Fall – Geld wieder. Bei dem Modell ist es durch den schnellen Turnover und die Skalierbarkeit in kürzester Zeit zu Milliarden Bewertungen gekommen, obwohl es kapitalintensiv ist. Man muss diese Warenhäuser aufbauen und mit Inventar versorgen. Ehrlich gesagt fand ich es absehbar, dass das – im Vergleich zu anderen Startups – besonders schnell einen Wert entwickeln kann, wenn man sich das Investment angeschaut hat.
NFTs und ihr Nutzen – Welches Protokoll wird sich durchsetzen?
Schahab Hosseiny: Da hast du definitiv den richtigen Riecher bewiesen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Eine Frage können wir vielleicht noch einmal flott abschließen. NFT. Auch darüber sprichst du immer wieder. Kryptowährungen sind seit vielen Jahren in aller Munde. Einerseits würde mich interessieren, ob du ein virtuelles Gemälde für sehr viel Geld ersteigert hast. Im NFT-Business ist es heute so, dass ich das Gemälde auch zweimal ersteigern kann, wenn ich es möchte über zwei verschiedene Protokolle. Welches Protokoll wird sich vom Gefühl her durchsetzen, um diese sehr großen Defizite rauszunehmen? Dass ich dieses Produkt einmalig verkaufe, da es ansonsten seinen Charme verliert, wenn es mehrfach vorhanden ist? Vielleicht dazu ein kurzes Statement, wie deine Position dazu ist?
Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen.
Philipp Klöckner über NFT
Philipp Klöckner: Ehrlicherweise bin ich nicht tief genug in dem Blockchain-Thema drin, um zu sagen, was da jetzt das effizientere Protokoll ist. Da gibt es bestimmt andere Experten dafür. Im Moment haben NFT sehr viel Traktion und es gibt gute Gründe zu glauben, das könnte funktionieren. Ich bin auch nicht sicher, dass es sich jetzt durchgesetzt hat. Ich bin der Meinung, wenn unsere Welt wieder physischer wird und man mehr Zeit draußen verbringt, dass der Hang zu digitalen Produkten dann auch wieder ein bisschen nachlässt. Ich will nicht sagen, dass das jetzt ein Hype ist und bald weg sein wird. Im Moment halte ich beides noch für gut möglich. Es würde mir jetzt schwer fallen eine Wette abzuschließen, ob es das in zehn Jahren noch gibt oder nicht. Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen. Und NFTs lösen das, indem sie sagen, “Das ist das einzige Original”. Da sehe ich noch viel mehr den Nutzen als bei Kunst.
Das gleiche brauchen wir vielleicht auch bei Statements von Politikern oder Leuten mit großer Reichweite wie beispielsweise Elon Musk. Um festzustellen, ob es gefaked ist oder ein authentisches Zitat. Da eine Art Signatur oder Verschlüsselungen zu bauen oder ein NFT, das man mit einem Content Piece distribuiert mit welchem man die Gegenseite authentifizieren oder validieren kann. Es handelt sich dabei um die Aussage einer echten Person. Das ist der erste Anwendungsfall von Krypto, von dem ich bisher stark überzeugt bin. Dafür scheint mir die Technologie, soweit ich sie verstehe, gut geeignet zu sein.
Ich sehe auf jeden Fall, dass das ein Problem wird und ich wüsste nicht, wie man es im Moment besser nutzen kann. Ich könnte jetzt auch gerade gar nicht hier sein. Es könnte jemand mit einem grünen Anzug hier sitzen, auf dem ein paar Bilder von mir gespielt werden. Dass man sicherstellt durch irgendeinen Codec oder Token, der verifizieren kann, ob jetzt gerade der echte spricht oder der mit der ID, da sehe ich einen Anwendungsfall, den wir wahrscheinlich brauchen werden. Ich weiß nicht, wie wir das Problem Deepfake gerade anders lösen könnten.
Schahab Hosseiny: Das ist ein valider Punkt, der aber voraussetzt, dass sich die Krypto-Branche zumindest auf ein gängiges Protokoll einigt, um genau diese Validierungskomponenten durchzuführen.
Philipp Klöckner: Ich bin schon skeptisch. Es gibt sicherlich ein paar gute Anwendungsfälle für Krypto. Wir haben das jetzt seit 2009 und dafür ist in der ersten Zeit noch relativ wenig daraus entstanden. Nach 10 Jahren Smartphone und nach 10 Jahren Consumer-Internet hatten wir deutlich mehr Anwendungen. Wenn man überlegt, was gibt es für Krypto-Anwendungen außer das reine kaufen von Bitcoin und selbst das ist ein Nischenphänomen, trotz immer mehr Verbreitung. Ich würde nicht sagen, es ist eine Failed-Technologie. Aber es ist auch auf jeden Fall eine, die sich noch nicht durchgesetzt hat oder den Massen Anwendungsfall noch nicht gefunden hat. Ich frage mich, warum in so einer digitalen Welt ausgerechnet da eine sinnvolle Anwendung als letztes entstehen sollte. Das hat sich mir noch nicht ganz entschlossen. Das lässt mich ein bisschen kritisch demgegenüber stehen. Aber ich besitze selbst auch Kryptos, um mich dagegen zu versichern, dass ich falsch liege. Sollte ich mich brutal irren, dann habe ich mich dagegen versichert, indem ich einen kleinen Teil meines bescheidenen Vermögens in Kryptos gesteckt habe.
Schahab Hosseiny: Ich sehe schon, dass die Regie leicht nervös wird. Wahrscheinlich sind wir jetzt etwas über unsere Zeit. Philipp, es war sehr kurzweilig. Vielen Lieben Dank, dass du heute zur OMKB gekommen bist. Du hast hier fantastischen Input geleistet zu vielen großartigen Themen und ich hoffe auch, dass die Community etwas mitnehmen konnte. Mir hat es persönlich sehr gut gefallen. Es war das erste Mal, dass wir persönlich aufeinandergetroffen sind. Ich kann mir eine Wiederholung absolut vorstellen und sage herzlichen Dank. Als Geste der Wertschätzung haben wir noch etwas Kleines für dich mitgebracht. Dann darf ich den Moderator Mario hier noch einmal auf die Bühne bitten. Philipp vielen Dank von meiner Seite aus.
Philipp Klöckner: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
FAQ zu Philipp Klöckner
Philipp Klöckner ist einer der wichtigsten Search-Experten Deutschlands. Der Angel Investor war zuvor als Inhouse-SEO, Produktmanager und CMO bei Deutschlands marktführender Preisvergleichsseite Idealo tätig. Anschließend hat er für Rocket Internet, die Startup-Schmiede der Samwer Brüder, zahlreiche internationale Marktplätze, Classifieds, vertikale Suchen und sonstige Aggregatoren mit Bezug auf Digitales Marketing, Produkt und Business Intelligence mitgeformt.
Video mit Philipp Klöckner
In den letzten 15 Jahren hat Philipp aktiv an über hundert Startups und Wachstumsunternehmen mitgewirkt, von denen mittlerweile mehr als ein Dutzend den begehrten Unicorn-Status erreicht haben. Seit 2017 berät er hauptsächlich verschiedene private Equity-Firmen, Venture-Capital-Fonds und Wachstumsunternehmen.
Podcast mit Philipp Klöckner
https://open.spotify.com/episode/6DFMZG2oISMcWlJ8BA8PLx?si=A6T-TmEwSI-HcgtZDjTgog&dl_branch=1Im OMKB Talk mit den Moderatoren der Think11 GmbH – CEO Schahab Hosseiny und COO Mario Rose – gibt uns Philipp spannende Insights zu seinem eigenen “Doppelgänger” Podcast und beschreibt uns seine Sichtweise zu aktuellen Social Hypes und Marketing Strategien.
Mario Rose: Hallo Philipp. Schön, dass du da bist.
Philipp Klöckner: Hallo. Es freut mich sehr.
Mario Rose: Wir kennen dich aus dem Doppelgänger Podcast entsprechend mit deinem fast Namensvetter Philipp Glöckler, der im wöchentlichen Rhythmus erscheint. Dort werden News aus den Bereichen Technologie, Startups und Neuigkeiten aus dem World-Wide-Web-diskutiert. Du warst vor einigen Wochen als maßgeblicher Initiator des temporären Clubhouse Hypes und Organisator einer Telegram Einladungskette in aller Munde und ich glaube, du hast viele Wochenenden in ganz Deutschland lahmgelegt. Zumindest mein persönliches, weil auch ich damals in die Telegram Gruppe eingesprungen bin. Ich hatte ein Opt-in für Clubhouse und seitdem spielte sich mein Wochenende nur noch in dieser Audioapp ab.
Zudem habe ich gerade bei dir auf der Facebookseite noch ein Zitat wahrgenommen, dass du dich in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem sozialen Netzwerk verabschieden wirst. Ich bin gespannt, wie oder ob es dazu kommen wird. Darüber hinaus kennen wir Philipp als namhaften Speaker und OMR Stammgast. Er hat tatsächlich die letzte physische Konferenz, seinerzeit noch in der Stadthalle Bielefeld, mit seiner Keynote eröffnet. Damit schließt sich nun der Kreis und unsere zweitägige OMKB wird heute mit Philipp beendet.
Dazu möchte ich einmal an Schahab überleiten, der jetzt in die Q&A-Session einsteigen wird. Ich wünsche euch viel Spaß und noch einmal volle Konzentration für die nächsten Spannenden 45 bis 60 Minuten.
Schahab Hosseiny: Sehr schön und vielen Dank Mario für die einleitenden Worte. Philipp erst einmal herzlich Willkommen hier bei der OMKB. Es ist nicht deine erste OMKB. Ich habe im Vorfeld ein bisschen recherchiert und bei SlideShare deine alten Folien gefunden, die du damals präsentiert hast. Kannst du dich noch an die OMKB erinnern und wenn ja, auch noch an das Thema, das du präsentiert hast?
Philipp Klöckner: Ich glaube, ich war insgesamt zwei oder drei Mal da. Das letzte Mal zum Thema “Konträre Marketingthesen”. Das erste Mal ging es um “Competitive Intelligence”, also Wettbewerbsbeobachtung.
Schahab Hosseiny: Wahnsinniges Gedächtnis. Das ist absolut korrekt. Ist das Thema für dich immer noch heiß?
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es gehört zum Standard Tool-Set von Marketern, dass man über Tools verfügt, um zu schauen, was die Konkurrenz richtig macht. Das muss man mitverfolgen, wenn man den Beruf gut machen und auf dem Laufenden bleiben möchte.
SEMrush vollzieht Börsengang – Top oder Flop?
Schahab Hosseiny: SEMrush ist gestern mit zwei Milliarden Bewertungen an die Aktienmärkte gegangen. Das kommt ja auch sehr stark aus dem Bereich Competitive Intelligence. Danach sind sie allerdings um zwanzig Prozent diskontiert worden. Glaubst du, dass der Markt viel Upsite hat?
Philipp Klöckner: SEMrush hat einen sehr günstigen Einstiegspreis. Und ich glaube, dass sie einen Großteil des Marktes schon erreicht haben. Die Frage ist, ob der Markt an Online Marketing Executives oder Leute, die das Betreiben, schnell genug wächst. Es kommen bestimmt immer wieder neue Leute, weil sich immer neue Unternehmen auch damit beschäftigen. Das Problem bei SEMrush ist ein bisschen, dass sie nicht so schnell wachsen, weil die sogenannte Review Expansion – also wieviel mehr Geld mache ich mit dem gleichen Kunden jedes Jahr – nicht so spannend wächst, wie bei anderen Cloud-Aktien oder Software-Aktien. Ich glaube, deshalb wird es nicht ganz so euphorisch gefeiert. Sie starten auch in einem schlechteren Umfeld. Die Tech-Aktien werden gerade ein bisschen verprügelt. Ich denke, das hat auch damit zu tun. Das muss man beides sehen.
Schahab Hosseiny: Was glaubst du, wird in dem gesamten Markt noch in naher Zukunft passieren? Du hast einen sehr starken Marketing-Background. Wir sehen, dass sich viele Tools eher in Richtung Marketing-Suiten entwickeln. SEMrush kommt ebenso aus dem SEO-Bereich. Mittlerweile haben sich verschiedenste Module mit angeschlossen. Wir haben auch tolle deutsche Unternehmen mit dabei. Wir hatten heute Markus Tandler von Ryte beispielsweise mit dabei. Glaubst du, dass der Gesamtmarkt in Summe noch wachsen wird und hältst du Tool-Unterstützung im digitalen Marketing mittlerweile für Pflicht? Oder bist du der Meinung, dass man auch ohne Tool-Unterstützung in den Bereichen SEO und SEA immer noch gut auskommt, wenn du weißt, wo du angreifen musst?
Philipps Best of Breed – diese Tools sollten nicht fehlen
Philipp Klöckner: Das ist eine sehr gute Frage. Ich will nicht so weit gehen, dass man der Vorstellung unterliegen soll, wenn man ein Tool hat, dann kann man irgendetwas automatisieren und muss weniger arbeiten. Das stimmt nicht. Ohne Tools geht es aus meiner Sicht aber auch sehr schwer oder gar nicht. Man braucht zumindest irgendein Einsteiger-Tool bei einem niedrigen Preispunkt, wie SEMrush, SISTRIX, oder Ryte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das ohne Tools hinbekommt. Wie lautet der Anfang der Frage nochmal?
Schahab Hosseiny: Ob du glaubst, dass der Gesamtmarkt eher wächst?
Philipp Klöckner: Wir haben jetzt einen großen Umschwung. Es ist viel auf einmal online gegangen. Alle Werbenetzwerke profitieren. Auch die, die nicht mehr so gut aussehen. Deshalb denke ich schon, dass der Online-Gesamtmarkt schneller gewachsen ist. Dadurch, dass wir die nächsten Jahre vorweggenommen haben. Das hebt dann alle Schiffe, völlig egal, wie gut man die einzelne Software oder das einzige Netzwerk beurteilen möchte. Dieser Shift ist einfach für den Gesamtmarkt positiv gewesen.
Schahab Hosseiny: Wenn du dir die Unternehmen anschaust, was ist denn dein Ads-Deck um für dich eine schnelle technische Due Diligence durchzuführen und ein Gefühl dafür zu bekommen? Nutzt du Tools wie SEMrush und kannst du unserer Crowd vielleicht sogar ein paar Empfehlungen aussprechen?
Philipp Klöckner: Nur um präzise zu sein, die Technical Due Diligence wird von Leuten mit einem technischen Hintergrund gemacht. Ich komplettiere die sogenannte Commercial Due Diligence, also wo man sich das Geschäft selbst anschaut, und schaue mir da besonders den Bereich digitales Marketing und digitales Produkt an. Ich benutze zum Beispiel Similarweb – also woher kommt der Traffic, was sind die Top Keywords, was sind die Top Landingpages?
Für das sogenannte Benchmarking – also wenn ich es mit den Konkurrenten vergleiche – sind die Tools natürlich wichtig. Wer ist der Marktführer oder gibt es noch einen, der größer ist oder in einem bestimmten Kanal deutlich stärker ist? Dafür ist Similarweb sehr gut. Es gibt eine kostenfreie Version. Die kostenpflichtige ist relativ teuer. Ansonsten mit SimilarTech oder BuiltWith kann man den Marketingtext sehr gut weg explorieren. Man sieht damit, ob jemand schon auf Facebook wirbt oder ein A/B-Testing-Tool implementiert hat. Sowas kann man dann in der sogenannten Outside-In-Analyse umsetzen.
Wenn ich noch keinen Zugang zu den Unternehmensdaten habe und diese von außen betrachte, wären das typische Tools, die ich benutze. Ich benutze für verschiedene Zwecke auch alle drei oder vier. Für die OnPage-Analyse nutze ich beispielsweise Ryte. Für Search-Sichtbarkeit vielleicht eher SEMrush, SISTRIX oder Searchmetrics. Es gibt bei allen Funktionen, die besonders gut sind.
Schahab Hosseiny: Okay, du bist doch durchaus fragmentiert aufgestellt – ein bisschen der Best of Breed-Ansatz.
Philipp Klöckner: Genauso. Der sogenannte Best of Breed-Ansatz. Es gibt Tools, die wie ein Schweizer Taschenmesser sind, mit denen man sehr weit kommt. Aber durch die sehr intensiven Einsätze, macht es schon Sinn, für jede Funktion das beste Tool zu benutzen.
Wie Pip durch Clubhouse eine neue Audience gewinnt
Schahab Hosseiny: Mario hat schon das Thema Clubhouse angesprochen. Spätestens seit dem Clubhouse Hype kennt dich eine etwas größere Masse an Publikum oder an Menschen, weil du auch eine gewisse Medienpräsenz genossen hast. Auch die Suchanfragen nach Philipp Klöckner steigen. Mittlerweile wirst du sogar bei Wikipedia in direktem Zusammenhang mit Clubhouse genannt, was ich fantastisch finde. Was hat sich für dich durch die höhere Wahrnehmung und die höhere Medienpräsenz verändert? Welche Implikationen waren eher positiv und was war vielleicht nicht so positiv?
Philipp Klöckner: Das war hauptsächlich viel Arbeit für eine kurze Zeit. Ich hatte schon ein oder zweimal in meiner Karriere Momente, in denen ich kurz ein bisschen Presse genießen durfte. Daher bin das gewohnt. Positiv ist, dass wir nicht nur viele Hörer für unseren Doppelgänger Podcast gewinnen konnten, sondern auch ein anderes Klientel. Wir hatten vorher eine sehr Marketing-Tech lastige Audience und haben zusätzlich neue Leute aus der Journalisten-Sphäre gewonnen, die wir anders vielleicht erst später oder gar nicht erreicht hätten. Es war auch mit unter unser Ziel, dass wir das nutzen, um eine neue Audience für unseren Podcast aufzubauen, da beides Audioformate sind.
Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden.
Wir dachten uns, das passe gut zusammen und das ist ein Greenfield, das man noch besetzen könne. Bis auf den Zeitverbrauch in den ersten Wochen, unter dem jeder geklagt hat, sehe ich keine negativen Konsequenzen. Es hat eine Woche viel Pressearbeit gegeben, aber das macht auch Spaß. Bis auf, dass uns ein bisschen alle Sachen, die mit Clubhouse zu tun haben, dann gern angelastet werden.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Podcast erwähnt. Heißt das, dass ihr jetzt durch die höhere mediale Wahrnehmung eine neue Audience erreichen konntet? Wird es dann auch neue inhaltliche Schwerpunkte geben oder bleibt ihr der Linie treu?
