Die Welt des Marketings erlebt durch Künstliche Intelligenz (KI) eine Revolution, und aimpower steht an vorderster Front dieser Welle. Mit einem einzigartigen Ansatz, der neurobiologische Erkenntnisse und KI kombiniert, hat das 2020 gegründete Startup die Marketingwelt im Sturm erobert. Nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde, die ihnen Investitionen in Höhe von 6,5 Millionen Euro einbrachte, ist aimpower bereit, die Marketinglandschaft nachhaltig zu verändern.
In einem exklusiven Gespräch mit Schahab Hosseiny, enthüllt Julia Saswito, CMO und Head of Strategy bei aimpower, spannende Einblicke in die Anfänge, Visionen und das Potenzial von aimpower. Sie teilt auch, wie interessierte Marketingspezialisten die KI-basierten Tools selbst in Aktion sehen können.
Schahab Hosseiny: Julia ist CMO bei aimpower, Digitalpionierin und Spezialistin für Customer Experience (CX) und Brand Management. Nach dem erfolgreichen Aufbau einer der führenden Digitalagenturen in Deutschland und ihrer Zeit als Partnerin und Global Lead für den Bereich Digital Experience bei der Reply Group wechselte sie 2021 ins Management des AI-Startups aimpower, wo sie als CMO und Head of Strategy die noch sehr junge AI-Szene prägt und an neuartigen Lösungen arbeitet. Aimpower wurde 2020 gegründet und ist wie viele KI-Start-ups noch relativ jung. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Marketing, Künstliche Intelligenz (KI/AI), Machine Learning, Deep Learning, Marktforschung und vielen weiteren Themen. Außerdem seid ihr in Zusammenarbeit mit großen Kundinnen und Kunden im Bereich Fast Moving Consumer Goods (FMCG) aktiv und habt eine eigene Suite – die brainsuite – entwickelt, über die wir später sicherlich noch sprechen werden. Julia, kannst du uns erzählen, wie die Idee zu aimpower entstanden ist und was die Initialzündung für das Unternehmen war?
Von der individuellen Beratung zur digitalen Assistenz durch Transformer Deep Learning
Julia Saswito: Sehr gerne. Zwei unserer drei Gründer – Dr. Dirk Held und Dr. Christian Scheier – haben bereits 2007 die DECODE Marketingberatung GmbH gegründet. Das Unternehmen gibt es heute noch und es ist darauf spezialisiert, große Marken sowie internationale Kundinnen und Kunden dahingehend zu beraten, wie sie ihre Werbung wirksamer machen können. Das Konzept basiert auf den Prinzipien der Neurobiologie und der Verhaltensökonomie und damit ist das Unternehmen sehr erfolgreich. Sie haben auch mehrere Bestseller in diesem Bereich veröffentlicht, zum Beispiel „Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketings“ oder „Codes – Die geheime Sprache der Produkte“. Das hat wunderbar funktioniert, aber eines hat Dr. Held und Dr. Scheier immer gestört: Während ihrer Beratung sahen sie anhand der Zahlen große Erfolge in den von ihnen betreuten Kampagnen, aber mit der Zeit verschwand dieser Effekt wieder. Dann musste jedes Mal neu beraten werden und es stellte sich die Frage nach der Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass Dr. Christian Scheier schon vor über 20 Jahren am Caltech (California Institute of Technology) zu KI geforscht hat. Er und Dr. Held haben nach neurowissenschaftlichen Prinzipien beraten und KI versucht gewissermaßen, das Gehirn nachzubauen. Der Gedanke, diese beiden Bereiche zu verbinden, lag also nicht fern. Diese Konzepte waren schon lange bekannt und funktionierten auch, aber es ging lange Zeit zu langsam. In den vergangenen vier bis fünf Jahren haben sich die Größe und die Geschwindigkeit dieser Modelle massiv verändert und so entstand aimpower. Die Idee war, das Wissen von Dr. Held und Dr. Scheier zu replizieren und es in Form eines digitalen Assistenten den Kundinnen und Kunden nachhaltig zur Verfügung zu stellen. Begleitet wurde diese Geburtsstunde durch das Buch „Künstliche Intelligenz in der Markenführung – Der effiziente Weg, den Erfolg von Marken zu steuern“, welches 2019 im Haufe Verlag erschien und 2020 begann die Umsetzung.