Philipp Klöckner: Manchmal wurde uns vorgeworfen, wir hätten gar keine klare Linie. Die Linie ist digitales Produkt und Marketing. Sie ist ein bisschen Technologie. Sie ist viel Aktien, weil uns das selbst interessiert und auch ein bisschen menschliche Themen. Also quer Beet. Wir haben jetzt keine redaktionelle Agenda, wenn man ganz ehrlich ist. Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden. Der uns bewegt oder bei dem wir glauben, wir können Dinge auch für andere Leute hilfreich einordnen.
Das muss man nicht mögen, aber es hören relativ viele Leute und verändert hat es sich durch Clubhouse nicht. Es kommt dazu, dass tatsächlich Leute versuchen, jetzt Produkte zu platzieren. Sie sagen, ‘Wir haben hier eine App, die macht dies und das. Könnt ihr die nicht auch genauso groß machen?’ Wenn wir davon überzeugt sind oder es spannend finden, würden wir das sowieso machen, aber als Dienstleistung kann man das noch nicht erwerben. So wichtig sehen wir uns dann auch nicht.
Schahab Hosseiny: Das heißt, ihr seid noch nicht für Product-Placement empfänglich.
Philipp Klöckner: Das passt bis jetzt gar nicht. Wir sind immer werbefrei und leisten uns das als Hobby.
Schahab Hosseiny: Wie kann ich mir das vorstellen? Ihr habt eine sehr ordentliche Frequenz und der Podcast ist auch nicht wirklich komprimiert, sondern geht durchaus über einige Minuten. Wie intensiv ist die Abstimmung? Mittlerweile bist du gut eingegroovt mit deinem Co-Host. Dennoch müssen die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Wie kann ich mir sowas vorstellen? Habt ihr eine Google Drive Folder-Struktur, die ihr dann kollaborativ bearbeitet? Wie geht ihr das Thema an?
Philipp Klöckner: Ja, vielleicht genauso, wie die meisten das lösen würden. Ganz am Anfang haben wir überlegt, ‘Wie bauen wir diesen Podcast überhaupt oder was wollen wir gerne hören?’ Wir haben einfach unsere Stichpunkte eine Zeit lang in Google Doc gesammelt und ein oder zweimal telefoniert. Dadurch ist es zum Beispiel zu diesem Namen gekommen.
Die wöchentliche Themenplanung ist tatsächlich ein Trello-Board, wo wir ganz agil Kärtchen einschieben und da steht beispielsweise SEMrush IPO oder was uns gerade bewegt. Unsere Aufgabe ist es dann, uns unabhängig voneinander darauf vorzubereiten. Entweder interessiert einen das schon vorher oder er versucht sich in kurzer Zeit kompetent zu machen. Wir sprechen nicht ab, wie wir das Besprechen. Ich bekomme das dann meistens als Überraschungsfrage zugeworfen oder stelle auch Philipp die Frage. Deshalb ist es eine Mischung. Die Agenda ist geplant, aber wie wir darüber reden ist Freestyle. Das kommt uns bisher auch am authentischsten vor. Ich glaube, wenn man das komplett skripten würde oder Argumente vorfertigt, dann wird es auch ein bisschen langweilig. Der Nachteil ist, dass ich dann vor mich hin stottere oder die Sätze mittendrin nochmal anfange. Das ist der Nachteil der Authentizität.
Schahab Hosseiny: Da teilen wir uns dasselbe Leid. Ich finde das sehr sympathisch. Blockierst du weiterhin bewusst eine höhere Management Attention of Clubhouse?
Die Herausforderungen als Audio-only-App und warum es bei Clubhouse nicht so richtig funktioniert
Philipp Klöckner: Ich habe das Gefühl, Clubhouse hat ein bisschen den Ball verdribbelt. Am Anfang haben sie viele Dinge richtig gemacht. Im Moment merke ich, dass hauptsächlich die Discovery Engine – also, wie finde ich spannende Räume auf Clubhouse – nicht mehr so gut funktioniert wie am Anfang. Ich bekomme dort vollkommen irrelevante Dinge vorgeschlagen. Das so gut wie TikTok hinzubekommen, ist eine große Herausforderung. Aber es mittelmäßig gut hinzubekommen, ist eigentlich nicht so schwer und Clubhouse kriegt es im Moment nicht einmal mittelmäßig hin. Ich weiß nicht, ob sie sehr stark versuchen wollen, das diverser zu gestalten und bewusst Leute auf neue Inhalte stoßen. Wenn dem so ist, dann funktioniert es jedoch relativ schlecht. Zumindest für mich und mit Sicherheit auch für viele andere.
Dass es wirklich schwer ist gute Inhalte zu finden, die relevant für mich oder für die Hörer insgesamt sind, macht es ein bisschen unattraktiv. Das nächste ist, dass sie die wichtigen Feature Push-Notifications so inflationär genutzt haben, dass sie den Hörern antrainiert haben, die Push-Notification komplett zu ignorieren. Es kam einfach so viel. Das kann nicht alles relevant gewesen sein. Wenn jetzt wirklich jemand auf der Bühne steht, der mich interessieren könnte, dann bekomme ich es nicht mehr mit, weil dieser Kanal durch diese Inflation von Nachrichten verschlossen wurde. Deshalb ist es jetzt auch schwer, Leute zu reaktivieren.
Wir sind jeden Mittwochabend für unsere Session da und unter der Woche verbringe ich nicht mehr so viel Zeit. Obwohl ich mir sicher bin, dass es weiterhin großartige Gespräche gibt. Aber dieses sogenannte Fear-of-Missing-out-Gefühl, dass ich etwas verpasse.. “Es könnte jetzt ein Bekannter auf der Bühne sein, den ich unbedingt hören muss oder ein Star oder Politiker” – Damit muss man leben. Wenn das passiert, dann ist es auch einfacher zu akzeptieren und dann ist dieser Reiz sehr schwach geworden.
Schahab Hosseiny: Du sagst, die Nutzer wurden ein Stück weit konditioniert, auf Push Nachrichten zu reagieren. Das Ganze wurde viel zu inflationär eingesetzt und dadurch ist die Reaktivierungsquote jetzt sehr gering oder die Nutzer nutzen die Applikation gar nicht mehr. Wobei man sagen muss, der Demand ist immer noch da, also Wachstum wird immer noch produziert. Du hast für dich persönlich jedoch nicht mehr den hohen Motivationsgrad?
Philipp Klöckner: Genau. Am Anfang war es so, wie bei euch wahrscheinlich auch. Ich verbrachte 24 oder 30 Stunden in der ersten Woche dort, was ja schon viel ist. Ich war ständig nebenbei und in jeder freien Minute online. Davon bin ich inzwischen weit entfernt und es ist auch kompatibler für die Beziehung. Im Zweifel merke ich auch, dass ein Podcast mir dann mehr liegt. Weil ich auch auf Clubhouse eher passiv war. Und dann ist ein Podcast genauso gut.
Schahab Hosseiny: Haben die Gründer jemals Kontakt zu dir aufgenommen? Du hast eine gewisse mediale Aufmerksamkeit genossen und wurdest immer mit dem Erfolg von Clubhouse in Deutschland in Korrelation gesetzt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du auch namentlich auf der Agenda gelandet bist, entweder bei den Gründern oder bei den Investoren. Gab es da mal Gespräche?
Philipp Klöckner: Kontaktiert wurden wir nicht. Letztlich wissen wir aber nicht, ob besprochen wurde, dass Deutschland ein Thema war. Ich glaube, um Deutschland zu übersehen, war das zu groß. Da hat bestimmt jemand geschaut, wo Deutschland liegt und warum das hier jetzt abgeht. Das wurde bei OMR ausreichend beschrieben. Tatsächlich kontaktiert wurden wir jedoch nicht. Die Frage taucht immer wieder auf. Philipp Glöckler, mein Co-Host, versuchte mit einem Partner von Andreessen Horowitz Kontakt aufzunehmen. Ansonsten gab es keinen großen Austausch. Inzwischen gibt es eine Art Outreach-Team, mit welchem versucht wird, etwas mit der Community zusammen auf die Beine zu stellen. Zumindest habe ich das über hören und sagen erfahren.
Das Audio-Only-Modell hat Zukunft – Doch bislang ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür Leute auch bereit wären, Geld auszugeben.
Schahab Hosseiny: Du bist Investor. Wenn du die Wahl hättest, unabhängig von der Bewertung, findest du, die Idee hat Zukunft noch ein weiteres soziales Netzwerk, – wenn man das als soziales Netzwerk betiteln dürfte – Audio Only zu starten? Du kennst ja auch die Diskussion mit Twitter und Facebook und den Möglichkeiten der Competition. Glaubst du an das Modell als solches?
Philipp Klöckner: Ja, das Modell als solches, finde ich weiterhin attraktiv. Ich finde es nur operativ oder taktisch verdribbelt. Ich glaube, man könnte es weiter gut aufziehen. Es wurden auch viele Dinge richtig gemacht. Das Einladungssystem hat bereits dazu geführt, dass es eins der zivileren Netzwerke wurde. Zumindest so wie ich es erlebt habe. Deshalb gibt es schon viele Faktoren, weshalb ich glaube, dass Audio Only etwas Gutes ist. Aktuell würde mich ein bisschen abschrecken, dass für mich selbst die Produkterfahrung nicht so gut war. Denn jemanden zu fixen oder jemanden noch einmal zurückzuholen ist fast schwerer, als ihn dazu zu bringen, etwas das erste Mal auszuprobieren. Von daher ist es jetzt ein bisschen wie mit einer heißen Kartoffel: Ich weiß nicht, ob ich sie anfassen will.
An Facebook glaube ich nicht. Ich versuche dort eher meinen Absprung zu finden, weil ich merke, dass ich die Zeit, die ich dort verbringe, nicht genieße. Ich bin auch ein Typ, der sich in Debatten verfängt und sich hinterher darüber ärgert, dass er überhaupt angefangen hat zu schreiben. Ich kann mir selbst die Schuld dafür geben. Aber ich merke auch, dass es auf Facebook viel schneller passiert als auf Twitter. Deshalb gebe ich in dem Fall zumindest die Mitschuld an Facebook. Ich glaube schon, dass es ein Grundbedürfnis ist, sich zu vernetzen. Von der Aura her, fand ich bisher auch, dass es das bessere Netzwerk ist.
Clubhouse und die Audioidee haben auch Sinn ergeben. Man kann passiv sein und muss sich nicht beteiligen. Man kann auch nur zuhören. Es gab durchaus viele gute Features, an die ich glaube. Ich bin ein großer Fan von Twitter, so wie es ist. Ich finde, es muss sich nicht großartig verändern. Obwohl es auf der Geschäftsseite nicht besonders gut funktioniert. Aber als Nutzer finde ich es hervorragend.
Schahab Hosseiny: Glaubst du an die Monetarisierungsformen, die Twitter mit Werbeanzeigen verfolgt oder glaubst du, das ist der falsche Monetarisierungsweg?
Philipp Klöckner: Mich stört das nicht, da ich es über TweetDeck nutze, wie viele professionelle Nutzer. Dann sieht man wenig von der Werbung, außer wenn ich jetzt etwas auf dem Handy mache. Für das Unternehmen oder für die Investoren funktioniert es nicht gut, da die Werbung nicht genug Gewinne abwirft, weil die Leute werbeblind sind oder Tools nutzen, um die Werbung nicht zu sehen.
Gleichzeitig ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür man auch bereit wäre, Geld auszugeben. Das ist nicht einfach, weil es der Marktplatz der Ideen ist und in den USA fast einen Demokratie bildenden Charakter hat. Denn ein Großteil der Bevölkerung ist auf Twitter, weil der ehemalige Präsident fast exklusiv darüber kommuniziert hat. Wo legt man die Bezahlschranke? Muss ich bezahlen, um mitzulesen? Muss ich bezahlen, um mich äußern zu dürfen? Was heißt es dann für die Demokratie, wenn genau das der Marktplatz der Ideen ist. Wenn ich bezahlen muss, damit ich etwas sagen darf? Es ist nicht so einfach zu sagen, wir nehmen jetzt jedem beispielsweise fünf Dollar im Monat ab. Damit schließt man Leute aus, die dann ihre Stimme verlieren. Das kann gefährlich sein.
Schahab Hosseiny: Ja. Wir hatten Dirk Freytag auch hier und haben über das Thema gesprochen. Die Bereitschaft für guten Content Geld zu bezahlen. Wie würdest du das Thema für dich einordnen? Glaubst du, dass wir 2021 bereit sind, für guten journalistischen, kuratierten Content, Geld zu bezahlen? Content, der auch über Twitter etc. publiziert wird? Oder denkst du, hier gibt es nur eine Alternative und das ist die Werbefinanzierung? Dazu würde mich deine Position interessieren.
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es ist schwer, das für alle richtig zu beantworten. Ein Teil ist längst bereit dafür zu bezahlen. Die stört dann eher, dass man trotzdem noch Werbung sieht oder man weiter getrackt wird. Ich habe heute ein Abo für KATAPULT MV abgeschlossen. KATAPULT MV macht Lokalpresse und versucht das nochmal aufzubauen, weil sie unterstellen, dass die Lokalpresse in Mecklenburg-Vorpommern ein bisschen eingefärbt ist. Das finde ich gut. Das unterstütze ich mit meinem Geld und das will ich lesen. Das möchte ich sehen in der Welt. Andere Leute unterstützen dann die New York Times oder The Information oder was immer man lesen mag.
Aber ich finde, dann muss es auch so sein, dass ich nicht getrackt werde. Dann soll es auch eine sehr gute Erfahrung sein, wenn man dafür zahlt. Die Gefahr ist natürlich ein bisschen, dass das die meisten Leute nicht unbegrenzt machen können. Damit begibt man sich auch in eine Art Bubble. Wenn man nur den Fokus liest oder nur die Zeit, hat man natürlich auch eine eingefärbte Sicht der Dinge. Und nicht jede Familie kann sich das leisten, die vier großen Tageszeitungen zu abonnieren. Deshalb braucht man ein Modell. Das scheitert, meiner Meinung nach, an der Zusammenarbeit der Verlagswelt. Eine Art Spotify für Zeitung, wofür ich ein Abo zahle, das wird ein bisschen nutzungsbasiert aufgeteilt und ich kann dafür vielleicht hundert Artikel im Monat kostenlos lesen.
Ich glaube, das wäre das schönste, denn ansonsten werden wir irgendwann eine Subskription Fatigue haben. Dann kommen die ersten Apps wie Aboalarm: “Schau mal, du hast hier vier Streaming Services und den einen hast du gar nicht mehr genutzt. Du abonnierst fünf Zeitungen und drei davon hast du gar nicht mehr angeschaut” – Das ist wahrscheinlich das nächste Geschäftsmodell, was sich daraus ergeben würde.
Schahab Hosseiny: Die Preissensibilität ist in den letzten Jahren, was digitale Produkte angeht, auch von den ganz Großen vorformuliert worden. Spotify, beispielsweise, liegt inzwischen bei 15 Euro. Du hast Recht, wenn die Verlage in Deutschland zusammenkommen würden, würden bestimmt tolle Produkte entstehen. Bei Spotify hast du nur eine gewisse Anzahl an Major Labels, mit denen du sprechen musst. In Deutschland hast du so viele Verlage. Es ist eine fragmentierte Situation, dass man immer noch nach mehreren Jahren offenbar nicht auf eine gemeinsame Lösung kommen konnte.
Das ist sehr traurig. Die Lokalpresse hat auch einen gewissen gesellschaftsrechtlichen Auftrag und das führt dazu, dass eine Demokratisierung in Deutschland stattfindet. Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn der Bürgermeister in der Provinz irgendwo Geschäfte mit seinem Nachbarn treibt, wer soll denn darüber berichten? Die Öffentlich-Rechtlichen machen es nicht, denn dafür ist es zu granular. Deshalb bin ich der Meinung, brauchen wir die Lokalpresse. Aber das ist ein guter Punkt, den du ansprichst. Die Verlage hier müssen mittelfristig wahrscheinlich eine gemeinsame Lösung auf den Markt werfen. Denn niemand ist bereit, diese Gelder für teure Redaktionen zu bezahlen, wenn es eine so hohe fragmentierte Anzahl an Verlagen gibt.
Philipp Klöckner: Ja, man kann vielleicht die Parallele zu Australien ziehen. Dort ging es darum: Kann sich die Verlagswelt gegen Google und Facebook verbinden? Dadurch, dass die dort noch konzentrierter sind, konnte auf Augenhöhe verhandelt werden. Und das funktioniert in fast keinem anderen Land. In Deutschland gibt es immer einen Streikbrecher, der sagt: Selbst wenn sich drei große Verlage zusammentun und z.B. Google News für 2 Wochen bestreiken, gibt es immer ein oder zwei Verlage, die sagen: Dann nehmen wir den Traffic aber gerne, denn uns geht es gerade am schlechtesten. Ansonsten könnte man sowas wahrscheinlich auch in Deutschland gut durchsetzen. Es wäre sogar sinnvoll, aber dazu muss man den Willen haben zu kooperieren.
YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Schahab Hosseiny: Machen wir einen kurzen Schwenk von Clubhouse, Audio Only, auf YouTube. Ich habe dich auch im Vorfeld etwas recherchiert. Philipp, du bist mittlerweile mit einem eigens gedrehten Video, welches du persönlich auch hochgeladen und gerüstet hast, über deinen eigenen Channel im Rahmen einer Landingpage zu Clubhouse. Kam hier ein bisschen der alte SEO Philipp durch, dass du gesagt hast, ich habe jetzt eine Landingpage, dann brauche ich auch ein Video? Oder was hast du dort konkret verfolgt? Das Video rankt auch gut und du hast auch sehr positive Kommentare in einer Mini-Sentiment-Analyse geerntet. Wann erleben wir dich denn häufiger im Bereich Bewegbild? Ist das ein Thema für dich und für euren Podcast als Verlängerung?
Philipp Klöckner: Das wurde ich schon oft gefragt, aber da muss ich dich wahrscheinlich enttäuschen. Das war ein bisschen die alte Zeit und taktisch sehr opportunistisch getrieben. Einfach gesagt, unsere Doppelgänger Podcast Blog Domain war einfach noch sehr jung. Wir haben es nicht geschafft den Inhalt schnell in Google reinzubekommen. Auch nicht mit allen Hilfsmitteln, die man als SEO kennt. Und selbst das hat dann relativ lange gedauert. Und so ein Video auf YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Ich habe das dann auch eingesetzt und einfach kurz an einem Samstag nach dem Frühstück eingesprochen. Das war dann wirklich fünf Minuten später in den Suchergebnissen. Ansonsten – strategisch wird das in Zukunft nicht die Rolle spielen. Für mich ist Audio eher mein Medium, zumindest nach meinen bisherigen Erkenntnissen. Ich sage immer böse, dass mein Co-Host ein Radio Gesicht hat. Wir fühlen uns mit Audio wohler.
Schahab Hosseiny: Okay, sehr gut. Das Thema Video hast du gerade angesprochen. Video SEO, siehst du da weiter noch einen sehr starken Demand am Markt? Oder ist es ein Umfeld, bei dem du sagst, da kannst du mit der smarten SEO-Strategie für gute Reichweite und Reach sorgen?
Philipp Klöckner: Es ist ein offenes Geheimnis, dass YouTube die zweitgrößte Suchmaschine ist, größer als jeder sogenannte Google Konkurrent. Deshalb kann man das bei vielen Modellen eigentlich nicht auslassen. Man kann es auch mit fast jedem Motiv verbinden und ein passendes Format schaffen. Wenn man von einem holistischen Marketing oder Content-Strategie sprechen möchte, dann gehört Video wahrscheinlich für die meisten dazu. Man hat in der Regel weniger Konkurrenz in dem Kanal – deshalb habe ich ihn auch gewählt. Während die ersten Webseiten versucht haben, etwas über Clubhouse zu schreiben, gab es auf YouTube deutschsprachig noch keine Inhalte dazu. Das ist eine Lücke, die man wahrscheinlich auf viele Geschäftsmodelle beziehen kann. Gibt es für meine Nische dort schon gute deutschsprachige Inhalte?
Wir kennen das aus der Anwaltsszene, von der Fahrschule über den Steuerberater oder der Mathelehrer, der Nachhilfe gibt. Es gibt so viele Beispiele, die diesen Kanal perfekt nutzen. Technisch ist es gar nicht so anspruchsvoll, wie klassisches SEO. Es gibt Dinge, die man richtig machen und schauen muss, dass man die Leute irgendwie früher begeistert, gleichzeitig Cliffhanger findet und danach weitere Videos schauen. Am Ende will YouTube die Zuschauerzeit maximieren. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir glauben, das passt nicht gut zu uns und das ist nicht das, was uns Spaß macht. Aber ansonsten sollte das in den Marketing-Mix wahrscheinlich bei den meisten Modellen mit einbezogen werden.
Ich schaffe es jeden Tag so zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Wie hältst du dich up to date? Du bist sehr belesen, auch was die Tech-Industrie angeht. Konsumierst du gerne auch über Audio oder bist du eher der Dr. Speed-Reader oder vielleicht sogar bewegte Bilder? Wie hältst du dich fit?
Philipp Klöckner: Ich bin ein bisschen der Audio-Typ und das betrifft auch die Informationsaufnahme. Ich schaffe es jeden Tag ca. zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Auf doppeltem Speed oder wirklich?
Philipp Klöckner: Ich schaue schon, dass ich Dinge höre, die eine hohe Informationsdichte haben. Was jetzt zu sehr “Laber Kram” ist oder zur Unterhaltung dient, das schaffe ich dann auch nicht. Ich höre es in der originalen Geschwindigkeit. Ich habe ein Programm von ein paar Nachrichten Shows, ein paar tiefere Sachen, die mich interessieren, ein paar Börsen-Sachen, ein paar Tech-Sachen, ein paar Marketing-Sachen. Audio ist das, was ich gut passiv aufnehmen kann. Es gibt Sachen, da muss man auch aktiv zuhören, aber prinzipiell ist es so, wenn die Geschichte gut erzählt ist, dann kann ich mir diese ewig merken. Ich habe das einmal gehört und dann habe ich es in der Regel verstanden oder zumindest einen Aspekt dazu verstanden und deswegen liegt mir das.
Ansonsten habe ich den ganzen Tag mein TweetDeck auf meinem zweiten Monitor. Egal was ich tue, es läuft immer eine Art Nachrichten Ticker. Das ist manchmal schon sehr störend, aber es gibt einem auch das Gefühl, man hat einen guten Überblick darüber, was Leute jetzt wichtig finden. Das ist auch gleichzeitig immer ein bisschen die Recherche für den Podcast. Das sind die Sachen, die uns in der Woche beschäftigt haben. Wir monetarisieren, kann man nicht sagen, da wir nichts verdienen. Aber wir verwerten dann schon, was wir diese Woche an Informationen aufgenommen haben und versuchen das dann nochmal für die Hörer zu interpretieren.
Die wichtigsten KPIs und Motivation, die hinter Philipp Klöckners Podcast stecken
Schahab Hosseiny: Du bist durchaus ein datenorientierter Mensch. Wir haben jetzt über Podcasts gesprochen, da werden wir gleich auch noch einmal einen kurzen Deep Dive machen. Was sind für dich persönlich die KPIs, bei denen du sagst, ‘Das passt für mich. Denn ich investiere in hohe Management Attention. Das Thema Podcast ist für mich ein Kanal, bei dem ich mich wohl fühle. Da habe ich auch für mich ein Return.’ Was ist für euch die Motivation? Ist es eher die Reach? Du bist ja Investor. Kommst du damit gegebenenfalls schneller und besser in Kontakt mit Targets? Ist das für dich ein Netzwerk? Was ist die Motivation oder ist es die reine Ideologie, zu sagen, ‘Wir haben was zu erzählen und wollen es einfach diskutieren.’?
Philipp Klöckner: Ja, ein bisschen schon. Der ursprüngliche Arbeitstitel war “Sendungsbewusstsein”, als Name für den Podcast. Wir haben uns dagegen entschieden. Ich denke es wäre uneitel zu sagen, dass Reichweite auch ein Motiv ist. Das wäre auch eine der zwei KPIs. Uns ist schon wichtig wie viele Leute das Hören. Das heißt aber nicht, wenn es mehr Reichweite bringen würde, würden wir jetzt die Dinge anders machen.
Wir überlegen eher, ob wir uns mit dem, was wir gemacht haben, freuen, wenn es mehr Reichweite findet. Was wir nicht tun, ist jetzt einen In-Friend einzuladen, weil es mehr Reichweite gibt. Das ist nicht authentisch. Aber wir hoffen, dass das, was wir machen, immer mehr Leuten gefällt und sich rumspricht. Das ist leider das, was am schwersten zu messen ist. Die World of Mouth wäre etwas, was wir gerne verstehen möchten. Eine Art R Faktor, den jetzt jeder kennt. Es gibt manche, die das sehr aktiv machen und auch schreiben. Sie haben ihren gesamten Bekanntenkreis damit infiziert. Wir wissen auch, dass es noch Leute gibt, die es für sich behalten, weil sie im Meeting dann schlauer sind. Damit ist es schwer einen Podcast groß hochzuziehen.
Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Ansonsten achten wir sehr stark auf die Durchhördauer, was auch eine wichtige KPI für die Netzwerke Apple und Spotify selber ist. Wir machen uns Gedanken, wenn die Leute an einer gewissen Stelle abbrechen oder nicht durchhören. Wir waren am Anfang überrascht, dass die Durchhörrate deutlich besser ist, als in der Industrie. Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Das ist bei uns definitiv nicht so. Es ist eher so: Es gibt am Anfang eine kleine Stufe auf der Leute weggehen, die das aus Versehen angespielt haben oder nicht wissen, wo sie gerade sind oder das nicht hören wollen. Von da an verlieren wir jedoch kaum noch Zuhörer. Es hören erstaunlich viele durch. Das war überraschend, denn wir haben uns oft gefragt wo der Fehler liegt. Wir kannten das von anderen Podcasts nicht so. Das motiviert uns sehr und gibt uns ein bisschen den Rückenwind zu sagen, wir machen das einfach weiter, wie wir es gut finden. Ansonsten bekommen wir viele nette Mails, die uns motivieren. Das ist auch ein großartiges 1:1 Feedback. Noch mehr Daten-Visibilität versuchen wir gar nicht zu erzeugen. Dann wird es irgendwann zu technisch und dann optimiert man vielleicht doch schon in die falsche Richtung.
Schahab Hosseiny: Das spricht definitiv für eure Qualität, sowie du es gerade dargestellt hast. Seid ihr werblich aktiv? Bewerbt ihr euren Podcast und nehmt ihr Werbegelder in die Hand?
Philipp Klöckner: Nein. Ich hatte einmal einen Plan das zu tun. Ich bin der Meinung, es gebe eine Art Arbitrage-Möglichkeit. Gerade wenn du selbst Werbung machst, hast du ein hohes Incentive. Wenn es einen zweiten Podcast gibt, der eine sehr ähnliche Audience hat, kannst du dort Nutzer einkaufen. Dann brauchst du nur rechnen, wie oft diese deinen Podcast hören müssen, bis du es wieder reingespielt hast.
Sagen wir als Beispiel, es gibt einen Startup Podcast für 2,5 Tausend Euro und du kannst zehntausend Hörer kaufen. Dann bekomme ich über die Zeit mit, ob dieser mir zusätzliche Hörer bringt und bekomme es wahrscheinlich wieder eingespielt. Damit könnte man es vielleicht ein bisschen beschleunigen. Am Ende erreicht man die Leute auch so. Deshalb haben wir uns noch nicht dafür entschieden, die Audience künstlich auszublenden. Wir glauben auch, wir erreichen damit ein anderes Profil von Leuten, die nicht so loyal sind oder nicht so durchhören, wie unsere jetzigen Nutzer. Die Qualität wäre auf jeden Fall anders. Deshalb setzen wir eher auf den harten Kern und auf das World of Mouth. Aber ich würde es nicht für immer ausschließen.
Audio-Retargeting – Wer macht das Rennen unter den Platzhirschen?
Schahab Hosseiny: Ja, Audio Retargeting ist ein sehr spannendes Thema. Auf bestehende Nutzer nochmal ein Podcast Retargeting zu setzen. Sprechen wir jetzt gerne noch einmal über das Thema. Du hast gerade schon Apple und Spotify angesprochen. Wir gehen in ein fachlich spezifisches Podcast-Thema. Du bist in diesem Markt aktiv. Wir sehen auch ein sehr starkes Wachstum. Dominiert wird der Markt immer noch von Apple und Spotify. Das sind die Platzhirsche.
Wir haben auf der einen Seite Apple. Die haben ein eigenes Operating-System und auch Smart-Assistent-Geräte, wie den Home-Port. Wir sehen, dass ein Sprachassistent wie Siri dabei ist. Wir sehen, dass Apple sehr intensiv in das Thema Bluetooth-Kopfhörer eingestiegen ist, Beats-Akquise und auch die Airpods. Auf der anderen Seite haben wir Spotify, die ein paar Akquisitionen im Bereich Podcasting durchgeführt haben. Gimlet Media haben sie gekauft. Was sagst du mit deiner Erfahrung? Wer wird hier das Rennen machen? Wie ist deine Position zwischen den beiden? Wo fühlst du dich wohler?
Philipp Klöckner: Das sind viele sehr gute Fragen. Ich neige dazu, zu glauben, dass es fragmentiert bleibt. Es bleibt ein Duopol, allein begrenzt durch die Betriebssysteme. Ich habe ein Android-Phone und ich könnte ja gar nicht in das Apple System wechseln. Ein Großteil der Menschheit hat im Moment nicht die Mittel dort zu wechseln und möchte trotzdem Podcast hören.
Schahab Hosseiny: Wenn ich kurz reingrätschen darf. Wie hast du denn Clubhouse genutzt?
Philipp Klöckner: Ich habe ein iPad, um schnell eine E-Mail zu schreiben. Ich habe mir dann zusätzlich tatsächlich für Clubhouse ein iPhone gekauft. Also ich glaube, da wird es eine Art Dichotomie geben. Es gibt Android-User, die werden verstärkt auf Spotify und Apple-Nutzer wahrscheinlich sehr stark auf Apple Podcasts hören. Das sehen wir auch in unseren Zahlen. Wir sehen auch, dass Amazon erhebliche Anstrengungen unternimmt, noch in den Markt reinzukommen. Das kann man sich mit exklusiven Titeln zu einem gewissen Grad erkaufen. Ganz einfach ist es nicht. Google nutzt natürlich seine Dominanz in der horizontalen Suche aus, um das eigene Podcast-Produkt zu bewerben. Was in den USA schon erfolgreich ist und viele Hörer hat. Die kommen über Google darauf. Gerade Leute, die das erste Mal Podcasts hören.
Schahab Hosseiny: Ist das YouTube Music? Das kenne ich gar nicht.
Philipp Klöckner: Nein, das ist Google Podcast. Die haben ein eigenes. Würdest du jetzt den Namen unseres Podcast bei Google eingeben, dann findest du meistens auf Position eins oder zwei das Google Produkt. Lange bevor du unsere Webseite oder Spotify oder Apple siehst. Das treibt auch die Adoption. Es ist nicht so, dass Leute sich zwischen vier Produkten entscheiden und sagen, ich nehme jetzt Google Podcast. Sondern in vielen Fällen ist es ganz einfach, weil Google ihr eigenes Produkt nach ganz oben stellt. Von daher wird es wahrscheinlich noch eine Zeitlang fragmentiert bleiben. Einen Gewinner sehe ich eher nicht.
Es gäbe aber eine gute Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende eine Zweiteilung zwischen Apple Podcast und Spotify gibt. Wenn Amazon noch den großen Durchbruch bei der Programmierung schafft, also einen sehr guten exklusiven Content bekommt, dann vielleicht. Denn dort zahlt der Hörer sowieso schon als Prime-Kunde. Diese hätten das inklusive oder können das einfach dazu buchen. Sie haben den Kunden schon, das ist der große Vorteil. Da hat Spotify es am schwersten. Apple besitzt seine eigenen Schienen, Google besitzt die horizontale Suche und Android als sein eigenes Schienensystem und Amazon besitzt schon den Kunden und hat mit fast jedem Kunden eine Beziehung und die Hardware mit Echo oder Alexa.
Spotify hat es insofern schwer, dass selbst wenn sie Nutzer erreichen, noch diese fünfzehn bis dreißig Prozent Gebühren an die Appstores zahlen müssen. Der größte Profiteur des Musik Streaming-Marktes ist Apple. Denn es ist vollkommen egal, ob du die Musik über Apple Music hörst oder über Podcast oder Spotify. Apple bekommt immer seine dreißig Prozent im ersten Jahr über den Appstore. Von daher ist Spotify echt in einer komplizierten Lage. Aber wenn sie groß genug werden und eigene Produkte herausbringen, für die sie eben nicht siebzig Prozent an die Künstler abgeben müssen – wie bei Musik – kann es trotzdem spannend sein, wenn sie am Ball bleiben.
Schahab Hosseiny: Das ist ein kapitalintensives Thema: Eigenproduktion.
Philipp Klöckner: Ja, genau. Es kostet einmal Produktionskosten, aber die sind gedeckelt. Wenn ich jetzt zehn Millionen neue Hörer gewinne, dann musst du immer die siebzig Prozent an den Artisten abgeben. Das hast du beim Podcast nicht. Du gibst zum Beispiel dem Host zwei Millionen Euro im Jahr und dann bekommst du es fertig. Wenn du mehr Hörer hast, ist es irgendwann umsonst, weil du keine variablen zusätzlichen Kosten pro Hörer mehr hast. Deshalb ist es besser als das bisherige Geschäftsmodell von Spotify, wenn es funktioniert und groß genug wird. Denn bisher müssen sie von jedem Euro siebzig Cent wieder teilen. Das ist bei Podcast eventuell anders.
Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch.
Schahab Hosseiny: Wir haben ein bisschen Research im Vorfeld durchgeführt. Ich bin auf ein Tweet von dir gestoßen. Wahrscheinlich einer deiner ersten Tweets, aber das wirst du mir gleich bestätigen können. Der Tweet lautet “Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch. Schuld ist @_DD_. Hat mich auf dumme Ideen gebracht.” Ich konnte mit “_DD_” nichts anfangen. Ich gehe davon aus, dass du damit David Deutsch meinst. Ich würde gerne den Ball aufnehmen und über deine SEO-Vergangenheit sprechen – was bestimmt auch für die Audience mit Sicherheit sehr interessant ist.
Domains bunkern – Lohnt sich die Investition?
Wir haben ein bisschen weiter recherchiert und haben einige Web-Projekte gefunden, die sogar noch live sind – was ich supercool finde. Neben “skiurlaub.org” hast du noch ein paar weitere Top Level Domains, wie “bademode.com”, “Mode.net”, “gebrauchtwagen.net”, “Gesellschaftsspiele.de”, “Stau.info”, “Spielzeug.com” besessen oder besitzt sie immer noch. Erzähl uns ein bisschen von diesem Background und auch von deinem Domain Portfolio. Welche Juwelen hast du gegebenenfalls noch oder planst du noch was? Wenn du möchtest, lass uns etwas teilhaben. Dann habe ich zum Ende hin noch eine Frage: Wie bist du an “PK.de” herangekommen? Das ist eine fantastische Domäne.
Philipp Klöckner: Der Tweet muss wahrscheinlich von vor 2012 gewesen sein. Denn danach habe ich meine Domain Sammelsucht geheilt oder begriffen, dass es keine gute Idee ist. Ich habe für den Podcast einmal ausgerechnet, hätte ich das ganze Geld was ich in Domains gesteckt hätte, in Amazon-Aktien zu der Zeit gesteckt, wären das heute irgendwo zwischen dreißig und vierzig Millionen Euro. Das war im Nachhinein kein gutes Investment diese ganzen Domains zu sammeln.
Schahab Hosseiny: Ja, hast du diese gekauft oder einfach registriert?
Philipp Klöckner: Die konnte man damals nicht mehr registrieren. Es gab Zeiten, in denen man solche Domains auch hätte registrieren können. Da hat man das gemacht und diese lange gehalten. Es war ein gutes Business, wenn man sie für nichts oder für wenige Euro Registrierungsgebühren eingekauft hat. Diese dann so teuer zu kaufen hat sich im Nachhinein für nicht so schön herausgestellt. Je nachdem, wie man den Zinssatz oder die alternative Anlage wählt. Wenn man Amazon Aktien nimmt, sieht es sehr schlecht aus. Ein bisschen besser als ein Sparbuch war es vielleicht noch, weil man die auch wieder verkaufen kann. Die “Mode.net” wurde zum Beispiel wieder verkauft. “Gesellschaftsspiele” glaube ich auch, aber die gehörten mir alle mal. Also die Recherche ist einwandfrei. Insgesamt waren es mal 3.500 Stück. Am Höhepunkt der Sammelwut habe ich auch paketweise eingekauft.