Schahab Hosseiny: Okay, aimpower ist also aus der Beratung heraus entstanden und durch die höhere Aufmerksamkeit im Bereich KI ist eine Replizierbarkeit oder Skalierbarkeit auf Softwareebene entstanden. Welche konkreten Probleme versucht ihr eigentlich zu lösen oder welche Probleme habt ihr in den vergangenen Jahren durch eure Beratungsmandate identifiziert? Und wie versucht ihr als Start-up diese Pain Points in diesem Segment zu adressieren?
Julia Saswito: Ich beginne meine Antwort mit einer Zahl: 47 Prozent. Das ist der Anteil der Markenprofitabilität eines Werbeträgers am Umsatzwachstum. Man kann vieles richtig machen und Targeting sowie Personalisierung sind wichtig. Aber am Ende des Tages entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten, was sie gut finden und worauf sie reagieren. Sie lesen keine Strategiepapiere, sondern reagieren auf das, was sie sehen: das Werbemittel. Das kann ein Verpackungsdesign sein, ein Social-Media-Video, E-Commerce Content von Amazon oder eine Printanzeige. Wenn das nicht funktioniert, ist das Geld gewissermaßen zum Fenster hinausgeworfen. Nun ist es aber so, dass 70 bis 80 Prozent der Werbemittel nicht gut funktionieren – dazu gibt es auch Studien. Es stellen sich also die Fragen, welche Werbemittel nicht funktionieren, warum sie nicht funktionieren und was man besser machen müsste. Deshalb versuchen Marketer, Leute aus den Insights sowie aus dem Marktforschungsbereich und A/B-Testerinnen und Tester das schon vor der Publikation herauszufinden. Deren Testmethoden stoßen jedoch an ihre Grenzen. Das zeigt sich auch daran, dass viele Marketingverantwortliche nicht so viel testen, wie sie gerne würden, weil die klassischen Marktforschungsmethoden zeitaufwendig und teuer sind. Ein Konsumentinnentest kostet beispielsweise 3.000 bis 5.000 Euro, ein In-Store-Test sogar 20.000 Euro. Massenhaft können diese Tests also nicht durchgeführt werden, aber durch die Explosion der Touchpoints gibt es zahlreiche Werbemittel, von denen jedes Einzelne zählt. Wenn man im digitalen Bereich A/B-Tests durchführt, findet man gegebenenfalls heraus, welches Werbemittel funktioniert, aber nicht warum. Dieses Feedback bekommt man von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht und wenn man Befragungen durchführt, wissen die Konsumentinnen und Konsumenten im Zweifel nicht, warum sie ein Werbemittel ansprechend oder nicht ansprechend finden. Dieses Problem lösen wir mit unserem KI-basierten, vollautomatisierten und extrem schnellen Textverfahren in der brainsuite. Ich habe eben davon gesprochen, wie schwierig es ist, dieses Wissen zu verankern und weiterzugeben, weil die Fluktuation im Marketingbereich so hoch ist. Es muss folglich immer wieder geschult und Wissen weitergegeben werden. Unser Tool hingegen löst dieses Problem ganz nebenbei, indem es ständig Feedback gibt.
Schahab Hosseiny: Das ist sehr interessant, weil wir in den vergangenen Jahren eine immer stärkere Anpassung der Algorithmen gesehen haben. Ihr geht also mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen an dieses Thema heran und versucht dadurch, die Creatives so zu optimieren, dass sie aus der Masse herausstehen. Wir hatten heute auch einen Vortrag zum Thema Google P-Max, mit dem viele Plattformen am Self-Driving-Advertising arbeiten und am Ende haben alle den gleichen Algorithmus. Vor diesem Hintergrund finde ich euren Ansatz besonders spannend. Du hast das Thema KI schon häufiger angesprochen. Viele Unternehmen werben derzeit damit, dass sie KI einsetzen – ob das stimmt, sei dahingestellt. Mit welcher Vision wurde brainsuite entwickelt und welche Rolle spielt KI konkret bei euch?
Julia Saswito: Bei uns geht es um Vorhersagen über die Wahrnehmung von Werbung durch Konsument:innen, um deren Wirksamkeit zu optimieren. Das wird von unserem Gehirn und seiner Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, bestimmt: wohin wir schauen und wie schnell wir Informationen entschlüsseln. Das entscheidet darüber, ob wir uns für etwas interessieren und ein entsprechendes Produkt kaufen. Die Vision der brainsuite ist es, diese Prozesse im menschlichen Gehirn mittels KI zu simulieren.
Dabei setzen wir auf zwei Kernaspekte der KI. Das ist zum einen die Fähigkeit, in großen Datenmengen extrem schnell Muster zu erkennen. Da die KI das menschliche Gehirn simulieren soll, muss sie natürlich mit von Menschen erzeugten Daten trainiert werden – mit reiner Algorithmik kämen wir nicht weit.