Damals gab es den Exact-Match Domain-Bonus. Das heißt, wenn der Domain-Name genau deinem Haupt-Keyword entspricht. Zum Beispiel: Hättest du damals eine “Onlinemarketingagentur.com” gehabt, hätte das deine SEO-Bestrebungen stark vereinfacht. Das habe ich früh erkannt, damit auch bescheiden Geld verdient und wollte das skalieren. Ich habe schmerzhaft gelernt, dass ich nicht die operativen Fähigkeiten habe, eine Unternehmung anzuführen, die auch 3.500 Domains projektiert. Für ein paar meiner Lieblingsprojekte habe ich das selbst gemacht. Ich habe es mit Partnern probiert und mit Angestellten. Jedoch würde ich mir hundert Prozent der Schuld geben, dass es nicht funktioniert hat. Das waren alles sehr begabte Leute. Daraufhin habe ich die Lust daran auch wieder verloren und deshalb gammeln die jetzt herum. Viele habe ich im Nachhinein noch verkauft.
Ich hatte eine Landrush-Phase, als es die Two Letter Domains gab. Das sind Domains, die vorher KFZ-Kennzeichen waren oder nur aus 2 Buchstaben bestanden und frei geworden sind. Ich konnte “PK.de” zwar nicht registrieren, aber man konnte sie damals alle im mittleren vierstelligen Bereich kaufen und “PK.de” war mir aus purer Eitelkeit natürlich wichtig genug. Ich habe außerdem noch ein paar andere gekauft. “HB.de” habe ich an Hugo Boss verkauft. Diese habe ich für 5.000 Euro eingekauft. Das wurde in kurzer Zeit verfünffacht. “PK.de” wollte lustiger Weise Paul Kalkbrenner kaufen. Er hatte damals das Album mit einem schwarzen Stempel darauf, das auch “PK” hieß. Für die Kampagne oder sein Label wollte er das wahrscheinlich haben. Leider musste ich ablehnen. Es kam nicht einmal zu Preisverhandlungen. Ich weiß gar nicht, ob ich ein Angebot gemacht habe.. oder vielleicht habe ich vorsichtig gefragt, in welche Regionen sich das bewegt. Aber das hätte schon im fünfstelligen Bereich sein müssen, damit es mich überzeugt hätte, sie abzugeben.
Schahab Hosseiny: Das finde ich sehr spannend. Dann lass uns erneut ein bisschen tiefer in das Thema fachliches Sparring einsteigen. Wir haben auch nicht mehr allzu viel Zeit. Aber ich denke, ein oder zwei Fragen kriegen wir auf jeden Fall noch durch. Thema virtuelle Veranstaltung: Hopin hat ein wahnsinniges Wachstum hingelegt. Ich glaube Europas schnellst wachsendes Unternehmen im Startup oder im faktischen Startup-Bereich. Glaubst du, das ist eine berechtigte Bewertung, die die auf die Waage bringen? Und was hältst du generell von virtuellen Veranstaltungen?
Hopin geht eher den Weg “Wir wollen ein Ökosystem um den Bereich Video-Kommunikation bauen. Denn daran glauben wir, deshalb auch die zusätzlichen Akquisitionen, die durchgeführt wurden.” Andererseits muss das viele Geld auch geparkt werden. Glaubst du, da ist noch mehr Spiel in diesem gesamten Segment? Oder bist du der Meinung, das ist eine ganz heiße Wette, die kann auch nach hinten losgehen?
Philipp Klöckner: Ich verbinde es mit zwei Sachen: Es gibt bei ganz vielen Geschäftsmodellen gerade die Herausforderung zu isolieren, was ist jetzt nur Corona-Effekt und was wird auch danach bleiben. Wieviel des Wachstums kann erhalten bleiben in einer normalen Welt? Das ein bisschen auseinander zu klamüsern, ist gar nicht so einfach. Bei der Aktienanalyse oder auch bei anderen Recherche-Task ist das eine tägliche Herausforderung. Und gerade bei dem Modell ist es schwer vorherzusagen. Ich nehme an, ihr würdet wahrscheinlich lieber wieder eine Live-Veranstaltung machen, wenn es ginge. Oder würdet ihr dauerhaft auf Hopin bleiben?
Schahab Hosseiny: Die erste Veranstaltung haben wir über Hopin durchgeführt. Aktuell läuft die Veranstaltung über Balloon. Das ist eine gute Frage. Virtuelle Events haben einen großen Charme, weil du wirklich ein nationales Publikum oder auch ein internationales Publikum ansprechen kannst. Wohingegen du bei einer physischen Konferenz auf deine Region eingeschränkt bist. Du kannst mit einer wesentlich höheren Frequenz virtuelle Veranstaltungen durchführen. Ich glaube, dass hybride Events durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Aber virtuelle Events wurden in den letzten Monaten sehr inflationär genutzt. Das Qualitätsniveau ist weit gestreut und dieses reine virtuelle Modell wird sich wahrscheinlich nicht durchsetzen.
Philipp Klöckner: Dem würde ich fast beipflichten. Ich sehe auch ein bisschen die Inflation-Ermüdung. Es gibt fast zu viele Events. Überall gibt es freie Webseminare. Dass man die Audience erweitert und man sagt: Wir haben hier eine lokale Konferenz für unsere treuesten Kunden oder für spannendsten Leute aus der Region oder wer auch immer Lust hat zu networken, der ist hier herzlich Willkommen und dieser zahlt vielleicht etwas mehr dafür, damit er lecker essen und networken kann. Trotzdem erweitern wir das, um auch Leuten, die vielleicht gerade digitale Nomaden oder im Urlaub sind, zu ermöglichen, virtuell beizuwohnen. Da kann ich mir gut vorstellen, dass der Markt größer wird. Weil viele gelernt haben: Es kann auch ohne Reisen funktionieren.
Es gibt auch Unternehmen wie Zoom, die so groß und teuer geworden sind, dass sie sehr schnell auf weitere Märkte belegen müssen. Da wird es schnell die Einsicht geben, dass reines Video-Conference nicht mehr reicht, um die Bewertung zu rechtfertigen. Die werden genauso in solche Modelle hineingehen. Vielleicht erst einmal kleinere Sachen, wie Kochkurse, Yogakurse, andere Live-Video-Cases, vielleicht Live-Shopping, vielleicht Live-Kaufberatung.
Player, die schon relevant in einem kleinen Teil am Markt sind, gehen in die anderen Felder über. Es ist noch sehr schwer abzusehen, wer das endgültig gewinnt und wer wem den Marktanteil abspenstig macht.
Gorillas – Darum glaubt Philipp Klöckner an das Geschäftsmodell des Unicorns
Schahab Hosseiny: Sehr spannend. Sprechen wir über Gorillas. Du bist auch bekannt dafür, wenn man deinen Social-Stream verfolgt, dass du häufiger dazu Stellung beziehst. Die Erfolge, die Gorillas aktuell immer wieder bewiesen hat, zumindest was die Bewertung angeht. Du hast auch bei Gorillas investiert und seit vorgestern ist es jetzt offenbar Deutschlands Unicorn in Benchmarking. Kein anderes Unternehmen hat es in Deutschland in dieser Kürze der Zeit geschafft.
Ein weiteres Zitat bei Twitter finde ich klasse. Du verstehst nicht, warum der Großteil noch nicht verstanden hat, dass wir alle demnächst in der Nähe eines etwaigen Gorilla Lagers sitzen werden. Erkläre unsere Crowd einfach mal, warum du an dieses Geschäftsmodell glaubst. Ist diese Bewertung innerhalb dieser Kürze der Zeit auf die geniale Idee zurückzuführen, zum genialsten Zeitpunkt mit einem wahnsinnigen Management, kombiniert mit einer guten Story, die Begehrlichkeiten weckt und gepaart mit einer fantastischen Logistik? Woher kommt dieser sehr hohe Demand für dieses Thema?
Philipp Klöckner: Der Zeitpunkt spielt eine Rolle, aber das hätte auch ohne Corona funktionieren können. Es ist einfach, durch die schwierige Situation in den einzelnen Branchen Arbeitskräfte zu finden. Es gibt auch eine höhere Bereitschaft, Dinge online zu bestellen. Das ist alles normal geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob das unbedingt nötig gewesen wäre, aber es unterstützt bestimmt das sehr schnelle Wachstum. Ich würde nicht sagen, dass jeder bald neben dem Gorilla Depot wohnt. Das bezieht sich auf Großstädte. Man braucht eine gewisse Höhe an Stockwerken, damit das Modell funktionieren kann. Gorilla liefert aus sogenannten Dark-Warehouse oder Micro-Fulfillment Center Waren des täglichen Bedarfs, die man sonst in einem Supermarkt bekäme, innerhalb von 10 Minuten nach Hause. Das ist das Modell. Zu den gleichen Preisen wie im Supermarkt, teilweise günstiger oder teilweise minimal teurer. Nicht auf einem Discounter-Niveau, aber durchaus vergleichbar mit Rewe oder Edeka.
In der Anfangszeit wurde es sehr schlecht geredet, denn es ist ein margenarmes Geschäft und es sind natürlich Lebensmittel. Andererseits – du kennst wahrscheinlich die zwei oder drei reichsten Familien in Deutschland. Die haben ihr Geld mit genau dem angeblich schlechten Geschäftsmodell gemacht und es zu den reichsten Menschen geschafft, wie Aldi oder die Lidl Gruppe. Weil man die Ware unheimlich schnell dreht. Ich kaufe etwas ein, was 48 Stunden später schon wieder verkauft ist. Selbst wenn dann nur ein Prozent Marge darauf ist, lohnt sich das, weil man das Ganze Geschäft hundert Mal im Jahr machen kann.
In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht.
Ein Supermarkt ist nichts anderes als ein Showroom, in dem Dinge in Regale geräumt werden, damit andere es wieder ausräumen können und in dem sie kurzzeitig gut aussehen und dann aber in bestimmten Sortimenten mindestens zwanzig Prozent der Ware vergammeln, beispielsweise beim Fleisch oder bei Obst und Gemüse. Das muss alles nicht sein, es dort auszustellen, damit wir es befummeln können und lecker finden. In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht. Es ist frischer und es muss weniger Konservierungsmittel enthalten, denn ich muss nicht mehr die sogenannte shelf time überbrücken. Das ist meine persönliche Meinung. Ich spreche auf keinen Fall für das Unternehmen, sondern nur aus meiner Überzeugung heraus. Die beste Version wäre es, wenn du Farm to Table – vom Bauern in die Wohnung – innerhalb von zwei Tagen schaffen kannst. Dann müssen die Sachen nicht in irgendwelchen Schutzatmosphären mit Konservierungsmitteln versehen werden. Das kann effizienter sein. Auch ein Supermarkt braucht Platz, auch dieser braucht Personal, das die Waren einräumt.
Deshalb sehe ich das nicht so negativ wie viele es sehen. Das größte Gegenargument ist oft, dass der sogenannte Wocheneinkauf bei Gorillas nicht erledigt werden kann, der große Samstag Einkaufskorb. Das halte ich für ein falsches Argument, weil es aus der Unzulänglichkeit des bisherigen Systems kommt. Den Wocheneinkauf mache ich nur, um den Schmerz oder die Transaktionskosten zu minimieren. Den Weg zum Kaufland zu fahren, dann diesen großen Korb voll zu packen, alles in das Auto und vom Auto wieder in mein Haus zu packen. Diesen Aufwand will ich minimieren, deshalb gehe ich einmal die Woche einkaufen. Wenn ich bei Gorillas aber jeden Tag genau das, was ich heute kochen möchte und morgen früh zum Frühstück habe tagesgenau kaufe, das auch noch sehr frisch, genauso günstig und dabei noch viel Zeit spare, die ich mit Kindern, Hobbys oder Arbeit verbringen kann, dann gibt es keinen Grund mehr für den Wocheneinkauf.
Es gibt vielleicht immer Waren, die ich nicht aus Frust kaufe, sondern für den Genuss. Ich gehe vielleicht trotzdem am Sonntag noch auf den Bauernmarkt. Ich gehe bestimmt auch nochmal andere Sachen shoppen, wenn ich mich einmal inspirieren lassen will. Aber die wichtigsten Dinge kann man sich täglich auch bringen lassen, viel Zeit dabei sparen und wahrscheinlich besser und gesünder essen. Und dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr für diesen Wocheneinkauf. Oder er wird dann deutlich kleiner und kann vielleicht in einem Einkaufsnetz oder einer Einkaufstüte auch spazierender Weise nach Hause getragen werden. Ich möchte diese Visionen gar nicht jedem aufdrängen. Das ist meine eigene Vorstellung.
Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt.
Ich glaube auch nicht, dass jeder so leben muss, aber für einen gewissen Anteil der Bevölkerung ist das ein sehr relevantes Konzept. Wenn das für einen Anteil so funktioniert, dann ist es wahrscheinlich so, dass diese Micro-Fulfillment-Center sich immer weiter verbreiten und die Wege vom Warenhaus zum Kunden sogar noch kürzer werden, als sie jetzt schon sind. Ich rate immer jedem das einmal zu probieren, bevor man sich ein Urteil darüber erlaubt. Ich habe Gorillas gar nicht als Investor kennengelernt, sondern war ein großer Fan als Kunde und habe jemanden damit vollgequatscht. Dieser sagte dann zu mir, “Ich kenne wen, der das macht”. Wer es einmal probiert hat, versteht auch die Faszination und die Begeisterung dafür. Selbst die Zeit kann man nochmal schlagen, wenn das Netz engmaschiger wird. Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt. Dann wird das auch ökonomisch nochmal spannender, wenn die Wege kürzer sind.
Schahab Hosseiny: glaubst du, dass der akute Bedarf die Loyalität schlägt und Gorillas auch mittelfristig eigene Brands ohne Markenloyalität problemlos an den Kunden bringen kann? Denn wenn ich innerhalb von 10 Minuten meinen Salat haben kann, habe ich vielleicht gar nicht mehr die Präferenz, den Salat – wie vorher – von Unternehmen XYZ zu beziehen. Ist das eine Hypothese, die hier auch mitschwingt? Bedarf schlägt Loyalität?
Philipp Klöckner: Ja, ich denke, Gorillas selbst ist eine Love-Brand, die die Leute gerne mögen. Wenn es eine Gorillas Milch gibt oder die Banane, die nicht von Dole sein muss, sondern von Gorillas direkt kommen kann und Fair-Trade ist – das traue ich ihnen zu. Ich kann nicht für die Strategie sprechen. Ich bin mir sicher, dass solche Ideen aufkommen. Alles andere wäre Quatsch. Handelsmarken sind die besseren Lösungen für den Kunden. Die Marke ist ein fiktiver Wert, den man dem Produkt zurechnet, dem aber kein echter Nutzen gegenübersteht. Von daher macht das wahrscheinlich schon Sinn.
An dem Modell hat mich am meisten überzeugt, dass der Markt groß genug ist. Das braucht man nicht lange durchzurechnen. Auch, dass die Value Creation oder die Wertbildung dieses Modells so schnell geht. Wenn ich als Investor jemanden fünfundzwanzig oder fünfzigtausend Euro gebe, bekomme ich nach zehn Jahren im Schnitt – im besten Fall – Geld wieder. Bei dem Modell ist es durch den schnellen Turnover und die Skalierbarkeit in kürzester Zeit zu Milliarden Bewertungen gekommen, obwohl es kapitalintensiv ist. Man muss diese Warenhäuser aufbauen und mit Inventar versorgen. Ehrlich gesagt fand ich es absehbar, dass das – im Vergleich zu anderen Startups – besonders schnell einen Wert entwickeln kann, wenn man sich das Investment angeschaut hat.
NFTs und ihr Nutzen – Welches Protokoll wird sich durchsetzen?
Schahab Hosseiny: Da hast du definitiv den richtigen Riecher bewiesen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Eine Frage können wir vielleicht noch einmal flott abschließen. NFT. Auch darüber sprichst du immer wieder. Kryptowährungen sind seit vielen Jahren in aller Munde. Einerseits würde mich interessieren, ob du ein virtuelles Gemälde für sehr viel Geld ersteigert hast. Im NFT-Business ist es heute so, dass ich das Gemälde auch zweimal ersteigern kann, wenn ich es möchte über zwei verschiedene Protokolle. Welches Protokoll wird sich vom Gefühl her durchsetzen, um diese sehr großen Defizite rauszunehmen? Dass ich dieses Produkt einmalig verkaufe, da es ansonsten seinen Charme verliert, wenn es mehrfach vorhanden ist? Vielleicht dazu ein kurzes Statement, wie deine Position dazu ist?
Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen.
Philipp Klöckner über NFT
Philipp Klöckner: Ehrlicherweise bin ich nicht tief genug in dem Blockchain-Thema drin, um zu sagen, was da jetzt das effizientere Protokoll ist. Da gibt es bestimmt andere Experten dafür. Im Moment haben NFT sehr viel Traktion und es gibt gute Gründe zu glauben, das könnte funktionieren. Ich bin auch nicht sicher, dass es sich jetzt durchgesetzt hat. Ich bin der Meinung, wenn unsere Welt wieder physischer wird und man mehr Zeit draußen verbringt, dass der Hang zu digitalen Produkten dann auch wieder ein bisschen nachlässt. Ich will nicht sagen, dass das jetzt ein Hype ist und bald weg sein wird. Im Moment halte ich beides noch für gut möglich. Es würde mir jetzt schwer fallen eine Wette abzuschließen, ob es das in zehn Jahren noch gibt oder nicht. Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen. Und NFTs lösen das, indem sie sagen, “Das ist das einzige Original”. Da sehe ich noch viel mehr den Nutzen als bei Kunst.
Das gleiche brauchen wir vielleicht auch bei Statements von Politikern oder Leuten mit großer Reichweite wie beispielsweise Elon Musk. Um festzustellen, ob es gefaked ist oder ein authentisches Zitat. Da eine Art Signatur oder Verschlüsselungen zu bauen oder ein NFT, das man mit einem Content Piece distribuiert mit welchem man die Gegenseite authentifizieren oder validieren kann. Es handelt sich dabei um die Aussage einer echten Person. Das ist der erste Anwendungsfall von Krypto, von dem ich bisher stark überzeugt bin. Dafür scheint mir die Technologie, soweit ich sie verstehe, gut geeignet zu sein.
Ich sehe auf jeden Fall, dass das ein Problem wird und ich wüsste nicht, wie man es im Moment besser nutzen kann. Ich könnte jetzt auch gerade gar nicht hier sein. Es könnte jemand mit einem grünen Anzug hier sitzen, auf dem ein paar Bilder von mir gespielt werden. Dass man sicherstellt durch irgendeinen Codec oder Token, der verifizieren kann, ob jetzt gerade der echte spricht oder der mit der ID, da sehe ich einen Anwendungsfall, den wir wahrscheinlich brauchen werden. Ich weiß nicht, wie wir das Problem Deepfake gerade anders lösen könnten.
Schahab Hosseiny: Das ist ein valider Punkt, der aber voraussetzt, dass sich die Krypto-Branche zumindest auf ein gängiges Protokoll einigt, um genau diese Validierungskomponenten durchzuführen.
Philipp Klöckner: Ich bin schon skeptisch. Es gibt sicherlich ein paar gute Anwendungsfälle für Krypto. Wir haben das jetzt seit 2009 und dafür ist in der ersten Zeit noch relativ wenig daraus entstanden. Nach 10 Jahren Smartphone und nach 10 Jahren Consumer-Internet hatten wir deutlich mehr Anwendungen. Wenn man überlegt, was gibt es für Krypto-Anwendungen außer das reine kaufen von Bitcoin und selbst das ist ein Nischenphänomen, trotz immer mehr Verbreitung. Ich würde nicht sagen, es ist eine Failed-Technologie. Aber es ist auch auf jeden Fall eine, die sich noch nicht durchgesetzt hat oder den Massen Anwendungsfall noch nicht gefunden hat. Ich frage mich, warum in so einer digitalen Welt ausgerechnet da eine sinnvolle Anwendung als letztes entstehen sollte. Das hat sich mir noch nicht ganz entschlossen. Das lässt mich ein bisschen kritisch demgegenüber stehen. Aber ich besitze selbst auch Kryptos, um mich dagegen zu versichern, dass ich falsch liege. Sollte ich mich brutal irren, dann habe ich mich dagegen versichert, indem ich einen kleinen Teil meines bescheidenen Vermögens in Kryptos gesteckt habe.
Schahab Hosseiny: Ich sehe schon, dass die Regie leicht nervös wird. Wahrscheinlich sind wir jetzt etwas über unsere Zeit. Philipp, es war sehr kurzweilig. Vielen Lieben Dank, dass du heute zur OMKB gekommen bist. Du hast hier fantastischen Input geleistet zu vielen großartigen Themen und ich hoffe auch, dass die Community etwas mitnehmen konnte. Mir hat es persönlich sehr gut gefallen. Es war das erste Mal, dass wir persönlich aufeinandergetroffen sind. Ich kann mir eine Wiederholung absolut vorstellen und sage herzlichen Dank. Als Geste der Wertschätzung haben wir noch etwas Kleines für dich mitgebracht. Dann darf ich den Moderator Mario hier noch einmal auf die Bühne bitten. Philipp vielen Dank von meiner Seite aus.
Philipp Klöckner: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
FAQ zu Philipp Klöckner
Philipp Klöckner ist einer der wichtigsten Search-Experten Deutschlands. Der Angel Investor war zuvor als Inhouse-SEO, Produktmanager und CMO bei Deutschlands marktführender Preisvergleichsseite Idealo tätig. Anschließend hat er für Rocket Internet, die Startup-Schmiede der Samwer Brüder, zahlreiche internationale Marktplätze, Classifieds, vertikale Suchen und sonstige Aggregatoren mit Bezug auf Digitales Marketing, Produkt und Business Intelligence mitgeformt.
Video mit Philipp Klöckner
In den letzten 15 Jahren hat Philipp aktiv an über hundert Startups und Wachstumsunternehmen mitgewirkt, von denen mittlerweile mehr als ein Dutzend den begehrten Unicorn-Status erreicht haben. Seit 2017 berät er hauptsächlich verschiedene private Equity-Firmen, Venture-Capital-Fonds und Wachstumsunternehmen.
Podcast mit Philipp Klöckner
https://open.spotify.com/episode/6DFMZG2oISMcWlJ8BA8PLx?si=A6T-TmEwSI-HcgtZDjTgog&dl_branch=1Im OMKB Talk mit den Moderatoren der Think11 GmbH – CEO Schahab Hosseiny und COO Mario Rose – gibt uns Philipp spannende Insights zu seinem eigenen “Doppelgänger” Podcast und beschreibt uns seine Sichtweise zu aktuellen Social Hypes und Marketing Strategien.
Mario Rose: Hallo Philipp. Schön, dass du da bist.
Philipp Klöckner: Hallo. Es freut mich sehr.
Mario Rose: Wir kennen dich aus dem Doppelgänger Podcast entsprechend mit deinem fast Namensvetter Philipp Glöckler, der im wöchentlichen Rhythmus erscheint. Dort werden News aus den Bereichen Technologie, Startups und Neuigkeiten aus dem World-Wide-Web-diskutiert. Du warst vor einigen Wochen als maßgeblicher Initiator des temporären Clubhouse Hypes und Organisator einer Telegram Einladungskette in aller Munde und ich glaube, du hast viele Wochenenden in ganz Deutschland lahmgelegt. Zumindest mein persönliches, weil auch ich damals in die Telegram Gruppe eingesprungen bin. Ich hatte ein Opt-in für Clubhouse und seitdem spielte sich mein Wochenende nur noch in dieser Audioapp ab.
Zudem habe ich gerade bei dir auf der Facebookseite noch ein Zitat wahrgenommen, dass du dich in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem sozialen Netzwerk verabschieden wirst. Ich bin gespannt, wie oder ob es dazu kommen wird. Darüber hinaus kennen wir Philipp als namhaften Speaker und OMR Stammgast. Er hat tatsächlich die letzte physische Konferenz, seinerzeit noch in der Stadthalle Bielefeld, mit seiner Keynote eröffnet. Damit schließt sich nun der Kreis und unsere zweitägige OMKB wird heute mit Philipp beendet.
Dazu möchte ich einmal an Schahab überleiten, der jetzt in die Q&A-Session einsteigen wird. Ich wünsche euch viel Spaß und noch einmal volle Konzentration für die nächsten Spannenden 45 bis 60 Minuten.
Schahab Hosseiny: Sehr schön und vielen Dank Mario für die einleitenden Worte. Philipp erst einmal herzlich Willkommen hier bei der OMKB. Es ist nicht deine erste OMKB. Ich habe im Vorfeld ein bisschen recherchiert und bei SlideShare deine alten Folien gefunden, die du damals präsentiert hast. Kannst du dich noch an die OMKB erinnern und wenn ja, auch noch an das Thema, das du präsentiert hast?
Philipp Klöckner: Ich glaube, ich war insgesamt zwei oder drei Mal da. Das letzte Mal zum Thema “Konträre Marketingthesen”. Das erste Mal ging es um “Competitive Intelligence”, also Wettbewerbsbeobachtung.
Schahab Hosseiny: Wahnsinniges Gedächtnis. Das ist absolut korrekt. Ist das Thema für dich immer noch heiß?
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es gehört zum Standard Tool-Set von Marketern, dass man über Tools verfügt, um zu schauen, was die Konkurrenz richtig macht. Das muss man mitverfolgen, wenn man den Beruf gut machen und auf dem Laufenden bleiben möchte.
SEMrush vollzieht Börsengang – Top oder Flop?
Schahab Hosseiny: SEMrush ist gestern mit zwei Milliarden Bewertungen an die Aktienmärkte gegangen. Das kommt ja auch sehr stark aus dem Bereich Competitive Intelligence. Danach sind sie allerdings um zwanzig Prozent diskontiert worden. Glaubst du, dass der Markt viel Upsite hat?
Philipp Klöckner: SEMrush hat einen sehr günstigen Einstiegspreis. Und ich glaube, dass sie einen Großteil des Marktes schon erreicht haben. Die Frage ist, ob der Markt an Online Marketing Executives oder Leute, die das Betreiben, schnell genug wächst. Es kommen bestimmt immer wieder neue Leute, weil sich immer neue Unternehmen auch damit beschäftigen. Das Problem bei SEMrush ist ein bisschen, dass sie nicht so schnell wachsen, weil die sogenannte Review Expansion – also wieviel mehr Geld mache ich mit dem gleichen Kunden jedes Jahr – nicht so spannend wächst, wie bei anderen Cloud-Aktien oder Software-Aktien. Ich glaube, deshalb wird es nicht ganz so euphorisch gefeiert. Sie starten auch in einem schlechteren Umfeld. Die Tech-Aktien werden gerade ein bisschen verprügelt. Ich denke, das hat auch damit zu tun. Das muss man beides sehen.
Schahab Hosseiny: Was glaubst du, wird in dem gesamten Markt noch in naher Zukunft passieren? Du hast einen sehr starken Marketing-Background. Wir sehen, dass sich viele Tools eher in Richtung Marketing-Suiten entwickeln. SEMrush kommt ebenso aus dem SEO-Bereich. Mittlerweile haben sich verschiedenste Module mit angeschlossen. Wir haben auch tolle deutsche Unternehmen mit dabei. Wir hatten heute Markus Tandler von Ryte beispielsweise mit dabei. Glaubst du, dass der Gesamtmarkt in Summe noch wachsen wird und hältst du Tool-Unterstützung im digitalen Marketing mittlerweile für Pflicht? Oder bist du der Meinung, dass man auch ohne Tool-Unterstützung in den Bereichen SEO und SEA immer noch gut auskommt, wenn du weißt, wo du angreifen musst?
Philipps Best of Breed – diese Tools sollten nicht fehlen
Philipp Klöckner: Das ist eine sehr gute Frage. Ich will nicht so weit gehen, dass man der Vorstellung unterliegen soll, wenn man ein Tool hat, dann kann man irgendetwas automatisieren und muss weniger arbeiten. Das stimmt nicht. Ohne Tools geht es aus meiner Sicht aber auch sehr schwer oder gar nicht. Man braucht zumindest irgendein Einsteiger-Tool bei einem niedrigen Preispunkt, wie SEMrush, SISTRIX, oder Ryte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das ohne Tools hinbekommt. Wie lautet der Anfang der Frage nochmal?
Schahab Hosseiny: Ob du glaubst, dass der Gesamtmarkt eher wächst?
Philipp Klöckner: Wir haben jetzt einen großen Umschwung. Es ist viel auf einmal online gegangen. Alle Werbenetzwerke profitieren. Auch die, die nicht mehr so gut aussehen. Deshalb denke ich schon, dass der Online-Gesamtmarkt schneller gewachsen ist. Dadurch, dass wir die nächsten Jahre vorweggenommen haben. Das hebt dann alle Schiffe, völlig egal, wie gut man die einzelne Software oder das einzige Netzwerk beurteilen möchte. Dieser Shift ist einfach für den Gesamtmarkt positiv gewesen.
Schahab Hosseiny: Wenn du dir die Unternehmen anschaust, was ist denn dein Ads-Deck um für dich eine schnelle technische Due Diligence durchzuführen und ein Gefühl dafür zu bekommen? Nutzt du Tools wie SEMrush und kannst du unserer Crowd vielleicht sogar ein paar Empfehlungen aussprechen?
Philipp Klöckner: Nur um präzise zu sein, die Technical Due Diligence wird von Leuten mit einem technischen Hintergrund gemacht. Ich komplettiere die sogenannte Commercial Due Diligence, also wo man sich das Geschäft selbst anschaut, und schaue mir da besonders den Bereich digitales Marketing und digitales Produkt an. Ich benutze zum Beispiel Similarweb – also woher kommt der Traffic, was sind die Top Keywords, was sind die Top Landingpages?
Für das sogenannte Benchmarking – also wenn ich es mit den Konkurrenten vergleiche – sind die Tools natürlich wichtig. Wer ist der Marktführer oder gibt es noch einen, der größer ist oder in einem bestimmten Kanal deutlich stärker ist? Dafür ist Similarweb sehr gut. Es gibt eine kostenfreie Version. Die kostenpflichtige ist relativ teuer. Ansonsten mit SimilarTech oder BuiltWith kann man den Marketingtext sehr gut weg explorieren. Man sieht damit, ob jemand schon auf Facebook wirbt oder ein A/B-Testing-Tool implementiert hat. Sowas kann man dann in der sogenannten Outside-In-Analyse umsetzen.
Wenn ich noch keinen Zugang zu den Unternehmensdaten habe und diese von außen betrachte, wären das typische Tools, die ich benutze. Ich benutze für verschiedene Zwecke auch alle drei oder vier. Für die OnPage-Analyse nutze ich beispielsweise Ryte. Für Search-Sichtbarkeit vielleicht eher SEMrush, SISTRIX oder Searchmetrics. Es gibt bei allen Funktionen, die besonders gut sind.
Schahab Hosseiny: Okay, du bist doch durchaus fragmentiert aufgestellt – ein bisschen der Best of Breed-Ansatz.
Philipp Klöckner: Genauso. Der sogenannte Best of Breed-Ansatz. Es gibt Tools, die wie ein Schweizer Taschenmesser sind, mit denen man sehr weit kommt. Aber durch die sehr intensiven Einsätze, macht es schon Sinn, für jede Funktion das beste Tool zu benutzen.
Wie Pip durch Clubhouse eine neue Audience gewinnt
Schahab Hosseiny: Mario hat schon das Thema Clubhouse angesprochen. Spätestens seit dem Clubhouse Hype kennt dich eine etwas größere Masse an Publikum oder an Menschen, weil du auch eine gewisse Medienpräsenz genossen hast. Auch die Suchanfragen nach Philipp Klöckner steigen. Mittlerweile wirst du sogar bei Wikipedia in direktem Zusammenhang mit Clubhouse genannt, was ich fantastisch finde. Was hat sich für dich durch die höhere Wahrnehmung und die höhere Medienpräsenz verändert? Welche Implikationen waren eher positiv und was war vielleicht nicht so positiv?
Philipp Klöckner: Das war hauptsächlich viel Arbeit für eine kurze Zeit. Ich hatte schon ein oder zweimal in meiner Karriere Momente, in denen ich kurz ein bisschen Presse genießen durfte. Daher bin das gewohnt. Positiv ist, dass wir nicht nur viele Hörer für unseren Doppelgänger Podcast gewinnen konnten, sondern auch ein anderes Klientel. Wir hatten vorher eine sehr Marketing-Tech lastige Audience und haben zusätzlich neue Leute aus der Journalisten-Sphäre gewonnen, die wir anders vielleicht erst später oder gar nicht erreicht hätten. Es war auch mit unter unser Ziel, dass wir das nutzen, um eine neue Audience für unseren Podcast aufzubauen, da beides Audioformate sind.
Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden.
Wir dachten uns, das passe gut zusammen und das ist ein Greenfield, das man noch besetzen könne. Bis auf den Zeitverbrauch in den ersten Wochen, unter dem jeder geklagt hat, sehe ich keine negativen Konsequenzen. Es hat eine Woche viel Pressearbeit gegeben, aber das macht auch Spaß. Bis auf, dass uns ein bisschen alle Sachen, die mit Clubhouse zu tun haben, dann gern angelastet werden.
Schahab Hosseiny: Du hast gerade den Podcast erwähnt. Heißt das, dass ihr jetzt durch die höhere mediale Wahrnehmung eine neue Audience erreichen konntet? Wird es dann auch neue inhaltliche Schwerpunkte geben oder bleibt ihr der Linie treu?
Philipp Klöckner: Manchmal wurde uns vorgeworfen, wir hätten gar keine klare Linie. Die Linie ist digitales Produkt und Marketing. Sie ist ein bisschen Technologie. Sie ist viel Aktien, weil uns das selbst interessiert und auch ein bisschen menschliche Themen. Also quer Beet. Wir haben jetzt keine redaktionelle Agenda, wenn man ganz ehrlich ist. Wir machen den Podcast, den wir selbst hören würden. Der uns bewegt oder bei dem wir glauben, wir können Dinge auch für andere Leute hilfreich einordnen.
Das muss man nicht mögen, aber es hören relativ viele Leute und verändert hat es sich durch Clubhouse nicht. Es kommt dazu, dass tatsächlich Leute versuchen, jetzt Produkte zu platzieren. Sie sagen, ‘Wir haben hier eine App, die macht dies und das. Könnt ihr die nicht auch genauso groß machen?’ Wenn wir davon überzeugt sind oder es spannend finden, würden wir das sowieso machen, aber als Dienstleistung kann man das noch nicht erwerben. So wichtig sehen wir uns dann auch nicht.
Schahab Hosseiny: Das heißt, ihr seid noch nicht für Product-Placement empfänglich.
Philipp Klöckner: Das passt bis jetzt gar nicht. Wir sind immer werbefrei und leisten uns das als Hobby.
Schahab Hosseiny: Wie kann ich mir das vorstellen? Ihr habt eine sehr ordentliche Frequenz und der Podcast ist auch nicht wirklich komprimiert, sondern geht durchaus über einige Minuten. Wie intensiv ist die Abstimmung? Mittlerweile bist du gut eingegroovt mit deinem Co-Host. Dennoch müssen die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Wie kann ich mir sowas vorstellen? Habt ihr eine Google Drive Folder-Struktur, die ihr dann kollaborativ bearbeitet? Wie geht ihr das Thema an?
Philipp Klöckner: Ja, vielleicht genauso, wie die meisten das lösen würden. Ganz am Anfang haben wir überlegt, ‘Wie bauen wir diesen Podcast überhaupt oder was wollen wir gerne hören?’ Wir haben einfach unsere Stichpunkte eine Zeit lang in Google Doc gesammelt und ein oder zweimal telefoniert. Dadurch ist es zum Beispiel zu diesem Namen gekommen.
Die wöchentliche Themenplanung ist tatsächlich ein Trello-Board, wo wir ganz agil Kärtchen einschieben und da steht beispielsweise SEMrush IPO oder was uns gerade bewegt. Unsere Aufgabe ist es dann, uns unabhängig voneinander darauf vorzubereiten. Entweder interessiert einen das schon vorher oder er versucht sich in kurzer Zeit kompetent zu machen. Wir sprechen nicht ab, wie wir das Besprechen. Ich bekomme das dann meistens als Überraschungsfrage zugeworfen oder stelle auch Philipp die Frage. Deshalb ist es eine Mischung. Die Agenda ist geplant, aber wie wir darüber reden ist Freestyle. Das kommt uns bisher auch am authentischsten vor. Ich glaube, wenn man das komplett skripten würde oder Argumente vorfertigt, dann wird es auch ein bisschen langweilig. Der Nachteil ist, dass ich dann vor mich hin stottere oder die Sätze mittendrin nochmal anfange. Das ist der Nachteil der Authentizität.
Schahab Hosseiny: Da teilen wir uns dasselbe Leid. Ich finde das sehr sympathisch. Blockierst du weiterhin bewusst eine höhere Management Attention of Clubhouse?