Wir können unter anderem Aufmerksamkeit vorhersagen, denn wir wissen, wo Menschen hinschauen und wie sich etwas in der Umgebung durchsetzt. Dazu nutzen wir Predictive Eye Tracking. Dabei wird die KI mit Millionen von Daten aus echtem menschlichem Eye Tracking trainiert und erkennt so, welche Inhalte die Blicke anziehen. Das ist nicht nur schematisch. Nur weil etwas rot ist, zieht es nicht automatisch unsere Blicke auf sich. Es kommt auch auf den Hintergrund, die Umgebung und andere Dinge an, die unsere Aufmerksamkeit erregen könnten. Die KI ist ausgezeichnet darin, diese Muster zu erkennen und entsprechende Heatmaps zu generieren. Zusammen mit den anderen Analysen sind die Vorhersagen unserer KI im Vergleich zu menschlichen Eye-Tracking-Daten zu 99 Prozent genau.
Schahab Hosseiny: Sowohl die 99 Prozent Genauigkeit als auch die 47 Prozent Uplift finde ich sehr beeindruckend. Sprechen wir etwas konkreter über die brainsuite. Es gibt auch andere Software-Service-Lösungen, die Brand Management anbieten. Was unterscheidet euch von anderen Marktteilnehmern?
Julia Saswito: Markenmanagement ist ein weites Feld – von Marketing Mix Modeling hin zu historischen Analysen. Wir unterscheiden uns dadurch von anderen, dass wir konkret das Werbemittel respektive die Umsetzung betrachten und unsere Vorhersagen auf Basis der Verarbeitungsprozesse im menschlichen Gehirn treffen und nicht auf Basis historischer Daten.
Im Machine-Learning-Bereich gibt es auch den Ansatz, sich beispielsweise die erfolgreichsten Werbespots der vergangenen 15 Jahre anzuschauen und daraus Regeln abzuleiten. Solche Muster lassen sich zwar erkennen, aber das muss nicht unbedingt eine Aussagekraft für die Zukunft haben und diese Muster können sich schnell ändern. Das menschliche Gehirn hingegen ändert sich nicht so schnell. Unsere Meinungen können sich ändern, aber nicht die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten.
Hinzu kommt, dass wir viele Kanäle nutzen. Normalerweise würde man Digital Social Ads mit einem Tool testen und Packaging Designs mit einem anderen. Unsere Suite hingegen ist ein One-Stop-Shop, der immer ähnlichen Prinzipien folgt und daher schnell einsetzbar und skalierbar ist.
Nicht zuletzt unterscheiden wir uns durch die Tiefe im Detail sowie die Breite der einzelnen Metriken, KPIs und Messungen. Es sind diese Details, auf die unsere Kund:innen angewiesen sind, um ihre Kampagnen zu verbessern. Man muss nicht immer jedes Detail nutzen, aber wenn etwas nicht funktioniert, möchte man in die Tiefe gehen können. Das hilft den Agentur- und Kreativteams, schnell eine gute Lösung zu finden.
Marketer sollten von einem Gehirn im Energiesparmodus ausgehen – So nehmen wir Werbung wahr
Schahab Hosseiny: Mich hast du auf jeden Fall überzeugt. Weil es solch ein spannendes Thema ist, würde ich gerne mehr darüber erfahren, welche Rolle das Thema Neuropsychologie bei euch spielt. Unsere Audience besteht hauptsächlich aus Online-Marketern, die sich höchstens im Studium mit dem Thema beschäftigt haben. Welche Rolle spielt das Thema Neuropsychologie bei der Entwicklung und Anwendung der brainsuite und warum war diese Verbindung für euch so wichtig? Ich kann mir vorstellen, dass ihr auch viel in Forschung und Entwicklung investiert, weil die Nähe zur Wissenschaft tief in eurer DNA verankert ist.
Julia Saswito: Letztlich bestimmt die Neuropsychologie, was wir sinnvollerweise messen sollten. Ich stelle das einmal schematisch dar, weil vielleicht nicht jede:r weiß, wie unser Gehirn in dieser Hinsicht funktioniert.
Damit im Gehirn ein Verarbeitungsprozess in Gang gesetzt wird, muss etwas unsere Aufmerksamkeit erregen und über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet werden. Nun ist das menschliche Gehirn relativ faul und macht aus Effizienzgründen vieles im Energiesparmodus, was Daniel Kahneman mit System 1 im Gegensatz zu System 2 beschrieben hat.