Die Herausforderungen als Audio-only-App und warum es bei Clubhouse nicht so richtig funktioniert
Philipp Klöckner: Ich habe das Gefühl, Clubhouse hat ein bisschen den Ball verdribbelt. Am Anfang haben sie viele Dinge richtig gemacht. Im Moment merke ich, dass hauptsächlich die Discovery Engine – also, wie finde ich spannende Räume auf Clubhouse – nicht mehr so gut funktioniert wie am Anfang. Ich bekomme dort vollkommen irrelevante Dinge vorgeschlagen. Das so gut wie TikTok hinzubekommen, ist eine große Herausforderung. Aber es mittelmäßig gut hinzubekommen, ist eigentlich nicht so schwer und Clubhouse kriegt es im Moment nicht einmal mittelmäßig hin. Ich weiß nicht, ob sie sehr stark versuchen wollen, das diverser zu gestalten und bewusst Leute auf neue Inhalte stoßen. Wenn dem so ist, dann funktioniert es jedoch relativ schlecht. Zumindest für mich und mit Sicherheit auch für viele andere.
Dass es wirklich schwer ist gute Inhalte zu finden, die relevant für mich oder für die Hörer insgesamt sind, macht es ein bisschen unattraktiv. Das nächste ist, dass sie die wichtigen Feature Push-Notifications so inflationär genutzt haben, dass sie den Hörern antrainiert haben, die Push-Notification komplett zu ignorieren. Es kam einfach so viel. Das kann nicht alles relevant gewesen sein. Wenn jetzt wirklich jemand auf der Bühne steht, der mich interessieren könnte, dann bekomme ich es nicht mehr mit, weil dieser Kanal durch diese Inflation von Nachrichten verschlossen wurde. Deshalb ist es jetzt auch schwer, Leute zu reaktivieren.
Wir sind jeden Mittwochabend für unsere Session da und unter der Woche verbringe ich nicht mehr so viel Zeit. Obwohl ich mir sicher bin, dass es weiterhin großartige Gespräche gibt. Aber dieses sogenannte Fear-of-Missing-out-Gefühl, dass ich etwas verpasse.. “Es könnte jetzt ein Bekannter auf der Bühne sein, den ich unbedingt hören muss oder ein Star oder Politiker” – Damit muss man leben. Wenn das passiert, dann ist es auch einfacher zu akzeptieren und dann ist dieser Reiz sehr schwach geworden.
Schahab Hosseiny: Du sagst, die Nutzer wurden ein Stück weit konditioniert, auf Push Nachrichten zu reagieren. Das Ganze wurde viel zu inflationär eingesetzt und dadurch ist die Reaktivierungsquote jetzt sehr gering oder die Nutzer nutzen die Applikation gar nicht mehr. Wobei man sagen muss, der Demand ist immer noch da, also Wachstum wird immer noch produziert. Du hast für dich persönlich jedoch nicht mehr den hohen Motivationsgrad?
Philipp Klöckner: Genau. Am Anfang war es so, wie bei euch wahrscheinlich auch. Ich verbrachte 24 oder 30 Stunden in der ersten Woche dort, was ja schon viel ist. Ich war ständig nebenbei und in jeder freien Minute online. Davon bin ich inzwischen weit entfernt und es ist auch kompatibler für die Beziehung. Im Zweifel merke ich auch, dass ein Podcast mir dann mehr liegt. Weil ich auch auf Clubhouse eher passiv war. Und dann ist ein Podcast genauso gut.
Schahab Hosseiny: Haben die Gründer jemals Kontakt zu dir aufgenommen? Du hast eine gewisse mediale Aufmerksamkeit genossen und wurdest immer mit dem Erfolg von Clubhouse in Deutschland in Korrelation gesetzt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du auch namentlich auf der Agenda gelandet bist, entweder bei den Gründern oder bei den Investoren. Gab es da mal Gespräche?
Philipp Klöckner: Kontaktiert wurden wir nicht. Letztlich wissen wir aber nicht, ob besprochen wurde, dass Deutschland ein Thema war. Ich glaube, um Deutschland zu übersehen, war das zu groß. Da hat bestimmt jemand geschaut, wo Deutschland liegt und warum das hier jetzt abgeht. Das wurde bei OMR ausreichend beschrieben. Tatsächlich kontaktiert wurden wir jedoch nicht. Die Frage taucht immer wieder auf. Philipp Glöckler, mein Co-Host, versuchte mit einem Partner von Andreessen Horowitz Kontakt aufzunehmen. Ansonsten gab es keinen großen Austausch. Inzwischen gibt es eine Art Outreach-Team, mit welchem versucht wird, etwas mit der Community zusammen auf die Beine zu stellen. Zumindest habe ich das über hören und sagen erfahren.
Das Audio-Only-Modell hat Zukunft – Doch bislang ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür Leute auch bereit wären, Geld auszugeben.
Schahab Hosseiny: Du bist Investor. Wenn du die Wahl hättest, unabhängig von der Bewertung, findest du, die Idee hat Zukunft noch ein weiteres soziales Netzwerk, – wenn man das als soziales Netzwerk betiteln dürfte – Audio Only zu starten? Du kennst ja auch die Diskussion mit Twitter und Facebook und den Möglichkeiten der Competition. Glaubst du an das Modell als solches?
Philipp Klöckner: Ja, das Modell als solches, finde ich weiterhin attraktiv. Ich finde es nur operativ oder taktisch verdribbelt. Ich glaube, man könnte es weiter gut aufziehen. Es wurden auch viele Dinge richtig gemacht. Das Einladungssystem hat bereits dazu geführt, dass es eins der zivileren Netzwerke wurde. Zumindest so wie ich es erlebt habe. Deshalb gibt es schon viele Faktoren, weshalb ich glaube, dass Audio Only etwas Gutes ist. Aktuell würde mich ein bisschen abschrecken, dass für mich selbst die Produkterfahrung nicht so gut war. Denn jemanden zu fixen oder jemanden noch einmal zurückzuholen ist fast schwerer, als ihn dazu zu bringen, etwas das erste Mal auszuprobieren. Von daher ist es jetzt ein bisschen wie mit einer heißen Kartoffel: Ich weiß nicht, ob ich sie anfassen will.
An Facebook glaube ich nicht. Ich versuche dort eher meinen Absprung zu finden, weil ich merke, dass ich die Zeit, die ich dort verbringe, nicht genieße. Ich bin auch ein Typ, der sich in Debatten verfängt und sich hinterher darüber ärgert, dass er überhaupt angefangen hat zu schreiben. Ich kann mir selbst die Schuld dafür geben. Aber ich merke auch, dass es auf Facebook viel schneller passiert als auf Twitter. Deshalb gebe ich in dem Fall zumindest die Mitschuld an Facebook. Ich glaube schon, dass es ein Grundbedürfnis ist, sich zu vernetzen. Von der Aura her, fand ich bisher auch, dass es das bessere Netzwerk ist.
Clubhouse und die Audioidee haben auch Sinn ergeben. Man kann passiv sein und muss sich nicht beteiligen. Man kann auch nur zuhören. Es gab durchaus viele gute Features, an die ich glaube. Ich bin ein großer Fan von Twitter, so wie es ist. Ich finde, es muss sich nicht großartig verändern. Obwohl es auf der Geschäftsseite nicht besonders gut funktioniert. Aber als Nutzer finde ich es hervorragend.
Schahab Hosseiny: Glaubst du an die Monetarisierungsformen, die Twitter mit Werbeanzeigen verfolgt oder glaubst du, das ist der falsche Monetarisierungsweg?
Philipp Klöckner: Mich stört das nicht, da ich es über TweetDeck nutze, wie viele professionelle Nutzer. Dann sieht man wenig von der Werbung, außer wenn ich jetzt etwas auf dem Handy mache. Für das Unternehmen oder für die Investoren funktioniert es nicht gut, da die Werbung nicht genug Gewinne abwirft, weil die Leute werbeblind sind oder Tools nutzen, um die Werbung nicht zu sehen.
Gleichzeitig ist Twitter eines der wenigen Netzwerke, wofür man auch bereit wäre, Geld auszugeben. Das ist nicht einfach, weil es der Marktplatz der Ideen ist und in den USA fast einen Demokratie bildenden Charakter hat. Denn ein Großteil der Bevölkerung ist auf Twitter, weil der ehemalige Präsident fast exklusiv darüber kommuniziert hat. Wo legt man die Bezahlschranke? Muss ich bezahlen, um mitzulesen? Muss ich bezahlen, um mich äußern zu dürfen? Was heißt es dann für die Demokratie, wenn genau das der Marktplatz der Ideen ist. Wenn ich bezahlen muss, damit ich etwas sagen darf? Es ist nicht so einfach zu sagen, wir nehmen jetzt jedem beispielsweise fünf Dollar im Monat ab. Damit schließt man Leute aus, die dann ihre Stimme verlieren. Das kann gefährlich sein.
Schahab Hosseiny: Ja. Wir hatten Dirk Freytag auch hier und haben über das Thema gesprochen. Die Bereitschaft für guten Content Geld zu bezahlen. Wie würdest du das Thema für dich einordnen? Glaubst du, dass wir 2021 bereit sind, für guten journalistischen, kuratierten Content, Geld zu bezahlen? Content, der auch über Twitter etc. publiziert wird? Oder denkst du, hier gibt es nur eine Alternative und das ist die Werbefinanzierung? Dazu würde mich deine Position interessieren.
Philipp Klöckner: Ja, ich glaube es ist schwer, das für alle richtig zu beantworten. Ein Teil ist längst bereit dafür zu bezahlen. Die stört dann eher, dass man trotzdem noch Werbung sieht oder man weiter getrackt wird. Ich habe heute ein Abo für KATAPULT MV abgeschlossen. KATAPULT MV macht Lokalpresse und versucht das nochmal aufzubauen, weil sie unterstellen, dass die Lokalpresse in Mecklenburg-Vorpommern ein bisschen eingefärbt ist. Das finde ich gut. Das unterstütze ich mit meinem Geld und das will ich lesen. Das möchte ich sehen in der Welt. Andere Leute unterstützen dann die New York Times oder The Information oder was immer man lesen mag.
Aber ich finde, dann muss es auch so sein, dass ich nicht getrackt werde. Dann soll es auch eine sehr gute Erfahrung sein, wenn man dafür zahlt. Die Gefahr ist natürlich ein bisschen, dass das die meisten Leute nicht unbegrenzt machen können. Damit begibt man sich auch in eine Art Bubble. Wenn man nur den Fokus liest oder nur die Zeit, hat man natürlich auch eine eingefärbte Sicht der Dinge. Und nicht jede Familie kann sich das leisten, die vier großen Tageszeitungen zu abonnieren. Deshalb braucht man ein Modell. Das scheitert, meiner Meinung nach, an der Zusammenarbeit der Verlagswelt. Eine Art Spotify für Zeitung, wofür ich ein Abo zahle, das wird ein bisschen nutzungsbasiert aufgeteilt und ich kann dafür vielleicht hundert Artikel im Monat kostenlos lesen.
Ich glaube, das wäre das schönste, denn ansonsten werden wir irgendwann eine Subskription Fatigue haben. Dann kommen die ersten Apps wie Aboalarm: “Schau mal, du hast hier vier Streaming Services und den einen hast du gar nicht mehr genutzt. Du abonnierst fünf Zeitungen und drei davon hast du gar nicht mehr angeschaut” – Das ist wahrscheinlich das nächste Geschäftsmodell, was sich daraus ergeben würde.
Schahab Hosseiny: Die Preissensibilität ist in den letzten Jahren, was digitale Produkte angeht, auch von den ganz Großen vorformuliert worden. Spotify, beispielsweise, liegt inzwischen bei 15 Euro. Du hast Recht, wenn die Verlage in Deutschland zusammenkommen würden, würden bestimmt tolle Produkte entstehen. Bei Spotify hast du nur eine gewisse Anzahl an Major Labels, mit denen du sprechen musst. In Deutschland hast du so viele Verlage. Es ist eine fragmentierte Situation, dass man immer noch nach mehreren Jahren offenbar nicht auf eine gemeinsame Lösung kommen konnte.
Das ist sehr traurig. Die Lokalpresse hat auch einen gewissen gesellschaftsrechtlichen Auftrag und das führt dazu, dass eine Demokratisierung in Deutschland stattfindet. Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn der Bürgermeister in der Provinz irgendwo Geschäfte mit seinem Nachbarn treibt, wer soll denn darüber berichten? Die Öffentlich-Rechtlichen machen es nicht, denn dafür ist es zu granular. Deshalb bin ich der Meinung, brauchen wir die Lokalpresse. Aber das ist ein guter Punkt, den du ansprichst. Die Verlage hier müssen mittelfristig wahrscheinlich eine gemeinsame Lösung auf den Markt werfen. Denn niemand ist bereit, diese Gelder für teure Redaktionen zu bezahlen, wenn es eine so hohe fragmentierte Anzahl an Verlagen gibt.
Philipp Klöckner: Ja, man kann vielleicht die Parallele zu Australien ziehen. Dort ging es darum: Kann sich die Verlagswelt gegen Google und Facebook verbinden? Dadurch, dass die dort noch konzentrierter sind, konnte auf Augenhöhe verhandelt werden. Und das funktioniert in fast keinem anderen Land. In Deutschland gibt es immer einen Streikbrecher, der sagt: Selbst wenn sich drei große Verlage zusammentun und z.B. Google News für 2 Wochen bestreiken, gibt es immer ein oder zwei Verlage, die sagen: Dann nehmen wir den Traffic aber gerne, denn uns geht es gerade am schlechtesten. Ansonsten könnte man sowas wahrscheinlich auch in Deutschland gut durchsetzen. Es wäre sogar sinnvoll, aber dazu muss man den Willen haben zu kooperieren.
YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Schahab Hosseiny: Machen wir einen kurzen Schwenk von Clubhouse, Audio Only, auf YouTube. Ich habe dich auch im Vorfeld etwas recherchiert. Philipp, du bist mittlerweile mit einem eigens gedrehten Video, welches du persönlich auch hochgeladen und gerüstet hast, über deinen eigenen Channel im Rahmen einer Landingpage zu Clubhouse. Kam hier ein bisschen der alte SEO Philipp durch, dass du gesagt hast, ich habe jetzt eine Landingpage, dann brauche ich auch ein Video? Oder was hast du dort konkret verfolgt? Das Video rankt auch gut und du hast auch sehr positive Kommentare in einer Mini-Sentiment-Analyse geerntet. Wann erleben wir dich denn häufiger im Bereich Bewegbild? Ist das ein Thema für dich und für euren Podcast als Verlängerung?
Philipp Klöckner: Das wurde ich schon oft gefragt, aber da muss ich dich wahrscheinlich enttäuschen. Das war ein bisschen die alte Zeit und taktisch sehr opportunistisch getrieben. Einfach gesagt, unsere Doppelgänger Podcast Blog Domain war einfach noch sehr jung. Wir haben es nicht geschafft den Inhalt schnell in Google reinzubekommen. Auch nicht mit allen Hilfsmitteln, die man als SEO kennt. Und selbst das hat dann relativ lange gedauert. Und so ein Video auf YouTube kann der schnelle Umweg in die Top Ten bei Google sein.
Ich habe das dann auch eingesetzt und einfach kurz an einem Samstag nach dem Frühstück eingesprochen. Das war dann wirklich fünf Minuten später in den Suchergebnissen. Ansonsten – strategisch wird das in Zukunft nicht die Rolle spielen. Für mich ist Audio eher mein Medium, zumindest nach meinen bisherigen Erkenntnissen. Ich sage immer böse, dass mein Co-Host ein Radio Gesicht hat. Wir fühlen uns mit Audio wohler.
Schahab Hosseiny: Okay, sehr gut. Das Thema Video hast du gerade angesprochen. Video SEO, siehst du da weiter noch einen sehr starken Demand am Markt? Oder ist es ein Umfeld, bei dem du sagst, da kannst du mit der smarten SEO-Strategie für gute Reichweite und Reach sorgen?
Philipp Klöckner: Es ist ein offenes Geheimnis, dass YouTube die zweitgrößte Suchmaschine ist, größer als jeder sogenannte Google Konkurrent. Deshalb kann man das bei vielen Modellen eigentlich nicht auslassen. Man kann es auch mit fast jedem Motiv verbinden und ein passendes Format schaffen. Wenn man von einem holistischen Marketing oder Content-Strategie sprechen möchte, dann gehört Video wahrscheinlich für die meisten dazu. Man hat in der Regel weniger Konkurrenz in dem Kanal – deshalb habe ich ihn auch gewählt. Während die ersten Webseiten versucht haben, etwas über Clubhouse zu schreiben, gab es auf YouTube deutschsprachig noch keine Inhalte dazu. Das ist eine Lücke, die man wahrscheinlich auf viele Geschäftsmodelle beziehen kann. Gibt es für meine Nische dort schon gute deutschsprachige Inhalte?
Wir kennen das aus der Anwaltsszene, von der Fahrschule über den Steuerberater oder der Mathelehrer, der Nachhilfe gibt. Es gibt so viele Beispiele, die diesen Kanal perfekt nutzen. Technisch ist es gar nicht so anspruchsvoll, wie klassisches SEO. Es gibt Dinge, die man richtig machen und schauen muss, dass man die Leute irgendwie früher begeistert, gleichzeitig Cliffhanger findet und danach weitere Videos schauen. Am Ende will YouTube die Zuschauerzeit maximieren. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir glauben, das passt nicht gut zu uns und das ist nicht das, was uns Spaß macht. Aber ansonsten sollte das in den Marketing-Mix wahrscheinlich bei den meisten Modellen mit einbezogen werden.
Ich schaffe es jeden Tag so zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Wie hältst du dich up to date? Du bist sehr belesen, auch was die Tech-Industrie angeht. Konsumierst du gerne auch über Audio oder bist du eher der Dr. Speed-Reader oder vielleicht sogar bewegte Bilder? Wie hältst du dich fit?
Philipp Klöckner: Ich bin ein bisschen der Audio-Typ und das betrifft auch die Informationsaufnahme. Ich schaffe es jeden Tag ca. zwei bis vier Stunden Podcast zu hören.
Schahab Hosseiny: Auf doppeltem Speed oder wirklich?
Philipp Klöckner: Ich schaue schon, dass ich Dinge höre, die eine hohe Informationsdichte haben. Was jetzt zu sehr “Laber Kram” ist oder zur Unterhaltung dient, das schaffe ich dann auch nicht. Ich höre es in der originalen Geschwindigkeit. Ich habe ein Programm von ein paar Nachrichten Shows, ein paar tiefere Sachen, die mich interessieren, ein paar Börsen-Sachen, ein paar Tech-Sachen, ein paar Marketing-Sachen. Audio ist das, was ich gut passiv aufnehmen kann. Es gibt Sachen, da muss man auch aktiv zuhören, aber prinzipiell ist es so, wenn die Geschichte gut erzählt ist, dann kann ich mir diese ewig merken. Ich habe das einmal gehört und dann habe ich es in der Regel verstanden oder zumindest einen Aspekt dazu verstanden und deswegen liegt mir das.
Ansonsten habe ich den ganzen Tag mein TweetDeck auf meinem zweiten Monitor. Egal was ich tue, es läuft immer eine Art Nachrichten Ticker. Das ist manchmal schon sehr störend, aber es gibt einem auch das Gefühl, man hat einen guten Überblick darüber, was Leute jetzt wichtig finden. Das ist auch gleichzeitig immer ein bisschen die Recherche für den Podcast. Das sind die Sachen, die uns in der Woche beschäftigt haben. Wir monetarisieren, kann man nicht sagen, da wir nichts verdienen. Aber wir verwerten dann schon, was wir diese Woche an Informationen aufgenommen haben und versuchen das dann nochmal für die Hörer zu interpretieren.
Die wichtigsten KPIs und Motivation, die hinter Philipp Klöckners Podcast stecken
Schahab Hosseiny: Du bist durchaus ein datenorientierter Mensch. Wir haben jetzt über Podcasts gesprochen, da werden wir gleich auch noch einmal einen kurzen Deep Dive machen. Was sind für dich persönlich die KPIs, bei denen du sagst, ‘Das passt für mich. Denn ich investiere in hohe Management Attention. Das Thema Podcast ist für mich ein Kanal, bei dem ich mich wohl fühle. Da habe ich auch für mich ein Return.’ Was ist für euch die Motivation? Ist es eher die Reach? Du bist ja Investor. Kommst du damit gegebenenfalls schneller und besser in Kontakt mit Targets? Ist das für dich ein Netzwerk? Was ist die Motivation oder ist es die reine Ideologie, zu sagen, ‘Wir haben was zu erzählen und wollen es einfach diskutieren.’?
Philipp Klöckner: Ja, ein bisschen schon. Der ursprüngliche Arbeitstitel war “Sendungsbewusstsein”, als Name für den Podcast. Wir haben uns dagegen entschieden. Ich denke es wäre uneitel zu sagen, dass Reichweite auch ein Motiv ist. Das wäre auch eine der zwei KPIs. Uns ist schon wichtig wie viele Leute das Hören. Das heißt aber nicht, wenn es mehr Reichweite bringen würde, würden wir jetzt die Dinge anders machen.
Wir überlegen eher, ob wir uns mit dem, was wir gemacht haben, freuen, wenn es mehr Reichweite findet. Was wir nicht tun, ist jetzt einen In-Friend einzuladen, weil es mehr Reichweite gibt. Das ist nicht authentisch. Aber wir hoffen, dass das, was wir machen, immer mehr Leuten gefällt und sich rumspricht. Das ist leider das, was am schwersten zu messen ist. Die World of Mouth wäre etwas, was wir gerne verstehen möchten. Eine Art R Faktor, den jetzt jeder kennt. Es gibt manche, die das sehr aktiv machen und auch schreiben. Sie haben ihren gesamten Bekanntenkreis damit infiziert. Wir wissen auch, dass es noch Leute gibt, die es für sich behalten, weil sie im Meeting dann schlauer sind. Damit ist es schwer einen Podcast groß hochzuziehen.
Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Ansonsten achten wir sehr stark auf die Durchhördauer, was auch eine wichtige KPI für die Netzwerke Apple und Spotify selber ist. Wir machen uns Gedanken, wenn die Leute an einer gewissen Stelle abbrechen oder nicht durchhören. Wir waren am Anfang überrascht, dass die Durchhörrate deutlich besser ist, als in der Industrie. Viele Podcasts verlieren nach der Hälfte der Zeit schon fünfzig Prozent der Nutzer.
Das ist bei uns definitiv nicht so. Es ist eher so: Es gibt am Anfang eine kleine Stufe auf der Leute weggehen, die das aus Versehen angespielt haben oder nicht wissen, wo sie gerade sind oder das nicht hören wollen. Von da an verlieren wir jedoch kaum noch Zuhörer. Es hören erstaunlich viele durch. Das war überraschend, denn wir haben uns oft gefragt wo der Fehler liegt. Wir kannten das von anderen Podcasts nicht so. Das motiviert uns sehr und gibt uns ein bisschen den Rückenwind zu sagen, wir machen das einfach weiter, wie wir es gut finden. Ansonsten bekommen wir viele nette Mails, die uns motivieren. Das ist auch ein großartiges 1:1 Feedback. Noch mehr Daten-Visibilität versuchen wir gar nicht zu erzeugen. Dann wird es irgendwann zu technisch und dann optimiert man vielleicht doch schon in die falsche Richtung.
Schahab Hosseiny: Das spricht definitiv für eure Qualität, sowie du es gerade dargestellt hast. Seid ihr werblich aktiv? Bewerbt ihr euren Podcast und nehmt ihr Werbegelder in die Hand?
Philipp Klöckner: Nein. Ich hatte einmal einen Plan das zu tun. Ich bin der Meinung, es gebe eine Art Arbitrage-Möglichkeit. Gerade wenn du selbst Werbung machst, hast du ein hohes Incentive. Wenn es einen zweiten Podcast gibt, der eine sehr ähnliche Audience hat, kannst du dort Nutzer einkaufen. Dann brauchst du nur rechnen, wie oft diese deinen Podcast hören müssen, bis du es wieder reingespielt hast.
Sagen wir als Beispiel, es gibt einen Startup Podcast für 2,5 Tausend Euro und du kannst zehntausend Hörer kaufen. Dann bekomme ich über die Zeit mit, ob dieser mir zusätzliche Hörer bringt und bekomme es wahrscheinlich wieder eingespielt. Damit könnte man es vielleicht ein bisschen beschleunigen. Am Ende erreicht man die Leute auch so. Deshalb haben wir uns noch nicht dafür entschieden, die Audience künstlich auszublenden. Wir glauben auch, wir erreichen damit ein anderes Profil von Leuten, die nicht so loyal sind oder nicht so durchhören, wie unsere jetzigen Nutzer. Die Qualität wäre auf jeden Fall anders. Deshalb setzen wir eher auf den harten Kern und auf das World of Mouth. Aber ich würde es nicht für immer ausschließen.
Audio-Retargeting – Wer macht das Rennen unter den Platzhirschen?
Schahab Hosseiny: Ja, Audio Retargeting ist ein sehr spannendes Thema. Auf bestehende Nutzer nochmal ein Podcast Retargeting zu setzen. Sprechen wir jetzt gerne noch einmal über das Thema. Du hast gerade schon Apple und Spotify angesprochen. Wir gehen in ein fachlich spezifisches Podcast-Thema. Du bist in diesem Markt aktiv. Wir sehen auch ein sehr starkes Wachstum. Dominiert wird der Markt immer noch von Apple und Spotify. Das sind die Platzhirsche.
Wir haben auf der einen Seite Apple. Die haben ein eigenes Operating-System und auch Smart-Assistent-Geräte, wie den Home-Port. Wir sehen, dass ein Sprachassistent wie Siri dabei ist. Wir sehen, dass Apple sehr intensiv in das Thema Bluetooth-Kopfhörer eingestiegen ist, Beats-Akquise und auch die Airpods. Auf der anderen Seite haben wir Spotify, die ein paar Akquisitionen im Bereich Podcasting durchgeführt haben. Gimlet Media haben sie gekauft. Was sagst du mit deiner Erfahrung? Wer wird hier das Rennen machen? Wie ist deine Position zwischen den beiden? Wo fühlst du dich wohler?
Philipp Klöckner: Das sind viele sehr gute Fragen. Ich neige dazu, zu glauben, dass es fragmentiert bleibt. Es bleibt ein Duopol, allein begrenzt durch die Betriebssysteme. Ich habe ein Android-Phone und ich könnte ja gar nicht in das Apple System wechseln. Ein Großteil der Menschheit hat im Moment nicht die Mittel dort zu wechseln und möchte trotzdem Podcast hören.
Schahab Hosseiny: Wenn ich kurz reingrätschen darf. Wie hast du denn Clubhouse genutzt?
Philipp Klöckner: Ich habe ein iPad, um schnell eine E-Mail zu schreiben. Ich habe mir dann zusätzlich tatsächlich für Clubhouse ein iPhone gekauft. Also ich glaube, da wird es eine Art Dichotomie geben. Es gibt Android-User, die werden verstärkt auf Spotify und Apple-Nutzer wahrscheinlich sehr stark auf Apple Podcasts hören. Das sehen wir auch in unseren Zahlen. Wir sehen auch, dass Amazon erhebliche Anstrengungen unternimmt, noch in den Markt reinzukommen. Das kann man sich mit exklusiven Titeln zu einem gewissen Grad erkaufen. Ganz einfach ist es nicht. Google nutzt natürlich seine Dominanz in der horizontalen Suche aus, um das eigene Podcast-Produkt zu bewerben. Was in den USA schon erfolgreich ist und viele Hörer hat. Die kommen über Google darauf. Gerade Leute, die das erste Mal Podcasts hören.
Schahab Hosseiny: Ist das YouTube Music? Das kenne ich gar nicht.
Philipp Klöckner: Nein, das ist Google Podcast. Die haben ein eigenes. Würdest du jetzt den Namen unseres Podcast bei Google eingeben, dann findest du meistens auf Position eins oder zwei das Google Produkt. Lange bevor du unsere Webseite oder Spotify oder Apple siehst. Das treibt auch die Adoption. Es ist nicht so, dass Leute sich zwischen vier Produkten entscheiden und sagen, ich nehme jetzt Google Podcast. Sondern in vielen Fällen ist es ganz einfach, weil Google ihr eigenes Produkt nach ganz oben stellt. Von daher wird es wahrscheinlich noch eine Zeitlang fragmentiert bleiben. Einen Gewinner sehe ich eher nicht.
Es gäbe aber eine gute Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende eine Zweiteilung zwischen Apple Podcast und Spotify gibt. Wenn Amazon noch den großen Durchbruch bei der Programmierung schafft, also einen sehr guten exklusiven Content bekommt, dann vielleicht. Denn dort zahlt der Hörer sowieso schon als Prime-Kunde. Diese hätten das inklusive oder können das einfach dazu buchen. Sie haben den Kunden schon, das ist der große Vorteil. Da hat Spotify es am schwersten. Apple besitzt seine eigenen Schienen, Google besitzt die horizontale Suche und Android als sein eigenes Schienensystem und Amazon besitzt schon den Kunden und hat mit fast jedem Kunden eine Beziehung und die Hardware mit Echo oder Alexa.
Spotify hat es insofern schwer, dass selbst wenn sie Nutzer erreichen, noch diese fünfzehn bis dreißig Prozent Gebühren an die Appstores zahlen müssen. Der größte Profiteur des Musik Streaming-Marktes ist Apple. Denn es ist vollkommen egal, ob du die Musik über Apple Music hörst oder über Podcast oder Spotify. Apple bekommt immer seine dreißig Prozent im ersten Jahr über den Appstore. Von daher ist Spotify echt in einer komplizierten Lage. Aber wenn sie groß genug werden und eigene Produkte herausbringen, für die sie eben nicht siebzig Prozent an die Künstler abgeben müssen – wie bei Musik – kann es trotzdem spannend sein, wenn sie am Ball bleiben.
Schahab Hosseiny: Das ist ein kapitalintensives Thema: Eigenproduktion.
Philipp Klöckner: Ja, genau. Es kostet einmal Produktionskosten, aber die sind gedeckelt. Wenn ich jetzt zehn Millionen neue Hörer gewinne, dann musst du immer die siebzig Prozent an den Artisten abgeben. Das hast du beim Podcast nicht. Du gibst zum Beispiel dem Host zwei Millionen Euro im Jahr und dann bekommst du es fertig. Wenn du mehr Hörer hast, ist es irgendwann umsonst, weil du keine variablen zusätzlichen Kosten pro Hörer mehr hast. Deshalb ist es besser als das bisherige Geschäftsmodell von Spotify, wenn es funktioniert und groß genug wird. Denn bisher müssen sie von jedem Euro siebzig Cent wieder teilen. Das ist bei Podcast eventuell anders.
Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch.
Schahab Hosseiny: Wir haben ein bisschen Research im Vorfeld durchgeführt. Ich bin auf ein Tweet von dir gestoßen. Wahrscheinlich einer deiner ersten Tweets, aber das wirst du mir gleich bestätigen können. Der Tweet lautet “Mist. Schon wieder im Domain Kaufrausch. Schuld ist @_DD_. Hat mich auf dumme Ideen gebracht.” Ich konnte mit “_DD_” nichts anfangen. Ich gehe davon aus, dass du damit David Deutsch meinst. Ich würde gerne den Ball aufnehmen und über deine SEO-Vergangenheit sprechen – was bestimmt auch für die Audience mit Sicherheit sehr interessant ist.
Domains bunkern – Lohnt sich die Investition?
Wir haben ein bisschen weiter recherchiert und haben einige Web-Projekte gefunden, die sogar noch live sind – was ich supercool finde. Neben “skiurlaub.org” hast du noch ein paar weitere Top Level Domains, wie “bademode.com”, “Mode.net”, “gebrauchtwagen.net”, “Gesellschaftsspiele.de”, “Stau.info”, “Spielzeug.com” besessen oder besitzt sie immer noch. Erzähl uns ein bisschen von diesem Background und auch von deinem Domain Portfolio. Welche Juwelen hast du gegebenenfalls noch oder planst du noch was? Wenn du möchtest, lass uns etwas teilhaben. Dann habe ich zum Ende hin noch eine Frage: Wie bist du an “PK.de” herangekommen? Das ist eine fantastische Domäne.
Philipp Klöckner: Der Tweet muss wahrscheinlich von vor 2012 gewesen sein. Denn danach habe ich meine Domain Sammelsucht geheilt oder begriffen, dass es keine gute Idee ist. Ich habe für den Podcast einmal ausgerechnet, hätte ich das ganze Geld was ich in Domains gesteckt hätte, in Amazon-Aktien zu der Zeit gesteckt, wären das heute irgendwo zwischen dreißig und vierzig Millionen Euro. Das war im Nachhinein kein gutes Investment diese ganzen Domains zu sammeln.
Schahab Hosseiny: Ja, hast du diese gekauft oder einfach registriert?
Philipp Klöckner: Die konnte man damals nicht mehr registrieren. Es gab Zeiten, in denen man solche Domains auch hätte registrieren können. Da hat man das gemacht und diese lange gehalten. Es war ein gutes Business, wenn man sie für nichts oder für wenige Euro Registrierungsgebühren eingekauft hat. Diese dann so teuer zu kaufen hat sich im Nachhinein für nicht so schön herausgestellt. Je nachdem, wie man den Zinssatz oder die alternative Anlage wählt. Wenn man Amazon Aktien nimmt, sieht es sehr schlecht aus. Ein bisschen besser als ein Sparbuch war es vielleicht noch, weil man die auch wieder verkaufen kann. Die “Mode.net” wurde zum Beispiel wieder verkauft. “Gesellschaftsspiele” glaube ich auch, aber die gehörten mir alle mal. Also die Recherche ist einwandfrei. Insgesamt waren es mal 3.500 Stück. Am Höhepunkt der Sammelwut habe ich auch paketweise eingekauft.
Damals gab es den Exact-Match Domain-Bonus. Das heißt, wenn der Domain-Name genau deinem Haupt-Keyword entspricht. Zum Beispiel: Hättest du damals eine “Onlinemarketingagentur.com” gehabt, hätte das deine SEO-Bestrebungen stark vereinfacht. Das habe ich früh erkannt, damit auch bescheiden Geld verdient und wollte das skalieren. Ich habe schmerzhaft gelernt, dass ich nicht die operativen Fähigkeiten habe, eine Unternehmung anzuführen, die auch 3.500 Domains projektiert. Für ein paar meiner Lieblingsprojekte habe ich das selbst gemacht. Ich habe es mit Partnern probiert und mit Angestellten. Jedoch würde ich mir hundert Prozent der Schuld geben, dass es nicht funktioniert hat. Das waren alles sehr begabte Leute. Daraufhin habe ich die Lust daran auch wieder verloren und deshalb gammeln die jetzt herum. Viele habe ich im Nachhinein noch verkauft.
Ich hatte eine Landrush-Phase, als es die Two Letter Domains gab. Das sind Domains, die vorher KFZ-Kennzeichen waren oder nur aus 2 Buchstaben bestanden und frei geworden sind. Ich konnte “PK.de” zwar nicht registrieren, aber man konnte sie damals alle im mittleren vierstelligen Bereich kaufen und “PK.de” war mir aus purer Eitelkeit natürlich wichtig genug. Ich habe außerdem noch ein paar andere gekauft. “HB.de” habe ich an Hugo Boss verkauft. Diese habe ich für 5.000 Euro eingekauft. Das wurde in kurzer Zeit verfünffacht. “PK.de” wollte lustiger Weise Paul Kalkbrenner kaufen. Er hatte damals das Album mit einem schwarzen Stempel darauf, das auch “PK” hieß. Für die Kampagne oder sein Label wollte er das wahrscheinlich haben. Leider musste ich ablehnen. Es kam nicht einmal zu Preisverhandlungen. Ich weiß gar nicht, ob ich ein Angebot gemacht habe.. oder vielleicht habe ich vorsichtig gefragt, in welche Regionen sich das bewegt. Aber das hätte schon im fünfstelligen Bereich sein müssen, damit es mich überzeugt hätte, sie abzugeben.
Schahab Hosseiny: Das finde ich sehr spannend. Dann lass uns erneut ein bisschen tiefer in das Thema fachliches Sparring einsteigen. Wir haben auch nicht mehr allzu viel Zeit. Aber ich denke, ein oder zwei Fragen kriegen wir auf jeden Fall noch durch. Thema virtuelle Veranstaltung: Hopin hat ein wahnsinniges Wachstum hingelegt. Ich glaube Europas schnellst wachsendes Unternehmen im Startup oder im faktischen Startup-Bereich. Glaubst du, das ist eine berechtigte Bewertung, die die auf die Waage bringen? Und was hältst du generell von virtuellen Veranstaltungen?