Anmerkung der Redaktion: Daniel Kahneman hat in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ beschrieben, dass unser Gehirn in zwei Systemen denken kann. Im System 1 denken wir schnell und mühelos über Routineaufgaben nach, basierend auf Intuition und Erfahrung. System 2 ist das bewusste, logische Denken, das langsamer ist und mehr Anstrengung erfordert.
Der Energiesparmodus und die intuitive Entscheidungsfindung mit System 1 sind in der Werbung entscheidend. Niemand konzentriert sich auf Werbung, weil sie niemanden wirklich interessiert, also muss sie möglichst einfach sein. Zurück zur Gehirnfunktion: Ist die Aufmerksamkeit erst einmal geweckt, versucht das Gehirn, den Sinn hinter der Information zu erkennen, sie einzuordnen und mit bereits vorhandenen Informationen zu verknüpfen. Dieser Vorgang muss sehr einfach sein, denn wenn er uns kognitiv zu sehr belastet, haben wir irgendwann keine Lust mehr und hören auf.
Im letzten Prozessschritt entscheiden wir dann, ob die Information für uns überhaupt relevant ist. Das kann der Fall sein, wenn uns Schönheit oder Reichtum versprochen werden, wenn unser Hunger auf Schokolade gestillt oder wenn uns in Aussicht gestellt wird, dass eine bestimmte Sorte Chips den Fußballabend perfekt macht. All dies geschieht innerhalb von Millisekunden und entscheidet darüber, ob wir auf eine Werbung reagieren oder nicht.
Die Neuropsychologie ermittelt die Faktoren, die dafür sorgen, dass diese einzelnen Prozessschritte optimal durchlaufen werden und die Verknüpfung zwischen Information und Marke reibungslos funktioniert. In diesem Bereich wird seit Jahrzehnten geforscht, aber die meisten Menschen lesen keine wissenschaftlichen Publikationen, bevor sie eine App entwickeln. So viel zum ersten Teil deiner Frage. Würdest du mich bitte an den zweiten Teil deiner Frage erinnern?
Schahab Hosseiny: Die zweite Frage hat sich auf die wissenschaftliche Nähe in eurer DNA bezogen und die Annahme, dass ihr viel in Forschung und Entwicklung investiert.
Julia Saswito: Absolut. Unser KI-Team verfolgt ständig die neuesten Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Veröffentlichungen in den Bereichen Neurowissenschaften und KI. Die Geschwindigkeit ist so hoch, dass wir ständig neu bewerten müssen, welche Modelle wir verwenden können. Beispielsweise erzielen Transformer heute deutlich bessere Ergebnisse als einfache neuronale Netze. Wir müssen frühzeitig die richtigen Entscheidungen treffen, damit wir unseren Kund:innen respektive deren Abteilungen die Arbeit abnehmen können.
So setzt PepsiCo die brainsuite ein, um die Kaufabsicht von Konsument:innen um bis zu 25 Prozent zu steigern
Schahab Hosseiny: Lass uns die Theorie abschließend und über konkrete Beispiele sprechen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich unsere Audience dafür interessiert, wie die brainsuite in der Praxis eingesetzt wird. Kannst du uns ein Beispiel aus der Praxis nennen?
Julia Saswito: Es gibt natürlich zahlreiche Beispiele von Kund:innen wie Henkel, PepsiCo, Anheuser-Busch oder aus dem Finance-Bereich. Ich fange damit an, wie die Anwendung konkret aussieht: Man lädt ein Werbemittel hoch, macht einige Angaben dazu (um welche Marke es sich handelt, was man damit ausdrücken möchte etc.) und markiert gegebenenfalls Bereiche, über die man mehr erfahren möchte. Innerhalb von zwei bis drei Minuten erhält man dann ein vollständiges Ergebnis mit mehr als zwanzig Metriken.
Wie das konkret im Unternehmen eingesetzt wird, erkläre ich anhand von PepsiCo, weil die das sehr hoch skaliert haben im Bereich Shopper Marketing. Das ist die komplette Kommunikation am Digital Point of Sale oder Digital Shelf, die sie mit ihren Kund:innen haben und wofür sie Millionen ausgeben. Auch bei PepsiCo wurde viel geschult, es gab zahlreiche Regeln, aber ihr Konzept war nicht konsistent.
Seit sie die brainsuite nutzen, können die Teams aus den 30 bis 35 Ländern ihre Werbemittel dort hochladen und zum Beispiel in der Frühphase nutzen, um aus mehreren Varianten eines Werbemittels die beste auszuwählen oder Optimierungspotenziale zu identifizieren. Nach der Optimierung kann man dann wieder die Wirksamkeit analysieren und auch messen, ob sich die Marke in Bezug auf ein bestimmtes Thema oder eine Region verbessert hat.
Die genauen Ergebnisse kann ich natürlich nicht verraten, aber solche neuen Methoden werden immer wieder überprüft. PepsiCo hat die brainsuite mit echter Konsumentenforschung getestet und herausgefunden, dass die optimierten Assets zu einer fünf bis 25 Prozent höheren Kaufabsicht geführt haben. Das bedeutet eine extreme Umsatzsteigerung und dass mit deutlich weniger Geld dasselbe Ergebnis erzielt wird.
Spannend im digitalen Marketing ist auch der Bereich Video und hier speziell Social-Media-Videos oder E-Commerce-Videos. Im Digitalen sind die Performancedaten sofort verfügbar und so kann man leicht die Korrelation zwischen einem hohen Score in unseren Metriken und dem tatsächlichen Klick- oder Kaufverhalten oder der Verweildauer erkennen.
Wir haben einen KPI namens Processing Ease, wo es darum geht, wie ein Asset aufgebaut ist, wie lesbar es ist und wie komplex die Elemente sind. Wenn man bei diesem KPI in den grünen Bereich kommt, sehen wir bis zu 115 Prozent mehr Verkäufe. Das ist ein unglaublicher Effekt, der ohne großen Aufwand zu erreichen ist.
Die ACE-Lösungen von aimpower: 0 % Vitamine, 100 % leistungsstarke KI-Pipelines
Schahab Hosseiny: Kannst du uns etwas über die ACE-Technologie auf der brainsuite-Plattform erzählen? Wie funktioniert sie, mit welchen technologischen Innovationen ist sie ausgestattet und wie setzt ihr die Technologie ein, um die Reaktionen von Kund:innen im Geschäftsumfeld zu antizipieren?
Julia Saswito: ACE ist der Name einer unserer Produktfamilien und steht für Agile Creative Evaluation. Das ist keine Technologie an sich, sondern eine Kombination verschiedener KI-Pipelines, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Eine Aufgabe ist etwa die Aufmerksamkeitsanalyse, von der ich vorhin gesprochen habe. Eine andere Pipeline macht eine Inhaltsanalyse und misst, ob das Werbemittel das transportiert, was man damit aussagen möchte. Wenn man zum Beispiel Nachhaltigkeit und Frische signalisieren möchte, analysiert die KI, ob man dafür die richtigen Codes verwendet – sowohl visuell als auch inhaltlich.
Dahinter steht ein riesiges Transformer-Netz, das mit über 400 Millionen Bild-Text-Paaren trainiert wurde, die aus Texten, Beschreibungen und Assoziationen realer Menschen entstanden sind. Dadurch hat das Netz ein semantisches Verständnis entwickelt, das etwa eine Rose nicht nur als Pflanze erkennt, sondern auch als Konzept und Symbol für Romantik, Liebe oder den Valentinstag.
Wenn Marketer nun ein Werbemittel mit einer Botschaft entwerfen, die beispielsweise mit Verführung, Liebe und Romantik zu tun hat, werden Bild und Text in zwei Vektoren verwandelt, die sich aus mehreren Dimensionen zusammensetzen. Messen wir den Abstand zwischen diesen beiden Vektoren, so hat dies eine hohe Vorhersagekraft für die menschliche Wahrnehmung und Assoziation.
Diese Dimension wird durch einfache Algorithmen ergänzt. Zum Beispiel muss der Text eines Werbemittels so kurz sein, dass er schnell erfasst werden kann, sonst kann die Botschaft nicht wahrgenommen werden. Aus der Forschung kennen wir die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit von Menschen, mit KI-Texterkennung können wir Wörter identifizieren und dann ermitteln, wie lange jemand für das Lesen eines Werbemittels benötigen würde. Das können wir dann in Relation setzen zur durchschnittlichen Verweildauer auf einem Social-Media-Video oder einem anderen Werbemittel, die wir ebenfalls aus Studien kennen.
Der dritte Teil der Technologie dreht sich um die Frage, wie man sie nutzbar macht – Stichwort UX. Die Herausforderung besteht darin, alles auf einer Plattform zu vereinen – inklusive Cloud-Services etc. – und skalierbar zu machen.
Schahab Hosseiny: Das ist wirklich komplex. Ihr habt ACE in kurzer Zeit in über 20 Ländern ausgerollt. Wie wichtig ist das Thema Expansion, plant ihr den Roll-out in weitere Länder und wie komplex sind die Roll-outs jeweils? Berücksichtigt ihr neben sprachlichen auch kulturelle Komponenten oder wie schafft ihr es, ACE so schnell auszurollen?
Julia Saswito: Im Moment versteht die brainsuite 22 Sprachen und es kommen ständig neue hinzu. Wenn ich mich nicht irre, sind wir mittlerweile in 40 Ländern verfügbar. Die Nutzung ist bei einer online verfügbaren SaaS-Plattform natürlich denkbar einfach und bedarf keiner langwierigen Implementierung im Unternehmen.
Was ich wichtig finde, ist nicht der technische Roll-out des Tools, sondern das Onboarding der Leute, die es tatsächlich nutzen. Wir schulen die Teams in den verschiedenen Ländern und machen die Mechanismen transparent, um Akzeptanz zu schaffen. Nach dem Roll-out prüfen wir dann, wie viel auf der Plattform getestet wird. Wenn viel getestet wird, können wir davon ausgehen, dass sie einen Mehrwert bietet.
Du hast auch die kulturellen Unterschiede angesprochen. Unabhängig von Herkunft und Nationalität haben alle Menschen die gleichen Gehirnstrukturen – schließlich könnten wir sonst nicht miteinander kommunizieren. Deshalb gibt es nur geringe Unterschiede in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen. Größere Unterschiede könnte man allerdings bei den Assoziationen vermuten.
Wir unterscheiden jedoch nicht nach kulturellen Hintergründen, da wir Vergleichsstudien insbesondere zwischen dem asiatischen, europäischen sowie dem amerikanischen Raum durchgeführt haben und keine signifikanten Unterschiede feststellen konnten. Insgesamt sind die Unterschiede so gering, dass es sich nicht lohnen würde, spezifische Daten zu beschaffen und damit zu trainieren.
Bei der Relevanz hingegen gibt es Unterschiede und deshalb berücksichtigen wir jeweils, was vor einem bestimmten kulturellen Hintergrund oder in einer bestimmten Zielgruppe relevant ist. Das System bekommt also ein Briefing, was relevant ist und was man mit einem Werbemittel erreichen will. Das wird sehr gut angenommen, auch wenn man es erst einmal erklären muss.
Wie geht es nach der erfolgreichen Finanzierungsrunde für aimpower weiter?
Schahab Hosseiny: Du hast recht: Die Welt verändert sich schnell, nicht aber das Gehirn. Ihr habt gerade eine erfolgreiche Finanzierungsrunde abgeschlossen – herzlichen Glückwunsch dazu. Werdet ihr das Geld nutzen, um das Wachstum von aimpower weiter voranzutreiben? Sicherlich gibt es bei der Entwicklung der brainsuite noch Herausforderungen zu meistern. Wie plant ihr das Geld einzusetzen und welche Features können eure Kund:innen möglicherweise erwarten?
Julia Saswito: Das Geld fließt natürlich erst einmal in das Produkt. Wir stehen gewissermaßen noch am Anfang und möchten noch mehr spezialisierte Tools anbieten, um perspektivisch alle Use Cases abdecken zu können. Bisher können wir mit unseren KIs zum Beispiel nicht den Einfluss von Musik messen, aber daran arbeiten wir. Gleichzeitig wollen wir die UX verbessern, damit unsere Tools noch schneller genutzt werden können.
Besonders wichtig ist uns außerdem, in unser Team zu investieren. Derzeit sind wir noch recht schlank aufgestellt, weil wir das Konzept erst einmal testen wollten. Wir sind bereits international aktiv, aber jetzt wollen wir unser Team insbesondere in den Bereichen Sales, Key Account Management sowie Marketing in den verschiedenen Regionen ausbauen.
Eine weitere Frage stellt sich generell im KI-Kosmos. Wir sind sowohl auf prädiktive als auch auf evaluative KI spezialisiert, aber der große Hype dreht sich derzeit um die generative KI. Die Frage ist, ob generative KI in der Lage sein könnte, selbstständig Werbung zu erstellen. Wir gehen davon aus, dass die generative KI auf die prädiktive KI angewiesen ist und investieren daher derzeit sehr viel in diesen Bereich. Mit unserem Input und Output wird die KI in Zukunft hoffentlich in der Lage sein, gute Inspirationen zu liefern. Ich sage bewusst nicht Vorschläge, denn auf Basis der Inspirationen müssen immer noch Menschen entscheiden, ob diese Sinn ergeben und zur Marke passen.
Was passiert mit den Daten, die Kund:innen mit aimpower verarbeiten?
Schahab Hosseiny: In Deutschland und der EU werden wir häufig mit dem Datenschutz konfrontiert. Wie stellt ihr den Schutz der Daten eurer Kund:innen sicher, damit deren wertvolle Informationen nicht beispielsweise von Konkurrenzunternehmen abgegriffen werden können?
Julia Saswito: In Bezug auf personenbezogene Daten arbeiten wir nach dem Prinzip der Datensparsamkeit und speichern Daten überwiegend zu dem Zweck, dass sich Nutzerinnen und Nutzer damit einloggen können. Für viele stellt sich derzeit auch die Frage, ob die Daten, mit denen sie die KIs füttern, für das Training anderer KIs verwendet werden. Wenn man sich zum Beispiel bei ChatGPT in der kostenlosen Version nicht für das Opt-out entscheidet, weiß man nicht genau, was mit den eingegebenen Daten passiert. Das ist bei uns völlig ausgeschlossen. Wir nutzen die Daten unserer Kund:innen nicht zum Training unserer Modelle.
Wir können allerdings die Daten unserer Kund:innen verwenden, um deren spezifische Tools zu verbessern oder anzupassen. Technisch sind dem aber enge Grenzen gesetzt, sodass sich niemand Sorgen machen muss, dass die eigenen Werbemittel in irgendeiner Form bei Konkurrenzunternehmen auftauchen.
Schahab Hosseiny: Ich kann also als Kund:in die KI selbst trainieren und sie anhand meiner Creatives lernen lassen, aber die Daten und Erkenntnisse werden nicht mit anderen geteilt. Wie sehen eure Pläne für die Weiterentwicklung der brainsuite aus? Kannst du uns verraten, welche neuen Features oder Erweiterungen ihr plant?
Julia Saswito: Wie gesagt beschäftigt uns die Verknüpfung mit generativer KI. Ein anderes spannendes Thema ist die Möglichkeit, aus der Aussage eines/einer Konsument:in automatisiert abzuleiten, wie die Person tatsächlich zu einem Produkt steht. Unternehmen haben aktuell das Problem, dass Konsument:innen ihre Produkte in Befragungen zwar als gut bewerten, weil sie in dem Moment darüber nachdenken. Das ist aber keine spontane Reaktion und spiegelt daher nicht das tatsächliche Kaufverhalten wider. Wenn man aber offene Fragen stellt – zum Beispiel „Was verbinden Sie mit dem Produkt?“ statt „Wie finden Sie das Produkt?“ – haben wir einen Weg gefunden, aus den Antworten auf den tatsächlichen Erfolg des Produktes zu schließen. Das haben wir bisher nicht ausgerollt, aber es wird mit Sicherheit einen großen Beitrag zur umsetzungsorientierten Werbemittelmessung leisten.
Überdies gibt es im Marketing viele Datenquellen und Cockpits, aber nur wenige Daten zu kreativen Werbewirkungskriterien. Die brainsuite hingegen liefert nicht nur Ergebnisse, sondern speichert auch Daten – wie ein kreatives Wirksamkeitsgedächtnis. Dieses Gedächtnis wiederum lässt sich mit Marktdaten verknüpfen, um völlig neue Modelle und Prognosen zu erstellen. In diesem Sinne arbeiten wir daran, neben dem Digital Consumer Brain auch ein Digital Creative Memory für Unternehmen aufzubauen.
Tipps für KI-Start-ups und das kostenlose Ausprobieren der brainsuite
Schahab Hosseiny: Spannend. Das wäre also eine Schnittstelle, über die man vorhandene Daten miteinander und mit anderen Systemen verknüpfen kann, um noch mehr Informationen zu erhalten.
Julia, das Thema KI wird derzeit viel diskutiert – insbesondere im Hinblick auf Compliance-Richtlinien und den AI Act (Anmerkung der Redaktion: Artificial Intelligence Act, ein Vorschlag der EU-Kommission für die weltweit erste Regulierung von Künstlicher Intelligenz) auf politischer Ebene. Hast du Tipps und Ratschläge für Start-ups und Unternehmen, die in der KI-Branche Fuß fassen wollen?
Julia Saswito: Jedes Start-up oder Unternehmen sollte sich auf das Problem konzentrieren, das es lösen will. KI ist kein Selbstzweck, sondern eines von vielen Werkzeugen. Wenn mit KI gearbeitet werden soll, würde ich Unternehmen jeder Größe raten, eine KI-Roadmap zu erstellen. Die KI-Roadmap beginnt mit der Frage, für welche Anwendungsfälle oder Probleme KI mit ihrer Schnelligkeit und Mustererkennung einen Mehrwert oder eine Lösung bietet. Wenn es einen Use Case gibt, bei dem KI alles schneller, besser und kostengünstiger macht, ist das eine gute Grundvoraussetzung.
Dann muss man sich überlegen, wie man an die relevanten Daten kommt, denn jede KI benötigt Daten zum Trainieren. Diese müssen so beschafft werden, dass man damit auch wirklich arbeiten kann. Darüber sollte man sich frühzeitig Gedanken machen, sonst können gut durchdachte Projekte an der mangelnden Datenverfügbarkeit scheitern. Vor allem aber würde ich kein KI-Start-up gründen, nur weil das Thema gerade gehypt wird.
Schahab Hosseiny: Das stimmt, insbesondere, weil der Wettbewerb nicht gerade gering ist. Stichwort beginning with the end in mind: Was ist die ganz große Vision für aimpower oder die brainsuite?
Julia Saswito: Die totale Demokratisierung von Insides sowie der Werbewirkungsanalyse. Das ist für alle wichtig und gerade kleine Unternehmen haben keine großen Budgets, da müssen die Kampagnen auf Anhieb funktionieren. Unsere Vision ist, dass aimpower ein Standard-Tool wird, das Marketern hilft, schneller und besser zu entscheiden und mehr Zeit zu haben – für Strategie, andere Themen oder sogar eine Vier-Tage-Woche.
Schahab Hosseiny: Wenn jemand das Tool einmal testen möchte, besteht die Möglichkeit eines Free Trials oder einer Free Demo? Wie würde das ablaufen?
Julia Saswito: Zuerst geht man auf aimpower oder mein LinkedIn-Profil und schreibt eine kurze Anfrage. Man erhält dann eine Free Demo und kann auch zwei oder drei Assets mitbringen, die wir uns dann gemeinsam anschauen, damit es wirklich greifbar wird. Wenn man danach noch mehr ausprobieren möchte, bieten wir die Discovery Phase an, in der man die brainsuite unbegrenzt und mit unbegrenzten Usern nutzen kann und herausfindet, ob das Tool zum Unternehmen passt und wie man es einsetzen möchte. Gerade bei KI finde ich es wichtig, die Anwendung in der Praxis auszuprobieren.
Schahab Hosseiny: Wir könnten bestimmt noch stundenlang über aimpower und KI diskutieren. Ich selbst komme aus dem Bereich des digitalen Marketings, wo mit großen Budgets gearbeitet und die Performance bis in die letzte Metrik gemessen wird. Weil aber die Expertise oder die entsprechenden Tools fehlen, werden die Creatives zu wenig durchleuchtet. Gerade im digitalen Marketing – aimpower deckt aber auch Bereiche wie Packaging ab – haben viele Marken Nachholbedarf.
Ich finde, ihr habt ein tolles Tool auf den Markt gebracht und freue mich schon, mehr von euch zu hören – zum Beispiel über die nächste Finanzierungsrunde oder Expansion. Aber jetzt erst einmal vielen Dank, Julia, ich habe unglaublich viel gelernt. Möchtest du zum Schluss noch etwas sagen? Ihr habt gerade eine Finanzierungsrunde abgeschlossen und KI-Unternehmen suchen eigentlich immer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, insbesondere im Bereich Data Crunching.
Julia Saswito: In der Tat suchen wir Mitarbeiter:innen und zwar in allen Bereichen – von Data Science über Machine Learning sowie Platform Development hin zu Marketing und Key Account Management. Wir expandieren und freuen uns total über Bewerbungen. Schaut einfach auf unserer Website nach oder meldet euch direkt bei mir. Als Unternehmen sind wir hauptsächlich remote oder hybrid – also extrem flexibel, was Arbeitsmodelle angeht. Wir haben aber auch Hubs in Deutschland, wo wir uns regelmäßig treffen. Wir sind alle sehr begeistert von dem Thema und es macht großen Spaß, in einem Bereich zu arbeiten, in dem sich gerade so viel bewegt. Wenn jemand mitmachen möchte, freuen wir uns über Bewerbungen.
Schahab Hosseiny: Herzlichen Dank und schöne Grüße nach Frankfurt.