Hopin geht eher den Weg “Wir wollen ein Ökosystem um den Bereich Video-Kommunikation bauen. Denn daran glauben wir, deshalb auch die zusätzlichen Akquisitionen, die durchgeführt wurden.” Andererseits muss das viele Geld auch geparkt werden. Glaubst du, da ist noch mehr Spiel in diesem gesamten Segment? Oder bist du der Meinung, das ist eine ganz heiße Wette, die kann auch nach hinten losgehen?
Philipp Klöckner: Ich verbinde es mit zwei Sachen: Es gibt bei ganz vielen Geschäftsmodellen gerade die Herausforderung zu isolieren, was ist jetzt nur Corona-Effekt und was wird auch danach bleiben. Wieviel des Wachstums kann erhalten bleiben in einer normalen Welt? Das ein bisschen auseinander zu klamüsern, ist gar nicht so einfach. Bei der Aktienanalyse oder auch bei anderen Recherche-Task ist das eine tägliche Herausforderung. Und gerade bei dem Modell ist es schwer vorherzusagen. Ich nehme an, ihr würdet wahrscheinlich lieber wieder eine Live-Veranstaltung machen, wenn es ginge. Oder würdet ihr dauerhaft auf Hopin bleiben?
Schahab Hosseiny: Die erste Veranstaltung haben wir über Hopin durchgeführt. Aktuell läuft die Veranstaltung über Balloon. Das ist eine gute Frage. Virtuelle Events haben einen großen Charme, weil du wirklich ein nationales Publikum oder auch ein internationales Publikum ansprechen kannst. Wohingegen du bei einer physischen Konferenz auf deine Region eingeschränkt bist. Du kannst mit einer wesentlich höheren Frequenz virtuelle Veranstaltungen durchführen. Ich glaube, dass hybride Events durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Aber virtuelle Events wurden in den letzten Monaten sehr inflationär genutzt. Das Qualitätsniveau ist weit gestreut und dieses reine virtuelle Modell wird sich wahrscheinlich nicht durchsetzen.
Philipp Klöckner: Dem würde ich fast beipflichten. Ich sehe auch ein bisschen die Inflation-Ermüdung. Es gibt fast zu viele Events. Überall gibt es freie Webseminare. Dass man die Audience erweitert und man sagt: Wir haben hier eine lokale Konferenz für unsere treuesten Kunden oder für spannendsten Leute aus der Region oder wer auch immer Lust hat zu networken, der ist hier herzlich Willkommen und dieser zahlt vielleicht etwas mehr dafür, damit er lecker essen und networken kann. Trotzdem erweitern wir das, um auch Leuten, die vielleicht gerade digitale Nomaden oder im Urlaub sind, zu ermöglichen, virtuell beizuwohnen. Da kann ich mir gut vorstellen, dass der Markt größer wird. Weil viele gelernt haben: Es kann auch ohne Reisen funktionieren.
Es gibt auch Unternehmen wie Zoom, die so groß und teuer geworden sind, dass sie sehr schnell auf weitere Märkte belegen müssen. Da wird es schnell die Einsicht geben, dass reines Video-Conference nicht mehr reicht, um die Bewertung zu rechtfertigen. Die werden genauso in solche Modelle hineingehen. Vielleicht erst einmal kleinere Sachen, wie Kochkurse, Yogakurse, andere Live-Video-Cases, vielleicht Live-Shopping, vielleicht Live-Kaufberatung.
Player, die schon relevant in einem kleinen Teil am Markt sind, gehen in die anderen Felder über. Es ist noch sehr schwer abzusehen, wer das endgültig gewinnt und wer wem den Marktanteil abspenstig macht.
Gorillas – Darum glaubt Philipp Klöckner an das Geschäftsmodell des Unicorns
Schahab Hosseiny: Sehr spannend. Sprechen wir über Gorillas. Du bist auch bekannt dafür, wenn man deinen Social-Stream verfolgt, dass du häufiger dazu Stellung beziehst. Die Erfolge, die Gorillas aktuell immer wieder bewiesen hat, zumindest was die Bewertung angeht. Du hast auch bei Gorillas investiert und seit vorgestern ist es jetzt offenbar Deutschlands Unicorn in Benchmarking. Kein anderes Unternehmen hat es in Deutschland in dieser Kürze der Zeit geschafft.
Ein weiteres Zitat bei Twitter finde ich klasse. Du verstehst nicht, warum der Großteil noch nicht verstanden hat, dass wir alle demnächst in der Nähe eines etwaigen Gorilla Lagers sitzen werden. Erkläre unsere Crowd einfach mal, warum du an dieses Geschäftsmodell glaubst. Ist diese Bewertung innerhalb dieser Kürze der Zeit auf die geniale Idee zurückzuführen, zum genialsten Zeitpunkt mit einem wahnsinnigen Management, kombiniert mit einer guten Story, die Begehrlichkeiten weckt und gepaart mit einer fantastischen Logistik? Woher kommt dieser sehr hohe Demand für dieses Thema?
Philipp Klöckner: Der Zeitpunkt spielt eine Rolle, aber das hätte auch ohne Corona funktionieren können. Es ist einfach, durch die schwierige Situation in den einzelnen Branchen Arbeitskräfte zu finden. Es gibt auch eine höhere Bereitschaft, Dinge online zu bestellen. Das ist alles normal geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob das unbedingt nötig gewesen wäre, aber es unterstützt bestimmt das sehr schnelle Wachstum. Ich würde nicht sagen, dass jeder bald neben dem Gorilla Depot wohnt. Das bezieht sich auf Großstädte. Man braucht eine gewisse Höhe an Stockwerken, damit das Modell funktionieren kann. Gorilla liefert aus sogenannten Dark-Warehouse oder Micro-Fulfillment Center Waren des täglichen Bedarfs, die man sonst in einem Supermarkt bekäme, innerhalb von 10 Minuten nach Hause. Das ist das Modell. Zu den gleichen Preisen wie im Supermarkt, teilweise günstiger oder teilweise minimal teurer. Nicht auf einem Discounter-Niveau, aber durchaus vergleichbar mit Rewe oder Edeka.
In der Anfangszeit wurde es sehr schlecht geredet, denn es ist ein margenarmes Geschäft und es sind natürlich Lebensmittel. Andererseits – du kennst wahrscheinlich die zwei oder drei reichsten Familien in Deutschland. Die haben ihr Geld mit genau dem angeblich schlechten Geschäftsmodell gemacht und es zu den reichsten Menschen geschafft, wie Aldi oder die Lidl Gruppe. Weil man die Ware unheimlich schnell dreht. Ich kaufe etwas ein, was 48 Stunden später schon wieder verkauft ist. Selbst wenn dann nur ein Prozent Marge darauf ist, lohnt sich das, weil man das Ganze Geschäft hundert Mal im Jahr machen kann.
In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht.
Ein Supermarkt ist nichts anderes als ein Showroom, in dem Dinge in Regale geräumt werden, damit andere es wieder ausräumen können und in dem sie kurzzeitig gut aussehen und dann aber in bestimmten Sortimenten mindestens zwanzig Prozent der Ware vergammeln, beispielsweise beim Fleisch oder bei Obst und Gemüse. Das muss alles nicht sein, es dort auszustellen, damit wir es befummeln können und lecker finden. In der zivilisierten Welt könnte man auch sagen, man kauft bewusst ein, was man heute braucht. Es ist frischer und es muss weniger Konservierungsmittel enthalten, denn ich muss nicht mehr die sogenannte shelf time überbrücken. Das ist meine persönliche Meinung. Ich spreche auf keinen Fall für das Unternehmen, sondern nur aus meiner Überzeugung heraus. Die beste Version wäre es, wenn du Farm to Table – vom Bauern in die Wohnung – innerhalb von zwei Tagen schaffen kannst. Dann müssen die Sachen nicht in irgendwelchen Schutzatmosphären mit Konservierungsmitteln versehen werden. Das kann effizienter sein. Auch ein Supermarkt braucht Platz, auch dieser braucht Personal, das die Waren einräumt.
Deshalb sehe ich das nicht so negativ wie viele es sehen. Das größte Gegenargument ist oft, dass der sogenannte Wocheneinkauf bei Gorillas nicht erledigt werden kann, der große Samstag Einkaufskorb. Das halte ich für ein falsches Argument, weil es aus der Unzulänglichkeit des bisherigen Systems kommt. Den Wocheneinkauf mache ich nur, um den Schmerz oder die Transaktionskosten zu minimieren. Den Weg zum Kaufland zu fahren, dann diesen großen Korb voll zu packen, alles in das Auto und vom Auto wieder in mein Haus zu packen. Diesen Aufwand will ich minimieren, deshalb gehe ich einmal die Woche einkaufen. Wenn ich bei Gorillas aber jeden Tag genau das, was ich heute kochen möchte und morgen früh zum Frühstück habe tagesgenau kaufe, das auch noch sehr frisch, genauso günstig und dabei noch viel Zeit spare, die ich mit Kindern, Hobbys oder Arbeit verbringen kann, dann gibt es keinen Grund mehr für den Wocheneinkauf.
Es gibt vielleicht immer Waren, die ich nicht aus Frust kaufe, sondern für den Genuss. Ich gehe vielleicht trotzdem am Sonntag noch auf den Bauernmarkt. Ich gehe bestimmt auch nochmal andere Sachen shoppen, wenn ich mich einmal inspirieren lassen will. Aber die wichtigsten Dinge kann man sich täglich auch bringen lassen, viel Zeit dabei sparen und wahrscheinlich besser und gesünder essen. Und dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr für diesen Wocheneinkauf. Oder er wird dann deutlich kleiner und kann vielleicht in einem Einkaufsnetz oder einer Einkaufstüte auch spazierender Weise nach Hause getragen werden. Ich möchte diese Visionen gar nicht jedem aufdrängen. Das ist meine eigene Vorstellung.
Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt.
Ich glaube auch nicht, dass jeder so leben muss, aber für einen gewissen Anteil der Bevölkerung ist das ein sehr relevantes Konzept. Wenn das für einen Anteil so funktioniert, dann ist es wahrscheinlich so, dass diese Micro-Fulfillment-Center sich immer weiter verbreiten und die Wege vom Warenhaus zum Kunden sogar noch kürzer werden, als sie jetzt schon sind. Ich rate immer jedem das einmal zu probieren, bevor man sich ein Urteil darüber erlaubt. Ich habe Gorillas gar nicht als Investor kennengelernt, sondern war ein großer Fan als Kunde und habe jemanden damit vollgequatscht. Dieser sagte dann zu mir, “Ich kenne wen, der das macht”. Wer es einmal probiert hat, versteht auch die Faszination und die Begeisterung dafür. Selbst die Zeit kann man nochmal schlagen, wenn das Netz engmaschiger wird. Am Ende könnte es so aussehen, dass jedes Quartier, jeder Kiez oder jeder Block theoretisch ein eigenes Warehouse hat und diese kleine Community mit frischen Lebensmitteln versorgt. Dann wird das auch ökonomisch nochmal spannender, wenn die Wege kürzer sind.
Schahab Hosseiny: glaubst du, dass der akute Bedarf die Loyalität schlägt und Gorillas auch mittelfristig eigene Brands ohne Markenloyalität problemlos an den Kunden bringen kann? Denn wenn ich innerhalb von 10 Minuten meinen Salat haben kann, habe ich vielleicht gar nicht mehr die Präferenz, den Salat – wie vorher – von Unternehmen XYZ zu beziehen. Ist das eine Hypothese, die hier auch mitschwingt? Bedarf schlägt Loyalität?
Philipp Klöckner: Ja, ich denke, Gorillas selbst ist eine Love-Brand, die die Leute gerne mögen. Wenn es eine Gorillas Milch gibt oder die Banane, die nicht von Dole sein muss, sondern von Gorillas direkt kommen kann und Fair-Trade ist – das traue ich ihnen zu. Ich kann nicht für die Strategie sprechen. Ich bin mir sicher, dass solche Ideen aufkommen. Alles andere wäre Quatsch. Handelsmarken sind die besseren Lösungen für den Kunden. Die Marke ist ein fiktiver Wert, den man dem Produkt zurechnet, dem aber kein echter Nutzen gegenübersteht. Von daher macht das wahrscheinlich schon Sinn.
An dem Modell hat mich am meisten überzeugt, dass der Markt groß genug ist. Das braucht man nicht lange durchzurechnen. Auch, dass die Value Creation oder die Wertbildung dieses Modells so schnell geht. Wenn ich als Investor jemanden fünfundzwanzig oder fünfzigtausend Euro gebe, bekomme ich nach zehn Jahren im Schnitt – im besten Fall – Geld wieder. Bei dem Modell ist es durch den schnellen Turnover und die Skalierbarkeit in kürzester Zeit zu Milliarden Bewertungen gekommen, obwohl es kapitalintensiv ist. Man muss diese Warenhäuser aufbauen und mit Inventar versorgen. Ehrlich gesagt fand ich es absehbar, dass das – im Vergleich zu anderen Startups – besonders schnell einen Wert entwickeln kann, wenn man sich das Investment angeschaut hat.
NFTs und ihr Nutzen – Welches Protokoll wird sich durchsetzen?
Schahab Hosseiny: Da hast du definitiv den richtigen Riecher bewiesen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Eine Frage können wir vielleicht noch einmal flott abschließen. NFT. Auch darüber sprichst du immer wieder. Kryptowährungen sind seit vielen Jahren in aller Munde. Einerseits würde mich interessieren, ob du ein virtuelles Gemälde für sehr viel Geld ersteigert hast. Im NFT-Business ist es heute so, dass ich das Gemälde auch zweimal ersteigern kann, wenn ich es möchte über zwei verschiedene Protokolle. Welches Protokoll wird sich vom Gefühl her durchsetzen, um diese sehr großen Defizite rauszunehmen? Dass ich dieses Produkt einmalig verkaufe, da es ansonsten seinen Charme verliert, wenn es mehrfach vorhanden ist? Vielleicht dazu ein kurzes Statement, wie deine Position dazu ist?
Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen.
Philipp Klöckner über NFT
Philipp Klöckner: Ehrlicherweise bin ich nicht tief genug in dem Blockchain-Thema drin, um zu sagen, was da jetzt das effizientere Protokoll ist. Da gibt es bestimmt andere Experten dafür. Im Moment haben NFT sehr viel Traktion und es gibt gute Gründe zu glauben, das könnte funktionieren. Ich bin auch nicht sicher, dass es sich jetzt durchgesetzt hat. Ich bin der Meinung, wenn unsere Welt wieder physischer wird und man mehr Zeit draußen verbringt, dass der Hang zu digitalen Produkten dann auch wieder ein bisschen nachlässt. Ich will nicht sagen, dass das jetzt ein Hype ist und bald weg sein wird. Im Moment halte ich beides noch für gut möglich. Es würde mir jetzt schwer fallen eine Wette abzuschließen, ob es das in zehn Jahren noch gibt oder nicht. Wir werden bei der Authentizität von Content Pieces mit Deepfakes Probleme bekommen. Und NFTs lösen das, indem sie sagen, “Das ist das einzige Original”. Da sehe ich noch viel mehr den Nutzen als bei Kunst.
Das gleiche brauchen wir vielleicht auch bei Statements von Politikern oder Leuten mit großer Reichweite wie beispielsweise Elon Musk. Um festzustellen, ob es gefaked ist oder ein authentisches Zitat. Da eine Art Signatur oder Verschlüsselungen zu bauen oder ein NFT, das man mit einem Content Piece distribuiert mit welchem man die Gegenseite authentifizieren oder validieren kann. Es handelt sich dabei um die Aussage einer echten Person. Das ist der erste Anwendungsfall von Krypto, von dem ich bisher stark überzeugt bin. Dafür scheint mir die Technologie, soweit ich sie verstehe, gut geeignet zu sein.
Ich sehe auf jeden Fall, dass das ein Problem wird und ich wüsste nicht, wie man es im Moment besser nutzen kann. Ich könnte jetzt auch gerade gar nicht hier sein. Es könnte jemand mit einem grünen Anzug hier sitzen, auf dem ein paar Bilder von mir gespielt werden. Dass man sicherstellt durch irgendeinen Codec oder Token, der verifizieren kann, ob jetzt gerade der echte spricht oder der mit der ID, da sehe ich einen Anwendungsfall, den wir wahrscheinlich brauchen werden. Ich weiß nicht, wie wir das Problem Deepfake gerade anders lösen könnten.
Schahab Hosseiny: Das ist ein valider Punkt, der aber voraussetzt, dass sich die Krypto-Branche zumindest auf ein gängiges Protokoll einigt, um genau diese Validierungskomponenten durchzuführen.
Philipp Klöckner: Ich bin schon skeptisch. Es gibt sicherlich ein paar gute Anwendungsfälle für Krypto. Wir haben das jetzt seit 2009 und dafür ist in der ersten Zeit noch relativ wenig daraus entstanden. Nach 10 Jahren Smartphone und nach 10 Jahren Consumer-Internet hatten wir deutlich mehr Anwendungen. Wenn man überlegt, was gibt es für Krypto-Anwendungen außer das reine kaufen von Bitcoin und selbst das ist ein Nischenphänomen, trotz immer mehr Verbreitung. Ich würde nicht sagen, es ist eine Failed-Technologie. Aber es ist auch auf jeden Fall eine, die sich noch nicht durchgesetzt hat oder den Massen Anwendungsfall noch nicht gefunden hat. Ich frage mich, warum in so einer digitalen Welt ausgerechnet da eine sinnvolle Anwendung als letztes entstehen sollte. Das hat sich mir noch nicht ganz entschlossen. Das lässt mich ein bisschen kritisch demgegenüber stehen. Aber ich besitze selbst auch Kryptos, um mich dagegen zu versichern, dass ich falsch liege. Sollte ich mich brutal irren, dann habe ich mich dagegen versichert, indem ich einen kleinen Teil meines bescheidenen Vermögens in Kryptos gesteckt habe.
Schahab Hosseiny: Ich sehe schon, dass die Regie leicht nervös wird. Wahrscheinlich sind wir jetzt etwas über unsere Zeit. Philipp, es war sehr kurzweilig. Vielen Lieben Dank, dass du heute zur OMKB gekommen bist. Du hast hier fantastischen Input geleistet zu vielen großartigen Themen und ich hoffe auch, dass die Community etwas mitnehmen konnte. Mir hat es persönlich sehr gut gefallen. Es war das erste Mal, dass wir persönlich aufeinandergetroffen sind. Ich kann mir eine Wiederholung absolut vorstellen und sage herzlichen Dank. Als Geste der Wertschätzung haben wir noch etwas Kleines für dich mitgebracht. Dann darf ich den Moderator Mario hier noch einmal auf die Bühne bitten. Philipp vielen Dank von meiner Seite aus.
Philipp Klöckner: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht.